Kitabı oku: «Und du bist nicht da», sayfa 2

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Kapitel 3

Anna

Auch wenn ich nur zum See gehe, habe ich heute mehr Zeit als sonst damit verbracht mein Outfit auszusuchen. Sogar meine Haare habe ich besonders schön geföhnt. Auch wenn das vermutlich nicht viel bringt, weil ich bei der Hitze und dem Fußmarsch zum See sowieso gleich zu schwitzen beginne. Aber egal. Ich bin nervös. Nervös, aufgeregt und aufgedreht. Ella wartet wie abgemacht bei der Kreuzung auf mich. Sie grinst mir schon von weitem entgegen.

„Und? Was hab ihr geredet?“, fragt sie voller Neugier.

„Nicht so viel…“, lächle ich.

„Nicht so viel? Dafür strahlst du aber ganz schön.“

„Er hat gefragt ob ich ihn zum Herzog Hof begleite, zum Grillen.“

„Echt? Cool. Du bist aber nicht mitgefahren“, sie seufzt.

Ich schüttle den Kopf.

„Aber er ist auch heute wieder am See.“ Ich muss immer noch lächeln. Es lässt sich irgendwie nicht abstellen.

„Darum hast du dich heute so rausgeputzt.“ Sie gibt mir einen kleinen Schubs.

„Vielleicht“, schmunzle ich.

„Na dann. Setz dich auf den Gepäcksträger, bevor sich Janine wieder an ihn ranschmeißt.“

Janine, die hatte ich schon ganz vergessen. Sie passt gar nicht zu ihm. Glaub ich zumindest. Vielleicht war er auch nur nett zu mir wegen dem Fahrradunfall. Ich setze mich auf den Gepäcksträger und hoffe das und so keiner sieht. Zumindest ist es angenehmer als bei der Hitze zu laufen. Beim See angekommen bin ich richtig nervös. Ich sehe mich kurz um, aber von den Vespas keine Spur. Er ist also noch gar nicht hier. Etwas enttäuscht gehen wir durch den Cafebereich über die große Liegewiese zu unserem gewohnten Platz. Wir sind früh dran, heute sind noch gar nicht viele Leute hier. Er kommt bestimmt noch. Ich lege mein Handtuch im Schatten auf, meine Schürfwunden sehen heute auch noch schlimm aus. Es haben sich dicke Krusten gebildet, ganz und gar nicht sexy. Zumindest mein neuer Bikini ist sexy. Glaub ich zumindest. Ich habe ihn vor ein paar Wochen in Graz gekauft. Er ist türkis und hat einen tollen Schnitt, weil ich schon ziemlich braun bin, sieht es echt gut aus.

„Anna…Sag mal, heißes Teil!“ Ella kneift mir in den Po, was mich kurz aufquietschen lässt.

Ich zupfe am Oberteil. „Nicht zu knapp?“

Sie beißt sich lasziv auf die Unterlippe. „Heiße Möpse Baby“, grinst sie.

Ich schüttle den Kopf und lasse mich aufs Handtuch fallen. Es ist ein eigenartiges Gefühl, wie ich mich dabei erwische immer wieder zum Eingang zu schielen. ob er kommt. Ich bin normal nicht so. Es gab zwar so manchen Burschen der mir in der Vergangenheit gefiel, aber es war nie wirklich etwas Ernstes. Wenn ich an Julian denke, bekomme ich Herzklopfen. Das ist komisch, ich kenne ihn ja gar nicht. Ich ziehe mein Buch aus der Tasche und versuche nicht mehr an ihn zu denken. Ella ist ins Wasser gegangen, ich habe keine Lust und lege mich stattdessen auf den Bauch um die Sonnenstrahlen auf meinem Rücken zu genießen und meine Schürfwunden zu schonen. Ein bisschen Sonne wird schon nicht schaden. Ich schließe meine Augen und lausche der Geräuschkulisse die mich umgibt. Eine Mischung aus Pommes und Sonnenmilch strömt durch meine Nase. Ich atme tief ein und aus, als ich vor Schreck zusammenzucke, weil etwas Kaltes meinen Rücken berührt.

„Ella!“, beschwere ich mich und sehe auf. Aber es ist nicht Ella. Es ist Julian. Er hält zwei Eis in der Hand und lächelt mich an. Mit dem Eis hat er scheinbar meinen Rücken berührt.

