Kitabı oku: «Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe», sayfa 17

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185. An Goethe.

Jena den 8. Juli 1796.

Da Sie mir das achte Buch noch eine Woche lassen können, so will ich mich in meinen Bemerkungen vor der Hand besonders auf dieses Buch einschränken; ist dann das Ganze einmal aus Ihren Händen in die weite Welt, so können wir uns mehr über die Form des Ganzen unterhalten, und Sie erweisen mir dann den Gegendienst, mein Urtheil zu rectificiren.

Vorzüglich sind es zwei Punkte, die ich Ihnen, vor der gänzlichen Abschließung des Buches, noch empfehlen möchte.

Der Roman, sowie er da ist, nähert sich in mehrern Stücken der Epopee, unter andern auch darin, daß er Maschinen hat, die in gewissem Sinne die Götter oder das regierende Schicksal darin vorstellen. Der Gegenstand forderte dieses. Meisters Lehrjahre sind keine bloß blinde Wirkung der Natur, sie sind eine Art von Experiment. Ein verborgen wirkender höherer Verstand, die Mächte des Thurms, begleiten ihn mit ihrer Aufmerksamkeit, und ohne die Natur in ihrem freien Gange zu stören, beobachten, leiten sie ihn von ferne und zu einem Zwecke, davon er selbst keine Ahnung hat, noch haben darf. So leise und locker auch dieser Einfluß von außen ist, so ist er doch wirklich da, und zu Erreichung des poetischen Zwecks war er unentbehrlich. Lehrjahre sind ein Verhältnißbegriff, sie fordern ihr Correlatum, die Meisterschaft, und zwar muß die Idee von dieser letzten jene erst erklären und begründen. Nun kann aber diese Idee der Meisterschaft, die nur das Werk der gereiften und vollendeten Erfahrung ist, den Helden des Romans nicht selbst leiten; sie kann und darf nicht, als sein Zweck und sein Ziel vor ihm stehen, denn sobald er das Ziel sich dächte, so hätte er es eo ipso auch erreicht; sie muß also als Führerin hinter ihm stehen. Auf diese Art erhält das Ganze eine schöne Zweckmäßigkeit, ohne daß der Held einen Zweck hätte; der Verstand findet also ein Geschäft ausgeführt, indeß die Einbildungskraft völlig ihre Freiheit behauptet.

Daß Sie aber auch selbst bei diesem Geschäfte, diesem Zweck – dem einzigen in dem ganzen Roman, der wirklich ausgesprochen wird, selbst bei dieser geheimen Führung Wilhelms durch Jarno und den Abbé, alles Schwere und Strenge vermieden, und die Motive dazu eher aus einer Grille, einer Menschlichkeit, als aus moralischen Quellen hergenommen haben, ist eine von den Ihnen eigensten Schönheiten. Der Begriff einer Maschinerie wird dadurch wieder aufgehoben, indem doch die Wirkung davon bleibt, und alles bleibt, was die Form betrifft, in den Grenzen der Natur; nur das Resultat ist mehr, als die bloße sich selbst überlassene Natur hätte leisten können.

Bei dem allen aber hätte ich doch gewünscht, daß Sie das Bedeutende dieser Maschinerie, die notwendige Beziehung derselben auf das innere Wesen, dem Leser ein wenig näher gelegt hätten. Dieser sollte doch immer klar in die Oekonomie des Ganzen blicken, wenn diese gleich den handelnden Personen verborgen bleiben muß. Viele Leser, fürchte ich, werden in jenem geheimen Einfluß bloß ein theatralisches Spiel und einen Kunstgriff zu finden glauben, um die Verwicklung zu vermehren, Überraschungen zu erregen u. dgl. Das achte Buch giebt nun zwar einen historischen Aufschluß über alle einzelnen Ereignisse, die durch jene Maschinerie gewirkt wurden, aber den ästhetischen Aufschluß über den innern Geist, über die poetische Nothwendigkeit jener Anstalten giebt es nicht befriedigend genug; auch ich selbst habe mich erst bei dem zweiten und dritten Lesen davon überzeugen können.

