Kitabı oku: «Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere», sayfa 3
„Meine Fresse“, berlinerte Matrosenhauptgefreiter Schrupp, seines Zeichens Torpedomechaniker, und selbstverständlich auch interessiert am Geschehen. Det muss doch jans enfach jetroffen haben.“ Dieses meinten auch Kommandant und TO. Das anschießende Flaggensignal vom Zielschiff bestätigte ihnen, das beide Torpedos Vorschiff und Vorderkante Brücke aufgeschlagen haben.
Zwei weitere Torpedoeinzelschüsse brachten das gleiche Ergebnis. Beide Übungstorpedos trafen.
„Verdammt und zugenäht“, verkündete der Kommandant auf der Brücke des Hilfskreuzers zu den ihn erwartungsvoll anstarrenden Offizieren, „das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen.“ Er winkte seinem Läufer und befahl, „Winkspruch an Zielschiff und Barkasse, sofort Rückkehr an Bord. FT-Spruch an Begleitschiffe: Übung abbrechen, einlaufen Kiel!“
Im Kriegshafen Kiel angelangt, machte der Hilfskreuzer an einem abgesperrten Kai fest. Die SKL, die zwischenzeitlich durch verschlüsselten Funkspruch vom Torpedodebakel unterrichtet worden war, hatte bereits veranlasst, dass sämtliche Torpedos sofort von Bord zu geben und von der Torpedoversuchsanstalt in Flensburg geprüft werden würden. Wie sich bereits zwei Tage später herausstellte, waren die meisten an Bord befindlichen Torpedos Blindgänger, zurückzuführen auf einen Fehler in der Aufschlagzündung. Sabotage nicht auszuschließen, hieß es lapidar. Der Kommandant wurde zur Berichterstattung nach Berlin befohlen.
Bei der SKL wurde dem Kommandanten bedeutet, dass, noch während die Besprechung mit ihm in Berlin stattfände, sein Schiff für die künftige Unternehmung ausgerüstet werde. Es sei sichergestellt, dass nur einwandfreie Torpedos an Bord kämen. Auch die Marschbefehle für die noch fehlenden Besatzungsmitglieder seien ausgefertigt und diese – einschließlich der vorgesehenen acht Prisen-Offiziere, Handelsschiffskapitäne und Offiziere der Handelsmarine mit Kapitänspatent, alle im Range eines Leutnants zur See (S), werden sich ebenfalls bereits bei Rückkehr des Kommandanten an Bord befinden. Es sei leider, bedingt durch die Kriegslage, keine Zeit mehr, Kommandant und Besatzung Möglichkeit zu weiteren Übungsfahrten zu gewähren.
„Herr Korvettenkapitän Waldau“, verkündete Admiral Scheidel persönlich dem Kommandanten, „leider gebietet die Kriegslage, dass Sie mit Ihrem Schiff schnellstens auslaufen müssen, um gegnerische Seestreitkräfte zu binden und der Versorgung des Gegners durch Versenkung, Aufbringung und evtl. auch Zurückbehaltung gegnerischer Handelsschifftonnage in den Häfen, einen Schlag zu versetzen.“ Der Admiral führte weiter aus: „Wie Ihnen bekannt ist, steht insbesondere die U-Bootswaffe bereits am Feind und hat auch das Panzerschiff Graf Spee erste Erfolge erzielt. Durch das Auftreten weiterer Überwasserseestreitkräfte, also als nächstes auch Ihrem Hilfskreuzer, verspricht sich die SKL über die zu erwartenden Versenkungen hinaus durch die beim Gegner zu stiftende Verwirrung erhebliche negative Auswirkungen hinsichtlich der Versorgungslage der britischen Inseln.“
4. Auslaufen zur Feindfahrt
