Kitabı oku: «Mondschein», sayfa 4
Dann ließ er das Signal zum Angriff geben.
Celan von Tandor mochte den Ritter Arthur von Freital nicht. Er beschmutzte einfach die Ehre des Reiches und der valorischen Ritterschaft. Und dieser gehörten neben den großen Männern dieser Zeit auch die größten Helden der Altvorderen an. Sein Verhalten, seine Kleidung, sein Umgang mit einfachen Soldaten, dies entsprach einfach nicht dem, was Celan von einem Adeligen und Ritter erwartete. Zudem war Freital vorlaut, zeigte kaum Respekt, selbst ihm als Herzog gegenüber nicht, und mischte sich ständig unter das Volk. Und diese Dinge waren nur die Ersten, die Celan einfielen, wenn er daran dachte, wieso er Arthur von Freital nicht mochte.
Aber diesmal konnte er nicht abstreiten, dass die Kampfart von Freital und seinen Gefolgsleuten genau in seinen Plan passte. Nicht nur waren sie ausgezeichnete Bogenschützen, wohl die besten ganz Valoriens, sondern sie waren auch noch unauffällig und konnten, wenn sie wollten, absolut ungesehen bleiben. Von hier oben fiel es selbst ihm schwer, obwohl er über die Anwesenheit der Rethaner wusste, diese zu erkennen. Dann blickte er erneut zu den östlichen Hügeln und erkannte erste Reiter. Es ging also los. Er zog seinen Helm über und sah, wie mehr und mehr urbische Reiter sichtbar wurden. Seinen Spähern zufolge waren es ungefähr eintausend Reiter, eine stattliche Streitmacht, dennoch etwa zwei zu eins den tandorischen Soldaten unterlegen.
Celan hatte in den letzten Jahren, in denen sein Land von den Übergriffen geplagt worden war, viel Geld aufgewendet, um möglichst heimlich große Streitkräfte auszuheben. Und dies zahlte sich jetzt auch aus, zumindest hoffte er, dass der Feind über ihre wahre Stärke im Dunkeln war. Er schaute erneut zu den Urben. Und dann begann der Angriff.
„Forgat, halte dich bereit Freital das Signal zu geben, Ulf, halte dich bereit den Angriff unserer Reiter zu befehligen.“, befahl der Herzog seinen Untergebenen, während er zusah, wie sich die Horde der Urben in das Tal ergoss. Sie waren wirklich furchteinflößende Krieger. Celan versuchte den Abstand zwischen der ersten Reihe der Urben und der Linie seiner Krieger, die sich keinen Schritt bewegten, möglichst gut einzuschätzen. Bei seiner Strategie ging es um Genauigkeit, Genauigkeit bei dem Abstand der gegenüberstehenden Feinden und Genauigkeit bei dem Zeitpunkt, an dem die einzelnen tandorischen Soldaten angreifen sollte. Alles war genau durchdacht, jetzt konnte der Herzog nur noch hoffen, dass sein Plan aufgehen würde.
„Wohlgeboren, der Feind ist auf dem Hügel zu sehen.“, informierte ein tandorischer Soldat Arthur von dem Eintreffen der Urben, das er jedoch selbst schon längst erkannt hatte.
„Danke mein Junge, dann geh zurück auf deine Position“, entgegnete der dem Soldaten, um sich dann an seine Männer zu richten.
„Die Bögen besehnen und Pfeile bereit legen, niemand schießt vor meinem Kommando, und bleibt unten, sodass euch der Feind nicht sehen kann. Ich wünsche euch allen viel Glück, möge dieser Tag ein guter für uns werden.“
Dann steckte er vor sich fünf Pfeile in den Boden und spannte seinen eigenen Bogen mit der Sehne aus Hanf. Gerade für die ersten Schüsse war es von elementarer Wichtigkeit, schnell zu sein. Die ersten Pfeile, die auf die Urben nieder regnen sollten, sollten alle möglichst schnell hintereinander kommen, sodass diese nicht reagieren konnten, bevor es eigentlich schon zu spät war.
