Kitabı oku: «Elefanten-Freddy», sayfa 6

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„Wo ist sie?“, rief angewidert der dunkle Teufel, dessen breite, massive Nase eine rote Spitze hatte. Seine Haare kitzelten Roxis Gesicht, aber sie hatte Angst, sich zu rühren, darum bewegte sie nur ihren Kiefer im Kreis und rümpfte die kleine Nase.

Der Mann starrte das arme Mädchen auffordernd an. Sie aber wollte ihm nicht sagen, dass seine Frau unterwegs war, um sich sexy Kleidung für die Arbeit zu kaufen. Aus dem Augenwinkel sah Roxi noch einen Zigeuner hinter seinem Rücken stehen. Anscheinend waren sie gemeinsam gekommen. Mit Schrecken bemerkte sie an dessen Oberarm eine Tätowierung der Madrider Bande „Gladiator“. Das waren furchterregende Menschen ohne Moral und Prinzipien. Wie für die rumänische Mafia war es für sie kein Problem, jemanden zum Krüppel zu schlagen, sei es ein Mann, eine Frau oder ein Kind. Plötzlich knallte irgendwo in einem fernen Korridor eine Tür. Beide Männer spitzten die Ohren, verhielten sich still und hörten auf die Schritte.

„Das ist sie wahrscheinlich!“, flüsterte der furchterregende Mafioso mit dem pechschwarzen Schnurrbart. Sein Mund sah ekelhaft bläulich-braun aus, als ob er zur Nacht statt Milch irgendeine klebrige, schwarze Brühe getrunken.

„Gina! Renn weg!“, rief Roxi.

Schnelle Schritte waren vor der Tür zu hören. Beide Zigeuner liefen blitzschnell in die Richtung, wo die Absätze klapperten. Roxi blickte durch das Fenster und sah den Vermieter, der ihr winkte, dass sie möglichst schnell den Raum verlassen sollte. Sie hatte nur einen Slip und ein dünnes T-Shirt an. Sie drehte sich erstaunlich hastig um und lief nach draußen. In panischer Angst betrachtete sie die Passanten, die ihrerseits vom Anblick der hübschen Kleinen in sexy Unterwäsche auf der Straße am helllichten Tag überrascht waren. Roxi sah sich um und bemerkte, dass die Tür zum Zimmer des Vermieters, das gleich im Erdgeschoss lag, einen Spalt offen stand. Rasch lief sie auf Zehenspitzen ins Haus zurück. Ihre Augen suchten verzweifelt nach einem Schlupfwinkel. Ihre Angst erfüllte das Zimmer mit einem ätzenden Geruch.

„Diese Schlampe hat mich in eine böse Geschichte verwickelt!“, schimpfte das Mädchen. Dieser Satz erschien ihr viel zu laut, dabei hatte sie in Wirklichkeit nur die Lippen bewegt, kaum sichtbar und völlig geräuschlos.

Sie schaffte es nicht, unter das Bett zu kriechen, dafür war ihr Po in den letzten Monaten ein bisschen zu füllig geworden. Als Alternative bot sich ein offen stehender Schrank an. In diesem stinkenden Kasten verfluchte Roxana alles auf dieser Welt.

„Pfui! Was für ein Gestank! Wäscht der Typ seine Klamotten überhaupt einmal?“

Schweißgeruch drang ihr in die Nase wie Ammoniak. „Das wäre die richtige Höhle, in die man kriechen kann, um sich auszunüchtern“, dachte Roxi. Sie erinnerte sich an ihre Kunden und ihr fiel ein, dass die größten Stinker unter ihnen aus Ecuador kamen.

Inzwischen waren im Nebenzimmer Schreie und Gepolter von umfallenden Möbeln zu hören. Der Zigeuner schrie und schlug alles um sich herum kurz und klein. Die Lage eskalierte und sah gar nicht nach einem Vergnügungslokal aus. Eine junge Frau weinte. Anscheinend war sie es, die zur unrechten Zeit nach Hause gekommen war und deren Schritte im Korridor zu hören gewesen waren. Der Bastard mit den goldenen Zähnen hatte wohl gedachte, es wäre seine Ehefrau. Roxi konnte an dem herzzerreißenden Geschrei nicht erkennen, wer es wirklich war.

„Fassen Sie mich nicht an! Ich weiß nicht, wo Ihre Frau ist!“, rief die Arme. Ihre Worte klangen schüchtern, Schluckauf störte sie beim Reden. „Haben Sie Erbarmen mit mir!“

„Ich bin Hurenjäger, Erbarmen ist nicht mein Beruf!“, erwiderte der Prolet gehässig.

