Kitabı oku: «Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere», sayfa 4

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„Ziel an Steuerbord ist ausgewandert, keine Peilung mehr – Ziel Backbord weiter aufkommend, Entfernung 3000, Gegner-Peilung nunmehr Backbord 90 °.“

Alle Augen auf der Brücke richteten sich auf den Kommandanten. Dieser reagierte sofort, „Maschine Umdrehungen auf sieben Meilen reduzieren, Steuerbord 20 °!“ Der Kommandant verringerte die Fahrt weiter, um sich dem nunmehr auf gleicher Höhe befindlichen Gegner nicht durch das aufwirbelnde Kielwasser zu verraten. Die Sekunden strichen dahin, endlich kam die befreiende Meldung des Dete-Gerätes „Gegner wandert aus, Entfernung jetzt 4000.“ Kurz darauf „Entfernung 5000.“ Wieder einige Minuten später: „Keine Peilung mehr.“

Der Kommandant ließ den Kurs noch 30 Minuten beibehalten, um dann auf den ursprünglichen Auslaufkurs zurückzugehen. „Chamäleon“ strebte dem Nord-Atlantik zu. Der Durchbruch war gelungen.

6. Die erste Beute

Am Sonntagmorgen, der Kalender zeigte den 3. Dezember 1939, wurde die gesamte Besatzung – soweit auf ihren jeweiligen Stationen entbehrlich – zur Kommandantenmusterung gepfiffen. Von Tag zu Tag war es wärmer geworden und Mäntel, Schals, Südwester und ähnliche Ausrüstungs- und Kleidungsstücke waren längst aus dem Bordbild verschwunden. Die Besatzung trat im „Sommeranzug“ an und auch die Offiziere erschienen in weißen Hosen.

„Besatzung angetreten, Herr Kaptän“, meldete der IO, Graf Terra, dem Kommandanten. Korvettenkapitän Waldau dankte und musterte die angetretene Besatzung und betrat die für ihn aufgebaute Palaverkiste, ein vom Schiffszimmermann und seien Gehilfen gefertigtes Podest, das dem Kommandanten erlaubte, seine Besatzung insgesamt überschauen zu können.

„Offiziere und Besatzung – Kameraden! In der letzten Nacht haben wir die Linie des 40. Breitengrades überschritten – also etwa die Linie Madrid/New York – und damit unser erstes Operationsgebiet erreicht. Ab jetzt beginnt unsere eigentliche Aufgabe, nämlich die Führung des Handelskrieges. Unsere Aufgabe ist es in erster Linie, einzeln fahrende gegnerische Handelsschiffe anzugreifen, nach Möglichkeit zu stoppen, die Besatzung zu übernehmen und die Schiffe dann, wenn Wert des Schiffes und der Ladung dieses rechtfertigen, mit einem Prisenkommando zu bemannen und nach einem eigenen Hafen in Marsch zu setzten. Sollte dieses nicht in Betracht kommen – und das wird leider häufig der Fall sein – so ist es unsere Aufgabe, nach Übernahme der Besatzung des Gegnerdampfers, diesen zu versenken. Um Munition und vor allem auch Torpedos zu sparen, werden aufgebrachte Gegnerschiffe, die als Prisen nicht geeignet erscheinen, durch Anbringen von Sprengpatronen versenkt.“

„Es ist nicht unsere Aufgabe, gesicherte Geleitzüge anzugreifen. Hierzu ist das Schiff auch – wie Ihnen allen bekannt sein sollte – weder artilleristisch, noch von seiner Geschwindigkeit her in der Lage. Schon gar nicht dürften wir uns auf irgendwelche zweifelhaften Aktionen, bei denen wir selbst Treffer erhalten könnten, einlassen, da auch die „Chamäleon“ – wenn sie auch als Hilfskreuzer aufgrund ihrer durchaus respektablen Bewaffnung eine kampfkräftige Einheit darstellt – sie durch die nicht vorhandene Panzerung außerordentlich verwundbar bleibt. Ein unglücklicher Treffer allein kann die ganze weitere Unternehmung gefährden oder unmöglich machen. Ich sage dieses, damit Sie von vornherein verstehen, weshalb auf Geleitzüge oder auch durch Kriegsschiffe des Gegners gesicherte Frachter nicht operiert wird, sondern diesen auszuweichen ist. Das gleiche gilt übrigens auch für reine Passagierschiffe, auch wenn diese mutmaßlich als Truppentransporter angesehen werden können. Die Begründung hierfür liegt auf der Hand. Wie sollen wir schließlich evtl. tausend oder gar zwei- oder dreitausend Mann Besatzung und eingeschiffte Truppen an Bord nehmen?“