Wenn ich überhaupt an dem Ganzen noch etwas auszustellen hätte, so wäre es dieses: »daß bei dem großen und tiefen Ernste, der in allem einzelnen herrscht und durch den es so mächtig wirkt, die Einbildungskraft zu frei mit dem Ganzen zu spielen scheint.« – Mir däucht, daß Sie hier die freie Grazie der Bewegung etwas weiter getrieben haben, als sich mit dem poetischen Ernste verträgt, daß Sie über dem gerechten Abscheu vor allem schwerfälligen, methodischen und steifen sich dem andern Extrem genähert haben. Ich glaube zu bemerken, daß eine gewisse Condescendenz gegen die schwache Seite des Publicums Sie verleitet hat, einen mehr theatralischen Zweck und durch mehr theatralische Mittel, als bei einem Roman nöthig und billig ist, zu verfolgen.

Wenn je eine poetische Erzählung der Hülfe des wunderbaren und überraschenden entbehren konnte, so ist es Ihr Roman; und gar leicht kann einem solchen Werke schaden, was ihm nicht nützt. Es kann geschehen, daß die Aufmerksamkeit mehr auf das Zufällige geheftet wird, und daß das Interesse des Lesers sich consumirt, Räthsel aufzulösen, da es auf den innern Geist concentrirt bleiben sollte. Es kann geschehen, sage ich, und wissen wir nicht beide, daß es wirklich schon geschehen ist?

Es wäre also die Frage, ob jenem Fehler, wenn es einer ist, nicht noch im achten Buche zu begegnen wäre. Ohnehin träfe er nur die Darstellung der Idee; an der Idee selbst bleibt gar nichts zu wünschen übrig. Es wäre also bloß nöthig, dem Leser dasjenige etwas bedeutender zu machen, was er bis jetzt zu frivol behandelte, und jene theatralischen Vorfälle, die er nur als ein Spiel der Imagination ansehen mochte, durch eine deutlicher ausgesprochene Beziehung auf den höchsten Ernst des Gedichtes, auch vor der Vernunft zu legitimiren, wie es wohl implicite, aber nicht explicite geschehen ist. Der Abbé scheint mir diesen Auftrag recht gut besorgen zu können, und er wird dadurch auch sich selbst mehr zu empfehlen Gelegenheit haben. Vielleicht wäre es auch nicht überflüssig, wenn noch im achten Buch der nähern Veranlassung erwähnt würde, die Wilhelmen zu einem Gegenstand von des Abbé pädagogischen Planen machte. Diese Plane bekämen dadurch eine speciellere Beziehung, und Wilhelms Individuum würde für die Gesellschaft auch bedeutender erscheinen.

Sie haben in dem achten Buch verschiedene Winke hingeworfen, was Sie unter den Lehrjahren und der Meisterschaft gedacht wissen wollen. Da der Ideen-Inhalt eines Dichterwerks , vollends bei einem Publicum wie das unsrige, so vorzüglich in Betrachtung kommt und oft das einzige ist, dessen man sich nachher noch erinnert, so ist es von Bedeutung, daß Sie hier völlig begriffen werden. Die Winke sind sehr schön, nur nicht hinreichend scheinen sie mir. Sie wollten freilich den Leser mehr selbst finden lassen, als ihn geradezu belehren; aber eben weil Sie doch etwas heraussagen, so glaubt man, dieses sei nun auch alles, und so haben Sie Ihre Idee enger beschränkt, als wenn Sie es dem Leser ganz und gar überlassen hätten, sie herauszusuchen.