Die Laute, die zwischen den Reden zu hören waren, ließen erkennen, dass die Schläge nicht nur das Gesicht, sondern den ganzen Körper des Opfers trafen. Die junge Frau lag wohl auf dem Boden, atmete schwer und flehte um Gnade. Roxi war klar, dass das plötzliche Erscheinen der anderen sie gerettet hatte und diese nun für sie Prügel einstecken musste. Vor Angst bekam sie Gänsehaut am ganzen Leib. Sogar der Schweißgeruch im Schrank kam ihr nicht mehr so ekelhaft vor.

„Mein Gott! Danke, dass du mich vor diesem Albtraum rettest!“ betete Roxana.

Der Zigeuner rannte durch das ganze Haus, trat die Türen zu allen Zimmern ein und filzte sie nacheinander. Manche Mädchen schliefen nach ihrem schweren nächtlichen Einsatz. Kaum war die Tür zum Zimmer aufgeflogen, kriegten die Schlafenden einen Lackschuh in die Fresse und wurden gleich ausgeraubt. Alles, was auf den Nachttischen lag, steckte der tätowierte Bandit schweigend in eine riesige Plastiktüte. Die Mädels schimpften und plärrten, bekamen aber nur einen Schlag in den Bauch dafür. Roxi drehte sich mit dem Gesicht zur Hinterwand des Schrankes und streichelte ihr neues Handy, das sie krampfhaft in der Hand hielt. Von dem schönen Gerät ohne einen einzigen Kratzer hatte sie sich schon verabschiedet. Sie erinnerte sich auch an das Geld, das sie während der letzen Woche verdient hatte und das jetzt unter der Matratze in ihrem Zimmer lag. Leider hatte sie den Zaster nicht rechtzeitig auf ihr Konto eingezahlt. Unwillkürlich kullerte eine Träne über ihre Wange.

„Na schön, ich habe mich eine ganze Woche lang umsonst ficken lassen. Aber egal! Anständige Mädchen lassen sich ihr ganzes Leben lang gratis ficken und es passiert nichts. Hauptsache, dass sie mich nicht finden und vermöbeln.“

„Wo ist diese brünette kleine Schlampe?“, erklang die Stimme des Zigeuners. „Sie weiß garantiert, wo meine Frau ist! Sie wohnen schließlich im selben Zimmer!“

„Wo ist sie?“

Roxi hörte die Stimme des Vermieters. Aber er sprach undeutlich und es war nicht zu verstehen, was er sagte. Roxi krümmte sich in der Schrankecke zusammen und schloss die Augen. Entsetzt stellte sie sich vor, wie der Bandit die Tür öffnen, sie im Genick packen und rauszerren würde.

„Sag ihm nichts von mir! Bitte! Du stinkst nicht! Und ich finde dich sogar attraktiv, ehrlich! Oh, verrate mich nicht!“, flüsterte Roxi zwischen den Zähnen. Sie kniff die Augen fest zusammen und deckte sich mit den Klamotten des Vermieters zu. Aus Angst hielt sie den Atem an. Aber nun hatte sie drei Stunden in diesem Schrank verbracht und musste aufs Klo. So wurde ihr wenigstens klar, dass sie trotz aller Angst immer noch lebte. Draußen waren Schritte und Stimmen zu hören, bis herein in den Schrank, deshalb konnte sich die Kleine nicht dazu durchringen, die dunkle, stinkige Kiste zu verlassen. Sie knäulte die Klamotten des Ecuadorianers unter sich zusammen und bat ihn in Gedanken um Verzeihung: „Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber ich glaube, dass du den Uringeruch gar nicht bemerken wirst, weil du viel schlimmer stinkst als mein aromatisches gelbes Wässerchen. Es wird deiner Garderobe nur ein wenig zusätzlichen Charme verleihen.“

Damit erklärte sie ihr Gewissen für völlig rein; sie erinnerte sich an den Geruch aus seinem Mund und erschauderte vor Ekel. Dann konnte sie sich endlich entspannen.

Dieser spezielle Ecuadorianer war nicht der Einzige seiner Art. Bekanntlich können Idioten ihre Kraft vervierfachen, wenn sie im Tandem auftreten. Der Stinker hatte also einen Bruder. Der war noch blöder und wichste außerdem gerne. Eine wahre Seltenheit! Während die Mädels nach einer schweren Schicht schliefen, tauchte er auf und ging auf die Jagd. Er suchte sich ein schlafendes Opfer aus, stellte sich vor ihm auf und wichste, ohne sich vor jemandem zu genieren. Es war eine witzige Show, passte aber nicht für Leute mit schwachen Nerven. Erstaunlicherweise war dieses Weltwunder verheiratet. Und seine Frau war kein krummes, buckliges Weiblein, sondern eine wahre russische Schönheit. Es blieb eine ungelöste Frage, ein Rätsel der Weltgeschichte, warum Deppen wie dieser immer schöne Frauen haben. Normale Männer, kluge und attraktive, haben dagegen ganz gewöhnliche Frauen: magere oder dicke, mit roten oder kurzen Haaren, weiße oder schwarze.

