Kitabı oku: «Mondschein», sayfa 2

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Geron von Dämmertan war von zwei Soldaten der Leibwache gebunden, als er den König von seinem Pferd fallen sah. Aber er konnte sich nicht schnell aus seinem Kampf lösen. Seine Gegner waren wirklich gute Kämpfer, doch er musste dem König beistehen. Die Sorgen von Dämmertan wurden noch größer, als er sah, wie ein großer Trupp Kargatianer angeführt von einem Reiter in schwarzer Rüstung ihnen den Rückzug versperrte und ihre Nachhut aufrieb. Geron ließ einen Angriff seines Gegners an seinem Schild abgleiten, um sein Schwert dann in dessen Brust zu versenken.

Nur noch einer.

Beorn schwang sich von seinem Pferd. Er wuchtete seine Axt auf seine Schulter und ging langsamen Schrittes auf den König zu, der sich nur langsam vom Boden erhob. Thanhold stütze sich auf sein Schwert, doch noch immer drehte sich alles um ihn. Er unternahm einen weiteren Versuch sich aufzurichten, verlor jedoch wieder sein Gleichgewicht. Er sah Beorn auf sich zu kommen. Jetzt ging es also zu Ende, dachte er, als ihm ein Krieger den Weg versperrte.

Der Kronprinz erkannte in dem humpelnden Gerüsteten einen Ritter Valoriens, zumindest zeigten dies Wappenrock und Schwert. Roland stellte sich schützend vor seinen König, auch wenn er offensichtlich in einem schlechten Zustand war. Seines Pferdes beraubt war die Beinwunde sehr störend. Zudem blutete er aus Wunden am rechten Arm, Bauch und Kopf, nachdem er seinen Helm verloren hatte.

„Du wirst dem König Valoriens kein Stück näher kommen.“, sagte er noch als Beorns Axt auf ihn niederfuhr. Roland wehrte den Hieb mit seinem Schild ab, der in der Mitte gespalten wurde, nachdem mehrere vorherige Schläge diesen schon stark beschädigt hatten. Beorn ließ nicht locker und setzte weiter nach. Roland kam kaum dazu, Gegenwehr zu leisten. Ein seitlicher Hieb, den er zu spät kommen sah, wurde ihm zum Verhängnis. Die Axt grub sich tief in Rolands Rüstung und dieser ging schlussendlich zu Boden.

Der König war mittlerweile wieder auf einem Knie und wollte sich gerade erheben, als sich Beorn vor ihm aufbaute.

„Dann bringt es zu Ende, Kronprinz Beorn.“, sagte Thanhold und blickte mit ernstem Blick seinem Ende entgegen. Beorn ließ mit einem Lächeln die Axt in die Brust des Königs fahren. Die Rüstung barst und die Axt schlug tief in den Brustkorb. Mit einem Husten spuckte Thanhold Blut aus, doch noch hielt er sich auf den Knien. Sein Blick war ungebrochen. Der Kronprinz zog die Axt aus der Brust des Königs und hob diese, um den Kopf des Königs von dessen Leib zu trennen.

Mit Schwung ließ er die Axt niederfahren.

Gerons Schild erzitterte, als die Axt darauf schlug. Eine Platzwunde auf seiner Stirn tränkte sein Gesicht in Blut, was ihm ein wirklich schauriges Aussehen verlieh. Geron von Dämmertan hatte schon vor einiger Zeit eine schlimme Verletzung im Gesicht erlitten, die ihm eine hässliche Narbe gebracht und das halbe linke Ohr gekostet hatte. Mit diesem sowohl furchteinflößenden als auch entschlossenen Blick stieß er sein Schwert in den Bauch seines Feindes.

Beorn war von Gerons Eingreifen völlig überrascht und konnte keine Gegenwehr leisten. Seine Augen weiteten sich und blickten fassungslos in das grausige Gesicht seines nahenden Todes. Kraftlos ging er auf die Knie, als der Ritter sein Schwert aus ihm zog. Kleine Bluttropfen spritzten auf Geron, als er zu einem schnellen Schlag ausholte. Mit einem sauberen Hieb der messerscharfen Klinge beendete der Ritter das Leben des kargatianischen Thronfolgers. Trotz des Lärms der Schlacht vernahm er den dumpfen Ton, als Kopf und Körper getrennt auf den Boden schlugen.

