Kitabı oku: «Elefanten-Freddy», sayfa 5
„Was ist los? Warum brechen Sie in mein Zimmer ein? Ich habe doch gestern gesagt, dass ich heute nicht zur Arbeit gehe!“
„Ich bring dich um, du Miststück! Mir verdankst du dein unnützes Leben!“
„Warum das denn? Können Sie mir das erklären?“
„Pack deine Klamotten und hau ab. Ich gebe dir zehn Minuten! Oder ich überlege es mir anders und du folgst deiner Freundin!“
„Oh nein! Wo ist Maria? Was ist los mit ihr?“
„Eure Zuhälter haben sie abgeholt.“ Er warf ihr die Tageszeitung ins Gesicht wie einen Bumerang und so heftig, dass das Papier Roxis Wange aufritzte. Auf der ersten Seite war das Foto einer jungen Frau zu sehen, die mitten auf der Straße in einer Blutlache lag.
Krampfhaft versuchte Roxi, die Schlagzeile zu lesen, konnte aber nichts verstehen.
„Übersetzen Sie bitte! Ist sie tot?“
Der Spanier saß auf dem Stuhl, drehte sich mit seinen großen Fingern eine Zigarette und klebte sie mit seiner bläulichen Zunge zu.
„Moment, ich hab zu tun.“
„Haben sie sie umgebracht? Kannst du mir das sagen? Antworte gefälligst, du stinkender Bastard!“
Roxi schlug ihm die Zigarette aus den Händen und presste gleichzeitig ihre Handflächen zusammen, als ob sie um Gnade flehen wollte. Sie schaute genau in die Augen des bösen Spaniers und sagte mit Angst und Verzweiflung in der Stimme: „Antworte mir! Bitte! Du schmutziger Zuhälter!“
Darauf bekam das Mädchen eine schallende Ohrfeige. Es war, als ob sie mit einer leeren Blechdose geschlagen würde. Sie flog zur Seite, Blut floss aus ihrer Schläfe. Wahrscheinlich trug er an seinem schmutzigen Finger einen Ring, mit dem er ihre Haut aufgeritzt hatte. Das Blut rann in einem dünnen Faden über ihr Gesicht, aber sie spürte nichts. War sie vielleicht schon gestorben? Oder wurde sie gerade totgeschlagen? Oder war es ein Traum? Diese dummen, unpassenden Fragen blieben ohne Antwort.
Er zündete die von ihr zerbrochene Kippe an, nahm lässig die Zeitung in die Hand, runzelte die pechschwarzen Augenbrauen und fing an, den Text vorzulesen: „Gestern in den frühen Morgenstunden wurde in der Calle de Colón eine vergewaltigte Frau mit abgeschnittener Zunge gefunden. Dank einem Geldtransporter, der vorbeifuhr und die Rettungskräfte rief, blieb das Opfer am Leben. Wir bitten alle, die die Geschädigte identifizieren können oder Zeuge des Vorfalls waren, sich beim nächstgelegenen Polizeirevier zu melden.“
„Neinnnn!!! Warum? Warum verfolgt mich der Tod? Was habe ich verbrochen?“
„Halt den Mund und verschwinde hier, bevor ich dich an die Bullen ausliefere. Du nervst! Wegen euch habe ich gestern den ganzen Abendumsatz verloren. Ich weiß nicht, was mich noch von euren Landsleuten erwartet. Ich habe euch doch ganz klar gefragt! Habe euch ordentlich bezahlt! Es wird schon seinen Grund haben, wenn ihr beschissenen Nutten verprügelt werdet, verdammt noch mal! An euch ist nichts menschlich! Schlampen!“
„Verzeihen Sie mir, ich wollte das nicht. Ich war sicher, dass sie uns nicht finden.“
„Ihr solltet lieber weit weg von Spanien ziehen, damit sie euch nicht finden. Ihr blöden Huren! Das ist doch eine kleine Stadt! Und die Kunden sind hier wie dort dieselben. Verdammte Perverslinge und Touristen, alle Alkis und Junkies sowieso.“
„Schwulis haben Sie vergessen.“
„Spiel nicht die Klugscheißerin. Hau ab, und am besten ohne deinen Koffer. Sie suchen schon an allen Bahnhöfen nach dir.“
„Danke, leben Sie wohl.“
Roxi verließ das Haus, genauer gesagt, das Bordell und schlich durch die Straßen. Vor lauter Tränen konnte sie kaum noch den Weg sehen. „Was jetzt? Soll ich mich an die Polizei wenden? Und wenn sie mich in den Knast stecken? Hinter Gittern werden sie mich ganz sicher kaltmachen. Dort haben sie freie Hand. Ich muss unbedingt die Stadt verlassen.