Warum vergeudeten die schönen Frauen ihre Zeit mit moralischen Krüppeln? Das war purer Masochismus. Die Männer konnte man natürlich verstehen: Sie hatten keine Lust, auf ihre Frauen ein Leben lang aufzupassen und zu kontrollieren, mit wem sie sprechen oder gar flirten. Lieber wollen sie ein ruhiges Familienleben mit einer pummeligen Hausfrau, gesunder Hausmannkost und einem Gewirr von Kinderstimmen. Dieses einfache Modell von Familienverhältnissen war vermutlich nicht das falscheste. Aber wie waren die hübschen Frauen zu verstehen, die Deppen heiraten, von denen sie nur Schläge und Beleidigungen bekommen und das alles auch noch dulden! Seltsam. Aber im Fall des Ecuadorianers hatte dieser allerdings Pech mit seiner Frau. Sie trank gern einen über den Durst, und wenn sie nach Hause kam, schlug sie ihren Wichser zusammen, sodass er die ganze Nacht stöhnte und sich im Bett hin und her wälzte. Schreiend stürzte sie sich auf ihren Gatten und überschüttete ihn mit Vorwürfen für sein – seiner Meinung nach harmloses – Vergnügen.

Das ist ein eher extravagantes Modell von Familienglück. Vermutlich haben sich bei dem oben stehenden Absatz viele Leserinnen als glückliche Frauen gefühlt. Wenn wir etwas Anormales bemerken oder erfahren, was sich im Leben anderer, scheinbar absolut anständiger Paare ereignet, empfinden wir das als Grund, uns selbst in einem vorteilhafteren Licht zu sehen, was unser ganzer Frauenglück ausmacht.

Als sich Roxi nach dem Vorfall mit dem Zigeuner aus ihrem stinkenden Gefängnis befreit hatte, konnte sie lange nicht zur Ruhe kommen. Noch Tage später saßen alle wie auf glühenden Kohlen und zitterten vor jedem Geräusch. Die verängstigten Brüder erwarteten, dass die Polizei erscheinen würde, da die Zigeuner zum Abschied draußen einen Pavillon angezündet hatten.

Der Briefträger klopfte an die Tür und suchte Mitsu, so lautete der Name des wichsenden Ecuadorianers. Vor Angst sprang er aus dem Fenster im dritten Stock. Seine Frau und die Mädchen suchten den Ärmsten einen ganzen Tag lang, riefen bei allen möglichen Behörden an, und fanden ihn schließlich neben dem Haus im Gebüsch. Er war so verängstigt, dass er sich die Fingernägel weggeknabbert hatte und nicht fähig war, zu sprechen.

„Was nimmt er?“, fragte Roxi.

„Eigentlich säuft er nur“, antwortete seine Frau, eine Blondine, die wie ein Model aussah. Sie machte sich Sorgen über seinen Zustand.

„Wie konntest du ihn bloß heiraten?“

„Er war anfangs ganz in Ordnung. Seine sonderbaren Neigungen habe ich erst später bemerkt.“

„Komm nur nicht auf die Idee, von diesem Idioten Kinder zu bekommen.“

„Ich will keine Kinder, und er kann nicht.“

„Vielleicht hat ihn jemand für einen seiner Bubenstreiche kastriert, bevor er dich kennengelernt hat.“

„Du bist vielleicht komisch, Roxi.“

„Im Vergleich zu euch halte ich mich für einen völlig normalen Menschen.“

„Hilf mir lieber, ihn ins Haus zu bringen, du völlig normale Nutte.“

„Pass auf, was du sagst, Püppchen. Sonst trägst du deinen bepissten Spasti allein. So, wie er stinkt, wird er im Gebüsch wohl keinen Platz zum Pinkeln gefunden.“

„Sag bitte niemandem was davon!“

„Ich würde mich schämen, den Bahnhofjunkies davon zu erzählen!“

„Du bist ein Miststück, Roxi! Und ein ganz zähes noch dazu! Ohne die Brüder hier würden dich jetzt diese Bestien im Zigeunercamp der Reihe nach ficken! Aber auch nur, wenn du Glück hättest!“

Nachdem Roxi den jämmerlichen Ehemann der schönen Russin angefasst hatte, wusch sie sich sorgfältig die Hände, betrachtete sich im Spiegel und brach in Tränen aus.