Wenn ich das Ziel, bei welchem Wilhelm nach einer langen Reihe von Verirrungen endlich anlangt, mit dürren Worten auszusprechen hätte, so würde ich sagen: »er tritt von einem leeren und unbestimmten Ideal in ein bestimmtes thätiges Leben, aber ohne die idealisirende Kraft dabei einzubüßen.« Die zwei entgegengesetzten Abwege von diesem glücklichen Zustand sind in dem Roman dargestellt, und zwar in allen möglichen Nuancen und Stufen. Von jener unglücklichen Expedition an, wo er ein Schauspiel aufführen will, ohne an den Inhalt gedacht zu haben, bis auf den Augenblick, wo er – Theresen zu seiner Gattin wählt, hat er gleichsam den ganzen Kreis der Menschheit einseitig durchlaufen; jene zwei Extreme sind die beiden höchsten Gegensätze, deren ein Charakter wie der seinige nur fähig ist, und daraus muß nun die Harmonie entspringen. Daß er nun, unter der schönen und heitern Führung der Natur (durch Felix) von dem idealischen zum reellen, von einem vagen Streben zum Handeln und zur Erkenntniß des wirklichen übergeht, ohne doch dasjenige dabei einzubüßen, was in jenem ersten strebenden Zustand reales war, daß er Bestimmtheit erlangt, ohne die schöne Bestimmbarkeit zu verlieren, daß er sich begrenzen lernt, aber in dieser Begrenzung selbst, durch die Form, wieder den Durchgang zum unendlichen findet u. s. f. – dieses nenne ich die Krise seines Lebens, das Ende seiner Lehrjahre, und dazu scheinen sich mir alle Anstalten in dem Werk auf das vollkommenste zu vereinigen. Das schöne Naturverhältniß zu seinem Kinde, und die Verbindung mit Nataliens edler Weiblichkeit garantiren diesen Zustand der geistigen Gesundheit, und wir sehen ihn, wir scheiden von ihm auf einem Wege, der zu einer endlosen Vollkommenheit führet.

Die Art nun, wie Sie sich über den Begriff der Lehrjahre und der Meisterschafterklären, scheint beiden eine engere Grenze zu setzen. Sie verstehen unter den ersten bloß den Irrthum, dasjenige außer sich zu suchen, was der innere Mensch selbst hervorbringen muß: unter der zweiten die Ueberzeugung von der Irrigkeit jenes Suchens, von der Nothwendigkeit des eignen Hervorbringens u. s. w. Aber läßt sich das ganze Leben Wilhelms, so wie es in dem Romane vor uns liegt, wirklich auch vollkommen unter diesem Begriffe fassen und erschöpfen? Wird durch diese Formel alles verständlich? Und kann er nun bloß dadurch, daß sich das Vaterherz bei ihm erklärt, wie am Schluß des siebenten Buchs geschieht, losgesprochen werden? Was ich also hier wünschte, wäre dieses, daß die Beziehung aller einzelnen Glieder des Romans auf jenen philosophischen Begriff noch etwas klarer gemacht würde. Ich möchte sagen, die Fabel ist vollkommen wahr; auch die Moral der Fabel ist vollkommen wahr; aber das Verhältniß der einen zu der andern springt noch nicht deutlich genug in die Augen.

Ich weiß nicht, ob ich mich bei diesen beiden Erinnerungen recht habe verständlich machen können; die Frage greift ins Ganze, und so ist es schwer, sie am einzelnen gehörig darzulegen. Ein Wink ist aber hier auch schon genug.

Ehe Sie mir das Exemplar der Xenien senden, so haben Sie doch die Güte, darin gerade auszustreichen, was Sie heraus wünschen, und zu unterstreichen, was Sie geändert wünschen. Ich kann dann eher meine Maßregeln nehmen, was noch zu thun ist.

Möchte doch für die kleinen lieblichen Gedichte, die Sie noch zum Almanach geben wollten, und zu dem in petto habenden Gedicht von Mignon noch Stimmung und Zeit sich finden! Der Glanz des Almanachs beruht eigentlich ganz auf Ihren Beiträgen. Ich lebe und webe jetzt wieder in der Kritik, um mir den Meister recht klar zu machen, und kann nicht viel mehr für den Almanach thun. Dann kommen die Wochen meiner Frau, die der poetischen Stimmung nicht günstig sein werden.

Sie empfiehlt sich Ihnen herzlich.

Leben Sie recht wohl. Sonntag Abends hoffe ich Ihnen wieder etwas zu sagen.

Sch.

Wollten Sie wohl so gütig sein und mir den fünften Band der großen Muratorischen Sammlung aus der Bibliothek in W. verschaffen?