Oh! Vielleicht soll ich diese Bekannte aus dem letzten Klub anrufen, mit der ich mich ein bisschen angefreundet habe. Wie war doch ihr Name? Scheiße, jetzt lässt mich sogar mein Gedächtnis im Stich!“
„Toni? Hallo?“
„Hallo, Roxi. Bist du das?“
„Ja, ich bin’s. Toni, ich brauche deine Hilfe.“
„Ich heiße eigentlich Moni.“
„Ach, Monika, Verzeihung. Wegen dem Stress funktioniert mein Kopf fast nicht mehr.“
„Das macht nichts. Ich habe gestern gesehen, wie die Rumänen deine Freundin abgeholt haben. Ist sie tot?“
„Gott sei Dank, sie lebt. Aber wenn das stimmt, was in der Zeitung steht, kann sie sich nicht erinnern, wer sie ist.“
„Oder sie hat Angst davor, ihren Namen zu nennen.“
„Das kann natürlich sein. Sie würde nie der Polizei was erzählen. Aus Angst. Sie hat jetzt außerdem nichts mehr, womit sie reden könnte.“
„Was meinst du damit?“
Die Tränen kullerten Roxis Wangen herab bis hin zum Dekollete. „Man hat ihr die Zunge abgeschnitten.“
„Oh Gott! Was für Schweinehunde!“
„Ich würde sie so gerne im Krankenhaus besuchen, aber ich habe Angst.“
„Wage es nicht! In keinem Fall! Lauf weg und zwar sofort!“
„Arbeitest du auch für die Mafia?“
„Klar, für wen denn sonst! Ich bin aber nicht so tapfer wie ihr! Ich will noch eine Weile leben.“
„Könntest du mir einen Tipp geben, wohin ich gehen soll. Ich habe gehört, du wohnst schon lange in Spanien, oder?“
„Ja, früher habe ich ohne Zuhälter in Madrid gearbeitet, bis sie mich reingelegt haben.“
„Was ist passiert?“
„Ich hatte Schulden bei dem Bordell. Ich habe zufällig in meinem Zimmer einen Brand verursacht. Ich war mit einer brennenden Zigarette eingeschlafen. Ein Wunder, dass ich noch am Leben bin. Der Chef hat mir nicht geglaubt, dass ich den Schaden ersetzen würde, und hat die Mafia eingeschaltet. Jetzt muss ich den Banditen zahlen, und zwar mit Zinsen.“
„Oh Scheiße! Wie lange musst du noch zahlen? Und wo ist das in Madrid? Gibst du mir die Adresse?“
„Ja, natürlich. Gleich schicke ich dir die Adresse per SMS und auch, was du dort sagen musst. Der Chef war mein Lieblingsliebhaber. Er ist ein guter Mensch. Das mit dem Zahlen wird es noch sehr lange dauern, das weißt du selbst. Das ist so, wenn man sich mit der Mafia einlässt. Dem Chef habe ich schon längst alles zurückerstattet.“
„Sie treiben die Mädels einfach so in die Schulden. Sie stellen Bedingungen, die nicht zu erfüllen sind, und fordern dann noch mehr Geldals Strafe. Und so dreht sich die Schuldenmühle endlos. Und ist das Mädchen damit nicht einverstanden, wird sie drogenabhängig gemacht.“
„So ist es. Gut, Roxi, pass auf dich auf. Schreib mir, wenn du da bist. Ich mache mir Sorgen um dich.“
„Okay, Moni. Ich warte auf die SMS mit der Adresse. Wenn ich vor Ort bin, rufe ich dich an.“
„Gott behüte dich! Lebe wohl!“
„Pass auf dich auf.“
Roxi runzelte die Stirn und wischte sich die Tränen ab oder vielmehr die vertrockneten schwarzroten Streifen. Sie fühlte nichts außer Angst vor einem qualvollen Tod oder Folter und Vergewaltigung – die fürchtete sie am meisten auf der Welt.
Zufällig ging sie einen Flohmarkt vorbei und sah ein schönes langes, leuchtend rotes Kleid mit Kapuze am Verkaufsständer hängen. Roxi dachte sich: Dann ziehe ich mich doch mal wie eine Muslimin an, grell und locker. Kaufe mir eine Brille und ein Buch. In diesem Aufzug erkennt mich niemand. Sie ging zum Verkaufsstand und sah einen komischen alten Mann, aus dessen Mund gerade noch ein Paar Vorderzähne herausschaute. Höhnisch sah er die junge Frau im Minirock an, der ihre Möse kaum verdeckte, die sich jetzt von Kopf bis Fuß verhüllen wollte.