Kurz verharrte der junge Ritter vor der Leiche seines Feindes. War dies nun das Ende dieses Krieges? Doch dann riss ihn das Stöhnen des Königs aus den Gedanken. Er fuhr herum und sank auf die Knie. Um ihn herum hatten sich die letzten Überlebenden der Leibgarde und weitere Reiter vorgekämpft, die ihn und König Thanhold schützend umgaben.

„Majestät.“, sagte Geron leise, erkannte aber, das es schlecht um seinen Rittervater stand, der ihm so viel in seinem Leben mitgegeben hatte. Hatte er als Ritter versagt? Seinem Schwur zu entsprechen, seinen König zu schützen? Noch nicht. Noch lebte er. Geron hob seinen ehemaligen Rittervater, den König Valoriens, auf sein eigenes Pferd. Mit einem weiteren Griff schnappte er des Königs Banner, das nicht weit von ihnen auf dem Boden lag. Dann schwang sich Geron in den Sattel und reckte das Banner Valoriens in die Luft. Obwohl er sah, dass ihre Hauptmacht umzingelt war, keimte Hoffnung in ihm, hier noch heraus zu kommen. Er erkannte von beiden Flügeln den Rest der Reiterei heranstürmen. Die größere Kraft wurde von Victor von Andtweil angeführt, von Sylvius von Tandor war nichts zu sehen.

„Rückzug!“ rief Geron laut über die Reihen. „Rückzug nach Burg Eisentor!“ brüllte er und ritt in vollem Galopp Richtung Tor und Brücke zurück. Erleichtert sah er, wie die Reihen des Feindes von den herannahenden valorischen Reitern auseinandergetrieben wurden. Er durchbrach die Reihen und ritt Richtung Tor. Dann über die Brücke. Ihm folgte der Rest der valorischen Reiterei, auch wenn es leider erschreckend wenig war. Aber das kümmerte den Ritter nicht mehr. Es ging jetzt nur noch darum, das Leben des Königs zu retten. Er trieb sein Pferd, das über die Brücke rannte, das Banner flog in der Luft. In vollem Galopp passierte er das Eisentor.

„Holt einen Heiler herbei. Der König braucht Hilfe.“, brüllte er, als er das Tor passierte. Im Hof angekommen hob er den König vom Pferd und legte ihn auf den Boden. Sofort eilten einige Soldaten und schnell auch der angeforderte Heiler herbei. Dieser sah den König an, fühlte dessen Puls und schaute dann den daneben knienden Ritter von Dämmertan mit ernstem Blick an. Der Heiler schüttelte mit dem Kopf.

„Er ist schon auf dem Weg, ich kann nicht mehr helfen.“ Geron beugte sich zum König herunter, dessen Lippen zitterten, als wollte er etwas sagen. Er hielt sein Ohr an den Mund des Königs.

„Geron, alter Freund.“, stammelte dieser leise. „Bitte, bitte kümmere dich um meinen Sohn. Erziehe ihn zu einem Ritter, wie du einer geworden bist. Treu und Ehr, mein Freund.“

Dann seufzte er und gab seinen letzten Lebenshauch von sich.

„Valorien“, sagte Geron leise und blickte in das Gesicht seines gefallenen Königs. Erleichterung war dessen Blick zu sehen, denn er wusste, dass der edelste und beste Ritter Valoriens sich um seinen Sohn kümmern würde.

Rot und golden war das Sonnenlicht, als die Sonne sich langsam über den Horizont erhob. Der Himmel war klar, nur vereinzelte Wolken wurden von dem Licht des neuen Morgen rötlich gefärbt. Ein einsames Pferd ritt auf die Kronburg in Elorath zu. Ein neuer Morgen war angebrochen, ein neuer Tag, aber auch eine neue Zeit. Eine neue Zeit für Valorien.

Das blau-silberne Banner Valoriens wehte über dem einzelnen Reiter, der sich der Kronburg in Elorath näherte. Dem Ritter Valoriens, der das Wappen des Königs trug, wurde ohne weitere Nachfragen das Tor geöffnet. Die Nachricht der Ankunft des Herrn von Dämmertan hatte sich schon herumgesprochen, bevor er das Burgtor passierte. Im Hof der Burg warteten schon viele Menschen - Soldaten, Hofdamen, Bedienstete und natürlich in der Mitte die Königin, Margeth, mit ihren schier unendlich langen, hellbraunen Haaren. An der Hand hielt sie einen etwa dreijährigen Jungen. Geron schwang sich aus dem Sattel und ging auf die beiden zu. Er sank auf die Knie und senkte das Banner.