Noch ein kleines Anliegen.

Ich möchte gern Ihren Kopf vor den neuen Musenalmanach setzen, und habe heute an Bolt in Berlin geschrieben, ob er diese Arbeit noch übernehmen kann. Nun wünschte ich ihn aber lieber nach einem Gemälde, als nach Lipsens Kupferstich, und frage an: ob Sie sich entschließen könnten, das Portrait von Meyer dazu herzugeben?

Wollten Sie dieses nicht gern aus der Hand lassen, so erlaubten Sie mir doch, daß ich es copiren ließe, wenn sich in Weimar ein erträglicher Maler dazu findet?

186. An Schiller.

Indem ich Ihnen, auf einem besondern Blatt, die einzelnen Stellen verzeichne, die ich nach Ihren Bemerkungen zu ändern und zu suppliren gedenke, so habe ich Ihnen für Ihren heutigen Brief den höchsten Dank zu sagen, indem Sie mich, durch die in demselben enthaltnen Erinnerungen, nöthigen auf die eigentliche Vollendung des Ganzen aufmerksam zu sein. Ich bitte Sie nicht abzulassen, um, ich möchte wohl sagen, mich aus meinen eignen Gränzen hinaus zu treiben. Der Fehler, den Sie mit Recht bemerken, kommt aus meiner innersten Natur, aus einem gewissen realistischen Tic, durch den ich meine Existenz, meine Handlungen, meine Schriften den Menschen aus den Augen zu rücken behaglich finde. So werde ich immer gerne incognito reisen, das geringere Kleid vor dem bessern wählen, und, in der Unterredung mit Fremden oder Halbbekannten, den unbedeutenden Gegenstand oder doch den weniger bedeutenden Ausdruck vorziehen, mich leichtsinniger betragen als ich bin, und mich so, ich möchte sagen, zwischen mich selbst und zwischen meine eigene Erscheinung stellen. Sie wissen recht gut, theils wie es ist, theils wie es zusammenhängt.

Nach dieser allgemeinen Beichte will ich gern zur besondern übergehn: daß ich ohne Ihren Antrieb und Anstoß, wider besser Wissen und Gewissen, mich auch dieser Eigenheit bei diesem Roman hätte hingehen lassen, welches denn doch, bei dem ungeheuern Aufwand, der darauf gemacht ist, unverzeihlich gewesen wäre, da alles das, was gefordert werden kann, theils so leicht zu erkennen, theils so bequem zu machen ist.

So läßt sich, wenn die frühe Aufmerksamkeit des Abbés auf Wilhelmen rein ausgesprochen wird, ein ganz eigenes Licht und geistiger Schein über das Ganze werfen, und doch habe ich es versäumt; kaum daß ich mich entschließen konnte, durch Wernern, etwas zu Gunsten seines Aeußerlichen zu sagen.

Ich hatte den Lehrbrief im siebenten Buch abgebrochen, in dem man bis jetzt nur wenige Denksprüche über Kunst und Kunstsinn liest. Die zweite Hälfte sollte bedeutende Worte über Leben und Lebenssinn enthalten, und ich hatte die schönste Gelegenheit, durch einen mündlichen Commentar des Abbés, die Ereignisse überhaupt, besonders aber die durch die Mächte des Thurms herbeigeführten Ereignisse zu erklären und zu legitimiren, und so jene Maschinerie von dem Verdacht eines kalten Romanbedürfnisses zu retten und ihr einen ästhetischen Werth zu geben, oder vielmehr ihren ästhetischen Werth ins Licht zu stellen. – Sie sehen daß ich mit Ihren Bemerkungen völlig einstimmig bin.

Es ist keine Frage daß die scheinbaren, von mir ausgesprochenen Resultate viel beschränkter sind als der Inhalt des Werks, und ich komme mir vor wie einer, der, nachdem er viele und große Zahlen über einander gestellt, endlich muthwillig selbst Additionsfehler machte, um die letzte Summe aus, Gott weiß, was für einer Grille, zu verringern.