„Was kostet dieser Sack?“, fragte Roxi sarkastisch.
„35 Euro, Señorita. Sie frieren wohl in Ihrem kurzen Röckchen?“
„Ja, mir ist kalt. Und meine Augen frieren auch. Verkaufen Sie Brillen?“
„Brillen gibt es da gegenüber. Von diesem Mann.“
„Haben Sie vielleicht ein Buch auf Arabisch?“
„Können Sie das lesen?“
„Sehr witzig!“
„Hahaha!“ Der Alte lachte ihr direkt ins Gesicht und entblößte dabei seine restlichen schwarzen Zähne.
„Hören Sie auf! Das darf doch nicht wahr sein!“
Der Alte hielt sich den Bauch vor Lachen, reichte der Schönen das Kleid und fragte: „Willst du anprobieren?“
„Du bist ein alter Depp!“ Auch Roxi konnte das Lachen nicht zurückhalten und händigte dem alten Rüpel das Geld aus.
Dann ging sie beiseite und fluchte leise: „Jetzt werden die Alten auch noch frech! Denken sie etwa, nur, weil sie Staub furzen, dürfen sie jeden Scheiß reden? Witzbolde, bescheuerte.“
Es war gar nicht einfach, ein Buch in Arabisch zu finden, aber sie wollte nicht glauben, dass es auf dem Flohmarkt so etwas nicht doch irgendwo gäbe. Als Roxi sagte, sie würde für das Buch auch zehn Euro hinblättern, war im Nu eines gefunden.
Auch eine passende Brille bot ihr der beste Stylist des Marktes an. Endlich konnte sie nun alles anprobieren. Die Prostituierte ging in ein öffentliches WC und verwandelte sich in eine Medizinstudentin.
„Wow! Cool! So anständig habe ich noch nie ausgesehen. Da verliebt sich bestimmt gleich noch ein Pfarrer in mich, hahaha!“
Nervös schaute Roxi auf die Uhr. Bis jetzt hatte sie noch keine SMS mit Adressen von Toni oder Moni, oder wie sie auch hieß, bekommen.
„Soll ich sie vielleicht noch ein Mal anrufen?“
Da kam eine SMS: „Ich fahre mit! Wir treffen uns am Gepäckautomaten im Hauptbahnhof um 16:30. Der Zug nach Madrid fährt um 19:20 ab.“
„Okay.“
Roxi war überrascht und wusste nicht, ob sie sich freuen oder weinen sollte. Die letzten Ereignisse hatten ja gezeigt, dass die Freundschaft mit anderen Mädchen oft kein glückliches Ende nahm. „Warum hat sie sich zu so einer verzweifelten Tat entschlossen? Soll ich vielleicht lieber ohne sie fahren? Um die Mafia nicht noch mehr zu erzürnen? Was jetzt? Ich rufe sie an und rede mit ihr.“
„Hallo? Moni?“
„Ja, Roxi?“
„Hast du den Verstand verloren? Was, wenn sie uns schnappen?“
„Ich kann so nicht mehr leben. Ich will frei sein!“
„Dann zieh aber bitte irgendeine ungewöhnliche Kleidung an. Die Banditen werden vermutlich die Bahnhöfe absuchen.“
„Was für Kleidung soll das sein?“
„Du kannst dich zum Beispiel wie ein Junge verkleiden.“
„Okay. Ich ziehe einen Sportanzug an und setze eine Mütze auf.“
„Ich bin froh, dass du diese Entscheidung getroffen hast. Aber es ist mir etwas unbehaglich zumute. Zurzeit werde nur ich gesucht und ich will nicht, dass dir etwas passiert.“
„Lass uns in verschiedenen Waggons fahren.“
„Okay. Bis dann.“
Im Bahnhof tat Roxi so, als wäre sie ganz ins Lesen vertieft, verstand aber kein Wort des Buchs, dessen Seiten sie eifrig umblätterte. Sie erinnerte sich an ihr Elternhaus und ihre Mutter und verfluchte sich für ihren Ungehorsam, dachte aber doch, dass es zu spät wäre, zurückzukehren.
Nur vorwärts, es gibt kein Zurück! Sie wollte ihren Verwandten nicht wehtun. Wenn die Mafia erfahren würde, dass sie in ihr Elternhaus zurückgekommen wäre, würde sie ihrer Strafe nicht entgehen können.
Als der Zug losfuhr, fiel Roxi ein Stein vom Herzen und ihre Stimmung wurde etwas besser. Das Mädchen ging durch die Waggons auf der Suche nach ihrer neuen Freundin, und weil sie Lust bekam, was zu trinken.