„Hi…“, stammle ich überrascht und hoffe mein Bikinioberteil ist nicht verrutscht. Darauf bedacht es schnell zurecht zu zupfen setze ich mich auf.

„Hi Anna.“ Er hält mir das Eis vor die Nase. „Twinni oder Jolly?“

„Für mich?“, frage ich und merke wie sich meine Mundwinkel wie von selbst nach oben verziehen. Er sieht auch heute wieder so toll aus.

„Ja, für dich. Also?“ Er wackelt verführerisch mit dem Eis vor einer Nase.

„Twinni bitte.“

Er gibt mir das Eis und steht immer noch neben mir.

„Ach so… Setz dich doch“, sage ich verlegen.

Er lässt sich nicht zweimal bitten, ich mache etwas Platz auf meinem Badetuch und er setzt sich neben mich. Ich bin so nervös, dass ich gar nicht weiß wie ich das Eis essen soll. Aus dem Augenwinkel sehe ich ihn an. Weil es mich total aus dem Konzept bringt das er nichts sagt, frage ich einfach etwas.

„Du bist doch aus England, wie kann es sein, dass du so gut Deutsch sprichst?“

„Meine Mutter kommt vom Bodensee. Aus Lindau.“

„Oh. Ach so. Bodensee. Voll schön. Warum machst du nicht dort Urlaub? Da ist doch viel mehr los als bei uns in der Steiermark am Land.“

„Wir sind schon fast drei Monate unterwegs und auf der Rückreise von Italien hier hängen geblieben.“ Er lächelt mich an. „Ich finde es hier ziemlich schön. Es ist warm und trotzdem alles grün. Ich komme übrigens nicht aus England, sondern aus Schottland.“

„Schottland?“ Ich finde er sieht nicht aus wie ein Schotte. Schotten stelle ich mir anders vor. Rothaarig und bärtig oder so. Er ist cool und lässig. „Du bist Schotte und deine Mutter kommt aus Deutschland. Wie geht denn das?“, frage ich neugierig.

„Meine Eltern haben sich bei einem Kongress kennen gelernt. Sie kommen beide aus Hoteliers Familien. Sie haben sich verliebt und so ist meine Mum nach Schottland gezogen.“

Ich lächle ihn an und packe meine Eisstäbchen ins Papier. „Echt? Romantisch. Ihr habt ein Hotel?“

Er nickt.

„Dann machst du bestimmt etwas im Hotelwesen, oder?“

„Nein…das ist gar nichts für mich…“, er verdreht die Augen. „Ich studiere Maschinenbau für Flugzeugtechnik.“

„Sehr spannend. Flugzeugtechnik.“ Ich sehe ihn bewundernd an und bemerke wie meine Wangen heiß werden als sich unsere Blicke treffen. Flugzeugtechnik. Wie cool ist das denn bitte?

„Ja, spannend. Und du?“

„Nicht so spannend, ich gehe noch zur Schule. Ich mache Matura.“

Er nickt interessiert. „Das ist Abitur?“

„Ja genau.“

Er lässt sich zurückfallen und schaut in den Himmel. Ich bin überfordert und weiß nicht was ich tun soll. Ella winkt mir zu, sie scheint ganz entzückt zu sein. Scheinbar um uns nicht zu stören geht sie Richtung Bar.

„Du wirst rot an deiner Schulter“, meint Julian und zeigt auf die gemeinte Stelle.

„Was? Nein…“

„Doch. Hast du ein Sunlotion? Ich mach sie dir drauf.“

Habe ich schon, klar, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das aushalte. Es scheint mir auch ein wenig Anmache zu sein. Ich schiele über meine Schulter, aber er hat Recht, ich werde wirklich rot. Ich nehme die Creme aus meiner Tasche und reiche sie ihm etwas zögerlich. Er setzt sich wieder auf, ich weiß nicht wie ich mich verhalten soll. Aber bevor ich zum Überlegen komme streicht er schon meine Haare aus dem Nacken und trägt die Sonnenmilch auf. Ich halte die Luft an. Seine Hände streichen sanft über meine Schultern, eine Gänsehaut überzieht meine Arme. Er stoppt an meinem Schulterblatt.

„Was hast du da gemacht?“

„Nichts…“, murmle ich.

Er streicht über die Narbe die ich dort seit einiger Zeit habe.

„Sieht nicht aus wie nichts…“ Noch einmal streicht er sanft über die Stelle.