Ich bin Ihnen, wie für so vieles, auch dafür den lebhaftesten Dank schuldig, daß Sie, noch zur rechten Zeit, auf so eine entschiedene Art, diese perverse Manier zur Sprache bringen und ich werde gewiß, insofern es mir möglich ist, Ihren gerechten Wünschen entgegen gehn. Ich darf den Inhalt Ihres Briefes nur selbst an die schicklichen Orte vertheilen, so ist der Sache schon geholfen. Und sollte mir’s ja begegnen, wie denn die menschlichen Verkehrtheiten unüberwindliche Hindernisse sind, daß mir doch die letzten bedeutenden Worte nicht aus der Brust wollten, so werde ich Sie bitten zuletzt, mit einigen kecken Pinselstrichen, das noch selbst hinzuzufügen, was ich, durch die sonderbarste Naturnothwendigkeit gebunden, nicht auszusprechen vermag. Fahren Sie diese Woche noch fort mich zu erinnern und zu beleben, ich will indeß für Cellini und wo möglich für den Almanach sorgen.

Weimar den 9. Juli 1796.

G.

187. An Schiller.

Die Xenien erhalten Sie mit meinem Gutachten zurück: die ernsthaften und wohlmeinenden sind gegenwärtig so mächtig, daß man denen Lumpenhunden, die angegriffen sind, mißgönnt, daß ihrer in so guter Gesellschaft erwähnt wird.

Wegen des Portraits sehe ich nicht, wie wir es machen wollen. Es ist niemand hier der es zu diesem Endzweck copiren könnte: das Original selbst wegzugeben ist allzugefährlich, auch ist Volt ein gefälliger aber, wie mir’s scheint, kein gründlicher Künstler. Wie wär’ es? Sie versparten Ihre freundschaftliche Absicht bis auf Meyers Zurückkunft, da wir denn in jedem Sinne etwas gutes erwarten können.

Grüßen Sie Ihre liebe Frau. Wollten Sie uns in dem Falle daß sich die Familie vermehrt, für die erste Zeit Carln herüberschicken, so würde er Augusten sehr willkommen sein und in Gesellschaft der vielen Kinder, die sich in meinem Hause und Garten versammeln, sich recht wohl befinden. Leben Sie wohl .

Weimar den 9. Juli 1796.

G.

Muratori folgt. Vieilleville werden Sie erhalten haben. Die Rechnung nächstens.

Durch verschiedne Einschränkungen wird die nächste Sendung Cellini auch nur drei gedruckte Bogen und einige Blätter .

188. An Goethe.

Jena den 9. Juli 1796.

Es ist mir sehr lieb zu hören, daß ich Ihnen meine Gedanken über jene zwei Punkte habe klar machen können und daß Sie Rücksicht darauf nehmen wollen. Das, was Sie Ihren realistischen Tic nennen, sollen Sie dabei gar nicht verläugnen. Auch das gehört zu Ihrer poetischen Individualität, und in den Grenzen von dieser müssen Sie ja bleiben! alle Schönheit in dem Werk muß Ihre Schönheit sein. Es kommt also bloß darauf an, aus dieser subjectiven Eigenheit einen objectiven Gewinn für das Werk zu ziehen, welches gewiß gelingt, sobald Sie wollen. Dem Inhalte nach muß in dem Werk alles liegen, was zu seiner Erklärung nöthig ist, und der Form nach muß es nothwendig darin liegen, der innere Zusammenhang muß es mit sich bringen – aber wie fest oder locker es zusammenhängen soll, darüber muß Ihre eigenste Natur entscheiden. Dem Leser würde es freilich bequemer sein, wenn Sie selbst ihm die Momente worauf es ankommt blank und baar zuzählten, daß er sie nur in Empfang zu nehmen brauchte: sicherlich aber hält es ihn bei dem Buche fester, und führt ihn öfter zu demselben zurück, wenn er sich selber helfen muß. Haben Sie also nur dafür gesorgt, daß er gewiß findet, wenn er mit gutem Willen und hellen Augen sucht, so ersparen Sie ihm ja das Suchen nicht. Das Resultat eines solchen Ganzen muß immer die eigene, freie, nur nicht willkürliche Production des Lesers sein: es muß eine Art von Belohnung bleiben, die nur dem würdigen zu Theil wird, indem sie dem unwürdigen sich entziehet.