„Roxi!“, hörte sie eine bekannte Stimme.
„Gott sei Dank, da bist du ja!“
Die Mädchen umarmten sich geschwisterlich. In diesem Moment fühlten sie sich wie gute Freundinnen.
„Lass uns in den Speisewagen gehen und uns besaufen, oder?“
„Kannst du Gedanken lesen? Daran habe ich auch gerade gedacht.“
Beim Abendessen besprachen die zwei Flittchen mit vom Wein geröteten Wangen ihren Fluchtplan. Monika schlug vor, in Madrid bei einer Freundin von ihr zu übernachten, die als Straßennutte arbeitete.
„Willst du auch auf die Straße gehen, Moni? Ich meine, als Straßenprostituierte.“
„Wahrscheinlich ja. Das bringt schnelles Geld. Aber es ist natürlich nicht ungefährlich.“
„Und ich will in einem Klub arbeiten.“
„Der Bordellchef, zu dem wir fahren, hat alles. Er ist als Zuhälter ein Allesfresser. In seinem Dienstleistungsangebot gibt es alles. Du kannst entweder im Klub bleiben oder auf der Straße arbeiten. Aber der Verdienst in den Etablissements ist wesentlich niedriger.“
„Ehrlich gesagt, ich bin nicht bereit, auf der Straße anzuschaffen.“
„Das ist deine Sache.“
Nach der Ankunft in der riesigen Stadt entspannte sich Roxi. Madrid überraschte sie mit seiner Größe und Schönheit. Vor Ort wurden die Freundinnen von einem kleinwüchsigen verschlafenen Mädchen empfangen und in eine Wohnung gebracht, die eher einer Hundehütte ähnelte als einem Apartement. In einem Stockbett schliefen noch zwei Schönheiten. Nach ihren Augenbrauen und Schnurrbärten zu urteilen, waren sie anscheinend Zigeunerinnen.
„Wie viele seid ihr hier?“, fragte Roxi erstaunt.
„Wir sind zu viert. Aber es gibt ein freies Doppelstockbett extra für euch! Als hätte ich gewusst, dass ihr kommen würdet.“
„Tja. Schafft ihr alle auf der Straße an?“
„Ja, alle, die in diesem Zimmer wohnen.“
„Sind es Zigeunerinnen, die da schlafen?“
„Ja, eine von ihnen heißt Gina. Sie ist die Frau eines wichtigen Zigeunermafioso. Durch seine Hände gehen alle Sachen, die in Madrid gestohlen werden.“
„Kein Problem! Und was macht sie hier?“
„Ab und zu läuft sie vor ihm weg. Er sucht die Arme, findet sie und prügelt sie halb zu Tode.“
„Warum läuft sie denn weg?“
„Sie will frei sein.“
„Haben sie Kinder?“
„Ja, und zwar jede Menge. Nicht einmal Gina selbst weiß wahrscheinlich genau, wie viele. Aber es sind wohl auch nicht alle Kinder von ihm. Ahahaha!“
„Witzig. Ich will nicht auf der Straße nicht arbeiten. Ist es möglich, im Klub angestellt zu werden?“
„Ja, aber dort kriegst du 50 Prozent von deinem Verdienst abgezogen. Rede darüber morgen mit dem Chef. Vielleicht kann er so einer Schönen wie dir etwas Interessanteres anbieten.“
„Lasst uns schlafen gehen. In einer Stunde ist Schichtwechsel bei den Mädchen auf der Straße.“
„Okay, darf ich oben schlafen?“
„Such dir das schönste Bett aus.“
„Tja, die Auswahl ist nicht gerade groß.“
In der Nacht hatte Roxi Albträume. Sie wälzte sich im Bett hin und her und konnte kaum den Sonnenaufgang erwarten. Schnell machte sie sich zum Treffen mit der Leitung des Bordells bereit und verließ die eklige Bude mit einem Seufzer der Erleichterung. „Das ist die reine Hölle!“, dachte sie. „Wie kann man überhaupt unter solchen Bedingungen wohnen!“ Genervt und nicht ausgeschlafen, mit dunklen Ringen unter den Augen fand sie den Chef, der wie ein schmutziger Zigeunerarsch aussah.
„Guten Morgen!“
„Hola! Oh je! Du bist aber hübsch! Der liebe Gott hat endlich meine Gebete erhört.“
„Beten Sie zu Gott, damit er Ihnen attraktive Mädchen schickt?“, fragte Roxana lächelnd.