Am 20. November 1939, dem Tag der Einführung einer sogenannten Reichskleiderkarte für den Bezug von Textilien im Deutschen Reich, macht der Handelsstörkreuzer seeklar. Die Ausrüstung des Schiffes war zwischenzeitlich beendet. Als Bordflugzeuge wurden zwei Arado 196 A 1 an Bord genommen, deren Aus- und Einsetzen nicht ein einziges Mal auf dem Schiff selbst überhaupt manövermäßig geübt werden konnte. Eine Maschine befand sich einsatzklar, unter Persenningen getarnt, an Oberdeck, die zweite in Einzelteilen verpackt in einem der Laderäume. Im Bedarfsfall würde diese später von den Bordmechanikern nach mitgelieferten Bauplänen zusammenzusetzen sein. Als Fliegeroffizier war Leutnant Spaß und als Flugzeugführer der Feldwebel Schütze an Bord kommandiert. Die Werft hatte zwischenzeitlich ebenfalls wahrhaft erstaunliches geleistet. Ein Tarnschornstein, der im Bedarfsfalle aufgebaut und entfernt werden konnte, sowie ein Originalschornstein, der sich durch Ein- und Ausfahren beliebig verlängern oder verkürzen ließ, war installiert. Ebenso zu Tarnzwecken befanden sich an Bord Masten, Lüfter, Pfosten, Decksaufbauten und Ladegeschirr, die heute aufgebaut, morgen wieder beseitigt werden konnten. Unvorstellbare Mengen an Verpflegung und Material aller nur denkbaren Art waren an Bord genommen und verstaut. Eisenbahnwagenweise Proviant, insgesamt fürs erste rund 350 t Verpflegung, hektoliterweise Bier, zentnerweise Kaffee, Tee, Fruchtsäfte, Fette aller Art, Bekleidung für Tropen und Nordpol. Ebenso waren sämtliche Munitionskammern des Schiffes gefüllt, ein Sollbestand von 32 Torpedos und 100 Minen an Bord genommen worden, Die Ausrüstung des Schiffslazaretts war ebenso wie die Ausrüstung aller anderen Abteilungen vervollständigt. Alle Ölbunker waren zum Bersten gefüllt. Insgesamt wurden 5.320 t Heizöl übernommen und auf die verschiedenen, im ganzen Schiff untergebrachten, Bunker verteilt. Die Ölvorräte gaben dem Schiff die Möglichkeit, bei der sparsamsten Fahrt von ca. 10 bis 11 Seemeilen in der Stunde über ein Jahr, ohne Ergänzung, von der Heimat fern zu bleiben. Dieses bedeutete einen Fahrbereich von annähernd 70.000 Seemeilen, ein gewaltiger Aktionsradius. Bemerkt werden darf noch, dass selbstverständlich außer Proviant, Getränken, Wasser, Schmiermitteln sämtlicher Art, Flugzeugbenzin und Munition auch Damen- und Kinderbekleidung in größeren Mengen übernommen wurde. Diese selbstverständlich in Kisten verpackt und nur dem zuständigen VO (Schiffsverwaltungsoffizier), sowie Kommandant und Offizieren bekannt. Schließlich musste ja damit gerechnet werden, dass von gegnerischen Schiffen außer der männlichen Besatzung und Passagieren auch Frauen und Kinder zu übernehmen sein werden, ohne dass es immer möglich wäre, deren persönliche Habe an Bord zu nehmen.
Gegen 16.00 Uhr hieß es „Leinen los.“ Der Kommandant fuhr das Ablegemanöver selbst und im Geleit von zwei Torpedobooten ging es fördeaufwärts. Das Schiff war als normaler Sperrbrecher getarnt und die Besatzung nahm an, es stehen lediglich ein weiteres gefechtsmäßiges Übungsschießen o.ä. Rollenübungen auf dem Programm. Dass es sich um den Beginn der tatsächlichen, von vielen ersehnten, von manchen auch mit Bangen erwarteten, Feindfahrt handelte, war außer dem Kommandanten niemandem wirklich bekannt, obwohl aufgrund der übereilten Ausrüstung und der diversen an Bord gekommenen Proviantmenge sowie der kriegsmarschmäßigen Ausrüstung an Munition und Treibstoff sich zumindest die Offiziere darüber im klaren waren, dass die endgültige Ausfahrt unmittelbar bevorstand.