Ich will, um es nicht zu vergessen, noch einige Erinnerungen hersetzen, worauf ich, in Rücksicht auf jene geheime Maschinerie, zu achten bitte. 1) Man wird wissen wollen, zu welchem Ende der Abbé oder sein Helfershelfer den Geist des alten Hamlet spielt. 2) Daß der Schleier mit dem Zettelchen »Flieh, flieh etc.« zweimal erwähnt wird, erregt Erwartungen, daß diese Erfindung zu keinem unbedeutenden Zwecke diene. Warum, möchte man fragen, treibt man Wilhelmen von der Einen Seite von dem Theater, da man ihm doch von der andern zur Aufführung seines Lieblingsstücks und zu seinem Debüt behülflich ist? Man erwartet auf diese zwei Fragen eine mehr specielle Antwort, als Jarno bis jetzt gegeben hat. 3) Möchte man wohl auch gerne wissen, ob der Abbé und seine Freunde, vor der Erscheinung Werners im Schlosse, schon gewußt, daß sie es bei dem Gutskauf mit einem so genauen Freund und Verwandten zu thun haben? ihrem Benehmen nach scheint es fast so, und so wundert man sich wieder über das Geheimniß, das sie Wilhelmen daraus gemacht haben. 4) Wäre doch zu wünschen, daß man die Quelle erführe, aus welcher der Abbé die Nachrichten von Theresens Abkunft schöpfte, besonders da es doch etwas befremdet, daß dieser wichtige Umstand so genau dabei interessirten Personen und die sonst so gut bedient sind, bis auf den Moment, wo der Dichter ihn braucht, hat ein Geheimniß bleiben können.

Es ist wohl ein bloßer Zufall, daß die zweite Hälfte des Lehrbriefs weggeblieben ist, aber ein geschickter Gebrauch des Zufalls bringt in der Kunst, wie im Leben, oft das trefflichste hervor. Mir däucht, diese zweite Hälfte des Lehrbriefs könnte im achten Buch, an einer weit bedeutenderen Stelle und mit ganz andern Vortheilen nachgebracht werden. Die Ereignisse sind unterdessen vorwärts gerückt: Wilhelm selbst hat sich mehr entwickelt: er sowohl als der Leser sind auf jene praktischen Resultate über das Leben und den Lebensgebrauch weit besser vorbereitet; auch der Saal der Vergangenheit und Nataliens nähere Bekanntschaft können eine günstigere Stimmung dazu herbeigeführt haben. Ich riethe deßwegen sehr, jene Hälfte des Lehrbriefs ja nicht wegzulassen, sondern wo möglich den philosophischen Inhalt des Werkes – deutlicher oder versteckter – darin niederzulegen. Ohnehin kann, bei einem Publicum wie nun einmal das deutsche ist, zu Rechtfertigung einer Absicht, und hier namentlich noch zu Rechtfertigung des Titels, der vor dem Buche steht und jene Absicht deutlich ausspricht, nie zu viel geschehen.

Zu meiner nicht geringen Zufriedenheit habe ich in dem achten Buche auch ein paar Zeilen gefunden, die gegen die Metaphysik Fronte machen, und auf das speculative Bedürfniß im Menschen Beziehung haben. Nur etwas schmal und klein ist das Almosen ausgefallen, das Sie der armen Göttin reichen, und ich weiß nicht, ob man Sie mit dieser kargen Gabe quittiren kann. Sie werden wohl wissen, von welcher Stelle ich hier rede, denn ich glaube es ihr anzusehen, daß sie mit vielem Bedacht darein gekommen ist.

Ich gestehe es, es ist etwas stark, in unserm speculativischen Zeitalter einen Roman von diesem Inhalt und von diesem weiten Umfang zu schreiben, worin »das einzige was Noth ist« so leise abgeführt wird – einen so sentimentalischen Charakter, wie Wilhelm doch immer bleibt, seine Lehrjahre ohne Hülfe jener würdigen Führerin vollenden zu lassen. Das schlimmste ist, daß er sie wirklich in allem Ernste vollendet, welches von der Wichtigkeit jener Führerin eben nicht die beste Meinung erweckt.