„Ich weiß nicht, was ich tun soll! Im letzten halben Jahr sind zu mir nur hässliche Kühe gekommen, wie zur Strafe!“
„Sie haben Humor.“
„Nein, ich meine es ernst.“
„Ich würde gerne in Ihrem Bordell arbeiten. Ist das möglich? Und da ich hübsch bin, wie Sie gerade selbst gesagt haben, bitte ich um ein entsprechendes Honorar.“
„Die Höhe des Honorars hängt von der Qualität der Arbeit ab. Ich mag keine hübschen Nutten, die faul sind.“
„Ich versichere Ihnen, dass Sie mit mir in dieser Hinsicht keine Probleme haben werden.“
„Dann bist du eingestellt. Am Abend im Klub besprechen wir die Einzelheiten.“
„Danke, Señor. Wir sehen uns später.“
Das Aussehen von Roxis neuem Arbeitsplatz löste bei ihr keine große Begeisterung aus. Das Schild mit dem Namen „La Carioca“ leuchtete trüb und ließ in seinem Inneren Staubhügel erkennen. Als Roxi hineinging, begriff sie, was die Mädchen gemeint hatten, als sie sagten, dass im Bordell mit großem Verdienst nicht zu rechnen war. Schmierige Typen kuschelten mit doch ziemlich sympathisch aussehenden Mädels, grabschten sie an Titten und Muschis, spotteten über diese gefallenen Wesen und genossen den dunstigen und trüben Abend. In dem Etablissement gab es besondere Regeln. Die Kunden durften nicht nur bezahlten Sex mit Mädchen haben, sondern ihnen auch alkoholische Getränke spendieren und dabei mit ihnen stundenlang am Tisch oder in der Bar sitzen und plaudern. Und so sammelten sich im Bordell Gaffer und Assis, die keine Lust hatten, 500 Euro für Sex zu zahlen, und sich auf Berührungen dafür beschränkten, dass sie die Getränke bezahlt hatten. Selbstverständlich bekamen die Mädchen ihre Prozente von dem, was die Kunden für den Alkohol bezahlt hatten, was aber offensichtlich für ein halbwegs gutes Leben nicht reichte, sodass sie letztendlich auf der Straße anschaffen gingen. Aber es war erfreulich, dass auf der Getränkekarte auch teurerer Alkohol stand. Es gab zum Beispiel französischer Champagner für 700 Euro pro Flasche.
„Wenn es nur einen Idioten gäbe, der dieses teuere Getränk kaufen würde“, dachte Roxi beim Lesen der Getränkekarte.
Natürlich hatten nicht alle Flaschen einen so hohen Preis. Auf der Karte stand auch der Stoff für die Arbeiterklasse, sozusagen, für 30 Euro pro Glas. Diese Getränke bestanden meistens aus billigem Rum oder stinkendem spanischem Gesöff wie dem brennbaren Aguardiente – all dem, was im Jugendjargon als „krasses Zeug“ bezeichnet wurde. Aber es sollte auch die Tatsache nicht verschwiegen werden, dass nach einem Glas dieses Ersatzproduktes die Menschen zu allerhand wilden Abenteuern bereit waren! Sogar zu Heldentaten, die am anderen Morgen gewöhnlich nur noch Scham hervorrufen. Madrid ist wie alle Großstädte der Welt offen für Touristen und natürlich für „Nachtschwärmer“. Andererseits ist es jederzeit bereit, die Schwachen zu fressen, die sich in seinen Netzen von Unzucht, Drogensucht und Alkoholismus verfangen. Besonders gilt das für junge Mädchen, Rumäninnen, Ukrainerinnen oder welcher Nationalität auch immer, die sich auf die Reise begeben, um ihre Träume zu verwirklichen. Diese Träume mögen unterschiedlich sein, haben aber meistens das gleiche Ziel: nämlich reich zu werden. Roxi unterschied sich freilich von den anderen dadurch, dass sie im Herzen nicht darauf aus war, irgendeinen alten Geldsack zu heiraten, sondern eher nach Abenteuern strebte. Ihre innere Energie war so stark, dass sie einfach keine Ruhe fand, weder zu Hause bei ihrer Familie noch bei Freunden. Es schien, als ob dieses flinke Mädchen gar nicht fähig wäre, ein gewöhnliches, monotones Leben ohne Unannehmlichkeiten zu führen. Roxis Traum war es, nur aus Liebe zu heiraten, auch wenn ihr Auserkorener kein reicher Mann wäre. Die Gedankengänge von Prostituierten können recht merkwürdig sein. Aber Frauen sind generell unlogisch und überraschen mit ihren Entscheidungen und Handlungen immer wieder, insbesondere das andere Geschlecht. Arme Männer! Aber verdienen sie wirklich Mitleid? Lassen wir sie das ertragen. Warum sollen nur die Frauen Schikanen erdulden?