„Ist aber nichts“, wiederhole ich ohne mich umzudrehen. Er sagt nichts mehr darauf und verschmiert den Rest der Creme.

„So schon fertig.“ Er lässt sich wieder auf das Handtuch fallen und ich atme endlich aus und vorsichtig wieder ein.

„Danke“, sage ich fast ein bisschen piepsig.

Wieder lächelt er mich an. Wieder Gänsehaut.

„Was meinst du, eine Runde schwimmen? Es ist echt heiß.“ Er sieht mich abwartend an.

„Ja…ok“, sage ich fast von selbst.

Er steht auf und greift nach meiner Hand um mir hoch zu helfen. Das Wasser kommt mir heute kalt vor, oder es ist weil ich so nervös bin. Es brennt auch ein wenig an den Schürfwunden. Zaghaft setze ich einen Fuß vor den anderen, während Julian schon längst drinnen ist.

„Kalt?“, grinst er mich an als ich es endlich geschafft habe.

„Ein bisschen…“, grinse ich zurück.

Wir schwimmen ein Stück hinaus. Er sagt nichts. Ich auch nicht. Irgendwann muss ich aber wieder etwas sagen, ich halte die Stille kaum aus.

„Wo sind deine Freunde heute?“

„Hangover.“

„Von der Grillparty gestern?“

Er nickt.

„Du nicht?“, frage ich nach.

„Nein.“

„Und Janine?“ Die Frage ist mir rausgerutscht. Auch wenn es mich interessiert warum er so viel mit ihr herumhängt, wollte ich das nicht so offensichtlich fragen.

Er zieht die Augenbrauen hoch. „Was meinst du?“

Super. Was soll ich jetzt sagen?

„Na ja… Ihr seid viel zusammen…“, stammle ich.

Jetzt grinst er. „Jetzt bin ich aber gerade hier.“

Ich kann diese Ansage nicht richtig einordnen. Es klingt fast so, als wolle er mir damit sagen, er könne sich die Mädels aussuchen, je nach Laune. Das gefällt mir nicht. Ich schwimme ohne Kommentar weiter und lasse ihn zurück.

„Anna?“, ruft er mir hinterher, was ich ignoriere. Er holt auf und ist wieder neben mir.

„Janine ist nicht deine Freundin, oder?“, fragt er nach.

Ich schüttle den Kopf ohne ihn anzusehen. Wir sind schon weit draußen, ich will wenden um wieder zurück zu schwimmen, als er mich an meiner Hand zurückhält. Er zieht mich ein Stück zu sich und greift nach meiner anderen Hand. Da ist er wieder. Dieser Blick. Es ist als würden kleine Blitze durch meine Körper fahren. Seine Hände halten meine etwas fester, wieder bekomme ich eine Gänsehaut. Sein Gesicht kommt näher an meines.

„Ich bin nicht wie Janine“, sage ich als er stoppt, kurz bevor sich unsere Nasen berühren. Er weicht wieder zurück. „Ich bin auch nicht wie die Mädchen die ihr so jeden Tag von hier abschleppt“, füge ich noch hinzu. Mein Ton ist kühl. Fast zu kühl.

Er sieht mich verwundert an. Mein Herz klopft. Auch wenn ich jetzt mit Sicherheit alles zerstört habe, was ich so gerne gehabt hätte, bin ich froh es gesagt zu haben. Seine Hände halten meine aber immer noch, doch er sagt nichts. Gerade als ich noch etwas sagen will, zieht er mich an meinen Händen hinunter und taucht mit mir unter Wasser. Zwar nur kurz, aber es war so überraschend, dass ich Wasser in die Nase bekommen habe und nach dem Auftauchen ordentlich husten muss.

„Was machst du denn?“, beschwere ich mich, muss dann aber lachen, weil er es auch tut.

Immer noch lachend greift er wieder nach meiner Hand, mit der anderen streicht er meine Haare die mir wirr ins Gesicht hängen zur Seite. Ich schließe kurz meine Augen. Gott…Warum habe ich es nicht einfach zugelassen. Er kommt wieder näher an mein Gesicht, lächelt mich an und streicht mit seinen Händen meine Arme hoch, seine Beine berühren meine unter Wasser. Ich bekomme kaum Luft und bin unglaublich froh unter Wasser zu sein, denn ich spüre wie sich meine Brustwarzen aufrichten, was mit Sicherheit nicht vom kalten Wasser ist.