Waldau führte weiter aus, dass er soweit möglich sich seiner zusätzlichen Augen, nämlich des Bordflugzeuges, bedienen wolle und setzte abschließend für die erste Sichtung eine Kiste Becks Bier als Prämie für den erfolgreichen und aufmerksamen Ausguck aus. Für alle übrigen Sichtungen lobte er jeweils sechs Flaschen Becks Bier aus mit dem Hinweis, dass diese Prämie jedes Besatzungsmitglied erhalte, egal ob Ausguck oder nicht, was auch als zusätzlicher Ansporn für Freiwächter und sonstige nicht als Ausgucks eingeteilte Seeleute gedacht war. Eine Maßnahme, die mit lautem Beifall begrüßt wurde.

Am nächsten Morgen hatte es aufgebriest, die See ging etwa mit Stärke 6 und das Schiff arbeitete merklich in der bewegten See. Aus diesem Grunde hatte sich Waldau entschlossen, auf den Start des Bordflugzeuges zu verzichten, um Beschädigungen der verwundbaren Maschine zu vermeiden. In weiten Suchschlägen kämmte der Hilfskreuzer die See ab. Alle Ausgucks – acht an der Zahl – beobachteten unablässig die ihnen zugewiesenen Sektoren. Kommandant und IO hatten sich zusammen mit dem Navigationsoffizier, dem ehemaligen Kapitän der deutschen Handelsmarine und jetzigen Leutnant zur See (S) Wilhelm Kleinhausen, einem 48jährigen Bremer, in das Kartenhaus zurückgezogen, um die nächsten Kurse festzulegen.

Der Artillerieoffizier, Oberleutnant zur See Fritz Bolte, exerzierte derweil mit den Bedienungen der 15-Zentimeter Kanonen. Immer wieder wurde das Enttarnen der Geschütze, das Laden und Richten der Rohre auf einen imaginären Gegner geübt. Wenn der Besatzung auch durchaus klar war, dass nur stetige Übung letztendlich im Ernstfall auch die dann erforderliche Routine vermittelte, so wurde doch – zumindest unterdrückt – über das immer wiederkehrende Rollenexerzieren geflucht. Ähnlich betroffen waren auch die Mannschaften auf allen anderen Stationen des Schiffes. Eine Rollenübung löste die andere ab. Mal hieß es „Feuer im Schiff“, dann wieder „Mann über Bord.“

Auf steuerbordvorderen Ausguckposten stand der Matrosenobergefreite Jochen Dunker, ein 20jähriger Ostpreuße, der als Fischer durchaus mit der See vertraut war. Unablässig hielt er das schwere Marineglas an die Augen und suchte den ihm zugewiesenen Sektor ab. Plötzlich stutze er, nahm das Glas von den Augen, rieb dieses und hob das Glas erneut. „Doch“, er hatte sich nicht geirrt. Ein nadelfeiner dunkler Streifen stand über der Kimm.

„Rauchfahne Steuerbord 30°“, meldete er. Der wachhabende zweite Offizier, Oberleutnant zur See Uwe Semmler, stürzte an die Brückennock und hob ebenfalls das Glas. Nichts. Er verließ die Brücke und hastete zum Ausguck. „Wo denn, Mann, ich sehe nichts?“ „Doch Herr Oberleutnant“, entgegnete der Matrosenobergefreite Dunker in der ihm eigenen bedächtigen Art und wies dem Offizier die genaue Richtung. Jetzt sah es auch Semmler. „Gut gemacht, die Kiste Becks ist Ihnen sicher.“ Der Oberleutnant klopfte dem Ausguck auf die Schulter und strebte eilig wieder auf die Brücke.

Sekunden später waren Kommandant und IO auf der Brücke und schauten ebenfalls auf die nadelfein über der Kimm nur im schweren Marineglas sichtbare Rauchfahne. Auch der NO, Wilhelm Kleinhausen, den es bei der Sichtmeldung ebenfalls nicht mehr im Kartenraum hielt, hatte sich angeschlossen.

„Na also, brummte der Kommandant befriedigt, jetzt hoffen wir nur noch, dass es kein Neutraler ist.“

„Oder ein Tommi-Kreuzer“, brummte leise der IIO.

„Mann Gottes, lassen Sie die Unkerei“, mischte sich Graf von Terra in das Gespräch und schaute immer noch angestrengt in Richtung der Sichtung. Ohne Glas war absolut nichts wahrzunehmen.