In Wirklichkeit hatte die zickige, verträumte Roxi nicht erwartet, dass der Weg einer nach Abenteuern verlangenden Prostituierten derart schwer und schrecklich sein würde. Ihrer Meinung nach waren alle Frauen käuflich, denn selbst im Familienleben ist es erforderlich, Dinge zu ertragen und sich anzupassen, in gewissem Sinne sich zu verkaufen, den eigenen Willen zu vergessen und gegen die eigenen Prinzipien und Wünsche zu handeln. Sie wünschte sich so eine Zukunft nicht, bemühte sich, vernünftige Entscheidungen zu treffen, ohne auf andere zu hören, und hielt sich für ein Muster an Unabhängigkeit – eine Möwe im freien Flug, Botin neuer Anfänge und Inspirationen.
„Männer werden nie über meine Wünsche entscheiden. Entweder müssen sie sie blitzschnell erraten, oder sie sollen sich zum Teufel scheren! Sie müssen für Frauen zahlen und dabei nicht geizig sein. Statt Männergesichtern sah sie Geldscheine zittern wie Grashalme im Wind.
So glaubte sie, durch den Verkauf ihrer Geschlechtsorgane Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu erreichen, und dazu ein überzogenes Selbstwertgefühl.
„Meinen Geldautomaten habe ich zwischen den Beinen! Ich kann Geld abheben, wann ich will! Warum sollte ich bei irgendeinem alten kahlköpfigen Schweinehund um Geld betteln?“ Die spreizfreudigen Beine öffneten ihr die Türen zu den schicksten Hotels, wo livrierte Portiers nach Erhalt eines großzügigen Trinkgeldes den Hut vor Prostituierten zogen und sie mit einem Lächeln verabschieden.
In Roxis Fall konnte keine Rede von einer ordentlichen Bildung sein, da es ihrer Familie nicht einmal möglich war, ein Kind zur Schule gehen zu lassen. Aber Roxana hörte trotzdem nicht auf, um ihren Platz an der Sonne zu kämpfen. Jeden Abend las sie vor dem Schlafengehen vielfältige Literatur, was natürlich ermüdend war, aber es half ihr bei der Arbeit mit den Kunden. Sie wollte nicht wie all diese blöden Huren beim Bier in irgendeiner Kaschemme enden. Ihr Lebensweg war nicht vorbestimmt oder besiegelt. Glaubt man den Handlesern, ist alles vorbestimmt. Vielleicht wird deshalb irgendwann in der Zukunft auf der Handfläche einer Frau eine neue Linie entdeckt – die Linie des glücklichen gebildeten Luders.
„Wohin hätte ich sonst gehen sollen?“, fragte mich Roxi. „Wenn manche Frauen denken, dass das Leben einer Hausfrau oder eines Bauernweibes in einem rumänischen Dorf interessanter wäre als die Arbeit in den Klubs und das Reisen durch die Welt, dann irren sie sich.“
„Wenigstens bringt ein solches Leben niemanden in den Knast“, antwortete ich.
Das Lachen war im ganzen Gefängnisinnenhof zu hören, da das Fenster unserer Zelle weit geöffnet war.
„Wer weiß. Wäre ich in meinem Kaff geblieben, hätte ich aus Langeweile irgendeinen Flachwichser umgebracht. Dann wäre ich natürlich auch hinter Gittern gelandet …“
„Soll das heißen, dass für die Leute, die in der tiefsten Provinz geboren werden, der Weg in die große weite Welt versperrt ist? Dass sie nur tiefer in die Scheiße geraten, egal in welche Richtung sie fahren?“
„In meinem Fall ja. Aber die Menschen sind unterschiedlich. Es gibt viele Leute, die auch im Dorf glücklich leben. Ich mit meinem Temperament kann es nicht.“
„Das habe ich gemerkt.“
Roxi hielt ihr Leben für interessant und faszinierend, ungeachtet dessen, dass sie zu der Zeit im Untersuchungsgefängnis war. Millionen Frauen, die als Prostituierte arbeiten, leben glücklich und bekommen Kinder, egal was passiert. Die „rumänische Frauenstatistik“, geführt von Roxi persönlich, besagte, dass gerade Millionäre Liebesdienerinnen bevorzugen und sie meistens heiraten.
