Kitabı oku: «Einführung in die Praxis der Strafverteidigung», sayfa 6
Anmerkungen
[1]
A.A. unter Hinweis auf die analoge Anwendbarkeit des § 1360a Abs. 4 S. 2 BGB Zieger/Nöding Rn. 172. Zieger/Nöding übersieht dabei, dass ein Ehegatte, anders als der Minderjährige einen wirksamen Anwaltsvertrag schließen kann.
[2]
Palandt-Sprau § 819 Rn. 4 m.w.N.
[3]
Unabhängig von der Frage des wirksamen Abschlusses eines Anwaltsvertrages durch den jugendlichen Beschuldigten kann dieser dem Verteidiger wirksam Vollmacht erteilen. Er hat das Recht, selbst einen Verteidiger als Beistand zu wählen, wie sich im Umkehrschluss aus § 137 Abs. 2 S. 1 StPO ergibt. Im Übrigen handelt es sich bei der Verteidigervollmacht nicht um eine Vertretungsvollmacht i.S.v. § 167 BGB, sondern um eine Beistandsvollmacht.
[4]
Eine schriftliche Vertretungsvollmacht ist bspw. bei der Vertretung des Angeklagten durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung im Strafbefehls- und im Berufungsverfahren erforderlich, §§ 411 Abs. 2 S. 1, 329 Abs. 1 StPO. Allerdings genügt es, dass die dem Gericht vorgelegte Vollmachturkunde aufgrund eines mündlich erteilten Auftrags des Angeklagten vom Verteidiger für diesen mit eigenem Namen unterzeichnet ist, da die Ermächtigung, die Vollmachturkunde zu unterzeichnen, auch mündlich erteilt werden kann, vgl. OLG Dresden 3 Ss 336/12. Dies wird jedoch neuerdings von einer Reihe von Obergerichten bestritten, vgl. nur OLG Hamburg StV 2018, 151. Der Verteidiger sollte auch hier den sicheren Weg beschreiten und es nicht auf einen Streit hierüber ankommen lassen.
[5]
LG Cottbus StraFo 2002, 233; LG Oldenburg StV 1990, 59.
[6]
Meyer-Goßner/Schmitt § 302 Rn. 32.
[7]
Art. 13 DSGVO.
[8]
[9]
Vgl. Röth StraFo 2012, 354.
[10]
Vgl. Schöttle BRAK-Mitteilung 3/2018, 118.
[11]
Nicht richtig ist daher der Vorschlag einer formularmäßige Beschränkung der Haftung auf 500.000 € bei Bockemühl-Bockemühl 2. Teil Kapitel 1 B. Mandatsübernahme Rn. 25. Im Übrigen erstreckt sich die im dortigen Muster enthaltene Haftungsbeschränkung entgegen dem Gesetz auch auf grob fahrlässige und selbst auf vorsätzliche Schadensverursachungen.
[12]
Feuerich/Weyland § 52 Rn. 13.
[13]
Feuerich/Weyland § 52 Rn. 13.
[14]
Z.B. Bockemühl-Bockemühl 2. Teil Kapitel 1 B. Mandatsübernahme Rn. 28, der die Verjährungsfrist auf 2 Jahre nach Beendigung des Auftrags begrenzen will.
[15]
Feuerich/Weyland § 52 Rn. 12 m.w.N.
[16]
Feuerich/Weyland § 52 Rn. 12.
[17]
Die Formerfordernis des § 3a Abs. 1 RVG gelten grundsätzlich auch für einen Schuldbeitritt zur Vergütungsvereinbarung.
[18]
LG Düsseldorf Beschl. v. 19.7.2005, X Qs 92/05; LG Konstanz Beschl. v. 1.7.2008, 2 Qs 27/08; a.A. LG Düsseldorf Beschl. v. 5.7.2007, 14 Qs 65/07.
[19]
Dahs Rn. 1.
[20]
Bosbach Rn. 10.
[21]
BGHSt 30, 255, 257.
[22]
OLG Hamburg StV 2004, 298 (Ventzke).
[23]
BGHSt 51, 298; bestätigt von BVerfG 2 BvR 2044/07, Urt. v. 15.1.2009, mit beachtlicher Kritik im Sondervotum.
[24]
Rudolf von Jhering Geist des römischen Rechts Teil 2 S. 471 f.
[25]
Beulke/Swoboda Strafprozessrecht Rn. 176 m.w.N., Rn. 178.