„Ich weiß schon, dass du nicht wie Janine bist“, flüstert er in mein Ohr, ehe er mich unerwartet loslässt. „Komm, schwimmen wir zurück!“

Was? Zurückschwimmen? Jetzt? Ein wenig enttäuscht schwimme ich ihm hinterher. Bis wir am Ufer sind, hat sich mein Puls beruhigt und ich hoffe meine Brustwarzen auch. Vorsichtshalter verschränke ich meine Arme bis ich mich in mein Handtuch wickle.

„Du hast kein Handtuch“, stelle ich fest und sehe Julian an wie ihm das Wasser von der Nase tropft. Ich greife in meine Tasche und gebe ihm eines von mir. Es ist zwar klein, aber besser als keines.

„Danke. Darf ich noch bei dir bleiben?“, fragt er.

Ja…Das wäre schön“, lächle ich ihn an, gerade als auch Ella zu unserem Platz zurückkommt. Ohne dass es Julian sieht, zwinkert sie mir aufgeregt zu.

„Hi“, begrüßt er sie und streckt sich auf meinem Liegetuch aus.

„Hi…“, meint Ella und hält ihm die Hand entgegen. „Ich bin Ella.“

„Julian.“

Ich rubble verlegen meine Haare ab.

„Wollt ihr allein sein?“, flüstert Ella in mein Ohr.

„Nein…“, schüttle ich den Kopf.

Sie verdreht belustigt die Augen und schnappt sich ihr Handtuch. „Ich geh ein bisschen weiter in die Sonne.“

Irgendwie weiß ich nicht wie ich mich jetzt hinlegen soll, nach kurzem Überlegen versuche ich aber nicht mehr nachzudenken und lege mich einfach neben ihn. Am Bauch liegend drehe ich meinen Kopf zu ihm. Er hat seine Hände unterm Kopf verschränkt und die Augen zu. Seine Brust ist braun, glatt und er ist sportlich. Ich sollte da zwar nicht hinsehen, aber vom Nabel abwärts säumen seinen Bauch dunkelbraune Haare. Ein paar Wassertropfen tanzen noch auf seiner Haut. Ich würde gern darüberstreichen, traue mich aber nicht. Ich schließe meine Augen.

„Wie alt bist du Anna?“, reißt er mich aus meinen Bestaun Modus.

Ich sehe auf und hebe meinen Kopf ein wenig an. „Ich werde achtzehn im Herbst. Und du?“

„Am Samstag einundzwanzig.“

Einundzwanzig. Am Samstag. Er dreht sich zu mir und lächelt mich schon wieder an. Meine Halsschlagader pumpt.

„Da drüben am anderen Ufer soll es ganz schöne Plätze geben. Kennst du die?“, fragt er mich.

„Ja. Da muss man aber ein Stück durch den Wald“, erkläre ich.

Er nickt und scheint etwas zu überlegen. „Zeigst du es mir? Morgen?“

„Morgen?“, frage ich ungläubig nach. Hat er mich gerade gefragt etwas allein mit ihm zu machen?

„Ja morgen“, bestätigt er.

„Nur wir zwei?“

Er nickt und streicht mit dem Zeigefinger über die Schürfwunde an meinem Ellenbogen.

„Ok…“, hauche ich und spüre wie sich schon wieder alles in meinem Bauch zustimmend zusammenzieht.

Es ist ein perfekter Tag. Einfach perfekt. Auch wenn er mich nicht geküsst hat, was ich ja selbst verbockt habe. Die Zeit vergeht so schnell und hätte mich Ella nicht erinnert, dass es bald acht ist, würde ich heute schon wieder zu spät nach Hause kommen.

„Du musst echt schon gehen?“, fragt mich Julian ungläubig und hilft mir die Handtücher zusammen zu legen.

„Ja, leider. Aber wir sehen uns doch morgen.“

Er nickt nicht ganz zufrieden. „Aber heute bring ich dich nach Hause. Keine Widerrede.“

Ich kratze mich nervös am Kopf. Ella sieht aus dem Augenwinkel zu mir. „Nein…Danke… Ich…“

„Warum denn nicht?“, unterbricht er mich hartnäckig.

„Weil ihr Vater ein Tyrann ist“, mischt sich Ella auf einmal ein. Shit. Warum macht sie das?