Das Mädchen blätterte demonstrativ die Getränkekarte an der Bar durch, studierte die Getränke, die sie am meisten interessierten, und beschloss zu bleiben, um sich eine reiche Kundschaft aufzubauen, denn diese war in dem Etablissement am attraktivsten.
Nach drei Monaten Arbeit konnte das Mädchen immer noch nicht begreifen, warum die Männer so geizig waren. Champagner trank sie nur wenige Male, unter anderem mit einem Junkie, der Kokain gesnifft hatte und dann wie ein Idiot durch den engen Klub gehüpft war, in dem es nicht genug Platz gab, dass sich ein Hund auf dem Fußboden austrecken könnte. Auch nach ihren heißen Tanzeinlagen wollte niemand Sex haben und sie musste stockbesoffen und mit leeren Händen nach Hause gehen, wenn man die Bude mit Stockbetten so nennen konnte.
„Roxi, Liebes, komm mit auf die Straße anschaffen!“, redeten ihr die Kolleginnen zu. „Wir schaffen es, 20 bis 25 Kunden am Tag zu bedienen.“
„Ja, ich sehe, wie ihr jeden Tag in die rumänische Bank lauft, um Geld zu überweisen.“
„Hör auf, in diesem stinkenden Loch zu sitzen. Dort ist es qualmig, die Zigaretten glimmen dir vor der Nase und dein Teint wird ganz schwarz.“
„Na ja, die Frischluftzufuhr ist draußen besser, das bestreite ich nicht.“
„Hahahaha! Gut gesagt. Das ist echt zum Totlachen.“
„Und was für Kunden habt ihr dort, Moni?“
„Es gibt verschiedene. Mit großen und mit kleinen.“
„Das meinte ich nicht. Gibt es Entführungen? Vergewaltigungen?“
„In den letzten Monaten nur ein paar Mal. Meistens sind das betrunkene Halbstarke. Sie kommen aus den Discos und haben natürlich kein Geld mehr, oder nur noch ganz wenig.“
„Und warum überhaupt steigt ihr zu ihnen ein?“
„Dabei steht doch ein Wächter und passt auf. Aber dem ist es scheißegal, was mit uns passiert. Hauptsache, wir faulenzen nicht und arbeiten.“
„Ich würde mich echt schämen dort, auf der Straße.“
„Das sagen alle am Anfang.“
„Und wenn plötzlich ein Fernsehteam kommen und filmen würde? Meine Mutter würde sich eine Reportage über das schöne Madrid anschauen und mich in Strümpfen durch das Rotlichtviertel laufen sehen!“
„Ach, Roxi! Du bildest dir ja mächtig was ein! Du, unser Star! Natürlich kommt extra wegen dir das Fernsehen!“
„Moni, das sagst du jetzt, aber sie werden dich filmen, und dann siehst du es! Okay, ich sage dem Chef heute Abend, dass ich es mit dem Anschaffen auf der Straße versuchen möchte.“
„Das hättest du besser gleich tun sollen!“
„Verpiss dich, kleine Schlampe.“
Die Mädchen lachten auf, hüpften und kniffen einander in die knochigen Seiten.
Am Abend, als Roxi auf ihren Chef wartete, der ein Vollidiot und Alkoholiker war, wollte sie doch an ihrer waghalsigen Entscheidung zweifeln, aber nach dem Verdienst ihrer Freundinnen zu urteilen, war das doch sinnvoll. Das Wichtigste war, dass sie nicht mehr so viel saufen müsste oder das wenigstens zu dem Zweck tun würde, um sich zu entspannen oder Spaß zu haben, nicht aber, um die Einnahmen des Bordells auf Kosten ihrer Leber zu erhöhen.
„Hola!“
„Guten Tag! Ich habe Sie nicht bemerkt.“
„Ich stehe schon seit zehn Minuten neben Ihnen und trinke Bier.“
„Tja, es ist komisch, dass ich Sie nicht gesehen habe.“
„Was wollen Sie?“
„Darf ich auf der Straße arbeiten?“
„Ja, Sie dürfen hingehen.“
„Einfach so?“
„Ja klar! Wie denn sonst?“
„Sagen Sie mir wenigstens was zur Unterstützung, geben Sie mir einen ermunternden Ratschlag.“
„Ziehen Sie sich wärmer an, die Nächte sind jetzt kalt.“
„Okay. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.“
„Sag mir, Schäfchen, warum soll ich dich beruhigen?“
„Alles klar, ich gehe schon, danke.“
„Viel Glück, meine Süße. Alles wird gut!“
Das war schon ein seltsamer Kerl, aber wenigstens stellte er keine unnötigen Fragen nach dem Weshalb oder Warum. Das war auch etwas wert.