Langsam wurde die Förde breiter und das Land wich weiter zurück. Der Kommandant befahl, „Umdrehungen für 10 sm!“ Plötzlich schnarrte das Brückentelefon, der IO, Graf Terra, hob ab und meldete, „Funkraum meldet, dass Einflug feindlichen Bomberverbandes auf Kiel gemeldet worden ist.“
„Verdammt noch mal“, versetzte der Kommandant, „ und das ausgerechnet jetzt. Fliegeralarm.“ Die Alarmsirenen gellten durch das Schiff. „Schotten dicht, Flakwaffen enttarnen!“ Die weiteren Kommandos des Kommandanten erfolgten sofort. „Feuererlaubnis nur auf mein Kommando!“ Kommandant und Offiziere auf der Brücke sowie die Ausgucks auf Oberdeck hoben die schweren Marinegläser und suchten gewissenhaft ihre Sektoren ab. Gleichzeitig mit dem eingehenden FT-Spruch des vorausfahrenden Torpedobootes entdeckte auch Oberleutnant zur See Graf von Terra die von Steuerbord voraus anfliegenden Feindflugzeuge. Die britischen Bomber vom Typ Lancaster hatten offenbar Befehl, die Werftanlagen und im Hafen befindliche Einheiten der Kriegsmarine anzugreifen. In einer Höhe von lediglich 2.000 bis 2.500 Metern näherten sich die Bomber, bereits aufgefasst vom vorderen E.-Messgerät. „Höhe 2500 Meter, Entfernung sechzig Hundert“, meldete das E.-Messgerät. Der Kommandant griff zum Hörer und befahl dem für die Flakwaffen zuständigen zweiten AO, „Ziel auffassen, sowie in Reichweite, Feuererlaubnis!“ Die Sekunden währten ewig. „Entfernung 30 hm (30 Hektometer = 3.000 Meter), Höhe 2.000“, meldete das E.-Messgerät. Gleichzeitig eröffnete das vorauslaufende Torpedoboot, das seine Geschwindigkeit, deutlich sichtbar am silbern aufquirlenden Kielwasser, erhöht hatte und auf volle Fahrt gegangen war, das Feuer und die Flakgranaten zischen dem Feind entgegen. Deutlich ließ sich die Leuchtspur verfolgen. Sekundenbruchteile später fielen auch die 3,7 Zentimeter Flakwaffen des Hilfskreuzers ein. Die gegnerischen Bomber versuchten ihrerseits durch Ausweichmanöver dem gezielten Feuer der Schiffsflak zu entkommen. Acht Flugzeuge waren nunmehr von allen Mann an Bord deutlich zu erkennen und näherten sich von Sekunde zu Sekunde dem Verband. Die ersten beiden Maschinen entschlossen sich, den vermeintlichen Frachter als Ziel anzunehmen. „Maschine dreimal AK, Ruder hart Backbord“, befahl der Kommandant. Währenddessen öffneten sich bei den beiden, das Schiff von Steuerbord voraus anfliegenden, Bombern bereits die Klappen der Bombenschächte, mit dem bloßen Auge schon gut zu verfolgen. Zwischenzeitlich hatten die beiden Torpedoboote ebenfalls erkannt, dass ihr Schützling das Opfer der feindlichen Flieger werden sollte und konzentrierten ihr Abwehrfeuer ebenfalls auf die beiden, den Hilfskreuzer angreifenden, Maschinen. Von der vorausgestaffelten Maschine lösten sich die ersten Bomben. Im gleichen Moment hatte die Steuerbord vordere 3,7 sowie eine der 2 Zentimeter-Doppellafetten das Flugzeug aufgefasst und deutlich war zu sehen, wie die Leuchtspurgeschosse im Flugzeugrumpf verschwanden. Plötzlich sprangen Funken aus der linken Tragfläche des Feindbombers und Sekundenbruchteile später zerbarst dieser in einem aufwallenden Feuerball. „Ruder hart Backbord“, folgte das nächste Kommando des Kommandanten – hinein in das Zerbersten der Feindmaschine. Mit Hartruderlage drehte das Schiff aus der zu erwartenden Flugbahn des abstürzenden Bombers. Der zweite Feindbomber, auf den sich nunmehr das Feuer der drei Kriegsschiffe vereinigte, drehte, ohne zum Bombenwurf gekommen zu sein ab. Gleichzeitig klatschten etwa hundert Meter hinter dem Schiff die Bomben des abgeschossenen Feindflugzeuges in die Förde und warfen hohe Wasserfontänen auf. Etwa 60 Meter an Steuerbord des Hilfskreuzers, stiebte die abgeschossene Feindmaschine in die hell aufspritzende See. Nur 20 Meter von der Bordwand hieb wie eine Bombe die abmontierte Fläche nebst Steuerbordmotor in die See. Zwei, drei kleinere Metallteile klirrten auf das Oberdeck des Schiffes, ohne jedoch Schäden zu verursachen.
Die Feindflugzeuge kamen aus dem Wirkungsbereich der Waffen und flogen im direkten Kurs weiter auf Kiel. „Feuer einstellen, Maschine Umdrehung für 10 sm“, kam das Kommando des Kommandanten und der Verband setzte seine Fahrt fort. Das führende Torpedoboot meldete sich, „ K an K, aussprechende Anerkennung zum ersten Abschuss. Von mir bestätigt“, ließ sich der Kommandant des Führertorpedobootes vernehmen. Korvettenkapitän Waldau fuhr sich mit dem Ärmel seines Bordjacketts über die vor Anspannung klatschnasse Stirn, „geben Sie zurück: K an K, vielen Dank, auch für Ihre segensreiche Unterstützung.“ Der Kommandant nahm noch einmal das Doppelglas vor das Gesicht, aber die Feindmaschinen waren nur noch als kleine Punkte in der Ferne auszumachen. Deutlich hörte man nunmehr auch, wie die Flakbatterien an Land sowie die Schiffsflak der im Hafen liegenden Marineeinheiten die Feindflugzeuge nunmehr unter Feuer nahmen. Kurz darauf dröhnten dumpf die Detonationen der Feindbomber über die Förde. Trefferwirkungen waren jedoch vom Schiff her nicht auszumachen.