Arthur sah deutlich beeindruckt, wie die Lawine aus urbischen Reitern in das Tal rollte. Eine riesige Staubwolke bildete sich hinter dem Heer des Feindes. Wie Herzog Celan ihm berichtet hatte, schätze auch Arthur den Feind auf etwa eintausend Mann. Als die Urben näher kamen, spürte er wie die Erde zu zittern begann. Die Schläge der viertausend Hufe, die auf den harten Steinboden des Tales schlugen, ließen nicht nur das ganze Tal erzittern, sondern erzeugten auch ein ohrenbetäubendes Getöse. Der Lärm wurde im Norden von den Hängen des Gebirges zurückgeworfen und baute sich so weiter auf. Zusammen mit dem wilden Kriegsgeschrei der Steppenkrieger bildete dies eine Atmosphäre, die jedem Soldaten bis ins Mark fuhr. Arthur sah gerade in den Gesichtern der jüngeren Soldaten Angst und schwindende Zuversicht.
In den Augen der Rethaner war jedoch fast ausschließlich Entschlossenheit zu sehen. Viele waren alte Veteranen und kampferfahren. Trotz aller Angst regte sich kein Krieger in den tandorischen Reihen. Wie ein Fels blieben die Soldaten stehen. Da erschallten die ersten Befehle über die Linien der Infanterie. Arthur selbst führte nur die Bogenschützen, die restlichen Männer wurden von einem tandorischen General geführt. Den Befehlen folgend begaben sich die Tandorer in Kampfformation. Ein Schildwall wurde gebildet, dazwischen wurden die Speere nach vorne gerichtet, um den Ansturm der Reiter aufzuhalten. Die Spannung wuchs, der Feind näherte sich, aber immer noch war kein Zeichen von Celan zu sehen. Arthur blickte zu dem Südhügel, auf dem der Herzog zu sehen war.
Fünfzig Schritte, dies war ungefähr die übliche Angriffsdistanz der Urben. Einhundertfünfzig Schritte, das war die Distanz, die ihm Arthur mitgeteilt, auf der seine Bogenschützen gut schießen konnten. Darüber war nur ungenaues Schießen möglich. Celan konnte gut Distanzen abschätzen. Die Urben waren noch gut sechshundert Schritte entfernt und näherten sich schnell. Noch fünfhundert Schritte. Celan hob die Hand. Forgat umschloss mit seiner Hand das Banner des Herzogs. Noch vierhundert Schritte. Celan konzentrierte sich. Jetzt wurde es ernst. Noch dreihundert Schritte. Noch einen kurzen Moment zögerte der Herzog, dann ließ er seine Hand sinken.
Forgat schwenkte das herzogliche Banner deutlich sichtbar über seinem Kopf und folgte danach seinem Herzog, der sich abwendete um zu seinen Reitern herunter zu reiten. Jetzt sollte es also beginnen.
Arthur sah den Feind sich nähern. Vielleicht täuschte er sich, aber die Urben sahen schon sehr nah aus. Der Lärm war mittlerweile kaum mehr ertragbar. Die ersten Pfeile schlugen vor den Reihen der tandorischen Soldaten ein. Es mangelte den Urben wirklich an Disziplin, aber das war bei einem solchen Kampfstil wohl auch nicht nötig. Arthur blickte erneut auf den Hügel. Dann sah er das Zeichen. Blitzschnell erhob er sich, und ebenso taten es alle Bogenschützen neben ihm. Er zog die Sehne des Bogens nach hinten. Der Feind war schon nah, vielleicht einhundert Schritt.
„Treu und Ehr!“, brüllte er so laut, dass es selbst gegen der Lärm der feindlichen Reiterei zu hören war.
„Valorien!“ erschallte es aus den Kehlen von eineinhalbtausend Valoren und die Pfeile Rethas flogen los.
Kapitel 3
Ludwig von Fendron stand am Fenster des Palastes in Tjemin. Die Sonne schien hell über die Dächer der Stadt. Es war wirklich ein wunderschönes Panorama. Ludwig machte ein paar weitere Pinselstriche mit einem feinen Pinsel. Sein Werk war fast fertig, hier und dort noch ein paar Details, dann wäre die fendronische Hauptstadt endgültig auf sein Papier gebannt. Über dem Panorama der Stadt war das Wappen des Herzogs von Fendron abgebildet, von Ludwigs Vater. Auf weißem Grund war ein Kranz aus Efeuranken mit einem blauen Stern darin abgebildet.
Das Werk gefiel Ludwig sehr, es war wirklich eines seiner besten Bilder, fast noch besser als das Portrait seines Vaters, das er vor einigen Jahren gemalt hatte.