„Dabei habe ich doch Glück gehabt! Gott sei Dank, dass mich diese blutrünstigen Zigeuner nicht verunstaltet haben. Schweinehunde! Bastarde!“

Roxi beschloss, ein bisschen spazieren zu gehen, aber der Gedanke an die Zigeunerin ließ sie nicht los.

„Armes Mädchen! Wie konnte sie bloß so ein Monster heiraten? Wahrscheinlich dürfen die Zigeunerin nicht selbst entscheiden, sondern müssen sich den Männern und erst recht den Oberhäuptern beugen.“

Gina wurde von Gott selbst bewahrt. An diesem und den beiden nächsten Tagen kam sie nicht nach Hause. Sie war in eine seltsame Situation geraten, die ihr persönlich aber das Leben rettete.

Bekanntlich geben die Zigeuner beim Einkaufen nicht viel Geld aus. Von Kindheit an werden sie in einem einzigen Beruf ausgebildet, den sie perfekt erlernen und in dem sie wahre Meister werden. Das sind Diebstahl und Betrug. An jenem Tag hatte Gina im Sexshop Kleidung geklaut, die aber mit Warensicherungsetiketten versehen war, sodass sie die Waren nicht, ohne zu bezahlen, aus dem Laden tragen konnte. So sehr sie sich bemühte, in der Umkleidekabine alle diese Sicherungen zu entfernen, gelang es ihr doch nicht. Die Verkäufer waren schlauer und hatten die verhängnisvollen Alarmteile gut an den Waren versteckt. Also musste Gina vor dem Sicherheitsdienst und der Polizei weglaufen und ihre „Einkäufe“ im Laden und auf der Straße von sich werfen. Hals über Kopf floh sie vor ihrer Strafe und versuchte, ihre Spuren zu verwischen.

„Scheiße! Es hat nicht geklappt mit den Klamotten. Jetzt habe ich nichts zum Anziehen für die Arbeit. Es hat keinen Sinn, heute noch in einen anderen Laden zu gehen. Was jetzt? Vielleicht gehe ich mal durch die Straßen und schaue, was da zum Trocknen aufgehängt ist.“

Gina durchstreifte mehrere Viertel und klaute so viele Sachen, dass sie sie allein nicht tragen konnte. Sie beschloss, eine Bekannte anzurufen, um das Geklaute in ihrer Tiefgarage zur Aufbewahrung abzuladen.

„Hallo, Patrina?“

„Ja, Gina! Wie geht es dir? Hab schon eine Ewigkeit von dir nichts gehört. Bist du immer noch auf der Flucht vor deinem Mann?“

„Ja, ich bin von ihm weggelaufen. Ich hasse ihn.“

„Ganz Madrid hasst ihn. Er ist bei uns gewesen. Hat sich alles angeschaut und durchsucht.“

„So ein Arschloch. Alle haben die Nase voll von ihm. Darf ich meine Sachen ein paar Stunden bei dir liegen lassen?“

„Ja klar, komm vorbei. Ich wollte gerade einkaufen gehen.“

„Wo willst du hin?“

„Es gibt eine neue Deponie. Da stehen Container mit Klamotten. Vom Schweizer Roten Kreuz. Man sagt, da gibt es ganz gute Sachen.“

„Das hab ich noch gar nicht gesehen.“

„Lass uns zusammen hingehen. Anschauen kostet ja nix, oder?“

„Gut, warte auf mich. Ich bin gerade in deinem Viertel. Hab mir die Wäscheständer angesehen.“

„Hast du was Schönes gefunden?“

„Kannst selber gucken. Nimm nur, was dir gefällt.“

„Du bist zu großzügig, Gina!“

„Ich weiß.“

Als die Frauen zum Rotkreuzcontainer kamen, versuchten sie, daraus mit einer Fischangel mit großem, stumpfem Haken für große Fische die gewünschten Sachen zu fischen. Sie erwischten ein paar T-Shirts. Mit dieser Beute waren die Fischerinnen nicht zufrieden, und sie beschlossen, in den Container zu klettern. Patrina half Gina hinauf und diese überwand mit Leichtigkeit die Absperrungen, weil sie schlanker und größer war. Sie sprangen beide in ein Meer aus Klamotten. Es war der Traum einer jeden Modenärrin. Die Freundinnen fingen an, in Tonnen von Altkleidern zu wühlen.