„Na also“, meinte der IO und setzte das Glas ab, „haben die Tommys also nur die armen Fische erschreckt.“
„Nun lassen Sie mal, IO“, versetzte Waldau, „mir langt dieses Zwischenspiel als Ouvertüre zu unserer Unternehmung durchaus.
Der IO grinste den Kommandanten an, „habe ich’s mir nicht gedacht.“ „Was belieben zu denken, IO?“ Der Kommandant musterte seinen alten Freund und jetzigen ersten Offizier. Zwischenzeitlich spitzten auch die anderen Seeoffiziere sowie das sonstige Brückenpersonal gespannt die Ohren, um sich ja nichts vom Gespräch der beiden wichtigsten Männer an Bord, denn das waren Kommandant und IO im Hinblick auf die Schiffsführung allemal, entgehen zu lassen. Dem Kommandanten blieb die gebannte Aufmerksamkeit seiner Untergebenen selbstverständlich nicht verborgen und nach einem Blick in die Runde meinte er, „ na gut, Herrschaften, eigentlich solltet Ihr es ja erst in einigen Stunden erfahren, aber was soll’s. Die Unternehmung hat begonnen.“ Ob dieser Eröffnung des Kommandanten war es auf der Brücke so still, dass man die bekannte Stecknadel hätte zu Boden fallen hören können. Der IO, Graf Terra, wer sollte es auch anders sein, brach das andauernde Schweigen als erster und meinte, unbekümmert in die Runde blickend, „wenn das kein gutes Omen ist, kaum die Leinen gelöst und schon die Feuertaufe erfolgreich bestanden.“ Der Kommandant, der dieses Gespräch zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht vertiefen wollte – insgeheim ärgerte er sich, dass ihm nun doch zu früh herausgerutscht war, dass die Feindfahrt bereits begonnen hatte – versetzte knapp, „nun verfallen Sie mal nicht in grenzenlosen Optimismus, IO, hierzu besteht wahrhaftig derzeit keinerlei Anlass. Die wirklichen Probleme stehen uns weiß Gott noch bevor.“ Allen auf der Brücke war klar, dass hiermit zunächst der Durchbruch in den freien Atlantik gemeint war.
Der Kommandant befahl den II AO sowie die Bedienungen der erfolgreichen Flakwaffen auf die Brücke und beglückwünschte ihn und die gesamte Geschützbedienung zu ihrem Erfolg. Bevor die gehobene Stimmung auf der Brücke ausufern konnte, versetzte der Kommandant knapp, „IO, weisen Sie die Ausgucks noch einmal an, ihre Sektoren genau im Auge zu behalten, vielleicht war das ja nicht die einzige Überraschung. Befehl an II AO: Flakwaffen besetzt halten, volle Kriegswache bleibt bestehen!“
Zwei Stunden später saßen Kommandant und wachfreie Offiziere in der Offiziersmesse beim Abendessen. Die Dunkelheit war hereingebrochen und das Schiff kriegsmäßig abgeblendet. Auf der Brücke stand der II O. Während das Schiff, nach wie vor im Geleit der beiden Torpedoboote, weiterhin mit kontinuierlicher Marschfahrt von 10 sm sich seinen Weg durch die leicht bewegliche Ostsee bahnte, beendeten die Offiziere ihr Abendessen. Nach und nach verstummte das Klappern der Bestecke und die als Ordonanz eingeteilten Seeleute räumten ab. Augenblicklich unterbrachen die Offiziere ihre in Gang gekommenen Einzelgespräche und es trat absolute Stille ein.