„Dein Vater? Er will nicht das dich ein Mann nach Hause bringt? Noch dazu irgendein Typ der bald wieder verschwindet.“ Er zuckt mit den Schultern und sieht mich fast mitleidig an. „I understand…“, murmelt er noch.

„Nein, das verstehst du nicht.“ Ich nehme meine Tasche und werfe Ella einen bösen Blick zu. „Danke dafür“, murmle ich ihr zu.

„Es ist doch die Wahrheit Anna“, verteidigt sie sich.

Julian greift nach meiner Hand. „Ist schon gut Anna.“

„Nein…Nein…Du verstehst das nicht“, ich sehe direkt in seine Augen. „Ich will nicht über meinen Vater reden. Kannst du mich ein Stück vor unserer Hofeinfahrt absetzen?“

Jetzt lächelt er wieder. „Sicher kann ich das.“ Fast als hätte er Angst ich würde es mir gleich wieder anders überlegen nimmt er schnell meine Tasche und geht los. Ich verabschiede mich noch von Ella, dann gehen wir über die große Wiese. Sanft streift er mit seinen Fingern meine Hand. Weil hier immer noch so viele Leute sind, traue ich mich aber nicht diese zu umfassen. Ich sehe schüchtern zu Boden. Draußen reicht er mir den Helm, als ich mich aufs Moped setzte durchströmt mich ein seltsames Gefühl. Jetzt bin ich auch nicht besser als Janine. Julian dreht sich zu mir um.

„Alles klar?“

Ich zucke mit den Schultern. Nein. Gar nichts ist klar.

„Ich fahre nicht so schnell, keine Sorge“, lächelt er meine Zweifel weg. Er greift nach meinen Händen. „Halt dich fest.“

Zögerlich halte ich mich an seinen Hüften fest. Der Fahrtwind ist herrlich und es ist total lustig so zwischen den Maisfeldern durchzubrausen. Ein wohliges Gefühl durchströmt mich. Ich bin nicht wie Janine. Ganz und gar nicht. Wir kommen für meinen Geschmack viel zu schnell an die Stelle an der er mich absetzten soll. Ich könnte noch ewig mit ihm über den Feldweg cruisen. Ich nehme den Helm ab und steige von der Vespa. Er stellt den Motor ab und nimmt auch seinen Helm ab.

„Treffen wir uns morgen hier. So um zehn?“

„Ja. Um zehn“, nicke ich.

„Machen wir ein Picknick? Ich kann etwas mitbringen?“, schlägt er vor.

„Klingt gut. Ich packe auch ein paar Sachen ein“, stimme ich zu.

Er greift nach meiner Hand und sieht mich ein paar Augenblicke an. Jetzt bin ich es, die einen Schritt auf ihn zugeht. Eine Handbreite vor ihm stehend senke ich nervös meinen Blick. Doch er zieht mich schnell dicht an sich, hebt mein Kinn mit seinem Zeigefinger an und nähert sich langsam meinem Gesicht. Jetzt sage ich nichts mehr. Sanft schließen sich seine Lippen um meine. Ich kann nicht atmen. Es ist anders als alles was ich bisher erlebt habe. Kurz habe ich das Gefühl umzufallen. Er legt seine Hände um meine Hüften und ich instinktiv meinen Kopf ein wenig zur Seite. Der Kuss dauert nicht besonders lang, aber es ist unglaublich. Seine Lippen sind weich und feucht, seine Zunge ist heiß. Er schmeckt himmlisch. Ich bin wie elektrisiert als er sich von meinem Mund löst. Benommen sehe ich in seine Augen, die plötzlich anders aussehen. Dunkler. Intensiver. Meine Hände schwitzen ein bisschen.

„Du musst jetzt gehen, ich will nicht, dass du zu spät kommst“, haucht er und küsst mich noch einmal kurz.

Ich kann nichts mehr sagen. Nur noch ein kurzes, kehliges „Bis morgen“, schaffe ich. Dann gehe ich los, er fährt. Ich bin froh über den restlichen Fußmarsch, weil ich total durcheinander bin. Vorsichtig greife ich an meine Lippen. Irgendwie muss ich es schaffen nicht komplett durchzudrehen, auch wenn ich mich gerade fühle als würde ich gleich vor Freude aus allen Nähten platzen. Ich bin so zappelig und aufgedreht, dass ich mich kaum selbst bremsen kann. Mama sitzt auf der Bank vor dem Haus und putzt Bohnen. Heute bin ich nicht zu spät, sondern sogar eine Viertelstunde zu früh.