„Guck mal, Patri! Eine Jeans von Guess!“

„Cool!“

„Ich habe einen Pullover von H&M gefunden, er sieht ganz nett aus.“

„Mein Gott! So viele Klamotten! Ich werde verrückt!“

„Sie hätten uns zum Anprobieren wenigstens einen Spiegel hinstellen können!“

„Ja, und ein Stylist hätte auch nicht geschadet.“

Der Spaß dauerte nicht lange. Die Freundinnen bemerkten bald, dass der Container keinen Ausgang hatte. Die Schweizer waren keine Dummköpfe und hatten im Container einen Sensor und ein Sperrsystem für die Luke angebracht. Auf dem Lukendeckel stand in mehreren Sprachen eine Warnung für die besonders Neugierigen, ihre Nasen nicht in etwas zu stecken, wo sie nicht hingehörten. Aber Zigeuner sind ungebildete Leute, darum ahnten sie nicht, dass heutzutage alles unter Kontrolle steht und selbstverständlich geprüft wird. Da der Fortschritt keinen Stillstand kennt, können kleine Diebe einem fast schon leidtun, weil sie wegen ein paar Klamotten früher oder später unausweichlich im Knast landen.

„Gina! Was machen wir jetzt? Der Teufel soll diese überschlauen Schweizer holen!“

„Nicht umsonst gilt die Schweiz als eines der zivilisiertesten Länder auf der Welt.“

„Kannst du jetzt noch Witze reißen? Mir ist nicht zum Lachen.“

„Lass uns diese andere anrufen, wie hieß sie noch? Die Lange, Dürre, die Frau des Ecuadorianers. Sie sollen uns helfen, den Lukendeckel von außen zu öffnen.“

„Sie ist doch eine verrückte Säuferin, und ihren Mann würde ich gerne vergessen.“

„Es gibt dort zwei Brüder. Sie werden das Problem schon regeln.“

„Dann ruf schnell an. Hauptsache, die Bullen schnappen uns nicht! Der Sicherheitsdienst hat bestimmt ein Signal bekommen.“

„Ich will nicht wieder in den Knast! Ich bin gerade erst freigelassen worden.“

„Ich auch. Wenn was ist, sagen wir, dass wir zufällig in die Luke gefallen sind.“

„Und sie werden uns das ganz bestimmt glauben“, sagte die große Taschendiebin sarkastisch.

„Hallo! Lena?“

„Ja, was willst du?“

„Ich muss mit dir sprechen, mit dir und deinem entzückenden Ehegatten.“

„Gina, verpiss dich! Dein goldzähniger Mann hat dich überall gesucht, unseren Pavillon abgebrannt und meinen Idioten an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gebracht, sodass er vor Angst aus dem Fenster gesprungen ist.“

„Lena, hör zu! Wenn ihr wollt, dass ich weiter bei euch arbeite und die Renovierung eurer Bude bezahle, holt mich aus dem Rotkreuzcontainer raus.“

„Wie bist du überhaupt da reingekommen? Blöde Kuh!“

„Du brauchst mich nicht zu beleidigen. Ich will nicht wieder in den Knast.“

„Die Container werden einmal alle drei Tage geöffnet. Bleibt da sitzen. Und wenn man öffnet, rennt ihr sofort raus und haut ab.“

„Du hörst dich an, als ob du selbst im Container gewühlt hättest.“

„Nein, ich nicht. Aber bei uns haben schon viele Zigeuner gearbeitet. Und ihr habt anscheinend alle nur eine einzige Windung im Gehirn, die euch früher oder später in den Rotkreuzcontainer führt und von dort geradewegs ins Gefängnis.“

„Na klar, und du bist die Einzige, die klug ist, als Russin!“

„Im Vergleich zu euch bin ich schon ein bisschen klüger. Ihr dummen schnurrbärtigen Schlampen! Wegen euch ist hier alles kaputtgeschlagen! Übrigens hat dein Mann deine Sachen mitgenommen.“

„Vielleicht habt ihr sie ja auch gestohlen, oder? Ich kenne ihn sehr gut. Er würde nichts mitnehmen.“

„Pass auf. Wenn du weiter so redest, rufe ich gleich deinen verkommenen Ehemann an, dann kann er den Rotkreuzcontainer in Stücke hauen und dich herausholen.“

„Bitte, mach das nicht! Lena! Komm ja nicht auf diese Idee!“

„Du hast Glück, dass ich nüchtern bin. Hast du mich verstanden, du schnurrbärtiges Stück Scheiße?“

„Alles klar, Lena. Ich wünsche dir einen guten Abend.“

„Tschüss.“

„Verpiss dich! Säuferin!“, rief Gina aus dem verschlossenen Container.

