Kitabı oku: «Zeuge und Aussagepsychologie», sayfa 10
9. BGH- Rechtsprechung zur Entstehungsgeschichte im Familienverfahren
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• BGH [2 StR 478/18] | Berücksichtigung der Aussage im Familienverfahren im Rahmen der Aussagegenese |
IV. Gutachteneinholung
1. Zur Beurteilung der Aussagekompetenz
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Im Nachfolgenden wird die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Beurteilung der Aussagekompetenz dargestellt. Es geht um die Frage, wann sich das Gericht auf die eigene Sachkunde berufen kann und wann es der Gutachteneinholung durch einen Psychiater bzw. Aussagepsychologen bedarf.
a) Eigene Sachkunde des Gerichts
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Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen ist die ureigenste Aufgabe des Tatrichters.[457] Aussagepsychologische Fragen stellen keine abgelegene Materie dar.[458]
Auch bei kindlichen Zeugen ist in der Regel die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens nicht erforderlich, denn nicht nur die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen Erwachsener, sondern auch von kindlichen und jugendlichen Zeugenaussagen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters.[459] Dabei darf sich vor allem eine erfahrene Jugendschutzkammer – nach BGH[460] –, die Aussagebeurteilung in aller Regel auch bei Angaben zu Taten in der frühen Kindheit des Zeugen zutrauen.
Auch jugendliches Alter und Drogenabhängigkeit begründen weder jeweils für sich noch in einer Gesamtschau die Notwendigkeit, einen aussagepsychologischen oder gar einen psychiatrischen Sachverständigen hinzuzuziehen.[461]
b) Hinzuziehung eines Sachverständigen
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Welche besonderen Umstände es notwendig machen, dass der Tatrichter sich bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen sachverständiger Hilfe bedient, entzieht sich weitgehend generalisierender Festlegung, sondern ist stets fallbezogen zu entscheiden.[462] Die Begutachtung erwachsener Zeugen ist eher die Ausnahme. Ein Anlass kann die Frage sein, ob der Zeuge aussagetüchtig ist – er also zutreffend wahrnehmen und sich erinnern und das Erinnerte zutreffend wiedergeben kann.
Die Rechtsprechung fordert in einem besonderen Fall, dass sich der Tatrichter sachverständiger Hilfe bedienen muss und sich nicht auf seine möglicherweise nicht ausreichende eigene Sachkunde verlassen darf.
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Besonderer Fall. Ein besonderer Fall liegt vor, wenn der Sachverhalt solche Besonderheiten aufweist, dass Zweifel aufkommen können, ob die Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den gegebenen besonderen Umständen ausreicht[463], so – nach BVerfG – wenn Fallparallelen im sozialen Nahbereich, psychische Auffälligkeiten oder suggestive Befragungen durch mehrere Verwandte vorliegen.
Nach BGH kann eine Gutachteneinholung z.B. dann erforderlich sein[464]
• | bei möglicher Übertragung oder bei Bemühen um Aufmerksamkeit[465], |
• | wenn sich der Zeuge erst aufgrund einer Hypnose erinnert[466], |
• | er unter einer Depression leidet und neurotische Angst hat[467], |
• | bei zum Zeitpunkt der Anzeigenerstattung bestehendem Vertrauensverhältnis des Zeugen zu dem von ihm Beschuldigten[468], |
• | bei langjährigem Drogenkonsum und akuter Intoxikation zur Tatzeit[469], |
• | bei Gehirnschwund aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses[470], Beeinträchtigung der Erinnerungsfähigkeit durch die Auswirkungen von Alkohol und bestimmten Medikamenten[471], |
• | bei in Folge fortschreitender alkoholischer Beeinträchtigung der psychischen und physischen Leistungsfähigkeit zur Frage hinreichender Fähigkeit, die Tatbeiträge wahrzunehmen und sich später an diese auch im Detail zu erinnern[472], |
• | bei Einschränkung der Erinnerungsfähigkeit aus psychodiagnostisch erfassbaren Gründen[473], |