„Hallo Anna. Hast du noch Hunger?“ Mama sieht mich an, ich habe das Gefühl kaum verbergen zu können, dass ich gerade geküsst wurde.

Ich schüttle den Kopf. „Nein. Ich mag nichts mehr.“

„Gut“, lächelt sie.

Ich gehe auf mein Zimmer und lasse mich auf mein Bett fallen. Langsam schließe ich meine Augen und fahre noch einmal meine Lippen mit dem Zeigefinger nach. Ich blicke auf meine Badetasche und ziehe das Handtuch mit dem er sich abgetrocknet hat heraus. Es ist ein bisschen krank, aber ich muss einfach meine Nase darin versenken. OH MEIN GOTT. Ich sauge den Duft intensiv ein und atme genüsslich wieder aus. Mein Herz klopft. Ich lasse mich zurückfallen, schließe meine Augen und kuschle mich in das Handtuch.

Kapitel 4

Anna

Julian. Das war mein erster Gedanke als ich heute früh meine Augen öffnete, und es hat sich bis jetzt nicht geändert. Es ist schon bald zehn und ich bin mir immer noch nicht sicher ob mein Outfit stimmt. Normalerweise mache ich da nicht so ein Drama, aber heute will ich einfach gut aussehen. Meinen Bikini habe ich schon an, ich schlüpfe in meine kurze weiße Jeansshorts und das pink-weiße Tanktop. Ich überlege noch ob diese Kombi nicht doch zu knapp ist, als ich meinen Vater von unten rufen höre.

„Anna!“

Ich zucke kurz zusammen. Was will er denn genau jetzt? Ich muss gleich los, Julian warten zu lassen kommt nicht in Frage. Ich öffne meine Zimmertüre.

„Ja?“

„Komm runter, wir fahren in den Ort, dein Fahrrad ist fertig!“, ruft er herauf.

Ich atme kurz ein. Dafür habe ich jetzt absolut keine Zeit mehr.

„Jetzt? Ähmmm...Ich kann auch selbst vorbeischauen, wenn ich zum See gehe“, rufe ich hinunter.

„Komm jetzt runter, wir fahren hin, oder willst du mit mir diskutieren?“ Seine Stimme klingt genervt über meinen Einwand.

Shit. Wenn ich jetzt mit ihm zum Fahrradgeschäft fahren muss, komme ich mit Sicherheit zu spät zu meiner Verabredung. Ich kann Julian nicht einmal Bescheid sagen, ich weiß gar nicht wie ich ihn erreichen kann. Mist – Mist – Mist. Ich schnappe meine Badetasche und laufe die Stiege hinunter. Mein Vater sieht mich mit einem Blick an, der mir kurz den Atem stocken lässt.

„Wie schaust du denn aus? Was hast du vor?“, meint er musternd.

„Nichts…Warum? Ich gehe baden… Wie immer“, stammle ich.

Er schüttelt den Kopf. „Keine Ahnung wie deine Mutter einverstanden sein kann, dass du dich so anziehst. Kürzer und enger geht nicht mehr?“

Bevor ich etwas dazu sagen kann, schaut Mama aus der Küche.

„Geh Heinrich…Es ist Sommer und sie ist ein junges Mädchen. Schau doch wie hübsch sie ist“, meint sie mit weicher Stimme.

Mein Vater zieht schnaufend die Augenbrauen hoch. „Ich kann dir genau sagen was mit den Mädchen passiert, die so rumlaufen.“

Ich sage nichts darauf und blicke zu Boden.

„Gar nichts passiert Heinrich“, verteidigt mich Mama immer noch, aber er lässt nicht locker.

„Und ich muss diesen Aufzug auch noch finanzieren.“ Er schüttelt abwertend den Kopf. „Los. Fahren wir.“

„Kann ich das Fahrrad nicht allein abholen? Ich muss sowieso in die Richtung…“

Er unterbricht mich. Die Tonlage seiner Worte ist jetzt ein bisschen erhoben. „Du fährst jetzt mit mir. Was ist denn heute los mit dir? Und was ist das für ein grauslicher Lippenstift?“

Ich versuche ruhig zu blieben. Kein Streit. Nur Lipgloss, es ist nur Lipgloss. Wortlos schlüpfe ich in meine Flip-Flops und wische meinen Mund in ein Taschentuch. Mama lächelt und streicht über meine Schulter. Immer noch wortlos folge ich ihm zum Auto und steige ein. Es ist fünf Minuten vor zehn. Ich schaffe es niemals mehr pünktlich mit dem Fahrrad vom Dorf zurück an die Stelle an der wir uns treffen wollen. Er wird denken ich komme nicht. Mein Magen fühlt sich komisch an. Mein Herz auch. Meine Knie sind ein wenig weich.