„Wann werden sie denn den Container öffnen? Da können wir nur Vermutungen anstellen. Das Zeug wird alle drei Tage abgeholt. Wann war denn das letze Mal? Der Menge der Klamotten nach zu urteilen, hat man sie schon mehrere Tage nicht mehr abgeholt.“

„Oh! Was schmeißt ihr mir da auf den Kopf? Arschgesichter! Haut ab!“

„Sei still, sonst rufen sie die Polizei!“

„Sie haben mir Sportschuhe ins Gesicht geworfen!“

„Hahahaha! Sei froh, dass es keine schmutzige Unterhose war!“

„Hier kommen nur saubere Sachen herein.“

„Wer hat angerufen?“, fragte Roxi, während sie Elena half, ihren Ehemann nach oben zu schleppen.

„Deine Freundin, diese blöde Kuh.“

„Gina? Wo ist sie?“

„Sie ist in einen Klamottencontainer vom Roten Kreuz gekrochen.“

„Warum?“

„Schlepp weiter und stell keine dummen Fragen. Diese Äffinnen ziehen dir die Unterwäsche aus, ohne dass du es merkst.“

„Wo ist sie denn? In welchem Stadtviertel?“

„Ich glaube, dort, wo die größte Deponie ist, neben der Ausfallstraße. Da gehen sie alle hin. Die Zigeuner sind eine konzeptionelle Sackgasse. Ein Jahrhundert nach dem anderen befassen sie sich immer wieder mit denselben Problemen und suchen dieselben Orte auf. Komisch, dass ihr Ehemann sie nicht finden kann. Vielleicht ist er zu blöd.“

„Ich fahre mal hin. Gucke, was da los ist.“ Roxi ließ den rotzigen Bastard fallen, drehte sich um und ging zur Bushaltestelle, wo ein Taxi stand.

„Du bist vielleicht eine Schlampe, Roxi! Hilfst mir nicht mal, ihn ins Zimmer zu bringen!“

„Verpiss dich! Ich hasse euch Russen! Wenn man mit euch zu tun hat, gibt das nur Probleme!“

Roxi stieg aus dem Taxi neben der größten Mülldeponie Madrids, auf der alte Kleidung, Möbel, Pappe, Zeitungen und Glas abgeliefert wurden, und lächelte unwillkürlich. „Na sieh mal an, wohin es sie gebracht hat! Gina! Hallo! Wo bist du?“

„Wir sind hier! Roxi, bist du das?“

„Ja, ich bin’s! Ich konnte diese russische Schlampe kaum loswerden. Wartet mal, ich rufe gleich das Rote Kreuz an.“

„Mach das lieber nicht! Sie lassen uns nur in den Knast stecken!“

„Ach wo. Wir sagen, dass ihr betrunken wart und das als Scherz gemeint habt.“

Roxi ging dreimal um den Container. Sie suchte die Rufnummer der Wohlfahrtanstalt.

„Jetzt hab ich’s!“

Ein Mann ging ans Telefon, aber seine Stimme klang während des Gesprächs sehr unzufrieden. Endlich willigte er ein, die Mädels früh am nächsten Morgen rauszulassen. Es war nicht klar, ob er geglaubt hatte, dass sie die Klamotten nicht klauen wollten, die für Bedürftigte vorgesehen waren, oder ob er nur so tat. Roxi überzeugte den Mann, dass sie selbst dem Roten Kreuz einmal im Jahr 1.000 Euro zu spenden pflegte, und nannte dabei den Namen eines ihrer Kunden, den sie für ihren Ehemann ausgab.

„Du bist echt toll, Roxi!“, kamen die Stimmen aus dem Container. „Wie kommst du nur auf all die Ideen?“

„Einer meiner Stammkunden zeigt mir jedes Mal einen ausgefüllten Scheck für das Rote Kreuz. Damit will er wohl zeigen, was er für ein sozial verantwortlicher und gutherziger Typ ist!“

„Er ist wirklich top! Blättert einen Riesen für nichts hin!“

„Ihr macht mir Spaß. Ich bleibe noch eine Weile hier sitzen, rauche euch eine vor und gehe dann mal arbeiten. Sobald ich angerufen werde, komme ich und befreie euch.“

„Gib uns eine Zigarette! Bitte!“

„Ihr kriegt nichts! Sonst steckt ihr den Container in Brand!“

„Roxi! Geh nicht weg!“

„Schlaft lieber. Ich glaube, dass wir euch um sechs Uhr morgens rauslassen.“

„Danke! Du bist eine wahre Freundin!“

Bei der nächtlichen Arbeit erzählte Roxi lachend ihren Kunden die Geschichte von ihren im Container eingesperrten Freundinnen. Die Kunden wieherten und fragten, wo die armen Mädchen ihre Notdurft verrichteten und ob sie nicht vor Durst sterben würden.