Das Zimmer des Herzogssohns sah eher wie das Zimmer eines Gelehrten und Künstlers, denn eines Adeligen aus. Mehrere Bücherregale waren voll mit Büchern über die verschiedensten Themen, an der Wand hing eine große Karte von Valorien, zudem standen eine Harfe und eine Laute in einer Ecke und natürlich die große Staffelei, an der Ludwig gerade arbeitete. Daneben war ein Tisch, an der er die Farben angerührt hatte. Dazu kam noch ein großer Schreibtisch unter einem der Fenster. An den Wänden hingen verschiedene Malereien, die offensichtlich alle dem Pinsel von Ludwig entstammten. Ludwig selbst war nicht allzu groß gewachsen, fünfundzwanzig Jahre alt und hatte blonde, halblange Haare. Die langen Jahre an Adelshöfen, in Universitäten und Bibliotheken hatten Ludwig mittlerweile einen kleinen Bauch eingebracht, obwohl man ihn noch nicht wirklich als dick bezeichnen konnte. Seine Klamotten waren von edelster Machart, obwohl sie gerade von einem Malerkittel verdeckt waren, der sie vor Farbklecksen schützen sollte. Zudem trug er noch verschiedenen Schmuck an Händen und um den Hals.
Mit einigen kleinen Pinselstrichen beendete Ludwig seine Arbeit. Er trat einige Schritte zurück und betrachtete das Bilde von Tjemin, über dem das Wappen Fendrons prangte. Er nickte noch einmal, es war wirklich ein sehr gutes Werk. Es musste noch ein bisschen trocknen, aber bis heute Abend konnte er es einrahmen. Gerade noch rechtzeitig war er fertig geworden. Er seufzte erleichtert und legte Pinsel und Farben auf seinen Malertisch. Dann wusch er sich in einer Waschschüssel die Hände und setzte sich ans Fenster. Er schaute auf den Hof hinunter. Dort sah er seinen älteren Bruder, Berlan, der im Hof mit einigen Männern Kampftraining absolvierte. Berlan war das komplette Gegenteil von Ludwig, ebenso wie beider jüngerer Bruder Forgat, der ebenfalls nach dem Ältesten kam. Berlan war fast zwei Schritt groß, von kräftigem Wuchs und mit breiten Schultern. Seine kurzen Haare waren dunkelbraun, er hatte ein kantiges, männliches Gesicht, im Gegensatz zu den weichen Zügen von Ludwig. Berlan war Junker. Er hatte eine Ausbildung als Knappe abgeschlossen, war jedoch nicht zum Ritter geschlagen worden. Außerdem war er der General der fendronischen Truppen. Er hatte auch gute Hoffnungen vom König zum Ritter geschlagen zu werden, nachdem dieser gekrönt war. Wenn man Berlan und Ludwig nebeneinander sah, konnte man wirklich nicht glauben, dass beide Brüder waren. Erst wenn man die Eltern dazu stellte, ergab sich dies. Ludwig kam mehr nach seiner Mutter, die vor einigen Jahren gestorben war, Berlan und Forgat kamen nach ihrem Vater, der mittlerweile ergraute Herzog von Fendron. Der dritte Sohn des Herzogs, Forgat, war Junker im Herzogtum Tandor.
Ludwig sah wie sich das erste Tor des Palastes öffnete. Der Palast von Tjemin war mehr eine Burg denn ein Palast. Lediglich der innere Teil der Burg, der von einem starken äußeren Mauerring umgeben war, erinnerte an einen Palast. Innerhalb des inneren Mauerringes war ein großer Innenhof, der von Handwerksstuben umgeben war. Der Hauptteil der Burg war der Wohnsitz der herzoglichen Familie mit dem Rittersaal und dem großen Saal. Ludwig hörte wie die Wachen die Gäste ankündigten.
„Geron von Dämmertan, Freiherr von Dämmertan und Ritter Valoriens“, erschallte es bis zum Palast. Ludwig sah, wie Berlan das Training augenblicklich unterbrach. Er wies die Männer an, ein Spalier hinter dem inneren Tor zu bilden. Berlan von Fendron war dazu bestimmt worden, die Gäste zu begrüßen. Erst später trafen diese dann den Herzog, ein Treffen, bei dem auch Ludwig dabei sein würde. Ludwig erkannte, wie die Gäste eintraten und die Gärten, die im äußeren Mauerring angelegt waren, durchquerten. Der berühmte Ritter von Dämmertan wurde von zwei jungen Leuten begleitet, der Junge war offensichtlich der junge König, das junge Mädchen war Ludwig nicht bekannt. In den nächsten Tagen wollte Ludwig zurück nach Andtweil reisen, aber wenn der junge König Tjemin besuchte, dann musste er eben anwesend sein. Er ging vom Fenster weg und rief einen Diener, der ihm beim Ankleiden helfen sollte.