„Erheb dich, Geron, und berichte!“, sagte die Königin. Geron schaute der Königin ernst ins Gesicht und erhob dann seine Stimme.

„Thanhold II. von Valorien ist glorreich in der Schlacht zur Verteidigung unserer Heimat gefallen. Ich schwöre Treue dem neuen König Valoriens, Priovan I. von Valorien.“

Geron sank erneut auf die Knie, zog sein Schwert und streckte dieses zum Zeichen seiner Treubekundung dem neuen König hin.

Ein neuer König Valoriens war ausgerufen.

Teil 1:

Die Knappin

764 St. Gilbert

Kapitel 1

Die hellen Strahlen der sommerlichen Mittagssonne wärmten die leicht gebräunte Haut des Mädchens, das an der Kaimauer des Hafens von Tjemin saß und seine Füße leicht im Wasser der Gronde baumeln ließ. Ihre Schuhe, ziemlich abgewetzte und zerrissene braune Lederstiefel, standen neben ihr auf der Mauer. Auch ihre sonstige Kleidung zeigte, dass sie zur armen Bevölkerung der Hauptstadt des Herzogtums Fendron gehörte. Eine bis zu den Waden reichende, einstmals helle Hose wurde von einer, ihr deutlich zu großen, dunkelroten Tunika überdeckt. Das Ganze wurde von einem schwarzen Ledergürtel zusammengehalten. Im Sommer war diese Kleidung angenehm kühl, für den Winter musste sich das Mädchen jedes Mal aufs Neues etwas ausdenken. Den Kopf hatte sie leicht in den Nacken gelegt. Ihr dunkelblondes, etwa schulterlanges Haar war als Zopf zusammengebunden, darauf trug sie zum Schutz gegen die pralle Sonne einen alten Schlapphut, der mit einer Gänsefeder verziert war. Die etwa Vierzehnjährige sah wirklich wie jemand aus, die einfach so in jeden Tag hinein lebte.

Das bunte Treiben des Hafens war dem Mädchen mehr als bekannt. Sie lebte nun schon mehrere Jahre in der großen Stadt, in der Waisenkinder auf der Straße noch die besten Chancen hatten, irgendwie durchzukommen. Tjemin war immerhin die drittgrößte Stadt des Reiches. Auf dem Land oder in kleineren Städten wäre das Mädchen wohl nicht so lange durchgekommen, doch hier in der Stadt gab es immer wieder reiche Kaufleute, großzügige Händler oder andere barmherzige Personen, die das Überleben von Menschen wie ihr sicherten. Und alles in allem war das ihre auch gar nicht so schlecht.

Sie schloss die Augen und ließ alle Sinneseindrücke auf sich wirken. Eine leichte Brise strich ihr durch die Haare und über das Gesicht und gewährte so eine angenehme Kühlung von der warmen Sonne. Sie nahm die Düfte des Hafens auf, wenn man den von Fisch dominierten Gestank Duft nennen konnte. Sie hörte das hektische Treiben, die Schiffe, die entladen wurden, Lasten, die umher getragen wurden und auch Händler, die ihre Waren anpriesen.

Sie hielt sich gerne im Hafen auf. Hier war immer etwas los, und durch die anliegenden Lagerhallen und Kontore war auch nicht nur die arme Bevölkerung hier anwesend, wie es zum Beispiel im Gerberviertel der Fall war.

Das Mädchen zog die Füße aus dem Wasser und stand auf. Sie zog ihre Schuhe wieder an und streckte sich kurz. Genug ausgeruht, dachte sie, denn langsam beschlich sie der Hunger. Also musste sie etwas zu essen besorgen. Sie wusste, dass es bei der Bäckerei des alten Xavers eigentlich immer ein bisschen altbackenes Brot gab, das dieser auch gerne an die gab, die es brauchten. Der alte Mann war eine wirklich gutmütige Seele, fast jedes Kind auf der Straße kannte und mochte ihn. Dazu hatte das Mädchen noch ein bisschen getrocknete Wurst vom Vortag, was das Ganze zu einer alles in allem guten Mahlzeit machte. Also lief sie los durch den Hafen, um dann in eine der vielen kleinen Gassen des Viertels einzubiegen.