„Meine Herren“, begann der Korvettenkapitän Waldau seine Ansprache, „wie ja mittlerweile vom IO bis zum letzten Mann als bekannt vorausgesetzt werden darf, hat die Unternehmung begonnen. Wie Sie wissen, trägt das Schiff bisher keinen Namen, sondern lediglich – wie im Übrigen alle Hilfsschiffe – eine taktische Nummer, in unserem Falle Schiff 66. Die SKL hat, an die Tradition des Weltkrieges anknüpfend, mir gestattet, den internen Schiffsnamen selbst zu wählen.“ Bei diesen Worten des Kommandanten steigerte sich das Interesse seiner Zuhörer nochmals, schließlich wollten sie sich alle mit ihrem Schiff identifizieren und hierzu gehört selbstverständlich nicht nur eine taktische Nummer, sondern das Schiff musste einfach einen Namen haben, nach Möglichkeit einen solchen, der auch der Aufgabenstellung ihrer Einheit gerecht werden würde. „Ich habe mich daher entschlossen, unser Schiff 66, den Hilfskreuzer A der deutschen Kriegsmarine, also den ersten Hilfskreuzer in diesem Kriege auf deutscher Seite, „Chamäleon“ zu taufen.“
Der Kommandant schaute in die Runde und bemerkte sehr wohl, dass diese Namenswahl nicht überall sichtbare Zustimmung hervorrief. „ Ich sehe Ihnen an, meine Herren“, fuhr der Kommandant fort, „dass einigen von Ihnen dieser Name für unser Schiff zu missfallen scheint. Vielleicht haben Sie sich einen kriegerischen oder aber auch einen traditionsreichen Schiffsnamen gewünscht. Ich darf Ihnen aber versichern, dass ich diesen Namen mit Bedacht gewählt habe.“ Der Kommandant machte eine Pause und nahm einen Schluck aus dem vor ihm stehenden Glas mit Fruchtsaft, in der Marinesprache Kujambel genannt. Alkohol war bekanntlich während einer Kriegsfahrt an Bord deutscher Kriegsschiffe, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht gestattet.
„Aber meine Herren“, fuhr der Kommandant fort, „ich will Ihnen begründen, was mich zu dieser Namenswahl veranlasst hat und ich hoffe und wünsche mir sehr, dass Sie mir dann beipflichten werden.“ Der Kommandant erteilte Raucherlaubnis, steckte sich selbst einen Glimmstängel an und fuhr fort, „ Aufgabe eines Hilfskreuzers ist es bekanntlich, feindliche Handelsschiffe aufzubringen bzw. zu versenken und allein durch seine bloße Anwesenheit den Gegner zu zwingen, zum Schutz seiner Versorgungslinien und zur Jagd auf einen Handelsstörer Seestreitkräfte von anderen Aufgaben abzuziehen, die somit zwangsläufig an anderen Brennpunkten fehlen und somit insgesamt die Schlagkraft der gegnerischen Flotte schwächen.“ Der Kommandant führte weiter aus, dass Hauptaufgabe eines Hilfskreuzers nicht unbedingt nur die Versenkung oder Aufbringung einer großen Zahl feindlicher Handelsschiffe sei, sondern insbesondere darin liege, sich dem Zugriff des übermächtigen Gegners solange irgend möglich zu entziehen, um den Gegner insoweit nicht zur Ruhe kommen zu lassen, in dem Bewusstsein, der Handelsstörkreuzer könne heute hier oder morgen dort zuschlagen, so dass der Gegner gezwungen war, seine Kräfte zu zersplittern, um seinen Nachschublinien den erforderlichen Schutz angedeihen zu lassen.
„Dieses Ziel, meine Herren“, setzte der Kommandant seine Ausführungen fort, „können wir nur erreichen, indem wir durch bestmögliche Tarnung und heimliches Verhalten sowenig Argwohn wie möglich wecken. Zuschlagen, aufbringen oder versenken und baldmöglichst wieder in der Weite der See zu verschwinden, ist die Devise. Unsere stärksten Waffen werden also beileibe nicht die 15-Zentimeter Kanonen oder die Torpedos sein. Vielmehr wird es weitgehend von unserer Tarnung abhängen, ob wir überleben oder nicht bzw. wie lange wir in See bleiben können? Und da Tarnung die Hauptwaffe eines Handelskreuzers ist, habe ich den Namen „Chamäleon“ gewählt.“
5. Der Durchbruch
Tage später, längst hatte der Hilfskreuzer „Chamäleon“ seinen Geleitschutz entlassen und nachdem problemlos durch Skagerrak und Kattegat in die Nordsee eingelaufen wurde, befand sich der Hilfskreuzer nunmehr auf Durchbruchkurs in den Atlantik. Der eingeschiffte Bordmeteorologe hatte Sturm und Regen, evtl. auch Hagel und Schnee für die nächsten Tage vorausgesagt. Ideales Durchbruchwetter. Vertrauend auf die Voraussagen des Meteorologen ging „Chamäleon“ auf Durchbruchkurs. Der Kommandant befahl nordwestlichen Kurs und später westlichen Kurs Richtung Grönland, um den Durchbruch in der folgenden Nacht zu versuchen. Fast auf die Stunde genau, wie vom hervorragenden Bordmeteorologen, Dr. Steinhusen, vorausgesagt, begann es in den Nachmittagsstunden aus Nordwest zu wehen. Mit Hagel durchsetzter Schneeregen prasselte aus grauen, sehr tief hängenden Wolken, auf die See herab. In den frühen Abendstunden brauste der Sturm über Deck des Schiffes. Schwer arbeitete „Chamäleon“ in der See. Der Kommandant stand in der rechten Steuerbordbrückennock, das schwere Marineglas vor der Brust hängend, und grinste den neben ihm stehenden IO an. „Na, Terra, unser Laubfrosch (Spitzname für den Bordmeteorologen) behält wohl Recht.”