Lora schaute erneut an sich herunter. Sie sah wirklich gut aus, innerlich lächelte sie noch immer darüber. Sie wünschte sich, dass ihre Mutter sie so einmal gesehen hätte. Nachdem sie das „Goldene Rad“ verlassen hatten, war ihr neuer Herr, Geron von Dämmertan, mit ihr und Finn zu einem Schneider gegangen. Dieser hatte glücklicherweise Kleider gehabt, die nach einigen kleinen Änderungen der jungen Frau passte, zumindest fühlte sie sich jetzt so, wie eine junge Frau. Lora hatte von ihrem Herrn zwei Sätze Kleidung gekauft bekommen, einen für den Hof und einen für die Reise. Der Reisesatz bestand aus Männergewandung, robust aus dickem Stoff und Leder, mit brauner Hose, grüner Tunika und darüber eine Weste aus braunem Leder. Ihren Hut durfte sie nach Nachfrage auf der Reise weiter tragen, immerhin hatte sie diesen nach den vielen Jahren lieb gewonnen. Aber jetzt trug sie ihre gute Kleidung, und sie fühlte sich wirklich schön. Sie trug ein weißes Unterkleid, darüber ein grünes Kleid. Die engen Kleider betonten ihren Körperbau, der durchaus ansehenswert war. Nach dem Schneider waren sie auch noch beim Barbier, der ihre Haare gemacht hatte. Sie war ordentlich durchgekämmt worden, die Haare waren ordentlich geschnitten worden und sie hatte auf dem Kopf einige Zöpfe geflochten bekommen, die hinten in einen einzigen übergingen, in den ein grünes und ein weißes Bändchen eingeflochten waren. Ja, sie war in diesen Gewändern wirklich eine junge Frau, und das fühlte sich sehr gut an.
Lora lief rechts hinter Geron auf den Palast von Tjemin zu, links neben ihr lief Finn, der das Wappenschild seines Herrn auf dem Rücken trug. Die Menschen Tjemins wichen den drei respektvoll aus und machten so stets den Weg frei. Dieses Gefühl wichtig und geachtet zu sein, war wirklich etwas ganz neues für Lora, auch wenn die Leute sie und Finn eigentlich gar nicht beachteten, sondern nur ihren gemeinsamen Herrn, den Ritter von Dämmertan. Nach einigen Minuten erreichten sie den Palast, der am westlichen Stadtrand auf einem Hügel gebaut war und so über die Stadt ragte. Sie traten vor das große Tor der äußeren Mauer, das geschlossen war. Nur ein kleineres Tor daneben, das gerade so groß war, dass ein Karren hindurch passte, war für Bedienstete und Anlieferungen geöffnet. Natürlich kam es nicht in Frage, dass solch hoher Besuch durch dieses Tor ging, aber in Fendron war es üblich, dass der Besuch erst innerhalb der Mauern empfangen wurde.
„Wir verlangen Einlass in den Palast des Herzogs Richard von Fendron zu Tjemin“, rief Geron laut und ein Offizier der herzoglichen Wache trat an den Rand der Mauer über dem Tor.
„Wer verlangt Einlass in den Palast des Herzogs von Fendron?“, rief er zu den Gästen hinunter.
„Mein Name ist Geron von Dämmertan, Freiherr von Dämmertan und Ritter Valoriens.“
„Herr von Dämmertan, Ihr seid willkommener Gast des Herzogs. Öffnet das Tor!“, befahl er seinen Wachen und wand sich dann Richtung Burg, um den Gast anzukündigen.
„Geron von Dämmertan, Freiherr von Dämmertan, Ritter Valoriens.“ Das Tor öffnete sich langsam und die drei traten durch den Torbogen. Lora wunderte es immer noch, dass alle Menschen immer nur Geron den Respekt erwiesen, nicht aber Finn, der immerhin der König dieses Landes war. Sie würde das definitiv Finn mal in einer ruhigen Stunde fragen, aber es hatte bestimmt einen guten Grund.