„Wie weit schätzen Sie die Entfernung, meine Herren“, wandte sich der Kommandant an die Offiziere auf der Brücke. Graf von Terra antwortete als erster, „schwer zu sagen, aber ich glaube schon, dass es mindestens 30 Meilen sind. Vielleicht sollten wir unsere Herren Sonderführer auf die Brücke bitten, da die Handelsschiffskapitäne sicherlich auch ihren Senf dazugeben können“, fuhr Terra in der ihm eigenen etwas burschikosen Art fort. „Gut, mein Lieber“, stimmte ihm der Kommandant zu, „veranlassen Sie das.“ Wenige Minuten später bevölkerten nunmehr auch die erfahrenen ehemaligen Handelsschiffer die Brücke. Bei diesen bestand durchweg Einigkeit darüber, dass aufgrund der Sichtigkeit die Entfernung wohl kaum mehr als ca. 30, 32 Meilen betragen würde. „In Ordnung, den versuchen wir zu kriegen“, versetzte der Kommandant und gab Befehl, auf die Sichtung zuzudrehen. Mit Höchstgeschwindigkeit von 19 Knoten strebte der Hilfskreuzer auf den vermuteten Gegner zu.

Zwei Stunden später war die Rauchfahne des anderen Schiffes auch bereits mit bloßem Auge zu erkennen. Durch die schweren Marinegläser wurden mittlerweile auch die Konturen der Masten sichtbar, so dass einwandfrei feststand, es handelte sich um ein Handelsschiff.

Nachdem der Generalkurs des Gegnerfrachters klar war, ließ der Kommandant leicht vom Kurs abfallen, um nicht allzu verdächtig zu erscheinen. Langsam aber stetig holte der Hilfskreuzer, von achtern aufkommend, auf. Bemühte sich aber, den seitlichen Abstand von etwa 7 Meilen nicht zu unterschreiten – noch nicht.

Kommandant und IO erörterten die Lage, wie man sich am unverfänglichsten dem Gegner nähern könne.

„Wir sind als schwedischer Schwergutfrachter getarnt“, versetzte Graf Terra., „warum sollte er Verdacht schöpfen?“ „Ich vermute, dass die britische Admiralität, ähnlich wie im Weltkrieg, sicherlich ihren Schiffen wiederum Anweisung erteilt hat, bei Aufkommen von verdächtigten Schiffen sofort abzudrehen und entsprechende Funkmeldung abzusetzen“, entgegnete Waldau. Terra widersprach; „wenn wir ein Kriegsschiff …“, er unterbrach sich und grinste. „Wollte sagen wenn wir als Kriegsschiff erkennbar wären, würde ich das verstehen. Aber Hilfskreuzer können ja noch gar nicht gemeldet sein. Warum sollte der Kapitän drüben übervorsichtig reagieren? Und wenn doch, wie sollen wir es verhindern?“ „Gut“, versetzte Waldau. „Lassen wir es darauf ankommen.“

Langsam aber stetig wurde nicht nur die Entfernung zum Gegner, sondern auch der seitliche Abstand verkürzt. 45 Minuten später dröhnten die Alarmglocken durch das Schiff. Alle Mann hasteten auf ihre Gefechtstationen. Der Kommandant ließ auf Lautsprecheranlage schalten und befahl: „Schiff klar zum Gefecht. Wir greifen an.“ Umgehend folgten die Klarmeldungen des 1. Artillerieoffiziers für die schwere Artillerie, des II AO für die Flakbewaffnung sowie des TO für die Torpedowaffe, des Funkraums, der sich erforderlichenfalls zum Störfunken bereithielt und aller anderen Stationen. Der Hilfskreuzer hatte sich zwischenzeitlich auf etwa eine Seemeile genähert. Noch immer zog das Gegnerschiff völlig ungerührt seinen Kurs und war zwischenzeitlich ausgemacht worden als der englische Frachtdampfer „Jolante“, Heimathafen Liverpool, nach Lloyds Register ein Schiff von 6368 BRT (Bruttoregistertonnen).