[26]
Dahs Rn. 69.
[27]
Dahs Rn. 69.
[28]
Hierzu BVerfGE 43, 79: Die Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch Rechtsanwälte einer Sozietät ist keine unzulässige Mehrfachverteidigung nach § 146 StPO. Eine solche liegt auch nicht bereits dann vor, wenn bei der Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch Anwälte einer Sozietät die Vollmachturkunden jeweils auf sämtliche oder mehrere Sozien ausgestellt sind.
[29]
Meyer-Goßner/Schmitt § 137 Rn. 5 m.w.N.
[30]
BGH NStZ 2008, 627; Dahs NStZ 1991, 561 ff.; Erb S. 240 ff.
[31]
So auch Palandt-Weidenkaff Rn. 20 vor § 611 BGB; a.A. (entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag): Krause NStZ 2000, 225.
[32]
Hier ist allerdings das Problem der u.U. eingeschränkten Verteidigungsmittel des „wissenden“ Verteidigers zu berücksichtigen. Der umfassend aufgeklärte Verteidiger könnte daran gehindert sein, bestimmte Beweisanträge zu stellen, da er sich anderenfalls selbst wegen versuchter Strafvereitelung bzw. wegen der Teilnahme an einem Aussagedelikt strafbar machen könnte.
[33]
Krause NStZ 2000, 225, 226.
[34]
Krause NStZ 2000, 226.
[35]
So auch Krause NStZ 2000, 226.
[36]
Jungfer StV 1981, 100; OLG Frankfurt StV 1981, 28.
[37]
Krause NStZ 2000, 227.
[38]
Krause NStZ 2000, 227.
[39]
Krause NStZ 2000, 227.
[40]
Sehr vertiefend und instruktiv Röth StraFo 2012, 354 ff.
[41]
Krause NStZ 2000, 228 m.w.N.
[42]
Sehr vertiefend und instruktiv Krause NStZ 2000, 225 ff.
[43]
BVerfG AnwBl. 2002, 655.
[44]
Krause NStZ 2000, 225, 228 mit Hinweis auf BGHZ 133, 110.
Teil 1 Das Mandat des Strafverteidigers › II. Die Pflichtverteidigung
II. Die Pflichtverteidigung
Teil 1 Das Mandat des Strafverteidigers › II. Die Pflichtverteidigung › 1. Das Wesen der Pflichtverteidigung
1. Das Wesen der Pflichtverteidigung
81
Das Institut der Pflichtverteidigung dient nach der Rspr. des BVerfG der Durchführung eines fairen, rechtsstaatlichen Strafverfahrens, zu welchem auch die Gewährleistung einer effektiven, sachgerechten Verteidigung gehört. Es soll dem Angeklagten – zumindest in bestimmten schweren oder komplizierten Sachen – den Beistand eines Verteidigers sichern und ihn dadurch befähigen, seine Verfahrensrechte sachgemäß wahrzunehmen und hierdurch auf den Lauf und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss nehmen zu können. Die Pflichtverteidigung hat also die Aufgabe, die Subjektstellung des Angeklagten zu stärken.[1]
82
Die Pflichtverteidigung unterscheidet sich zunächst hinsichtlich der Begründung des Mandatsverhältnisses vom Mandat des Wahlverteidigers. Der Wahlverteidiger schließt mit seinem Mandanten einen privatrechtlichen Dienstvertrag. Der Pflichtverteidiger wird Verteidiger aufgrund eines hoheitlichen Bestellungsaktes. Die Bestellung zum Verteidiger ist eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Sie erfolgt im öffentlichen Interesse daran, dass der Beschuldigte in den Fällen, in denen die Verteidigung aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens notwendig ist, rechtskundigen Beistand erhält.[2] Der gerichtlich bestellte Verteidiger muss die Verteidigung übernehmen, § 49 BRAO. Nur aus wichtigem Grund kann er die Aufhebung der Beiordnung beantragen, § 49 i.V.m. § 48 Abs. 2 BRAO. Er hat die Verteidigung in sachgerechter Weise zu führen; und zwar in eigener Person. Er muss daher selbst ununterbrochen an der Hauptverhandlung teilnehmen und darf keine Untervollmacht erteilen. Allerdings kann für den Pflichtverteidiger dessen gem. § 53 BRAO bestellter Vertreter auftreten. Im Übrigen hat der Pflichtverteidiger dieselben Aufgaben wie der Wahlverteidiger.[3]
83