• | bei besonderen psychischen Dispositionen oder Belastungen (auch aus dem verfahrensgegenständlichen Geschehen) und „die Feststellung solcher Faktoren und ihrer möglichen Einflüsse auf den Aussageinhalt eine besondere wissenschaftlich fundierte Sachkunde erforderlich ist“, über die der Tatrichter nicht verfügt[474], |
• | bei dissozialer Persönlichkeitsstörung und in psychiatrischen Einrichtungen untergebrachten und im Aussageverhalten auffälligen Zeugen.[475] |
Zutreffend weist Eschelbach[476] daraufhin: „Worin die ‚besonderen Umstände‘ liegen, die wegen der Aufklärungspflicht zur Gutachteneinholung zwingen, ist unklar, in der Rechtsprechung nur kasuistisch erschlossen und von vielen Zufallen abhängig, nicht zuletzt vom tatsächlichen Bekanntwerden der ‚besonderen‘ Umstände.“
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Detailarmut. Fehlen detaillierte Angaben des Zeugen im Ermittlungsverfahren oder einer markanten und unverdächtigen Offenbarungssituation, ist die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens naheliegend.[477]
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Suggestive Befragungen. Für die Frage, ob ein Glaubhaftigkeitsgutachten einzuholen ist, können – nach BGH[478] – folgende Gesichtspunkte eine Rolle spielen:
• | intensive und (teils) suggestive Befragungen durch Bezugspersonen des Kindes, |
• | der Zeuge ist von geringem Alter, |
• | zwischen den behaupteten Taten und deren Offenbarung ist mehr als ein Jahr vergangen, |
• | der Zeuge wird beim „Doktorspiel“ erwischt, |
• | Verwendung der kindlichen Aussagen im Sorgerechtsstreit. Entscheidend ist immer die Beurteilung im konkreten Fall. |
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Anderweitige Falschbelastung. Der BGH hat in einem Fall, in dem sich die Zeugin in einer vor dem Tatzeitraum beginnenden, in diesen hineinreichenden und sich später wieder fortsetzenden psychotherapeutischen Behandlung befand, wenige Monate nach der Anzeigeerstattung einen Suizidversuch unternahm und einen Jungen absichtlich der Vergewaltigung falsch belastete, die eigene Sachkunde des Gerichts verneint.[479]
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Islamischer Kulturkreis. Aus Sicht des BGH ist die Aufklärung des sozio-kulturellen Hintergrunds zur Beurteilung der Zeugenaussage mittels eines Glaubhaftigkeitsgutachtens nicht notwendig, da „die Bedeutung der sexuellen Unberührtheit im türkisch-islamischen Kulturkreis inzwischen jedem mit Sexualdelikten zum Nachteil von Türkinnen befaßten Gericht bekannt ist“.[480]
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Psychische Auffälligkeiten. Bei psychischen Auffälligkeiten muss im Einzelnen beschrieben werden, ob und wie sie sich konkret auf die Aussagefähigkeit ausgewirkt haben können.[481]
Geistig behinderte Zeugen, deren dauerhafte Beeinträchtigung auf einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen hirnorganischen Prozess zurückgeht, sind nicht stets auch psychiatrisch zu begutachten. Vielmehr ist das eine Frage des Einzelfalles und der jeweiligen Umstände.[482] Eine geistige Behinderung allein belegt nicht die Annahme der Widerstandsunfähigkeit[483], vielmehr ist ein psychiatrisches Gutachten zur Schwere der geistigen Behinderung und deren Auswirkungen auf die Widerstandsunfähigkeit einzuholen.[484] In einem Fall hatte die Zeugin über frühere Phantasien berichtet, einen Suizidversuch zu unternehmen. Bei ihr wurde eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung des impulsiven Typs diagnostiziert und sie hat sich bereits vor der Anzeige in therapeutischer Behandlung befunden. In einem solchen Fall reicht die eigene Sachkunde der Kammer nicht aus. [485]
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Psychische Vorerkrankungen. Psychische Vorerkrankungen haben in einem Fall zur sachverständigen Beratung durch Psychiater und Psychologen als sachverständige Zeugen (Behandler) geführt.[486]
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Borderline-Persönlichkeitsstörung – Selbstverletzendes Verhalten. Selbstverletzendes Verhalten kann Ausdruck einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sein[487] und kann damit Auswirkungen auf die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage haben.