Finn lief so schnell wie er konnte, auch wenn er in den vielen kleinen Gassen des hinteren Hafenviertels schon längst die Orientierung verloren hatte. Tjemin war wirklich ein heißes Pflaster, besonders wenn man sich von den großen Plätzen und Straßen entfernte, so musste er gerade schmerzhaft feststellen. Dass er selbst in solchen Ärger kommen würde, damit hatte der Zwölfjährige wirklich nicht gerechnet. Er hätte wohl hören und nicht nur seinem eigenen Willen nachgehen sollen. Aber dafür war es jetzt wirklich zu spät. Er sah kurz über die Schulter und sah seine Verfolger um die Ecke biegen. Vor ihm tat sich schon wieder eine Kreuzung auf. Links, Rechts oder geradeaus? Es war eigentlich völlig egal, er wusste sowieso nicht, was das Beste war. Ohne weiter nachzudenken bog er rechts ab. Er musste einfach nur möglichst viele Haken schlagen und hinter Ecken verschwinden. Dann würde er seine Verfolger schon irgendwie abhängen, wie ein Hase einen Fuchs, der ihn jagte. Finn lief weiter.

Das Mädchen kaute genüsslich an einem nicht allzu kleinen Stück Brot. Xaver war wirklich gut drauf gewesen, was bei so einem Wetter auch kein Wunder war. Sie war gerade wieder auf dem Weg zum Hafen als hinter einer Ecke ein Junge hervorgeschossen kam. Wortlos lief er an dem Mädchen vorbei ohne sie wirklich zu bemerken und bog in wenigen Schritten die nächste Abbiegung nach links. Das Mädchen zog sich sofort in einen Hauseingang zurück, um nicht gesehen zu werden. Wenn jemand so durch die Gassen raste, dann konnte das nur Ärger bedeuten. Und das war bestimmt Ärger, in den sie nicht hereingezogen werden wollte.

Ihr Verdacht bestätigte sich, als sie drei Männer an die Kreuzung kommen sah. Alle sahen wie Gestalten aus, die man nicht gerade als vertrauenserweckend bezeichnen konnte. Ihre Kleidung war mindestens ebenso abgerissene wie ihre, sie hatten einen wirklich fiesen Blick und zudem trugen zwei von ihnen Holzknüppel. In ihrem Leben war es eine ihrer Hauptbeschäftigungen gewesen, solchen Gestalten auszuweichen.

Nach kurzer Absprache teilten sich die Gestalten auf, um dem Jungen zu folgen. Der Verfolgte tat dem Mädchen wirklich leid. Offensichtlich kannte er sich in den Gassen von Tjemin nicht aus. Immerhin war die Gasse, in die er gerade gelaufen war, eine Sackgasse. Und die Gestalten sahen nicht so aus, als würden sie den Jungen zum Essen abholen wollen. Dennoch war genau das die Art von Ärger, die sie eigentlich vermeiden wollte. Aber der Junge war maximal zwölf, dreizehn Jahre alt. Wie hatte er sich überhaupt solchen Ärger eingehandelt? Gewissensbisse plagten sie.

Dann entschied sie sich und ging los.

Finn schaute noch mal über die Schulter, bevor er in die nächste Gasse einbog. Sehr gut, dachte er. Seine Verfolger waren noch nicht um die Ecke. Das war vielleicht die Möglichkeit, diese Gestalten endlich abzuhängen. Seine freudig, hoffnungsvolle Stimmung verflog ziemlich plötzlich, als er wieder nach vorne schaute. Eine Mauer tat sich vor ihm auf, die Hinterwand eines Hauses.

Wer hatte das denn hierher gebaut? Wer war nur der verdammte Konstrukteur dieser verdammten Stadt? Finn hatte schon jetzt einen Hass auf Tjemin, obwohl er erst einige Stunden hier war. Trotzdem schaltete er schnell. Vielleicht konnte er noch entfliehen. Er drehte sich um, um weiter weg zu laufen. Da stockte ihm der Atem. Einer seiner Verfolger stand am Ausgang der Gasse. Er trug einen zerlumpten braunen Mantel, sein Gesicht wurde von einer Narbe geziert und in seiner Hand hatte er einen Holzknüppel mit einigen Nägeln am Kopf, den er drohend in seine andere Handfläche schlug.

„Da haben wir dich, Jungchen. Hey Jungs, ich habe ihn!“, rief er laut und ging langsam auf Finn zu. Dieser wankte weiter zurück. Er hatte noch nicht wirklich einen Plan, wie er hier wieder herauskommen konnte. Er hätte wirklich hören sollen, oder zumindest eine Waffe hätte er mitnehmen sollen. Tjemin muss doch sicher sein, das hatte er gedacht. Aber er hatte die Sicherheit der Stadt deutlich überschätzt. Wurde ihm das jetzt zum Verhängnis?