Dann folgte zum ersten Mal der Befehl:“ Heisst Flagge und Wimpel, fallen Tarnung.“ Die schwedische Flagge wurde eingeholt und rauschend entfaltete sich die deutsche Kriegsflagge am Mast. Die Tarnungen vor den Geschützen fielen und drohend streckten sich die Rohre zum nah beistehenden Gegnerfrachter. Gleichzeitig wehte auf dem deutschen Hilfskreuzer das internationale Flaggensignal „Stoppen Sie sofort, nicht funken“, aus. Gebannt schauten Offiziere und Besatzung, soweit sie freien Zublick auf den Gegner hatten, hinüber. Deutlich erkennbar führte der englische Frachter noch kein Heckgeschütz, wie es später für alle englischen Schiffe eine Selbstverständlichkeit war. „Frage Funkraum“, ließ sich der Kommandant vernehmen. Postwendend erfolgte die Antwort „Gegner funkt nicht.“ Gut erkennbar am endlich zusammenfallenden Kielwasser nahm der Gegner die Fahrt aus dem Schiff. 10 Minuten später dümpelten beide Schiffe in einer Entfernung von ca. einer Meile im bewegten Nordatlantik. „Prisenkommando fertig machten! Flaggensignal, ich schicke ein Boot, halten Sie die Schiffspapiere bereit!“ Die nächsten Befehle des Kommandanten folgten sofort. 3 Minuten später stieß das Motorboot mit dem Prisenkommando von 12 Mann, bewaffnet mit Maschinenpistolen, geführt vom 1. Offizier, Graf Terra, vom Hilfskreuzer ab. Mit an Bord befanden sich zwei Feuerwerker mit den nötigen Sprengmitteln versehen, um ggf. das Gegnerschiff durch Sprengpatronen zu versenken.

Deutlich sichtbar legte das Motorboot des Hilfskreuzers wenig später am gestoppten Frachter an und – allen voran Graf von Terra– enterten über die herabgelassene Jakobsleiter den Gegner.

Äußerlich völlig ruhig, das Glas auf das gegnerische Schiff richtend, innerlich aber außerordentlich gespannt, erwartete der Kommandant den Bericht seines IO. Die Minuten dehnten sich endlos. Mit Anzeichen erster Nervosität fuhr sich Waldau mit gespreizten Fingern durch die Haare, was in der allgemeinen Anspannung aber kaum vom Brückenpersonal bemerkt wurde. Dann endlich ließ der IO durch Funkspruch mitteilen: „Schiffspapiere sichergestellt. Keine Gegenwehr. Ladung besteht aus Stückgut und landwirtschaftlichen Maschinen. Funkanlage defekt. Als Prise ungeeignet.“

Der Kommandant winkte seinem Läufer. „Winkspruch an IO, lassen Sie die Besatzung ihre persönlichen Sachen bergen und das Schiff verlassen. Frist 30 Minuten. Durch Sprenggranaten versenken. Schiffspapiere sicherstellen.“

Schon vor der gesetzten Frist legten die Boote des Gegners an der Bordwand des Hilfskreuzers an. Der Kommandant ließ die gegnerischen Offiziere und Matrosen – bis auf den Kapitän – sofort unter Deck in die für sie zur Aufnahme vorbereiteten Gefangenenräume führen.

„Herr Kapitän,“ wandte sich der deutsche Kommandant an den sichtlich erregten neben ihm stehenden Kapitän seines ersten Opfers, „es tut mir leid, aber ich werde Ihr Schiff versenken müssen.“ Bei diesem einleitenden Satz musterte Korvettenkapitän Waldau sein Gegenüber. Er sah einen stämmigen, untersetzten alten Fahrensmann mit durch Sonne und Wind gekerbten Zügen von ca. 50 Jahren. Dieser schaute ihn offen aus dunkelbraunen Augen, umkränzt von buschigen Augenbrauen, die über der Nase zusammengewachsen waren, an. „Hornsby, Master William Hornsby“, stellte sich der englische Handelskapitän vor. „Tun Sie, was Sie glauben tun zu müssen.“ sprach dieser den deutschen Kommandanten zu dessen nicht gelinder Überraschung an, der seine vorherigen Worte ohne weiter nachzudenken auch in Deutsch an den Master des britischen Schiffes gerichtet hatte. „Oh, execuse me, Kapitän, ich freue mich, dass Sie offenbar nicht nur Deutsch verstehen, sondern auch hervorragend sprechen“, entgegnete der sichtlich überraschte Waldau. „Wenn Sie es wünschen, dürfen Sie gern an Deck bleiben und zuschauen, wie Ihr Schiff in“ – Waldau schaute auf die Uhr – „etwa 10 Minuten durch die von meinen Feuerwerkern angebrachten Sprengladungen auf Grund gehen wird.“ Waldau bemerkte, wie sich die Gesichtszüge seines Gegenübers in offensichtlicher Verbitterung verzogen und fuhr schnell fort, „selbstverständlich habe ich aber dafür auch allergrößtes Verständnis, Herr Kapitän, wenn Sie sich diesen Anblick ersparen möchten. Wenn Sie es wünschen, lasse ich Sie selbstverständlich auch sofort unter Deck geleiten – selbstverständlich zu Ihrer Mannschaft.“ „Ich bitte darum“, versetze der Kapitän der aufgebrachten „Jolante“ und wandte sich ab. „Führen Sie den Herrn Kapitän zu seinen Leuten, IO“, brummte Waldau zu seinem Freund Terra gewandt und richtete seine Augen wieder auf den gegnerischen Frachter.