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Schizophrene Psychose. Wenn bei dem Zeugen eine schizophrene Psychose bereits im Tatzeitraum vorgelegen hat, können sich krankheitsbedingte Realitätsverkennungen auf die Wahrnehmungsfähigkeit während des Geschehens ausgewirkt und den Inhalt seiner Aussagen beeinflusst haben. Dann reicht die eigene Sachkunde des Gerichts nicht aus.[488]
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Dissoziationsstörung. Hat sich diese erst nach der Tat und Tatoffenbarung manifestiert und die Klärung eines wahnhaften Erlebens, wie auch um eine „krisenhafte Zuspitzung des psychischen Zustandes“, hat das Gericht Sachverständige und sachverständige Zeugen (Therapeuten) vernommen.[489]
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Paranoide Persönlichkeitsstörung. Der BGH stellt klar, dass die Diagnose einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und deren Auswirkungen auf die Aussagetüchtigkeit spezifisches Fachwissen erfordert.[490]
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Narzisstische Selbstdarstellung. Intensive gedankliche Befassung mit fiktiven Ereignissen und bestätigende Gespräche können zu einer Gedächtnistäuschung führen.[491]
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Schädelhirntrauma. Für die Frage, ob sich ein noch nicht lange zurückliegendes, schwerwiegendes Schädelhirntrauma auf die Zeugentüchtigkeit auswirken kann, reicht die eigene Sachkunde von Richtern regelmäßig nicht aus. Für ein schweres Trauma kann die lange Dauer eines komatösen Zustandes sprechen.[492]
Sind nach der Einschätzung des Sachverständigen wegen des Zeitablaufs keine Erkenntnisse mehr zu erwarten, kann es ausreichen, dass er sich über wissenschaftliche Erfahrungssätze im Hinblick auf den Zusammenhang von Schädel-Hirn-Verletzungen und Zeugentüchtigkeit äußert. Unter Umständen wird der Sachverständige – die Zustimmung des Zeugen vorausgesetzt – auch Aufschlüsse aus den Unterlagen über die ärztliche Behandlung gewinnen können.[493]
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Sachverständiger im ersten Durchgang. In einem Fall ging es darum, dass ein psychologischer Sachverständiger vor der zuerst erkennenden Strafkammer zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Zeugentüchtigkeit, das Aussageverhalten und der Motivationshintergrund keine Anhaltspunkte böten, „an der Annahme dieser Realitätshypothese erhebliche Zweifel“ zu begründen. Dem hatte sich der erste Tatrichter angeschlossen, was dem vom letzten Tatrichter gewonnenen Ergebnis diametral entgegenstand; allerdings hatte die Zeugin inzwischen Aussagen gemacht, die in ihren früheren Angaben nicht enthalten waren (…). Bei solcher Fallgestaltung lag es – nach BGH[494] – nahe, den psychologischen Sachverständigen oder einen anderen Sachverständigen, der dessen Erkenntnisse zu berücksichtigen gehabt hätte, zu hören.
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Beschuldigter – Aussagefähigkeit. Der BGH hat die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens in einem Fall als sachgerecht erachtet, in dem bei dem „Angeklagten eine Minderbegabung mit psychosozialer und psychosexueller Retardierung“ bestand und er seine im Ermittlungsverfahren abgegebenen Geständnisse in der Hauptverhandlung widerrufen hat, um die Glaubhaftigkeit der Geständnisse bzw. des Widerrufs und der Angaben in der Hauptverhandlung verlässlich prüfen zu können.
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Beschuldigter – Berücksichtigung der besonderen Haftsituation. In einem anderen Fall ist der BGH von der Sachkunde der Schwurgerichtskammer ausgegangen, um die Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei über seine Vorstellungen vor und während des Tatgeschehens auf ihre Glaubhaftigkeit zu überprüfen: „Auch bei Berücksichtigung der besonderen Haftverhältnisse mit ihren einschneidenden Beschränkungen, denen der Angeklagte bis zu seiner polizeilichen Vernehmung unterlag, war keine derartige Ausnahmesituation gegeben, dass für deren Beurteilung die Sachkunde des Gerichts nicht ausgereicht hätte und der Beistand eines psychologischen Sachverständigen erforderlich gewesen wäre.“[495]
c) Auswahl des Sachverständigen
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In Entscheidungen aus dem Jahr 1996 hat der BGH es noch dem Tatrichter überlassen, ob er für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen einen Psychologen oder Psychiater beauftragt.