Finn hatte die Person hinter der finsteren Gestalt kaum wahrgenommen, da hörte er schon das dumpfe Geräusch von Holz, das jemand über den Kopf gezogen wurde. Der Mann ging sofort mit einer blutenden Platzwunde zu Boden. Dahinter stand ein Mädchen mit einem Holzbrett in der Hand, dass sie neben den Mann warf. Jetzt erst erkannte das Mädchen den Jungen genauer.

Er hatte relativ kurze, tiefschwarze Haare, die ordentlich geschnitten aussahen. Sein Gesicht war noch jungenhaft, deutete aber schon den Übergang zum Mann an. Seine tiefbraunen Augen schauten aufgeregt. Auch sonst wirkte er nicht wie jemand, der an einen solchen armen Ort gehörte. Der graue Wollmantel, der eigentlich viel zu warm für die Jahreszeit war, verdeckte jedoch den Reichtum des Jungen ganz gut. Der Mantel hatte offensichtlich auch schon einiges mitbekommen. Darunter trug der Junge einen wattierten Wappenrock, wie es sonst nur Stadtwachen oder andere Soldaten oder Söldner taten. Er war viergeteilt in weiß-grün. Auch seine Hose sah fein gewebt aus. Doch am deutlichsten stach der Gürtel hervor. Er schwarz, aus Leder, und wurde von einer silbernen Schnalle gehalten, neben der er mit goldenen und silbernen Zeichen beschlagen war. Zudem trug der Junge mehrere Gürteltaschen, nur ein Schwert fehlte noch, um das Bild eines jungen Adeligen zu vervollständigen. Immerhin würde es sich vielleicht lohnen, diesen Jungen zu retten, dachte sich das Mädchen noch, obwohl sie sich schon längst entschieden hatte, ihm zu helfen, egal wie viel Gold er im Beutel trug.

„Schnell, komm mit.“ sagte das Mädchen und packte den Jungen am Arm. Dieser lief, noch ziemlich verwirrt von seiner jähen Retterin, ohne weitere Widerworte mit. Das Mädchen hatte noch genau die anderen beiden Verfolger im Sinn, die nach dem Ruf ihres Kameraden bestimmt schon auf dem Weg waren. Sie zog den Jungen zur Mauer der Sackgasse. Diese war gut drei Schritt hoch, gerade so viel, dass man sie alleine nicht erklimmen konnte.

„Nimm deine Hände zusammen, dass ich sie als Trittbrett nehmen kann.“, befahl sie Finn und schwang sich dann mit dessen Hilfe die Mauer hoch, die sich als flaches Dach eines Gebäudes herausstellte. Dort oben angekommen beugte sie sich herunter um dem Jungen ebenfalls hoch zu helfen. Nach einer mehr schlechten als rechten Kletterei lagen die beiden etwas schwerer atmend oben auf dem Dach.

Das Mädchen schaute nach unten und sah die beiden Gestalten gerade in die Gasse einbiegen und ihren Kameraden finden. Sie zog den Jungen auch herunter, sodass sie nicht zu sehen waren. Trotzdem glaubte sie daran, dass diese Verfolgung bald weitergehen würde. Aber erstmal mussten sie kurz durchschnaufen.

„Hallo, übrigens.“, sagte das Mädchen lächelnd zu dem Jungen. „Mein Name ist Lora. Du solltest dir nicht in fremden Städten Ärger einhandeln, wo du nicht weißt, wie du entkommst.“

„Ja, äh, danke erstmal, für die Rettung.“, antwortete Finn, der aus seinem kurzzeitigen Schock wieder erwacht war. „Mein Name ist Finn. Und ich habe mir den Ärger nicht gesucht, er kam einfach auf mich zu. Weißt du, wie wir jetzt hier am besten heraus kommen?“

„Folg mir einfach. Es gibt hier einen kurzen Weg über die Dächer, dann kommen wir Richtung Hafenmarkt, von dort kann man gut untertauchen. Also los.“, sagte Lora und lugte vorsichtig über den Rand des Daches. Sie sah niemanden, und ging geduckt voran. Doch auf einmal hörte sie wieder Stimmen von unten.