Aber im Ernste – woher mag es kommen, daß Sie einen Menschen haben erziehen und fertig machen können, ohne auf Bedürfnisse zu stoßen, denen die Philosophie nur begegnen kann? Ich bin überzeugt, daß dieses bloß der ästhetischen Richtung zuzuschreiben ist, die Sie in dem ganzen Romane genommen. Innerhalb der ästhetischen Geistesstimmung regt sich kein Bedürfniß nach jenen Trostgründen, die aus der Speculation geschöpft werden müssen; sie hat Selbstständigkeit, Unendlichkeit in sich; nur wenn sich das Sinnliche und das Moralische im Menschen feindlich entgegen streben, muß bei der reinen Vernunft Hülfe gesucht werden. Die gesunde und schöne Natur braucht, wie Sie selbst sagen, keine Moral, kein Naturrecht, keine politische Metaphysik: Sie hätten eben so gut auch hinzusetzen können, sie braucht keine Gottheit, keine Unsterblichkeit um sich zu stützen und zu halten. Jene drei Punkte, um die zuletzt alle Speculation sich dreht, geben einem sinnlich ausgebildeten Gemüth zwar Stoff zu einem poetischen Spiel, aber sie können nie zu ernstlichen Angelegenheiten und Bedürfnissen werden.

Das einzige könnte man vielleicht noch dagegen erinnern, daß unser Freund jene ästhetische Freiheit noch nicht so ganz besitzt, die ihn vollkommen sicher stellte, in gewisse Verlegenheiten nie zu gerathen, gewisser Hülfsmittel (der Speculation) nie zu bedürfen. Ihm fehlt es nicht an einem gewissen philosophischen Hange , der allen sentimentalen Naturen eigen ist, und käme er also einmal ins Speculative hinein, so möchte es bei diesem Mangel eines philosophischen Fundaments, bedenklich um ihn stehen: denn nur die Philosophie kann das Philosophiren unschädlich machen: ohne sie führt es unausbleiblich zum Mysticism. (Die Stiftsdame selbst ist ein Beweis dafür. Ein gewisser ästhetischer Mangel machte ihr die Speculation zum Bedürfniß, und sie verirrte zur Herrenhuterei, weil ihr die Philosophie nicht zu Hülfe kam; als Mann hätte sie vielleicht alle Irrgänge der Metaphysik durchwandert.)

Nun ergeht aber die Forderung an Sie (der Sie auch sonst überall ein so hohes Genüge gethan), Ihren Zögling mit vollkommener Selbstständigkeit, Sicherheit, Freiheit und gleichsam architektonischer Festigkeit so hinzustellen, wie er ewig stehen kann, ohne einer äußern Stütze zu bedürfen; man will ihn also durch eine ästhetische Reife auch selbst über das Bedürfniß einer philosophischen Bildung, die er sich nicht gegeben hat, vollkommen hinweggesetzt sehen. Es fragt sich jetzt: ist er Realist genug, um nie nöthig zu haben, sich an der reinen Vernunft zu halten? Ist er es aber nicht – sollte für die Bedürfnisse des Idealisten nicht etwas mehr gesorgt sein?

Sie werden vielleicht denken, daß ich bloß einen künstlichen Umweg nehme, um Sie doch in die Philosophie hineinzutreiben; aber was ich noch etwa vermisse, kann sicherlich auch in Ihrer Form vollkommen gut abgethan werden. Mein Wunsch geht bloß dahin, daß Sie die Materien quaestionis nicht umgehen, sondern ganz auf Ihre Weise lösen möchten. Was bei Ihnen selbst alles speculative Wissen ersetzt, und alle Bedürfnisse dazu Ihnen fremd macht, wird auch bei Meistern vollkommen genug sein. Sie haben den Oheim schon sehr vieles sagen lassen, und auch Meister berührt den Punkt einigemal sehr glücklich; es wäre also nicht so gar viel mehr zu thun. Könnte ich nur in Ihre Denkweise dasjenige einkleiden, was ich im Reich der Schatten und in den ästhetischen Briefen, der meinigen gemäß, ausgesprochen habe, so wollten wir sehr bald einig sein.