„Jawohl, Herr Kaptän, hoffen wir das Beste“, versetzte der Freund und rechte Hand an Bord. Selbstverständlich wurde auch unter Freunden, die Kommandant und IO seit Jahren waren, an Bord, zumindest in Gegenwart Untergebener, die Disziplin durch förmliche Anrede gewahrt.
Der Sturm nahm zu und in der kochenden und brodelnden See rollte und stampfte das Schiff schwer. Es braute sich ein Polarorkan zusammen. Unter Deck im vorderen Mannschaftslogis meinte ein von der Handelsschifffahrt zur grauen Dampferkompanie, wie die Kriegsmarine im Jargon genannt wurde, eingezogener Seemann zu seinen Kameraden: „Ihr werdet Euch noch wundern, Jungs, ich als alter Kap-Horn Fahrer kann dazu nur sagen, dass dieses gegen die brüllenden Vierziger noch gar nichts ist. Aber die wird von Euch in diesem Kriege wohl kaum jemand zu sehen bekommen.“
Ein junger Matrosengefreiter entgegnete, „weiß man’s? Vielleicht doch.“ Ein Dritter mischte sich in das Gespräch ein, „Reiz mich doch nicht zum Lachen, du Süßwasserseemann. Mit diesem Dampfer in den Südatlantik, in Englands ureigenes Meer? Das kann ich mir beim Teufel nicht vorstellen.“ Ähnlich sprachen sich die meisten der Besatzungsmitglieder aus, die eigentlich alle zu diesem Zeitpunkt davon ausgingen, dass die Reise allenfalls in den Nordatlantik ging.
Der Hilfskreuzer lief weiter mit Marschfahrt von 10 Meilen durch die hochgehende Quersee. Immer wieder überspülten gewaltige Wogen das geräumige Oberdeck, dessen Betreten nur angeseilt, das heißt mit einem Palstek um den Bauch, gestattet war.
Das Unwetter hatte seinen Höhepunkt noch nicht erreicht. In Anbetracht der gewaltigen Elemente, die immer stärker wüteten, gab der Kommandant seine Absicht, das Nord-Kap vor Island schon gegen Morgen zu runden, auf. Die derzeitige Marschfahrt von 10 Meilen konnte nicht beibehalten werden und so gab Waldau Anweisung, auf Umdrehungen für 7 Meilen zurückzugehen. Die Sicht wurde immer schlechter und auch nach dem Hellwerden würde die Sicht nur wenige 100 Meter betragen. Ideales Durchbruchwetter. Gegen 2.00 Uhr morgens war aus dem Sturm ein wilder alles verschlingender Orkan geworden, der langsam auf Nordost zu drehen begann. Alles an Bord war gezurrt. Die Besatzungsmitglieder, denen noch keine Seebeine gewachsen waren, erhielten nun einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Die ersten Verletzten, meistens Platzwunden durch Stürze – auch ein Unterschenkelbruch –, wurden im Bordlazarett versorgt. Freistehend vermochte sich niemand mehr an Deck zu halten. Das ganze Schiff war mit einer glatten Eisschicht überzogen.
Immer wieder wälzten sich schwere, schräg von vorn anlaufende Brecher über Bord.