Die Gestalten hatten sie wieder bemerkt und nahmen die Verfolgung sofort wieder auf. Lora sprang auf und rannte los. Finn lief ihr nach. Sie sprangen gemeinsam über einige Dächer, ihre Verfolger blieben in den Gassen. Einige Male dachten sie gerade, sie abgeschüttelt zu haben, als sie wieder auftauchten. Als sie über mehrere Häuser hinweg waren, erreichten sie ein größeres Lagerhaus. Lora sprang vor und kletterte das geziegelte Dach hoch bis zu einer Dachluke. Sie öffnete die Luke, um darin einen besseren Stand zu erlangen. Dann gab sie Finn die Hand und half ihm hoch zu der Luke. Sie spürte, dass er einen festen Händedruck hatte. Auch beim Laufen hatte sie bemerkte, dass der Junge gut trainiert, wendig und schnell war. Alles in allem bestätigte sich zumindest ihr Vorurteil über einen faulen, fetten, adeligen Jungen nicht, das sie bisher über die Angehörigen dieser Schicht hatte. Aber Ausnahmen bestätigten nun mal die Regel, dass sagte auch der alte Xaver immer.

Nachdem Finn bei ihr oben war kletterte Lora die Luke herunter, einfach davon ausgehend, dass dieser ihr folgen würde. In dieser Gegend kannte sie sich sehr gut aus, und diese Lagerhalle hatte sie schon oft benutzt. Die Luke führte zuerst zu einem Speicher, auf dem sich nichts wirklich Bedeutendes befand. Gerade im Winter war das hier oben ein ganz guter Schlafplatz. Außer ein paar kaputten Kisten, Truhen und Werkzeugen lag hier oben nichts, wenn man von der dicken Staubschicht einmal absah. Lora führte Finn quer durch den Speicher bis zu einer weiteren Luke, die nach unten führte.

„So, ab hier müssen wir jetzt ein bisschen vorsichtig sein“, warnte Lora den Jungen. „Unten werden wahrscheinlich ein paar Arbeiter sein. Halte dich einfach immer in Deckung, sei möglichst leise und folge mir. Wenn wir gesehen werden, dann lauf mir einfach nach, so schnell wie es geht. Danach kommen wir auf den Marktplatz. Dort wird um diese Uhrzeit ziemlich viel los sein, also pass auf, dass du mich nicht in der Menge verlierst. Wenn wir dort durch sind, sollten wir die Verfolger endgültig abgehängt haben.“

Finn nickte ruhig und atmete noch mal tief durch. Dann öffnete Lora die Luke nach unten.

Von der Luke führte eine Leiter herunter in die Lagerhalle. Diese bestand aus zwei Ebenen, wobei die obere Ebene nur ein Holzweg war, der einmal rund herum führte. In der Lagerhalle waren Kisten, Fässer und Truhen gestapelt. Drei Männer arbeiteten in einer Ecke der Halle, die nicht auf dem Weg der beiden Kinder lag. Die Halle hatte ein großes Ausgangstor, für Kutschen oder Karren, und daneben einen kleinen Ausgang für Personen, der offen stand. Licht wurde einerseits durch Fenster, die rundherum im Gebäude waren, andererseits durch einige Fackeln in die Halle gebracht.

Lora stieg so leise wie sie konnte die Leiter auf die obere Ebene herunter. Von dort führte eine weitere Leiter wenige Schritte weiter bis auf den Boden. Finn folgte ihr, nicht ganz so lautlos, aber dennoch so leise, dass sie nicht von den Arbeitern bemerkt wurden. Leise schlichen die Beiden durch die Halle. Sie hatten die Tür fast erreicht, als Finn gegen etwas stieß. Auf dem Boden war eine kleine Kiste, die er im schwachen Licht nicht gesehen hatte. Finn versuchte sich noch irgendwo festzuhalten, verlor aber das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Schmerzhaft spürte er sein Knie über den Grund rutschen und schrie vor Schmerz auf. Sofort erinnerte er sich an ihre aktuelle Lage und versuchte den Ruf zu unterdrücken, aber da war es schon zu spät. Die Männer drehten sich von dem Schrei aufmerksam gemacht um und kamen auf Lora und Finn zu.

„Hey, wer ist da?“ rief einer und leuchtete mit einer Fackel in die Richtung der Beiden. Lora reagierte schnell. Dieser Tollpatsch, fast wären sie draußen gewesen. Sie packte Finn am Arm und zog ihn hoch.