Als Roxi am nächsten Morgen an der Mülldeponie erschien, sah sie einen Mann mit einem Koffer in der Hand.

„Guten Morgen! Ich danke Ihnen, dass Sie sich in unsere Lage versetzt haben und uns zur Hilfe gekommen sind.“

„Guten Morgen, Señora. Glauben Sie ja nicht, dass meine Dienstleistung umsonst wäre! Ich habe für hier einen Spendenscheck, den füllen Sie am besten gleich aus. Andernfalls müsste ich Polizei rufen.“

„Das kann ich gut verstehen. Ich glaube, dass meine Freundinnen den erforderlichen Betrag gerne bezahlen werden. Das ist eine peinliche Situation für uns. Sie sollte nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Wir wollen uns diese Peinlichkeit ersparen.“

Der Mann schaute Roxi von oben bis unten an. Sein Blick deutete an, dass er eher peinlich fände, sich so anstößig gekleidet nachts durch die Stadt zu bewegen.

„Ach, schauen Sie bitte nicht so auf meine Aufmachung! Ich war auf einem Polterabend. Meine Freundin heiratet. Aber normalerweise bin ich nachts immer zu Hause.“

„Ach so! Dann richten Sie Ihrer Freundin meine besten Glückwünsche aus!“, nickte der Mann beifällig. Er schluckte den Köder in Form von Roxis funkelnden Augen. Sie war eine wahre Meisterin im Umgang mit dem anderen Geschlecht.

Der Mann öffnete die Luke, aus der die Zigeunerinnen herausrollten. Sie trugen mehrere Klamotten wie Kohlblätter übereinander.

„Hauen wir ab!“, rief Roxi. Die Freundinnen rissen aus wie aufgescheuchte Penner.

Nachdem die Mädels mehrere Häuserblocks hinter sich gelassen hatten, hielten sie an.

Roxi lachte sich tot.

„Was lachst du?“

„Wisst ihr, wie ihr ausseht?“

„Nein. Im Container gab es keinen Spiegel.“

„Warum habt ihr so viele Klamotten auf einmal angezogen? In diesem Aufzug werdet ihr sofort festgenommen!“

„Ich kann doch eine Markenjeans nicht in diesem vollgeschissenen Container liegen lassen! Und erst recht nicht, wenn es meine Größe ist!“

„Habt ihr im Container etwa auch noch geschissen?“

„Wo hätten wir denn aufs Klo gehen sollen?“

„Pfui! Kommt schnell nach Hause und geht baden. Hoffentlich lässt sich dein Mann nicht wiedersehen.“

„Er hat noch nie denselben Ort zweimal nacheinander angegriffen. Wenn das passierte, dann immer erst eine gewisse Zeit später.“

„Ich ziehe aus. Ich will keinen Ärger mehr haben und werde getrennt von euch wohnen.“

„Du bist eine Verräterin, Roxi!“

„Die Vermieterin wird mich im Haus sowieso nicht mehr dulden, dein Mann sucht mich ja jetzt auch. Es ist besser, wenn wir uns trennen.“

„Wo gehst du hin?“

„Ich habe einen meiner Kunden angerufen und ihn gebeten, mir bei der Wohnungssuche zu helfen. Er hat gerne zugestimmt.“

„Ach, dir würde niemand absagen! Du bist hübsch und schlau!“

„Vielen Dank für das Kompliment. Nur habe ich jetzt kein Handy mehr“, log Roxi, „und das war noch ein ganz neues. Daran bist nur du schuld, Gina!“

„Ich klaue für dich ein Neues! Versprochen!“

„Okay, Mädels, Tschüssi. Seid brav!“

„Ruf uns an, Roxi! Danke dir für alles!“

Unterwegs zu ihrem Kunden, mit dem nach den wirren Ereignissen übrig gebliebenen Gepäck in der Hand, überlegte sich Roxi, was sie nun weiter tun sollte. Sie wählte die Nummer einer bekannten Prostituierten, die jetzt in einem Klub irgendwo an der Grenze zu Portugal arbeitete, um sich zu erkundigen, wie diese sich an dem neuen Ort eingelebt hatte und was da vor sich ging.

„Hola! Grüß dich, Liebes!“

„Oooh! Roxi! Ich habe gerade erst an dich gedacht. Wie geht es dir?“

„Du lachst dich tot, wenn du erfährst, was hier die letzten Tage los war.“

Sie erzählte ihr die Geschichte mit dem Zigeuner, den Ecuadorianern und dem Container. Das Lachen am anderen Ende der Leitung wollte nicht aufhören.