„Moni? Hallo! Ich komme mit euch.“
„Roxi! Ich freue mich! Du hast mir gefehlt. Jetzt habe ich wenigstens jemanden zum Reden. Stell dich bitte mit dem Gesicht zur Straße, nicht zum Bürgersteig.“
„Das kann ich nicht! Ich schäme mich!“
„Vor wem denn? Vor diesen Bastarden?“
„Gut, ich drehe mich um.“
Es war nicht einfach und auch nicht so lustig, wie die Mädels das zuvor erzählt hatten. Roxi genierte sich vor gewöhnlichen Passanten, die sie wie ein Stück Scheiße anschauten. Vorbeigehende junge Pärchen amüsierten sich beim Anblick der schönen Rumänin und warfen ihr mal ein Lächeln, mal missbilligende Blicke zu. Sie hörte Bemerkungen: „So ein schönes Mädchen und geht anschaffen. Sie tut mir leid.“ Mit einem Hauch Schwermut und Traurigkeit äußerten die Passanten laut ihre Enttäuschung, dass eine junge hübsche Frau so tief gefallen war. Roxi senkte den Blick aus Scham über das, was ihr vor Kurzem noch erstrebenswert erschien.
„Warum ist es mir so peinlich? Was jetzt? Wie kann ich das Gefühl überwinden, das bei mir während der Arbeit Unbehagen hervorruft und traurige Gedanken auslöst?“
Sie versuchte, die aufdringlichen und harschen Äußerungen von Passanten nicht zu bemerken, denn sie brachten sie zum Weinen, und besoff sich, auch nicht weniger als im Bordell, nur eben allein. Die Flasche mit dem spanischen Fusel, an dem sie ab und zu nippte, um sich Mut anzutrinken, versteckte sie im Gebüsch. Aber wie bekannt, tut der Alkohol nichts anderes, als das Nervensystem zu reizen und zu zerstören. Das Lebensbild entfernt sich immer weiter vom Ideal, was den Verstand noch mehr verwirrt. Er verwandelt sich in ein Labyrinth mit einer Mausefalle in der Mitte, in der nicht einmal ein Stückchen Käse liegt. Wie sich herausstellte, war es das Schlimmste, unter die Augen von Rumänen zu kommen, und zwar der jungen Touristen, die sich in Spanien auf vollen Touren vergnügten. Wenn rumänische Autos vorbeifuhren, erregte das in ihr Angst und Schamgefühl. Wenn das Mädchen ihre Muttersprache hörte, versteckte sie sich hinter Bäumen und Häusern, da sie keinen Kontakt mit Landsleuten haben wollte; sie wich selbst ihren Blicken aus.
Neues Spielzeug beruhigte sie. Roxi kaufte sich endlich ein neues Handy für fast 1.000 Dollar. Damals waren das ungefähr fünf Monatslöhne eines einfachen rumänischen Arbeiters. Wie ein Kind freute sich Roxi über ihre Neuanschaffung und beschloss, an diesem Tag zu Hause zu bleiben, sich auszuruhen und sich nebenbei mit den Funktionen des Geräts bekannt zu machen. Aber aus der Erholung wurde nichts. Ein Klopfen an der Tür, anscheinend mit dem Fuß, brachte die Schöne dazu, aus dem Bett zu springen. Ihr Herz raste vor Schrecken.
„Wer kann das sein? Wer ist da?“
„Mach die Tür auf, du Schlampe! Ich suche meine Frau!“
„Wer bist du?“
„Mach auf oder ich ich breche diese verdammte Tür auf!“
Mit zitternden Händen schob Roxi den alten, knarrenden Riegel zur Seite. Bevor sie begriff, was passierte, landete sie auf dem Bett. Ein spitzer, glänzender Schuh zwischen ihren Brüsten drückte sie gegen die Wand. Der Zigeunermafioso war so stark und aufgebracht, dass Roxi unter dem Gewicht seines Fußes beinahe ohnmächtig wurde. Sie fühlte sich wie ein kleines Insekt.
„Lassen Sie mich, ich weiß von nichts!“
„Willst du gleich ohne Absolution verrecken, du Hure! Sag, wo meine Frau ist!“
Roxi erinnerte sich an Ginas mit blauen Flecken übersäten Körper und erschauderte. Ihr Mann suchte sie überall, schikanierte sie und schlug sie ins Koma. Sie wollte ihm nicht mehr gehören, kein Gegenstand in den Händen des verrückten Zigeuners mehr sein, deshalb lief sie aus dem Lager weg.
Ein Schrei in gebrochenem Spanisch mit starkem Romaakzent betäubte sie.