„Angurten Anna“, blafft mich mein Vater an.

Ich lege den Gurt an und versuche mir nichts anmerken zu lassen, auch wenn ich am liebsten schreien würde. Er fährt hoch und verlässt unsere Einfahrtsstraße. Ich schaue vorsichtig auf. Mein Herz klopft. Scheiße. Julian steht bereits an dem Platz wie ausgemacht. Ich bekomme kaum Luft.

„Was macht denn der da?“, murmelt mein Vater.

Ich sage nichts, könnte ich gar nicht, mein Puls pumpt unregelmäßig im Hals. Ich senke meinen Blick. Im letzten Moment bevor wir an ihm vorbeifahren, hebe ich meinen Kopf und sehe ihn an. Unsere Blicke treffen sich kurz. „Mach jetzt nichts… Bitte mach nichts…“, flehe ich wortlos in meinen Gedanken. Schnell senke ich meinen Blick wieder. Er steht nur da. Keine Reaktion. Ich riskiere einen Blick in den Seitenspiegel, er sieht uns nach. Ich bekomme kaum Luft.

„Kennst du den?“, fragt mein Vater und sieht dabei mit verengtem Blick in den Rückspielgel.

Ich schüttle den Kopf. Meine Hände schwitzen und zittern.

„Sprichst du heute nicht?“

„Doch…Sicher…“, murmle ich uns sehe wieder kurz in den Seitenspiegel. Langsam verschwindet er in der Ferne. Scheiße. Keine Ahnung was er jetzt denkt.

„Solltest du nicht besser mit dem Mathe lernen anfangen, statt jeden Tag am See herumzuhängen? Wir hatten doch eine Abmachung?“

Ich nicke ohne ihn anzusehen. Eine Abmachung. Mein Zeugnis war sehr gut. Ich bin eine der besten Schülerinnen meiner Klasse. In Mathematik habe ich allerdings das Gut knapp verfehlt. Der Stoff der letzten Schularbeit lag mir gar nicht und darum habe ich meine Jahresnote versaut. Ein Befriedigend. Sonst habe ich lauter Sehr gut. Mathe lag mir noch nie. Er ist ausgezuckt. Ich würde zu viel herumfliegen statt zu lernen und mich ablenken lassen. Ich wollte ja schließlich unbedingt auf diese Schule, die sowieso keinerlei Zukunftsperspektive verspricht. Also muss ich lernen, keine miesen Noten. Kein Befriedigend in Mathe.

„Ich lerne. Wie abgemacht“, sage ich leise.

Er nickt seufzend. Vorsichtig riskiere ich wieder einen Blick in den Seitenspiegel. Mein Herz bleibt fast stehen, als ich Julian etwas entfernt hinter uns herfahren sehe. Er kommt immer näher, ich schaue nicht mehr zurück, aber ich höre, dass das Geräusch der Vespa immer weiter zu uns aufschließt. Papa schaut in den Rückspiegel. Bevor er etwas sagen kann, fange ich schnell ein Gespräch an.

„Kann ich im Herbst mit dem Führerschein anfangen?“

„Ja. Habe ich doch gesagt.“

Ich nicke und versuche zu lächeln. „Dann würde ich mich demnächst bei der Fahrschule anmelden.“

Er nickt und fährt auf die Ortsstraße. Wir biegen rechts ab, aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Julian links abbiegt. Richtung See. Fuck. Er glaubt bestimmt, ich will nichts mehr von ihm wissen oder so. Ich fühle mich bei dem Gedanken daran ganz schlecht. Mein Magen krampft sich zusammen. Wir parken vor dem Fahrradgeschäft und steigen aus, meine Knie sind ein bisschen wackelig. Ich gehe mit gesenktem Blick hinter meinem Vater her. Wenn ich mein Fahrrad habe, werde ich einfach zum See fahren. Er ist bestimmt dort. Hoffentlich ist er nicht böse, weil ich ihn aus dem Auto kaum angeschaut habe, aber ich werde es ihm erklären.