„Du bringst mich einfach immer zum Lachen. Du bist eine von den Wenigen, die abenteuerliche oder gruselige Storys mit der richtigen Prise Sarkasmus erzählen können.“

„Ich habe meinen Spaß und sehe keinen Grund zum Trübsal-Blasen. Mir ist ja auch gar nichts Schreckliches passiert.“

„Die hätten dich beinahe umgebracht! Wie kannst du so locker sein?“

„Ich bin eben noch am Leben!“

„Wo arbeitest du? Ich will zu dir! Ich habe die Nase voll von Madrid, ehrlich gesagt. Das Abenteuer ruft, ich weiß nur noch nicht, wohin.“

„Du kommst einfach nie zur Ruhe!“

„Vielleicht später irgendwann, aber jetzt ist es noch nicht so weit. Mich juckt es nicht nur in den Fingern, sondern überall.“

„Warum heiratest du nicht? Ich weiß, dass du bestimmt schon hundert Heiratsanträge bekommen hast. Und nicht gerade von armen Leuten.“

„Ich will nicht heiraten! Wenn überhaupt, dann nur aus Liebe.“

„Das ist aber dumm! Hätte ich so viel Glück gehabt wie du, wäre ich von dieser Müllhalde der Unzucht schon längst weg.“

„Ich komme gerade von einer Müllhalde! Nur hat sie dem Roten Kreuz gehört.“ Roxi tat ihre Bemerkung als Scherz ab.

„Na gut, dann komm hierher. Das Bordell heißt ‚Paloma Blanca‘.“

„Kann ich einfach so kommen? Musst du nicht erst mit dem Chef reden?“

„Er stellt dich auf jeden Fall ein, da gibt es keinen Zweifel. Du bist eine von den Sexarbeiterinnen, die sich den Männern wie eine Königin, anbieten, gleichgültig wie einem unwiderstehlichen Raubtier.“

„Ich bin Atheistin! Und habe nie einen Orgasmus.“

„Und ich bin Monotheistin. Aber ich beneide die Polytheistinnen.“

„Pfui! Sich mit Vergnügen an jeden Schwanz ranzuschmeißen. Das ist doch ekelhaft.“

„In unserem Beruf ist es besser, alles mit Vergnügen zu machen als ohne, nicht wahr?“

„Für mich ist das kein Beruf. Ich erfülle meine Pflicht. Ästhetische Kriterien spielen für mich keine Rolle.“

„Was ist dir denn wichtig?“

„Die Leidenschaft, viele Männer zu haben, sinnliche Erregung, Berge von prächtigem Fleisch, Handel mit Zärtlichkeit.“

„Du bist eine unverschämte Vulva und viel zu verwöhnt von der Aufmerksamkeit der Männer.“

„Ach, warum musst du so banale Dinge wie Fotze mit wissenschaftlichen Begriffen bezeichnen? Leute, die das nicht kennen, halten das am Ende für ein Kompliment. Na, schön. Schick mir eine SMS mit der genauen Adresse. Ich versuche, mich gleich heute auf den Weg zu machen.“

„Ich warte.“

„Entschuldigung, Herr Fahrer! Könnten Sie mich bitte zum Bahnhof bringen?“

„Der Bahnhof liegt auf der ganz anderen Seite, Señora!“

„Na und?“

„Die Fahrt dorthin wird teuer!“

„Warum zählen Sie mein Geld?“

„Gut, Señora, entschuldigen Sie bitte.“

Im dem riesigen Bahnhof kaufte Roxi eine Fahrkarte für den Morgenzug. Es war unmöglich, zu beschreiben, wie ihr zumute war. Wieder stand sie vor dem Weg ins Ungewisse. Die junge Frau dachte nicht an ihre Zukunft, das Unbekannte lockte, der Vorgang selbst erregte sie. Warum und mit welchem Ziel sie unterwegs war, blieb ein Geheimnis. Es waren einfach die Neugier und die Leidenschaft für das nie Probierte, die sie auf einen gefährlichen Pfad leiteten.

Roxi legte ihre sieben Sachen in einen Gepäckautomaten und ging in die Stadt. Sie beschloss, sich zu besaufen und alles zu verdrängen. In den Bars wimmelte es von allerlei Menschen, meistens Touristen, die sich von ganzem Herzen amüsierten. Endlich spürte Roxi, wie sie mit der Menge verschmolz. Sie löste sich in den Gruppen lustiger junger Leute auf und dachte nicht mehr an morgen. Es war ein wunderbarer Zeitvertrieb. An der Bar fiel sie einem russischen Jungen auf.

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