Was Sie über Wilhelms Aeußerliches Wernern in den Mund gelegt, ist von ungemein guter Wirkung für das Ganze. Es ist mir eingefallen , ob Sie den Grafen, der am Ende des achten Buches erscheint, nicht auch dazu nutzen könnten, Wilhelmen zu völligen Ehren zu bringen. Wie, wenn der Graf, der Ceremonienmeister des Romans, ihn durch sein achtungsvolles Betragen und durch eine gewisse Art der Behandlung, die ich Ihnen nicht näher zu bezeichnen brauche, ihn auf einmal aus seinem Stande heraus in einen höheren stellte, und ihm dadurch auf gewisse Art den noch fehlenden Adel ertheilte? Gewiß, wenn selbst der Graf ihn distinguirte, so wäre das Werk gethan.

Ueber Wilhelms Benehmen im Saal der Vergangenheit, wenn er diesen zum erstenmal mit Natalien betritt, habe ich noch eine Erinnerung zu machen. Er ist mir hier noch zu sehr der alte Wilhelm, der im Hause des Großvaters am liebsten bei dem kranken Königssohn verweilte, und den der Fremde, im ersten Buch, auf einem so unrechten Wege findet. Auch noch jetzt bleibt er fast ausschließend bei dem bloßen Stoff der Kunstwerke stehen und poetisirt mir zu sehr damit. Wäre hier nicht der Ort gewesen, den Anfang einer glücklicheren Krise bei ihm zu zeigen, ihn zwar nicht als Kenner, denn das ist unmöglich, aber doch als einen mehr objectiven Betrachter darzustellen, so daß etwa ein Freund, wie unser Meyer, Hoffnung von ihm fassen könnte?

Sie haben Jarno schon im siebenten Buche so glücklich dazu gebraucht, durch seine harte und trockene Manier eine Wahrheit heraus zu sagen, die den Helden so wie den Leser auf einmal um einen großen Schritt weiter bringt: ich meine die Stelle, wo er Wilhelmen das Talent zum Schauspieler rund weg abspricht. Nun ist mir beigefallen, ob er ihm nicht in Rücksicht auf Theresen und Natalien einen ähnlichen Dienst, mit gleich gutem Erfolg für das Ganze, leisten könnte. Jarno scheint mir der rechte Mann zu sein, Wilhelmen zu sagen, daß Therese ihn nicht glücklich machen könne , und ihm einen Wink zu geben, welcher weibliche Charakter für ihn tauge. Solche einzelne dürrgesprochene Worte, im rechten Moment gesagt, entbinden auf einmal den Leser von einer schweren Last, und wirken wie ein Blitz, der die ganze Scene erleuchtet .

Montag {11. Juli} früh.

Ein Besuch hinderte mich gestern diesen Brief abzusenden. Heute kann ich nichts mehr hinzusetzen, da es zu unruhig bei mir zugeht. Meine Frau ist ihrer Niederkunft nahe und Starke vermuthet sie schon heute. Für Ihr freundschaftliches Anerbieten, den Karl zu sich zu nehmen, danken wir Ihnen herzlich. Er ist uns nicht zur Last, da wir einige Personen mehr zur Bedienung angenommen und die Disposition mit den Zimmern gemacht haben, daß er nicht stört. Für Vieilleville und Muratori danke ich Ihnen bestens. Schlegel ist mit seiner Frau wieder hier angekommen: die kleine Paulus ist eilig nach Schwaben abgereist, ihre kranke Mutter zu besuchen. Leben Sie recht wohl. Auf den Mittwoch hoffe ich Ihnen mit erleichtertem Herzen weitere Nachricht zu geben.

Sch.

Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
13 kasım 2024
Hacim:
1121 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9788027211739
Yayıncı:
Telif hakkı:
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