Zwar dient die Pflichtverteidigung auch der Sicherung eines fairen, rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Pflichtverteidiger seine Verteidigungsaktivitäten an tatsächlichen oder aus Sicht der Strafjustiz vermeintlichen öffentlichen Interessen auszurichten hat oder ausrichten darf. Er ist vor allem kein Garant für ein schnelles und konfliktfreies Verfahren, von der Politik und der Rechtsprechung auch gern beschönigend als „effektiv“ oder – weniger verschleiernd – als „reibungslos“[4] deklariert. Die Pflichtverteidigung dient nicht als „Trojanisches Pferd“ der Durchsetzung des Interesses der Strafjustiz an einem „kurzen Prozess“. Das einzige öffentliche Interesse, welches der zum Pflichtverteidiger bestellte Anwalt zu berücksichtigen hat, ist dasjenige, dass der Angeklagte in Fällen der notwendigen Verteidigung den erforderlichen professionellen Beistand eines Strafverteidigers erhält. Wie der Verteidiger die Verteidigung führt, entscheidet er eigenverantwortlich, möglichst im Einklang mit dem Angeklagten und allein ausgerichtet an dessen wohlverstandenem Interesse. Denn da der Pflichtverteidiger ebenso wie der Wahlverteidiger Beistand des Angeklagten ist, hat er ausschließlich diesem streng parteilich zu dienen, ohne auf sonstige Interessen die geringste Rücksicht zu nehmen.
84
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist unabhängig davon, ob sich der Angeklagte einen Verteidiger leisten kann. Immer dann, wenn ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt und der Angeschuldigte keinen Wahlverteidiger beauftragt hat, ist ihm zwingend ein Verteidiger beizuordnen. Hieraus folgt, dass ein Pflichtverteidiger immer ein notwendiger Verteidiger, nicht jedoch jeder notwendige Verteidiger ein Pflichtverteidiger ist.[5]
Teil 1 Das Mandat des Strafverteidigers › II. Die Pflichtverteidigung › 2. Der Zustand der Pflichtverteidigung
2. Der Zustand der Pflichtverteidigung
85
Die Pflichtverteidigung hat keinen guten Ruf. Unter juristischen Laien hält sich hartnäckig die Auffassung, die Pflichtverteidigung sei eine Art Verteidigung „zweiter Klasse“. Dies sieht das Gesetz zwar nicht vor. In der Praxis bewahrheitet sich diese kritische Einschätzung allerdings nur allzu oft. Die Gründe für den oft beklagenswerten Zustand des Institutes der Pflichtverteidigung liegen auf der Hand.
86
Zum einen ist die Pflichtverteidigung für Rechtsanwälte, die sich auf Strafverteidigungen spezialisiert haben, finanziell unattraktiv. Zwar hat der Gesetzgeber mit dem Erlass des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) die Vergütung für die Pflichtverteidigung nicht unerheblich erhöht. Dennoch ist die Tätigkeit zu den gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers auch jetzt noch nicht einmal kostendeckend. Um überhaupt die Kosten einer durchschnittlichen Strafrechtskanzlei tragen, die Renten- und Krankenversicherung bezahlen und dann noch einen eigenen Verdienst erarbeiten zu können, muss der Anwalt mit einem Stundensatz von mindestens 125 € netto rechnen.[6] Viele gute Verteidiger drängen sich also gar nicht erst nach Pflichtverteidigungsmandaten. Werden sie vom Gericht bestellt, bearbeiten sie das Mandat zwar nicht absichtlich nachlässig. Der zeitliche Einsatz für das Pflichtverteidigermandat ist jedoch in vielen Fällen limitiert. Schließlich haben die Verteidiger daneben Wahlmandate, insbesondere solche mit vereinbarten Zeithonoraren, zu bearbeiten, von deren Einnahmen sie den Kanzleibetrieb aufrechterhalten und ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Für die Pflichtverteidigung bleibt dann mitunter nicht so viel Bearbeitungszeit, wie eigentlich für eine optimale Verteidigung erforderlich wäre.