„Los, mir nach“, rief sie und rannte mit Finn im Schlepptau durch die Tür auf den Platz des Hafenmarktes.

Sofort kam ihnen wieder der Gestank von Fisch entgegen, eines der Haupthandelsgüter des Marktes. Sonst wurden Waren wie Netze, Seile und Taue aber auch Handelsgüter, die über die Gronde nach Tjemin gebracht wurden, hier feilgeboten. Auf dem Marktplatz war eine ziemlich große Menschenmenge unterwegs. Nur früh am Morgen war es noch voller, aber das reifte Lora und Finn jetzt zum Vorteil. Sofort tauchten die beiden in der Menge unter, die Arbeiter von der Lagerhalle hatten offensichtlich kein gesteigertes Interesse daran, den Beiden zu folgen. Von ihren anderen Verfolgern konnten sie nichts sehen. Lora wusste recht genau, wo sie hin wollte. Von dem Platz führten mehrere Straßen. Sie lief Richtung Westen, dort wo die Straßen in die obere Stadt führten. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Finn eher dorthin gehörte als hier unten in den Hafen oder gar ins Gerberviertel.

Lora schaffte es ohne weitere Probleme Finn von dem Platz zu führen. Sie kamen in die größere Gasse, die vom Markt weg führte und Lora bog in die nächste kleinere Gasse ein. Dort blieb sie recht plötzlich stehen und drehte sich zu Finn um.

„So, und jetzt erzählst du mir mal erstens, wer du bist, zweitens, was du dort unten im Hafen gemacht hast, drittens, wie du dir solchen Ärger eingehandelt hast und viertens, wo du jetzt hingehörst.“

Lora hatte mittlerweile einen leicht zornigen Unterton. Sie mochte es nicht wirklich, quer durch das Hafenviertel von Tjemin vor irgendwelchen dunklen Gestalten davon zu laufen. Genauso wenig mochte sie es eigentlich, irgendwelchen Gestalten bekannt zu sein, die vielleicht noch öfter in dem Gebiet, in dem sie wohnte, herumliefen. Und was sie am allerwenigsten mochte war, irgendwelchen Fremden zu helfen, von denen sie nicht mal wusste, wer sie waren, was sie wollten und wieso sie Ärger hatten. Innerlich fragte sie sich noch immer, wieso sie das eigentlich getan hatte, aber glücklicherweise war ja alles gut gelaufen.

Finn wollte gerade ansetzten zu antworten als die beiden eine dunkle, gehässige Stimme hörten.

„Na ihr beiden Turteltäubchen, da haben wir euch endlich.“ Lora schaute die Straße entlang. Verdammt, sie hatte gerade so sehr auf Finn geachtet, dass sie ihre Verfolger gar nicht gesehen hatte. Einer war auf der einen Seite und die anderen beiden auf der anderen, wobei der eine immer noch ein bisschen wankte. Seine Haare waren durch das Blut verklebt. Er war deutlich schlecht gelaunt und hatte offensichtlich mit Lora noch ein Hühnchen zu rupfen.

„Irgendwelche Pläne?“, fragte Finn Lora, die ihre Umgebung möglichst genau musterte, aber ihre Situation war offensichtlich ziemlich mies. Die Wände der Häuser zwischen denen sie standen waren zu hoch, um hoch zu klettern. Zwischen ihnen und den Gestalten waren auch keine Türen mehr, in die man fliehen konnte. Die einzige Möglichkeit wäre zu versuchen an dem einzelnen Mann vorbei zu laufen. Aber sein Knüppel würde mindestens einen von ihnen erwischen.

„Sieht ziemlich schlecht aus“, antwortete sie nur. Verdammt, dachte sie sich wieder, wieso hatte sie sich auf diesen Mist eingelassen. Mehrere Jahre die Straßen von Tjemin überlebt. Würde das jetzt enden, nur weil sie einem kleinen adeligen Schnösel geholfen hatte? Das war wirklich nicht fair.