Gegen Vormittag des folgenden Tages steuerte „Chamäleon“ auf die Enge der Dänemark-Straße zu. In den Sommermonaten ist die Dänemark-Straße zwar eisfrei und in dieser Zeit auch ca. 300 Kilometer breit, in dieser Zeit der Stürme allerdings sind Wellenhöhen von bis zu 15 Metern nicht selten. Hinzu kommt, dass der natürliche Stau in der engen Dänemark-Straße, die sich auf Land zu wälzenden Wassermassen aufstaut, wodurch – wie auch jetzt zum Durchbruch der „Chamäleon“ Kreuzseen mit wirr durcheinanderlaufenden systemlosen Wellen erzeugt wurden, in denen das mehr als seetüchtige zum Kriegsschiff umgebaute Frachtschiff wie ein Spielball in den Wellen hin und her geworfen wurde. Das Schiff arbeitete einfach fürchterlich, torkelte hin und her, wie ein weit unterlegener Boxer unter den Hieben eines Schwergewichtsmeisters wie Max Schmeling. Die Besatzung wurde über Gebühr beansprucht. Dieses galt selbstverständlich auch für die Schiffsführung, die, ob Kommandant oder erster Offizier, keine Minute die Brücke verließ. Die Freiwache verkeilte sich mit Knien, Füßen und Ellenbogen in den Kojen bzw. Hängematten, wobei nur altgediente Seeleute auch noch etwas Schlaf fanden.
Angestrengt spähten Ausgucks und Offiziere auf der Brücke durch die schweren Marinegläser in die Dunkelheit. Besorgt schaute der Kommandant auf das Wüten der Elemente. Mit leichtem Grinsen sah er den 2. Offizier an und meinte aufmunternd, „ Na, Semmler, noch nicht ganz seefest?“
„Nein, Herr Kaptän“, versetzte der II.O, dessen Gesicht mit leicht grünlicher Farbe überzogen war, „wer dieses Wetter erlebt, kann sich über den Feind nur noch freuen.“ Der Kommandant grinste, „na, na, mein Lieber, seien Sie froh, dass Sie dieses Wetter nicht auf einem Kreuzer abreiten müssen.“ „Nein, Herr Kaptän“, entgegnete der II O, dem man ansah, wie schlecht es ihm ging, mit Galgenhumor, „aber auf einem getauchten U-Boot auf 40 bis 50 Meter Wassertiefe, wäre mir bestimmt wohler.“ Der Kommandant freute sich, die Stimmung an Bord war nach wie vor gut und das schlechte Wetter geradezu ein Himmelsgeschenk, bestand schließlich kaum Gefahr, von einem der Überwachungskreuzer des Feindes gesichtet zu werden.
Ständig drehte sich die Haube des Dete-Gerätes im Vormars, Der Kommandant ließ bis zur äußersten Sicherheitsgrenze auf den Eisrand zudrehen und das Schiff setzte seinen Durchbruchkurs fort. Gegen Mittag hatte die Sicht noch weiter abgenommen, der Orkan schwächte sich aber ab. Das Schiff lag jetzt bei genau achterlichem Wind etwas ruhiger in der See. Im Schiffsinneren wurde aufgeklart und Ordnung geschafft.
In den Nachmittagsstunden war die See jetzt unwirklich langgestreckt. Der Intervall zwischen Wellental und Wellenberg betrug über 200 Meter. Die schweren, das Schiff überflutenden Brecher, hatten abgenommen, dennoch bestand weiter Lebensgefahr die mit einer spiegelglatten tückischen Eisschicht überzogenen Decks zu betreten.
Unablässig arbeitete das Echolot, um die Wassertiefen zu kontrollieren. Der Navigationsoffizier verglich die angezeigten Tiefen mit den in den Seekarten eingetragenen Angaben. Nach wie vor war es unmöglich eine warme Mahlzeit in der Kombüse zu bereiten. Der Kommandant wanderte ruhelos in seiner Brückennock auf und ab und befahl schließlich: „Smutje auf die Brücke!“ Kurz darauf erschien der für das leibliche Wohl der Besatzung wichtigste Mann, der Kochobermaat Sven Pagelsdorf und baute sein Männchen. „Mein lieber Pagelsdorf“, versetzte der Kommandant, „ich habe volles Verständnis für Ihre Probleme, aber ich erwarte einfach, dass die Männer etwas warmes in den Magen bekommen. Das haben wir alle verdient.“
„Jawohl, Herr Kaptän“, versetzte Kochobermaat Pagelsdorf, „eventuell ließe sich ja eine heiße Erbsensuppe, natürlich nur aus Dosen, mit Wursteinlage, bereiten.“
„Gut, mein Lieber“, zeigte sich der Kommandant befriedigt, „dann mal los, ich verlasse mich auf Sie.“ Mit einem Grinsen und den Worten: „Mir knurrt nämlich auch der Magen“ verabschiedete der Kommandant den von ihm sehr geschätzten Küchenmeister.
Und tatsächlich, 2 Stunden später, war es Wirklichkeit geworden und alle Mann an Bord löffelten mit Behagen die hervorragend bereitete kräftige Eintopfmahlzeit.