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Psychiater. Die Beurteilung geistiger Erkrankungen obliegt nach gefestigter Rechtsprechung des BGH dem Psychiater:
• BGH [1 StR 498/04] | Tatrichterliche Überprüfung von Anhaltspunkten |
• BGH [1 StR 284/04] | Geistige Erkrankung oder aktuelle psychopathologische Ursachen, die Einfluss auf die Glaubhaftigkeit der Aussage haben |
• BGH [1 StR 5/02] | Aktuelle psychopathologische Ursachen |
• BGH [1 StR 416/96][496] | Geistige Erkrankung |
• BGH [4 StR 764/94][497] | |
• BGH [1 StR 896/92][498] |
Dieser Grundsatz ist noch einmal in der Entscheidung des 1. Strafsenates [1 StR 5/02][499] wiederholt worden: „Der besonderen Sachkunde eines Psychiaters bedarf es allenfalls dann, wenn die Zeugentüchtigkeit dadurch in Frage gestellt ist, daß der Zeuge an einer geistigen Erkrankung leidet oder sonst Hinweise darauf vorliegen, daß die Zeugentüchtigkeit durch aktuelle psychopathologische Ursachen beeinträchtigt sein kann. Die Beurteilung solcher krankhaften Zustände setzt besondere medizinische Fachkenntnisse voraus (vgl. BGHSt 23, 8, 12 f.; BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Glaubwürdigkeitsgutachten 4; Steller/Volbert, Praxis der Rechtspsychologie, Sonderheft 1, November 2000, S. 102, 112 ff.).“
Die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zur Aussagetüchtigkeit kann genügen, wenn die Aussagetüchtigkeit nicht beeinträchtigt ist.[500]
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Aussagepsychologe. Der Aussagepsychologe ist hinzuzuziehen bei der Beurteilung des Zustandekommens der Aussage, also zur Beurteilung normalpsychologischer Varianten der Aussagekompetenz.[501]
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Hinzuziehung eines Psychologen als weiteren Sachverständigen. Geht es um Auffälligkeiten in der Person des Zeugen, die keinen Einfluss auf dessen Zeugenkompetenz haben, „kann der Tatrichter davon absehen, einen Psychologen als weiteren Sachverständigen zur Glaubwürdigkeit des erwachsenen Zeugen zu hören“[502]. Hiervon abweichend hat der BGH[503] aber in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2002 es dem Tatrichter überlassen, ob bei einer persönlichkeitsgestörten Zeugin ein Jugendpsychiater oder ein Aussagepsychologe hinzuzuziehen ist.
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Therapeut kann nicht Sachverständiger sein. Ist der Zeuge in therapeutischer Behandlung, genügt die Stellungnahme des behandelnden Psychiaters und Psychologen nicht, da im Rahmen der Therapie ihres Patienten im Vordergrund ihrer Aufgabe nicht die Frage des Wahrheitsgehalts der Äußerungen des Patienten steht, sondern die Behandlung etwa einer Persönlichkeitsstörung, „um die Minderung subjektiv empfundenen Leidensdrucks und um Verhaltensänderungen (vgl. dazu nur BGH 1 StR 40/02). Überdies steht einem als Zeugen vernommenen, früher behandelnden Therapeuten regelmäßig nicht diejenige umfassende Erkenntnisgrundlage zur Verfügung, die einem das Gericht beratenden Sachverständigen zugänglich ist. Diesem liegen regelmäßig auch die Strafakten mit allen bis dahin angefallenen Ermittlungsergebnissen offen; er wird zumeist an der Beweisaufnahme teilnehmen und den Zeugen im Falle von dessen Einverständnis auch explorieren, vor allem aber seine Bewertung gezielt und allein im Blick auf den Wahrheitsgehalt der Aussage vornehmen“[504].
Zu Pseudoerinnerungen im Rahmen der Therapie hat der BGH entschieden [2 StR 455/14][505]: „Geht ein Psychotherapeut davon aus, dass den Beschwerden einer Patientin verdrängte Erinnerungen zugrunde liegen, kann die Therapie[506] im Versuch der Rückgewinnung solcher Erinnerungen bestehen. Wenn dabei auch nach sexuellem Missbrauch geforscht wird, kann eine Scheinerinnerung daran entstehen (vgl. Köhnken in Müller/Schlothauer [Hrsg.], Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. § 61 Rn. 24; Mack Kriminalistik 2014, 459, 461; Steller NJW-Sonderheft für G. Schäfer, 2002, S. 69, 70; Volbert Beurteilung von Aussagen über Traumata, 2004, S. 105 ff.). Das Vorliegen von Pseudoerinnerungen kann im Einzelfall nicht durch einen Hinweis auf die Aussagequalität der Zeugenaussagen widerlegt werden. Scheinerinnerungen können nämlich auch Merkmale aufweisen, die Realkennzeichen eines Erlebnisberichts entsprechen (vgl. Steller in Volbert/Steller, Handbuch der Rechtspsychologie, 2008, S. 300, 306; Rolinski FS Kühne, 2013, S. 297, 303). Eine sichere Verneinung von Pseudoerinnerungen setzt namentlich voraus, dass entweder suggestive Einflüsse ausgeschlossen werden oder weitere Beweise angeführt werden, mit denen die Richtigkeit der Zeugenaussage belegt werden kann.