Lora war beeindruckt von den Gärten des Herzogs, die sich zwischen den beiden Mauerringen befanden. Natürlich hatte sie von weitem den Palast schon jeden Tag gesehen, aber noch nie hatte sie die Gelegenheit gehabt, in den Palast zu kommen. Ein gepflasterter Weg, auf dem sie gingen, führte durch den Garten zum Tor der inneren Mauer. Links und rechts von der Straße gingen mehrere kleinere Wege weg, die aus Kieselsteinen bestanden. In den Gärten waren Blumenbeete in den verschiedensten Farben, es gab Bäume und Hecken, alles wirkte so wunderschön. Der Herzog von Fendron hatte offensichtlich keine Kosten gescheut, diese Gärten anzulegen. Geron hatte dem Anschein nach jedoch keine Augen für die Schönheit der Grünanlagen. Er marschierte stramm die Straße entlang zum nächsten Tor. Als sie noch einige Schritte entfernt waren, öffnete sich auch das Tor des inneren Mauerringes.
Im Innenhof des Palastes war ein Spalier aus Gerüsteten gebildet. Je acht Mann mit Wappenröcken des Herzogtums Fendron waren auf jeder Seite, am Ende des Spaliers stand ein ziemlich großer Mann. Er trug eine glänzende Brustplatte über edlen, dunkelblauen Gewändern. An der Seite hatte er ein Schwert, was jedoch nicht so außerordentlich verziert war, wie Gerons. Seine Haare und sein Bart waren beide auf kurze Stoppeln gestutzt, und dennoch erkannte man die blonde Farbe. Seine Augen waren bläulich, und strahlten dieselbe Stärke aus wie sein muskulöser Leib. Neben ihm standen zwei Bannerträger, hinter ihm ein Dritter. Die beiden Banner links und rechts des Mannes zeigten die Wappen Fendrons und Dämmertans, hinter dem Mann war das Banner Valoriens zu sehen. Geron trat durch das Tor und ging auf den Mann zu, der den drei Gästen entgegen kam.
„Ich grüße Euch, Herr von Dämmertan. Ich darf Euch im Namen meines Vaters, Herzog Richard, im Palast zu Tjemin willkommen heißen. Ich hoffe, dass Eure Reise ohne Schwierigkeiten verlief und dass Ihr Euren Aufenthalt in Tjemin genießen könnt.“, begrüßte der Sohn des Herzogs die Gäste.
„Vielen Dank, Berlan“, Geron schüttelte Berlan, den er schon länger kannte, die Hand. „Unsere Reise war durchaus angenehm. Ich darf dir meinen Knappen vorstellen, König Priovan I.. ich glaube Ihr habt euch noch nicht kennengelernt. Außerdem habe ich eine neue Begleiterin auf meinen Reisen, das Mädchen hörte auf den Namen Eleonora.“
„Es ist mir eine Freude Euch kennen zu lernen, Herr Berlan.“, verneigte sich Priovan leicht vor dem Sohn des Herzogs, dieser entgegnete die Begrüßung mit einer Verbeugung. „Die Freude ist ganz meinerseits, königliche Hoheit.“ Dies missfiel Geron ganz offensichtlich, immerhin war Priovan im Moment nicht König, sondern sein Knappe, aber er ließ ihn gewähren. Auch Lora verbeugte sich zu Begrüßung, blieb aber ruhig, da sie nicht wirklich wusste, ob oder was sie sagen sollte.
„Wie ist denn der weitere Verlauf des Nachmittags geplant?“, fragte Geron Berlan und lenkte so die Aufmerksamkeit wieder auf sich.
„Nun, Wohlgeboren, wie Ihr in Eurem Brief angekündigt habt, wird es heute noch eine königliche Audienz geben. Ihr werdet nun zuerst in eure Gemächer geführt und könnt euch kurz ausruhen. Danach wird euch mein Vater empfangen, im Anschluss wird der König zur Audienz laden und diese wird heute Abend in ein Festmahl mit anschließendem kleinen Ball übergehen.“
„Vielen Dank, das hört sich sehr gut an. Dann würden wir jetzt gerne zu unseren Gemächern geführt werden, wir werden alle drei ein Quartier teilen, wenn es recht ist.“, antwortete Geron.
„Ich werde alles in die Wege leiten, folgt mir bitte!“, führte Berlan die Gäste in den Palast. Von einer großen Eingangshalle gingen links und rechts je zwei Türen weg und frontal war eine größere Tür, die offensichtlich zu einem größeren Saal führte. Berlan führte sie zu der ersten rechten Tür, hinter der eine Wendeltreppe nach oben führte. Im zweiten Stock ging er einen Gang entlang und blieb an einer Tür stehen auf die er zeigte.