87
Zum anderen gibt es Kollegen, die versuchen, fast ausschließlich von Pflichtverteidigungen zu existieren. Diese Verteidiger bekommen in der Regel den größten Teil der Mandate durch gerichtliche Beiordnung, ohne zuvor als Wahlverteidiger für den Angeklagten tätig geworden zu sein. Sie befinden sich somit in finanzieller Abhängigkeit von den Gerichtsvorsitzenden, die sie mit Verteidigerbestellungen bedenken. Sie müssen sich bei jeder Verfahrensaktivität, die sie erwägen, gleichzeitig fragen, ob sie hierdurch nicht den Vorsitzenden verärgern und sich damit die Chance weiterer Beiordnungen verspielen könnten. Denn es ist schlichtweg ein Märchen, dass die Vorsitzenden der Spruchkörper qualifizierte und versierte Verteidiger schätzen. Sie schätzen in der Regel vielmehr so wenig Arbeit wie möglich und damit einen „kurzen Prozess“, von ihnen irreführend als „effizientes Verfahren“ bezeichnet. Ein Verteidiger, der tatsächlich die Rechte des Angeklagten durchzusetzen versucht und insbesondere nachhaltig auf die Einhaltung der den Mandanten schützenden Formen der Strafprozessordnung drängt, wird als Störenfried, als „Konfliktverteidiger“, begriffen. Er bereitet dem Gericht nämlich aus dessen Sicht nur „unnötige Arbeit“. Dies führt dann dazu, dass aus Rücksicht auf weitere Beiordnungen viele aussichtsreiche Verteidigungsaktivitäten unterbleiben und sogar erfolgversprechende Rechtsmittel nicht eingelegt werden. Hilbers/Lam bezeichnen dieses Phänomen zutreffend als „Beiordnungsprostitution“[7]. Ein Teil dieser Kollegen verfügt zudem auch nicht über eine hinreichende Qualifikation als Verteidiger.
88
Ein extremer Ausdruck dieses Phänomens ist die widerspruchslose Hinnahme der Beiordnung ohne Stellung eines Aussetzungsantrages zur Vorbereitung der Verteidigung in Fällen, in denen in laufender Hauptverhandlung der „Wahlpflichtverteidiger“, der das Vertrauen des Angeklagten genießt, wegen Terminkollisionen entpflichtet wird.
89
Es liegt an den Verteidigern, den bedenklichen Zustand der Pflichtverteidigung nachhaltig zu verbessern. Auch die fachlich guten und engagierten Verteidiger sollten sich nicht davor scheuen, Pflichtverteidigermandate anzunehmen und diese mit demselben Einsatz zu bearbeiten wie Wahlmandate.[8]
Teil 1 Das Mandat des Strafverteidigers › II. Die Pflichtverteidigung › 3. Die Fälle der notwendigen Verteidigung
3. Die Fälle der notwendigen Verteidigung
90
Vorschriften über die notwendige Verteidigung sind über das gesamte Strafverfahrensrecht verstreut. Den größten Anwendungsbereich hat die Regelung des § 140 StPO. Die Darstellung beschränkt sich daher auf dessen Erläuterung. § 140 Abs. 1 StPO enthält einen Katalog von Fällen der notwendigen Verteidigung. Weitere Fälle sind in den generalklauselartigen Auffangtatbeständen des § 140 Abs. 2 StPO beschrieben.
a) Der Katalog des § 140 Abs. 1 StPO
91
Gem. § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig, wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht stattfindet. Das Oberlandesgericht wird als erstinstanzliches Gericht ausschließlich in sog. „Staatsschutzsachen“ nach § 120 GVG tätig. Das Landgericht ist gem. § 74 Abs. 1 GVG in erster Instanz zuständig:
92
• | für alle Verbrechen, für die nicht die Zuständigkeit des Amtsgerichts oder des Oberlandesgerichts gegeben ist; |
• | für alle Straftaten, bei denen eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten ist; |
• | für alle Straftaten, bei denen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung in Betracht kommt sowie |
• | für alle Straftaten, bei denen die Staatsanwaltschaft gem. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, des besonderen Umfangs oder der besonderen Bedeutung des Falles[9] Anklage beim Landgericht erhebt. |
93
Nach § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO ist die Mitwirkung eines Verteidigers erforderlich, wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird. Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB).
94
Ein weiterer Fall der notwendigen Verteidigung ist ein Verfahren, das zu einem Berufsverbot (§§ 70 ff. StGB) führen kann, § 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Dieser Fall der notwendigen Verteidigung ist in der Praxis sehr selten.