Der Ausschluss einer Erinnerungsverfälschung war der Strafkammer nicht durch Rekonstruktion des Inhalts der Therapie möglich, weil sie keine näheren Feststellungen dazu treffen konnte. Eine Widerlegung der Suggestionshypothese mit Hilfe der Angaben des Zeugen M. H. ist ihrerseits nicht lückenlos erfolgt, zumal dieser ebenfalls psychotherapeutisch behandelt wurde und demselben Einfluss ausgesetzt gewesen sein kann wie die Nebenklägerin.
2. Zur Beurteilung der Aussagequalität
a) Eigene Sachkunde des Gerichts
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Wie hier schon mehrfach erwähnt, ist die Beurteilung von Zeugenaussagen ureigenste Aufgabe des Gerichts – das ist gefestigte Rechtsprechung seit Jahrzehnten. Der BGH geht davon aus, dass regelmäßig die Berufsrichter über die notwendige Sachkunde verfügen, die sie auch den Laienrichtern vermitteln können. So vor allem bei Mitgliedern einer Jugendschutzkammer, wenn es um jugendliche Zeugen geht. Etwas anderes soll nur gelten bei Vorliegen von Besonderheiten.[507] Solche Besonderheiten liegen nicht vor bei kindlichen Zeugen oder solchen, die zum Zeitpunkt des geschilderten Vorfalls in kindlichem oder jugendlichem Alter waren.[508]
In der Grundsatzentscheidung des BGH[509] zu aussagepsychologischen Gutachten geht der BGH denn auch nur von einer Ausnahme aus. Darin heißt es:
BGH [1 StR 618/98]
„Hält der Tatrichter ausnahmsweise die Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens für erforderlich, so fällt es grundsätzlich in seine Zuständigkeit, insofern die Einhaltung der dargelegten wissenschaftlichen Mindestanforderungen sicherzustellen“.
Wenn der Tatrichter sich auf seine eigene Sachkunde beruft, muss er allgemein anerkannte Grundsätze der Aussagepsychologie heranziehen:
• | BGH [1 StR 439/00][510] Detailhafte Schilderung, außerhalb der Aussage liegende Indizien |
• | BGH [5 StR 145/98][511] Anknüpfen an Glaubhaftigkeitsmerkmale |
• | BGH [1 StR 547/93][512] Alle Umstände – bei Aussage gegen Aussage in Beweiswürdigung einbeziehen |
In besonderen Fällen muss sich der Tatrichter aber sachverständiger Hilfe bedienen und darf sich nicht auf seine möglicherweise nicht ausreichende eigene Sachkunde verlassen. In Grenzfällen wird er eher zu viel als zu wenig tun müssen.[513]
Wenn der Tatrichter einen Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens (244 Abs. 4 S. 2 StPO), der auf substantiiert dargelegte methodische Mängel des (vorbereitenden) Erstgutachtens gestützt ist, allein mit der Begründung zurückweist, er verfüge selbst über die erforderliche Sachkunde ( 244 Abs. 4 S. 1 StPO), darf er sich in den Urteilsgründen hierzu nicht dadurch in Widerspruch setzen, dass er seiner Entscheidung das Erstgutachten ohne Erörterung der geltend gemachten Mängel zugrunde legt – so BGH [2 StR 535/09].
Nr. 69 RiStBV
Ein Sachverständiger soll nur zugezogen werden, wenn sein Gutachten für die vollständige Aufklärung des Sachverhalts unentbehrlich ist.
Glaubhaftigkeitsgutachten als Indiz für Glaubhaftigkeit. Das Glaubhaftigkeitsgutachten des Sachverständigen kann Indiz für die Glaubhaftigkeit der Aussage sein.[514]
Der Sachverständige soll nicht darüber befinden, ob die zu begutachtende Aussage wahr ist oder nicht; dies ist dem Tatrichter vorbehalten. Vielmehr soll er dem Gericht die Sachkunde vermitteln, mit deren Hilfe es die Tatsachen feststellen kann, die für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit wesentlich sind.[515]