„Bitte, ihr habt das große Gästezimmer an der Südecke des Palastes, von hier habt ihr einen schönen Blick auf Tjemin und die davor liegenden Felder und Gehöfte. Solltet ihr noch irgendwelche Wünsche haben, dann wird vor der Tür stets ein Diener bereit stehen. Entschuldigt mich nun bitte.“ Berlan verließ die Gruppe in die gleiche Richtung, aus der sie gekommen waren, der besagte Diener blieb an der Tür stehen.
Das Zimmer war sehr groß und geräumig. Es umgab die gesamte Südecke des Palastes. Neben einem großen Himmelbett standen zwei kleinere, einfachere Betten an der Wand. Zudem gab es verschiedene andere Möbel, zwei Schränke, ein Rüstungsständer und weitere Tische, Stühle und Sessel. Das Zimmer machte wirklich deutlich, dass der Herzog von Fendron ein reicher Mann war. Das Gepäck von Geron und seinem Knappen wurde von Dienern gerade ins Zimmer gebracht. Es war nicht allzu viel, aber einige Dinge brauchten die beiden eben schon.
„Gut, ich werde noch ein Bad nehmen, bevor wir beim Herzog vorsprechen werden. Priovan, Lora, ihr werdet hier schon einmal das Gepäck ausräumen. Und Priovan, du wirst Lora die wichtigsten Benimmregeln für heute Abend beibringen. Dann Diener, wo kann ich mich Baden?“, fragte Geron den Diener laut, sodass er ihn hören konnte.
„Folgt mir bitte, Wohlgeboren, ich werde Euch den Weg weisen.“, antwortete dieser und ging voran.
Nachdem die Tür hinter Geron zuschlug, ließ sich Finn erstmal auf ein Bett sinken und atmete tief durch. Endlich konnte er sich kurz ausruhen und musste nicht immer starr hinter seinem Herrn herlaufen. Der Abend würde noch mal anstrengend werden, aber da würde er wohl auch viel sitzen können, zumindest hoffte er das. Lora ließ sich neben Finn nieder und schaute ihn lächelnd an. Sie hatten das erste Mal seit ihrer Flucht Zeit, zu zweit miteinander zu reden.
„König von Valorien also? Und nicht Finn, das hat mich wirklich überrascht. Na dann lass mal hören, du sollst mir ein paar Benimmregeln beibringen. Ich bin ganz Ohr.“ Lora lehnte sich, auf dem Bett sitzend, an die Wand dahinter und schaute Finn erwartungsvoll mit einem leicht verschmitzten Lächeln an.
„Ja, klar, Hofprotokolle gehören auch zu meinen absoluten Lieblingsthemen“, antwortete Finn mit einem deutlich ironischen Unterton. „Aber nun gut, ich werde dir mal die grundlegenden Dinge erklären, dass du zumindest durch diesen Abend durchkommst. Du kannst froh sein, dass wir hier in Fendron und nicht in Tandor sind, dort ist die ganze Sache noch ein Stück schärfer, das sagt zumindest immer mein Herr. Ich bin ja heute das erste Mal am Hof in Fendron. Also“, wollte Finn gerade anfangen, als er doch noch mal eine Pause einlegte und zu Lora schaute.
„Ich finde es übrigens echt gut, dass du jetzt mit uns reist. Das wird mein Leben bestimmt ein bisschen aufhellen. Ich meine, Geron, also der Herr von Dämmertan, ist echt in Ordnung. Er ist fair, offen, fürsorglich und bringt mir wirklich viel bei. Aber dennoch ist er einfach niemand, den man als angenehme Gesellschaft bezeichnen würde. Ich denke, wir beide werden uns da ein bisschen Ausgleich schaffen, oder?“
Lora lächelte zurück. „Ja, mal schauen, wie es wird. Ich muss sagen, ich kann es eigentlich noch gar nicht so recht begreifen, was ich mir hier gewünscht habe. Ich meine, ich bin ein einfaches Mädchen, das bisher auf der Straße gelebt hat, und jetzt reise ich mit dem König und einem Ritter Valoriens. Das ist irgendwie schon, na ja, seltsam. Aber ich glaube immer noch, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Zumindest bin ich aus diesem Dreckloch heraus und ich denke auch, dass ich auf den Reisen viel Spaß haben werde. Und das wichtigste ist, ich werde hoffentlich immer etwas zu essen haben und eine Perspektive, das ist alles besser als das Bettlerleben in den Straßen von Tjemin.“
Finn nickte nachdenklich. Lora schien wirklich schon viel durchgemacht zu haben. Vielleicht half ihm die Reise sogar, die einfache Bevölkerung besser zu verstehen. Er nahm sich zumindest fest vor, Lora aufmerksam zuzuhören. Vielleicht brachte ihm dieses kleine Mädchen etwas bei, um ein besserer König zu werden.