Wenige Minuten später detonierten die angebrachten Sprengkapseln auf der ersten Beute des „Chamäleons“ und langsam sackte das Schiff auf ebenem Kiel tiefer, um nach ca. 10 Minuten von der Wasseroberfläche verschwunden zu sein. „Chamäleon“ hatte hiermit seine erste Beute versenkt, „unter Deck geschoben“, wie es in der Kriegsmarine hieß.

7. Täuschungsmanöver

Mit südlichem Kurs durchpflügte „Chamäleon“ den Nordatlantik Richtung Äquator. Seit der ersten Versenkung war kein weiterer Gegner mehr in Sicht gekommen. Unablässig beobachteten Brücke und Ausguckposten die ihnen zugewiesenen Sektoren. Trotz des relativ guten Wetters, verbunden mit weiter Sicht, wollte keinerlei über der Kimm aufsteigende Rauchfahne eine weitere Beute ankündigen.

Tage später, gegen 10.00 Uhr vormittags – der Kommandant hatte gerade sein zweites Frühstück eingenommen – ließ sich bei diesem der zweite Offizier, Oberleutnant Uwe Semmler, melden und wurde von Waldau sofort empfangen. Nach dessen militärischer Meldung bot Waldau seinem IIO Platz vor seinem Schreibtisch, der am Boden fest verankert war, um auch bei schwerer See nicht Gefahr zu laufen, sich selbständig zu machen, an und schaute sein Gegenüber erwartungsvoll an. „Na, Semmler, was gibt’s?“ „Ich habe auftragsgemäß die persönlichen Habseligkeiten der Gefangenen überprüft“, berichtete der IIO, „Herr Kaptän.“ Der Kommandant merkte seinem Untergebenen sofort an, dass dieser kaum abwarten konnte, ihm offenbar außerordentlich interessante Feststellungen zu melden. Waldau grinste ob des kaum verhohlenen Eifers des jungen Offiziers und ermunterte ihn, „na, was interessantes dabei?“

„Das kann man wohl sagen, Herr Kaptän“, meldete der junge Oberleutnant und zog einen Briefumschlag aus der Innentasche seines Bordjacketts. „Dieses stammt aus der Jacke des Funkers.“ Der Kommandant nahm den Umschlag entgegen und betrachtete ihn zunächst von beiden Seiten. Gerichtet war der Brief an einen Edward Simmons, Funkoffizier, MS Jolante, Liverpool.

„Der Absender“, platzte Semmler heraus, um sich sofort zu entschuldigen, „Verzeihung Herr Kaptän, der Absender erscheint mir sehr interessant.“ Waldau wendete den Brief und staunte ehrlich.

„Sir Walter Hawkens, Rear-Admiral, London“, las er zu seiner Überraschung und widmete sich nunmehr mit größtem Interesse dem Brief selbst.

Dieser trug ebenfalls den Kopf des Rear-Admirals, der neben vielen persönlichen Floskeln in diesem Schreiben seinen Neffen, um diesen handelte es sich nämlich bei dem Funkoffizier der aufgebrachten Jolante, wissen ließ, dass er ein Kreuzergeschwader im Südatlantik übernehmen werde und seinen geliebten Neffen aufforderte, sich unmittelbar nach Beendigung der Fahrt als Reserveoffizier der Royal-Navy zur Verfügung zu stellen und ihn sofort über die Admiralität in London zu informieren, damit er ihn, seinen Neffen, für eines seiner Schiffe anfordern könne.

„Das ist ja wirklich interessant“, versetzte Waldau, „leider hilft es uns wenig weiter, wir werden aber entsprechende Mitteilung über die zu erwartenden Operationen eines Kreuzergeschwaders im Südatlantik per FT an die SLK senden. Gibt es sonst noch irgendetwas von Bedeutung unter den Habseligkeiten der Männer?“

„Nein, Herr Kaptän“, antwortete der IIO. „In Ordnung, Semmler“, versetzte Waldau, „dann veranlassen Sie, dass den Leuten ihre persönlichen Sachen zurückgegeben werden. Im Übrigen möchte ich Sie dann bitten, sich neben Ihren Aufgaben als II WO auch als „Gefangenenoffizier“ zu betrachten und sich um Sorgen und Probleme der Gefangenen zu kümmern. Sprechen Sie mit den Leuten, kümmern Sie sich auch um persönliche Wünsche und Bedürfnisse und sorgen Sie vor allem dafür, dass alle nur denkbaren Erleichterungen gewährt werden können. Versuchen Sie hierbei auch weitere für uns interessante Einzelheiten in Erfahrung zu bringen. Kurzum, versuchen Sie, für die Gefangenen nicht der böse Hunne zu sein, sondern bemühen Sie sich – soweit möglich selbstverständlich – auch um einen kameradschaftlichen Ton.“

Damit entließ der Kommandant seinen IIO.