95
Das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29.7.2009 hat mit Wirkung zum 1.1.2010 die Nr. 4 des § 140 Abs. 1 StPO neu gefasst. Danach stellen die Vollstreckung von Untersuchungshaft sowie ferner die einstweilige Unterbringung einen Fall der notwendigen Verteidigung dar. Ein Fall notwendiger Verteidigung ist dann für alle Strafverfahren gegen den Beschuldigten gegeben, ohne dass es darauf ankommt, in welchem die U-Haft vollzogen wird.[10] Aufgrund der Schwere des Eingriffs in das Freiheitsrecht des Beschuldigten und der erheblichen Beschränkung in seiner Verteidigungsfähigkeit, die mit einer Inhaftierung bzw. einstweiligen Unterbringung verbunden sind, war diese Erweiterung der obligatorischen Verteidigerbestellung erforderlich. Nach § 141 Abs. 3 S. 5 StPO wird der Verteidiger unverzüglich nach Beginn der Vollstreckung bestellt. Dabei ist das Anhörungs- und Bestimmungsrecht des Beschuldigten aus § 142 Abs. 1 StPO zu beachten.[11] Gemäß § 140 Abs. 3 S. 2 StPO bleibt die Bestellung bei einer Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft bzw. der einstweiligen Unterbringung nur dann wirksam, wenn er sich mindestens 3 Monate in Haft bzw. Unterbringung befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird. Das Gericht hat anderenfalls jedoch zu prüfen, ob nicht ein anderer Beiordnungsgrund vorliegt. Deshalb endet die Bestellung des Verteidigers nicht automatisch. Die Beendigung der Bestellung erfordert vielmehr eine Entscheidung des Vorsitzenden über deren Rücknahme.[12] Der Vorsitzende hat zuvor dem Beschuldigten, und zwar über den noch bestellten Verteidiger, rechtliches Gehör zu gewähren.
96
Gem. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig, wenn sich der Beschuldigte mindestens seit drei Monaten auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird. Das Gesetz will mit der Anordnung der notwendigen Verteidigung die Behinderung der Vorbereitung der Verteidigung ausgleichen, welcher sich der in amtlichem Gewahrsam befindende Beschuldigte aufgrund seiner Freiheitsentziehung ausgesetzt sieht. Wegen des Gesetzeszweckes ist es belanglos, welcher Art die Verwahrung ist. Der Beschuldigte kann sich in Strafhaft, Untersuchungshaft oder vorläufiger Unterbringung in anderer Sache, in einem Erziehungsheim oder einer Entziehungsanstalt befinden oder aufgrund des Unterbringungsgesetzes eines Landes untergebracht sein. Nach h.M. muss die Anstaltsunterbringung nicht ununterbrochen drei Monate lang angedauert haben. Kurze Unterbrechungen der Verwahrung sind unschädlich.[13] Selbst wenn der Beschuldigte zwei Wochen vor der Hauptverhandlung entlassen wird, bedeutet dies nicht zwingend, dass kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt. Maßgeblich ist in diesem Fall, ob die Behinderung in der Vorbereitung der Verteidigung trotz der Entlassung aus dem Gewahrsam fortwirkt.[14] Ist dies der Fall, ist die Mitwirkung eines Verteidigers wegen der Unfähigkeit zur Selbstverteidigung gem. § 140 Abs. 2 StPO notwendig.
97
Kritik an der gesetzlichen Regelung des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO übt Beulke. Die erst drei Monate nach der Inhaftierung erfolgte Verteidigerbestellung steht im Widerspruch zu Art. 5 Abs. 3, 4 EMRK. Wegen des fehlenden Akteneinsichtsrechts des Beschuldigten ist der unverteidigte Beschuldigte nicht im erforderlichen Umfang am Verfahren beteiligt. Das Verfahren verstößt daher gegen den Grundsatz der Waffengleichheit.[15] Dem ist nichts hinzuzufügen.
98
Ebenfalls von eher untergeordneter Bedeutung sind die in § 140 Abs. 1 Nr. 6-8 StPO geregelten Fälle der notwendigen Verteidigung, nämlich die Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten, das Sicherungsverfahren und der Verteidigerausschluss gem. §§ 138a ff. StPO.
99
Von zunehmender Bedeutung ist der Fall, dass dem Verletzten nach den §§ 397a, 406h Abs. 3, 4 StPO ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO.
100
Einen neuen Beiordnungsgrund enthält nunmehr § 141 Abs. 3 S. 4 StPO. Danach bestellt das Gericht, bei dem eine richterliche Vernehmung durchzuführen ist, dem Beschuldigten einen Verteidiger, wenn dies die Staatsanwaltschaft beantragt oder wenn die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint.[16]