„Ja, also, wir waren bei Benimmregeln“, lenkte Finn wieder auf das ursprüngliche Thema. „Dann will ich dir mal die Grundlagen beibringen. Immerhin sollst du ja heute neben dem Herrn von Dämmertan einigermaßen ordentlich aussehen.
Ich werde erstmal mit einigen grundlegenden Regeln anfangen, die dir erlauben, durch den Abend zu kommen. Wie du dir fast denken kannst, solltest du dich einfach möglichst zurückhaltend verhalten. Spreche nicht, wenn du nicht angesprochen wirst, setzte dich erst, wenn du dazu aufgefordert wirst. Wenn der Herzog, mein Herr oder ich, wenn ich gerade als König wahrgenommen werde, vom Tisch aufsteht, dann musst du auch aufstehen. Schau einfach so oft wie möglich zu unserem Herrn und mach einfach alles so, wie er es macht, dann kannst du schon mal nichts ganz grob falsch machen. Soweit alles klar?“, fragte Finn Lora, die nur aufmerksam nickte. Natürlich war es recht viel, aber Lora glaubte ganz ordentlich mitzukommen. Und sie war sich auch recht sicher, dass sie einen ganz guten Menschenverstand hatte, und in den Straßen hatte sie gelernt, sich an verschiedene Situationen anzupassen. Obwohl die Situation an Hof natürlich eine völlig andere war, ihre Anpassungsfähigkeit würde ihr auch hier helfen, zumindest hoffte sie das. „Ja, klar, soweit alles verstanden. Fahr fort!“
„Sehr gut. Also, dann ein paar Worte zu Anreden und Titeln. Das ist wohl eine der schwierigsten Sachen, die es im Rahmen des Hofprotokolls gibt. Pass gut auf, aber wenn du dir nicht alles merken kannst, ist das auch nicht schlimm. Eine kleine Frage am Rande, kannst du lesen und schreiben?“
„Nein, natürlich nicht, wo hätte ich es auch lernen sollen.“
„Nicht so schlimm, dann wirst du das bestimmt auch noch lernen, wenn das der Herr von Dämmertan für wichtig hält. Ist gar nicht so schwer, ich bin mir sicher, dass du das schnell lernst. Also, Titel und Anreden, weißt du noch, was für Titel unser Herr trägt?“, fragte Finn Lora, die kurz nachdachte. Sie hatte den gesamten Namen ihres neuen Herrn mehrere Male gehört, und glaubte sich auch, komplett daran zu erinnern.
„Geron von Dämmertan, Freiherr und Ritter?“, antwortete sie leicht skeptisch.
„Fast, der richtige Name lautet Geron von Dämmertan, Freiherr von Dämmertan und Ritter Valoriens, seine Anrede als Freiherr und Ritter lautet „Wohlgeboren“. Freiherren besitzen Ländereien, über die sie herrschen und von denen sie auch Steuern erheben können. Jedoch ist der Freiherrentitel nicht erblich, wobei oft den Söhnen von Freiherren dieser Titel erneut verliehen wird. Im Range gleich zu den Freiherren jedoch mit einem erblichen Titel stehen Grafen, davon gibt es nur noch sehr wenige in Valorien. Über den Grafen stehen die drei Herzöge von Fendron, Tandor und Rethas, darüber nur noch der König. Soweit alles verstanden?“
Lora nickte. Sie hatte den Ausführungen so gut wie möglich zugehört, aber sie merkte schon jetzt, dass das alles ziemlich komplex war. Auch wenn sie ein gutes Gedächtnis hatte, war sie sicher, dass sie diese Sachen nicht zum letzten Mal lernen würde.