Am folgenden Morgen – Waldau saß gerade mit seinen Offizieren – mit Ausnahme des IIO, der als diensthabender Offizier zur Zeit den Hilfskreuzer fuhr – in der Offiziersmesse nach dem zweiten Frühstück zusammen und erörterte die Lage – als eine erneute Sichtmeldung erfolgte. Waldau und Terra stürzten auf die Brücke.

„Rauchfahne Backbord querab, Herr Kaptän“, meldete Oberleutnant Semmler als wachhabender Offizier. Waldau und Terra hoben die schweren Marinegläser an die Augen und starrten angestrengt in die angegebene Richtung. Endlich, nach dem Nachjustieren der Gläser, erkannte der IO, Graf Terra, den feinen verwischten Strich an der Kimm und bedeutete dem Kommandanten die genaue Richtung. Jetzt sah es dieser auch. „Verdammt gute Sicht, also verdammt weit weg“, brummte Waldau. „Was meinen Sie, IO, wollen wir das Flugzeug erstmals aussetzen?“ „Wäre sicherlich empfehlenswert, Herr Kaptän.“ „Gut, veranlassen Sie das IO.“

Kurz darauf meldete sich der Fliegeroffizier, Leutnant Elmar Spaß mit dem Flugzeugführer, Feldwebel Gottfried Schütze, bei dem Kommandanten. Beide erklärten, es bestehen keine Bedenken gegen den Einsatz des Bordflugzeuges, das kurz darauf gestartet wurde.

Kommandant und IO, sowie alle Mann, soweit es ihnen möglich war, blickten dem startenden Bordflugzeug nach, dass sich ohne Schwierigkeiten von der glatten See erhob, noch eine Ehrenrunde über den Hilfskreuzer drehte und dann Kurs auf die gesichtete Rauchfahne nahm.

„Na, nun heißt es abwarten“, brummte der IO und grinste den Kommandanten an.

Die Arado stieg schnell auf etwa 600 Meter Höhe und nahm Kurs auf das gesichtete Schiff. Nach wenigen Minuten bereits war von Leutnant Spaß klar auszumachen, dass es sich bei der erhofften zweiten Beute des „Chamäleons“ um einen tief im Wasser liegenden, also bis zur Halskrause vollgelutschten, Tanker von etwa 7.000 BRT handelte.

Das Schiff war eindeutig anhand der britischen Handelsflagge als Gegner zu identifizieren.

„Lohnenswerte Beute“, bedeutete der Fliegeroffizier seinem Flugzeugführer. Feldwebel Schütze, der gerade die Maschine in eine leichte Linkskurve legte, um das Ziel in etwa 500 Meter Höhe zu umrunden, nickte, „hoffentlich funkt er nicht gleich.“

„Wollen wir unser Glück versuchen“, bedeutete der Leutnant und griff zum zwischen seinen Füßen befindlichen Leinenbeutel, in dem sich eine vorbereitete Mitteilung befand, die – selbstverständlich durch das nötige Gewicht beschwert – auf Deck eines gegnerischen Schiffes abgeworfen werden sollte. Diese Meldung besagte, dass ein britisches Kriegsschiff – in diesem Fall der britische Kreuzer Dorsetshire – in der Nähe stand und aufgrund des Kriegsausbruches wichtige Befehle für den eigenen Frachter habe. Dieser möge nicht funken, um den Standort britischer Einheiten dem deutschen Gegner nicht zu verraten. Das Kriegsschiff werde näher kommen und ein Boot aussenden, um weitere Befehle zu übermitteln.

Zwischenzeitlich hatten die britischen Seeleute auf dem Tanker selbstverständlich das Flugzeug bemerkt und hielten dieses erkennbar für das Bordflugzeug eines eigenen Kriegsschiffes. Wie anders wäre das Winken der auf Oberdeck gekommenen Seeleute sonst zu erklären?