Gegen Abend betrug die Sicht knapp 200 Meter. Die engste Stelle der Dänemark-Straße war bereits passiert, als das Dete-Gerät aus 5.000 Meter Steuerbord querab ein Ziel ortete. Der Hilfskreuzer wich aus, vergrößerte damit den Abstand und bald wanderte das Ziel aus. Wahrscheinlich ein britischer Kontrollkreuzer, der zur Bewachungskette des Gegners für die Dänemark-Straße gehörte. Glücklicherweise verfügte der Gegner noch über kein gleichartiges Funkmessgerät, so dass eine Meldung, die die ganze englische Flotte alarmiert hätte, nicht zu befürchten war.
„Ein Glück, Herr Kaptän“, versetzte der IO, Graf Terra, der ebenso wie der Kommandant seit mehr als 24 Stunden auf den Beinen war, „dass der Gegner nicht über unsere technischen Möglichkeiten verfügt.“
Getarnt als norwegischer Frachter Olav V stand der Hilfskreuzer „Chamäleon“, Schiff 66 der deutschen Kriegsmarine, gegen 6.00 Uhr am Morgen des darauffolgenden Tages bereits hinter der engsten Stelle der Dänemark-Straße mit Marschfahrt von 15 Seemeilen. Man sah an Bord den Durchbruch schon fast als erfolgreich abgeschlossen. Der Kommandant, Korvettenkapitän Waldau, hatte sich im an die Brücke angrenzenden Kartenraum in voller Montur zur Ruhe begeben.
„Meldung von Dete-Gerät“, meldete der Befehlsübermittler, Matrosengefreiter Müller II. Der wachhabende IO, Graf Terra, zuckte zusammen und griff den ihm entgegengereichten Hörer der Bordsprechanlage. „IO, was liegt an?“
„Dete-Gerät fasst Ziel rechtweisend 30 °, Entfernung 55 hm (Hektometer) auf“, folgte sofort die Meldung des wachhabenden Funkmess-Gasten.
„Verstanden, Schiff dreht Backbord zwanzig, alle Veränderungen sofort melden!“, Terra legte auf und wies den Rudergänger an, 20 ° nach Backbord abzudrehen. „Backbord 20 liegt an, Herr Kaleu“! Die Bestätigung erfolgte postwendend. „BÜ, Kommandant wecken!“, befahl der IO. Knapp zwei Minuten später war der Kommandant auf der Brücke.
„Dete-Gerät hat Ziel an Steuerbord, Entfernung 5500 aufgefasst, Herr Kaptän. Ich habe 20 ° nach Backbord abdrehen lassen“, meldete der IO seinem Freund und Kommandanten.
„Danke, Terra“, versetzte dieser. In diesem Moment schrillte erneut das Bordtelefon. Der Kommandant nahm selbst ab.
„Zweites großes Ziel Backbord 30 °, Entfernung 60 hm“, meldete der diensthabende Funkmess-Gast.
„Verstanden.“ Der Kommandant legte auf und befahl, „klar Schiff zum Gefecht!“ Sekunden später gellten die Alarmglocken durch das Schiff und ein jeder Mann an Bord hastete auf seine Gefechtsstation.
„Vermutlich britischer Kontrollkreuzer“, versetzte der Kommandant, Ausgucks verdoppeln!“ Nach wie vor umfing glücklicherweise fast absolute Dunkelheit das Schiff. Lediglich das Kielwasser sowie der Schnauzbart am Bug des Schiffes leuchteten silbern auf. Waldau überlegte fieberhaft, was zu tun sei? Sollte er die Geschwindigkeit erhöhen und versuchen, zwischen beiden Zielen durchzustoßen, trotz der Gefahr, dass das dann heller aufwirbelnde Kielwasser evtl. bei noch weiterer Annäherung der Gegner zum Verräter werden würde oder sollte er die Fahrt aus dem Schiff nehmen in der Hoffnung, dass der Gegner an ihm vorbeistoßen möge? Das erneute Summen des Bordtelefons unterbrach seine Überlegungen. „Ziel an Steuerbord wandert aus“, kam die Meldung vom Dete-Gerät. „Ziel an Backbord aufkommend, Entfernung jetzt 4000.“
„Steuerbord 20, Maschinen Umdrehen 14 Meilen! Feuererlaubnis nur auf mein ausdrückliches Kommando!“, kamen die nächsten Befehle der Kommandanten. Alle Ausgucks einschließlich der Offiziere auf der Brücke starrten angestrengt durch die schweren Marinenachtgläser in Richtung der Gegnerpeilung. In Anbetracht der Unsichtigkeit allerdings noch ein vergebliches Unterfangen.