„Verschwindet, ihr Pack, wenn euch etwas an eurem Leben liegt“, hallte eine tiefe Stimme durch die Gasse. Die beiden Kerle drehten sich um und sahen einen Mann in der Straße stehen. Der offensichtliche Anführer wollte gerade dem Fremden entgegnen, als er diesen sah, was ihm die Stimme verschlug. Der Neuankömmling war etwa Anfang Dreißig, ein Schritt und Achtzig groß und wirklich furchteinflößend, besonders für solch dunkle Gestalten, die nicht wirklich auf der Seite von Recht und Gesetz standen. Eine hässliche Narbe zeichnete sein Gesicht, der obere Teil des linken Ohres war abgeschlagen. Seine Kleidung zeigte die edle Herkunft des Mannes. Ebenso wie Finn trug er einen wattierten Wappenrock und eine Hose, beide waren dunkelgrün. An den Füßen trug er schwere, braune Schnabelstiefel. Sein brauner Gürtel war nicht ganz so reich verziert wie der des Jungen. Auf den Schultern trug er eine weiß-grüne Kapuze. Auf dem Wappenrock war ein Wappen gezeichnet, was den des Mannes von Finns unterschied. Das Wappen war vertikal weiß-grün geteilt. In der Mitte war ein Baum, der auch mittig getrennt wurde und in der entsprechend anderen Farbe als der Hintergrund war. Darunter waren zwei Lilien in grün und weiß auf dem jeweils anderen Hintergrund. Doch am eindrucksvollsten war das Schwert, das der Mann am Gürtel trug. Die Waffe befand sich in einer silbernen Scheide, die mit grünen Edelsteinen verziert war, die ein Kenner als Diopside erkennen würde. Im Knauf des Schwertes war ebenso ein solcher Edelstein eingearbeitet. Solch verzierte Schwerter waren berühmt in Valorien, und auch wenn bei der einfachen Bevölkerung nicht alle bekannt waren, wusste man doch, dass es nur zehn Schwerter dieser Art gab. Und diese wurden von den Rittern Valoriens getragen. Ein ebensolcher stand in der Gasse und verhinderte, dass Lora und Finn von den Gestalten zu Brei geschlagen wurden.

Geron von Dämmertan ging langsam weiter in die Gasse auf seinen jungen Schützling zu. Um die finsteren Gestalten kümmerte er sich nicht weiter, sie waren es gar nicht wert die Waffe zu ziehen. Die drei Verfolger bemerkten auch schnell, dass hier jeglicher Widerstand hinfällig war. Die Ritter Valoriens galten zu Recht als die besten Kämpfer des Reiches, und mit zwei lausigen Holzknüppeln war hier nichts zu machen. Nachdem sie den Schock des Auftritts des Ritters verdaut hatten, drehten sie sich um und nahmen die Beine in die Hände. So plötzlich, wie sie in der Gasse erschienen waren, verschwanden sie auch wieder.

„Nun, mein junger Knappe, ich glaube wir haben einige Worte zu reden, nicht wahr? Vielleicht kannst du mir mal erklären, was du hier machst, wieso du nicht an meiner Seite geblieben bist und wieso du keine Waffe trägst, wie es sich für dich als Knappe geziemt“, ging Geron auf Finn zu.

Er hatte sich noch keine entsprechende Strafe überlegt, irgendetwas würde ihm schon einfallen, da war er sich sicher. Er packte den Jungen an der Schulter und wollte mit ihm losgehen. Das kleine Bettlermädchen ignorierte er vollkommen.

„Wartet, Herr!“, wehrte sich Finn. „Mein Herr, darf ich Euch Lora vorstellen. Sie ist der Grund, wieso ich noch lebe. Sie hat mir geholfen, vor diesen Gestalten wegzurennen, und sie hat mich auch in einer Gasse gerettet. Ich meine, dafür sollte sie wenigstens belohnt werden, nicht wahr? Ihr habt mir doch immer beigebracht, dass Leistung belohnt werden muss, egal ob von einem Bauern oder einem Adeligen?“

Lora schaute etwas verwirrt zu dem Ritter, dann wieder zu Finn, dann wieder zu dem Ritter. Geron musterte das Mädchen und schien kurz zu überlegen.

„Halt, halt, halt“, unterbrach Lora die Gedanken von Geron. „Was geht hier eigentlich vor, wer seid Ihr, Euer Gnaden? Und wer bist du eigentlich, Finn?“

Geron blickte erneut ernst zu seinem Knappen. „Finn? Du nennst dich Finn? Ich verstehe es ja, wenn du nicht überall deine Herkunft mitteilen willst, so will ich das ja auch, aber du solltest dich trotzdem mit deinem richtigen Namen vorstellen. Und du solltest auch erwähnen, dass du mein Knappe bist. Wir haben wirklich ein Wörtchen miteinander zu reden.“

Finn schluckte schwer. Er senkte seinen Blick zum Boden. Dann wandte Geron seinen Blick zu Lora.

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