„Scheint zu klappen“, meinte der Flugzeugführer und legte die Maschine in eine neue Kurve, um erheblich tiefer den Tanker erneut zu überfliegen. Leutnant Spaß bereitete sich vor, den Beutel so abzuwerfen, dass dieser wirklich auf dem Vordeck des Handelsschiffes auftreffen möge.

Die Maschine verringerte deutlich Ihre Flughöhe. In ca. 40 Metern Höhe flog die Arado 196 von hinten an. Von achtern aufkommend hielt Leutnant Spaß – die Windrichtung wohlberechnend – den Beutel vor sich und warf diesen ab, als das Flugzeug etwa die achtere Heckreling des Tankers in etwa 40 bis 50 Meter Höhe überflog.

Erwartungsgemäß schlug der Leinenbeutel auf dem Vordeck des Schiffes – zwischen den verschiedenen Tanks- auf.

„Wollen sehen, was jetzt passiert“, schrie Spaß seinem Flugkollegen, Feldwebel Schütze, zu. Dieser nickte lediglich, obwohl er aufgrund des erheblichen Fluglärms, verbunden mit den starken Windgeräuschen, wohl kaum genau verstanden haben dürfte.

Die Maschine ging auf ca. 100 Meter Höhe und umkreiste den Tanker.

Bei der dritten oder vierten Runde bemerkten sowohl Spaß als auch Schütze, dass ihre Nachricht ohne Argwohn aufgenommen wurde. Der Leinenbeutel war auf die Brücke gebracht und einer der Schiffsoffiziere, an der Kopfbedeckung erkennbar, winkte dem Flugzeug zu.

Gleichzeitig ging das Flaggengensignal für „verstanden“ hoch und das Gegnerschiff verlangsamte deutlich erkennbar seine Fahrt.

Die Arado umkreiste noch mehrere Male den gegnerischen Tanker, bei der letzten Runde wurde mit leichtem Wackeln der Tragflächen angedeutet, dass das Aufnehmen und Befolgen der Nachricht verstanden war und nahm dann wieder Kurs auf den Hilfskreuzer.

Währenddessen auf „Chamäleon.“

Auf der Brücke standen die Offiziere zusammen und diskutierten, ob wohl der Einsatz des Flugzeuges den gewünschten Erfolg bringen möge? „Wird schon klappen“, äußerte sich Graf von Terra und verbreitete wohltuenden Optimismus. Anders der Kommandant, der – nach außen hin vollkommen ruhig und beherrscht, innerlich aber völlig aufgewühlt – an einen derartigen leichten Erfolg noch nicht glauben wollte. „Glaube ich kaum, wir haben wohl einen klassischen Fehler begangen.“ Alle schauten den Kommandanten bestürzt an. „Wieso, Herr Kaptän“, fasste sich Graf von Terra als erster.

Waldau musterte seinen ersten Offizier und meinte, „will Ihnen ja nicht die Hoffnung verderben – und mir bestimmt auch nicht – IO“, um nach einer längeren Pause fortzufahren, „aber in dem vorbereiteten Abwurfbeutel geben wir uns als britischer schwerer Kreuzer aus.“ Betretenes Schweigen bereitete sich auf der Brücke aus. Allen Offizieren und den sonstigen Besatzungsmitgliedern,die diese Äußerung aufnahmen, war klar, dass auf dem gegnerischen Tanker jeder bei Annäherung sofort erkennen würde, dass hier kein britischer schwerer Kreuzer herangebraust kam, sondern sich ein Handelsdampfer näherte.

Terra fasste sich wieder als erster und entgegnete, „dann, Herr Kaptän, dürfen wir uns eben erst bei Dunkelheit nähern.“

„Ha, Sie Spaßvogel, belieben einmal mehr zu scherzen, obwohl dieser Zeitpunkt absolut unangebracht ist“, versuchte der Kommandant seinen ersten Offizier zurechtzuweisen, um fortzufahren, „meinen Sie etwa, der Gegner wundert sich nicht, wenn nicht innerhalb der nächsten ein, zwei Stunden der erwartete Kreuzer in Sicht kommt?“

Graf von Terra äußerlich absolut ungerührt, „doch, muss das Flugzeug eben erneut mit ergänzenden Befehlen zum Tanker fliegen.“

„Hmmhmmhm“, überlege Korvettenkapitän Waldau, „Sie Teufelskerl, haben ja vollkommen Recht, wir könnten ja wesentlich weiter abstehen. Wollen wir sofort eine weitere Order schriftlich entwerfen.“

„Herr Kaptän“, meldete der Steuerbordausguck, „unser Bordflugzeug nähert sich.“ Alle rissen die Gläser an die Augen und sahen auch prompt – vom Ausguck die Richtung angedeutet – die Maschine sich nähern.