„Gut, dann die wichtigsten Anreden von oben nach unten. Der König wird normalerweise mit „königlicher Majestät“ angeredet, aber wie du vielleicht vorhin bemerkt hast, wurde ich mit „königlicher Hoheit“ angesprochen. Diese Anrede gilt der Königin oder einem nicht gekrönten König. Der König in Valorien wird erst mit siebzehn Jahren gekrönt. Die Herzöge darunter, werden mit „Euer Gnaden“ angesprochen, die Grafen mit „Hochwohlgeboren“ und die Freiherrn, wie bereits gesagt. „Wohlgeboren“. Versuch dir möglichst gut alles zu merken, wenn du aber heute Abend nicht alles kannst, ist es nicht so schlimm. Wenn du nicht genau weist, wie du jemand titulieren musst, rede ihn oder sie einfach mit „Hoher Herr“ oder „Hohe Dame“ an, damit machst du schon mal nichts grundlegend falsch. Ach übrigens, für die einzelnen Söhne der Adeligen gibt es auch noch mal spezielle Anreden, aber das ist jetzt wirklich zu viel. Glaubst du, dass du bis hierhin alles beherrschst?“
Lora fühlte sich, als würde ihr Kopf rauchen. Das war wirklich viel Information in sehr wenig Zeit gewesen. Und das musste sie jetzt erstmal verdauen.
„Ich glaube, dass ich mit diesem Wissen schon ganz gut durch den Abend kommen werde, vielen Dank. Und der Gastgeber heute Abend ist Herzog Richard von Fendron, ich meine, Ihre Gnaden Herzog Richard von Fendron, richtig?“, fragte Lora ihren neuen Lehrer.
„Ja, genau richtig. Gut, ich werde schon mal die Kisten ein bisschen ausräumen, hilfst du mir?“ Lora nickte und stand auf. „Na klar, wenn ich mit dir reise, können wir uns auch die Arbeit teilen.“
Gemeinsam räumten sie die paar Kisten aus. Es war wirklich nicht viel, was die Beiden als Reisegepäck hatten, immerhin waren sie gemeinsam auf einer langen Reise. Als sie gerade ein paar Sachen von Geron herausholte und darauf sein Wappen sah, fiel ihr noch eine Frage ein.
„Ach, Finn, eine Frage hätte ich dann doch noch mal. Wie ist das eigentlich mit den Rittern in Valorien? Haben sie auch eine besondere Anrede? Und wie viele Ritter gibt es?“ Finn schaute auf. Er hatte gerade seinen guten Satz Kleidung ausgepackt, den er heute Abend anziehen musste. „Eine sehr gute Frage, Lora. Ja, die Ritter sind wirklich wichtige Personen Valoriens. Es gibt zu jeder Zeit maximal zehn Ritter in Valorien, da uns aus dem alten Reich nur zehn Ritterschwerter vermacht sind. Jedes der zehn Schwerter hat einen Namen. Die Ritter tragen diese besonderen Schwerter zum Zeichen ihres Standes und zum Schutz des Reiches Valorien. Im Moment gibt es aber nur sechs Ritter. Vier Ritter sind im letzten Krieg gegen Kargat gefallen, ein Weiterer im Krieg gegen die Urben. Neue Ritter werden nur von einem gekrönten König geschlagen, deswegen wurden noch keine neuen Ritter ernannt, außer dem neuen Herzog von Tandor. Jedem Herzog steht immer je ein Schwert und somit eine Ritterwürde zu, sie können auch von einem nicht gekrönten König zum Ritter geschlagen werden. Neben den drei Herzögen und unserem Herrn Geron von Dämmertan sind die andern beiden Ritter der Herr Arthur von Freital, ein Ritter aus dem Herzogtum Rethas, und der Herr Heinrich von Goldheim, dieser ist im Moment Reichsverweser und regiert das Königreich bis zu meiner Krönung. Die Anrede eines Ritters ist keine Besondere, sondern richtet sich immer nach dessen Titel. Wenn er weder Freiherr, Graf oder Herzog ist wird er einfach mit „Ritter“ tituliert. Ich denke, das sind die wichtigsten Sachen, die du erstmal wissen musst.“
„Gut, das kann ich mir merken. Muss ich auch irgendwelche Wappen wissen?“, fragte sie dann noch Finn.
„Nein, meines und das von Valorien solltest du erkennen, weitere sind aber eigentlich nicht nötig.“, hörte sie die Stimme von Geron, als dieser gerade wieder ins Zimmer kam. Sofort sprangen Lora und Finn auf und standen ordentlich gerade vor ihrem Herrn.
„Die werde ich erkennen, Wohlgeboren.“, sagte Lora, stolz darüber, die korrekte Anrede ihres Herrn zu kennen. Dieser lächelte freundlich.