Näher gekommen, meldete Fliegeroffizier Spaß per Signallampe, dass es sich bei dem Gegner um einen Tanker handelt und dieser offenbar keinen Verdacht geschöpft hat, und gestoppt liegen bleibe, um die Ankunft des Kreuzers zu erwarten.

„Signalmaat auf die Brücke“, befahl der Kommandant. Sekunden später bedeutete er dem auf die Brücke kommenden Signalmaaten, Flaggensignal für Kmdt. des Flugzeuges: Neben dem Hilfskreuzer wassern!“

Im Flugzeug wurde dieses Signal mit gemischten Gefühlen aufgenommen. „Sollen wir etwa hier rumschwabbeln und nachher vom Schiff wieder aufgenommen werden, Herr Leutnant?“ Diese Frage stellte der Flugzeugführer seinem Fliegeroffizier. „Ich weiß auch nicht, Schütze, aber Befehl ist Befehl.“ Das Flugzeug flog eine ausgedehnte Kurve und wasserte dann in der Nähe des Kreuzers. Mit Verwunderung nahm die Flugzeugbesatzung davon Kenntnis, dass der Hilfskreuzer ein Boot aussetzte, das sich dem Flugzeug näherte. Das Bootskommando, geführt von Maat Lange, übergab Leutnant Spaß einen neuen Leinenbeutel mit dem Bemerken, „Herr Leutnant, Befehl des Kommandanten, erneut Kurs auf Gegner und erneutes Abwerfen neuerer Befehle.“ Spaß nahm den Beutel entgegen und sofort legte der Kutter wieder ab und strebte „Chamäleon“ zu.

„Na denn, Sie haben es gehört“, versetzte der Leutnant und Feldwebel Schütze drehte die Arado 196 in den Wind, um vom – glücklicherweise relativ ruhigen Wasser – zu starten.

Nach wenigen Minuten verlor sich die Silhouette des Flugzeuges in den Gläsern des Hilfskreuzers als kleiner schwarzer Punkt mit Kurs auf den Engländer.

An Bord des Flugzeuges hatte Leutnant Spaß zwischenzeitlich die neue Order für den Tankerkapitän gelesen und erläuterte den Inhalt seinem Kameraden und Flugzeugführer. „Wird schon klargehen“, entgegnete dieser lakonisch. Gut 50 Minuten später kam der Tanker erneut in Sicht. Schütze umkurvte – unter entsprechendem Wackeln mit den Tragflächen – erneut den Tanker, der ohne Fahrt in der langen Dünung des Atlantiks dümpelte.

Nach mehreren Kurven – jeweils unter erneutem Wackeln der Tragflächen und Anblinken mit der Morselampe – dass erneuter Befehl abgeworfen werden würde – flog Schütze erneut das Schiff von achtern an und der Flugzeugführer, Leutnant Spaß, platzierte ähnlich geschickt, wie beim ersten Anflug – obwohl bei jetzt ohne Fahrt dümpelndem Schiff etwas einfacher – erneut den Meldebeutel auf dem langen Vordeck des Tankers.

Wie beim ersten Mal wurde die Meldung schnellstens aufgenommen und der Schiffsführung überbracht. Es dauerte ca. 2 Minuten, bis erneut das Signal „verstanden“ an den Signalleinen am Mast des Tankers auswehte. Das Flugzeug kreiste noch einige Male über dem Tanker, bis schließlich erkennbar war, dass dieser Fahrt aufnahm und seinen bisherigen Kurs fortsetzte.

Nachdem der Abwurfsack auf dem Deck des britischen Tankers aufgenommen war und dem Kapitän, Master Stanley Meesen, vorgelegt war, äußerte sich dieser, „hmm, gar nicht gewusst, dass die Bordflugzeuge unserer Kreuzer einen derartigen Aktionsradius haben und derart hohe Geschwindigkeit fliegen können. Aber meine Herren, was soll’s, werden wir also unsere Fahrt entsprechend mit verminderter Geschwindigkeit fortsetzen und dann eben in den frühen Morgenstunden den Kreuzer erwarten.“

„Entschuldigen Sie, Sir“, ließ sich der erste Offizier, Walter Jackson, vernehmen, „das erscheint mir doch alles sehr merkwürdig. Sollten wir nicht vielleicht lieber per Funk Bestätigung einholen, dass wirklich der britische schwere Kreuzer Dorsetshire sich in diesem Seegebiet befindet?“

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
610 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783954888023
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