„Anna, sag mal was ist denn heute nur los mit dir? Was trödelst du so?“ Er schiebt mich genervt in das Geschäft.

„Ich komme schon“, murmle ich.

Ich habe das Gefühl es dauert ewig bis wir dran sind. Im Laden ist es schwülwarm und mir inzwischen fast ein wenig schlecht. Endlich bringt ein Lehrling mein Fahrrad. Es war ziemlich kaputt und die Reparatur entsprechend teuer.

„Danke Papa“, sage ich als er mir das Fahrrad vor das Geschäft schiebt.

Er zieht die Augenbrauen hoch und nickt. „Pass jetzt besser auf. Wenn du so mit dem Auto umgehst, überlege ich mir das mit dem Führerschein noch einmal.“

„Ich pass auf“, sage ich kleinlaut. Ich passe immer auf meine Sachen auf, aber für den Fahrradunfall konnte ich wirklich nichts, es ist einfach passiert. Ob es mir gut geht, hat ihn gar nicht interessiert.

Wieder nickt er.

„Kann ich jetzt zum See?

„Fahr schon“, murmelt er.

Meine Knie zittern wieder. Ich steige auf und fahre los. Das Fahrrad läuft einwandfrei. In meinem Kopf dreht sich alles wirr. Wenn er jetzt mit seinem Freunden am See ist, weiß ich nicht, ob ich mich traue hinzugehen. Was wenn Janine auch wieder dort ist? Vielleicht will er jetzt gar nichts mehr von mir wissen und ignoriert mich. Ich biege zum See ein.

„Anna!“, höre ich meinen Namen. Ich bremse ab und halte an. Julian. Das ist seine Stimme. Das „Anna“ klingt aus seinem Mund so besonders. Sofort schlägt mein Herz Purzelbäume. Er steht unter der großen Eiche im Schatten und lächelt mich an. Ich steige ab und schiebe mein Fahrrad ihn seine Richtung. Er kommt mir entgegen. Ich lächle auch, was er weiterhin erwidert.

„Hi…Entschuldige…Ich…“, stammelnd suche ich nach Worten.

„Wolltest du mich versetzen?“, fragt er vorsichtig.

Ich schüttle schnell den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Mein Vater…“

„I was shocked…You ignored me…“, murmelt er und atmet dabei durch.

„Nein, ich konnte nicht. Tut mir leid.“ Ich senke meinen Blick. Mein Herz klopft. Dann sehe ich vorsichtig wieder auf und lächle ihn an. Ich lächle so, dass er einfach spüren muss, wie sehr ich in mag. „Fahren wir jetzt zu dem Platz am See?“

„Wenn du das noch willst?“, meint er schulterzuckend.

„Ich habe mich so darauf gefreut.“ Ich spüre wie sich meine Wangen röten. „Wirklich.“

Er legt seinen Kopf zur Seite und sieht mich an. „Ich mich auch Anna.“

Etwas erleichtert atme ich durch.

„Fährst du nicht mit mir?“, fragt er und schaut auf mein Fahrrad.

„Doch…Würde ich schon gerne. Mein Vater wollte es unbedingt heute holen fahren. Darum konnte ich auch nicht pünktlich bei unserem Treffpunkt sein.“ Wieder senke ich meinen Blick. „Er würde nicht erlauben, dass ich mich mit dir treffe und schon gar nicht, dass ich mit dir fahre.“

Julian nickt zaghaft, so als ob er nicht ganz versteht, aber er sagt nichts.

„Ich lasse es an der Wegzweigung die zum See führt stehen, dann fahre ich bei dir mit“, meine ich darum schnell.

„Ok“, entgegnet er. „Ich fahre langsam vor und warte dort auf dich. Du meinst ein Stück nach vor und dann links, oder?“

„Ja genau“, nicke ich.

„Then let´s go!“, fordert er mich auf.

Ich fahre los, er fährt langsam an mir vorbei. Ich glaube er ist etwas angepisst über die Tatsache, dass ich vorhin im Auto einfach weggeschaut habe. Das erkenne ich an der Tonlage seiner Worte und auch am Ausdruck seiner Augen. Und er lächelt mich heute nicht so an wie sonst. Aber was hätte ich denn tun sollen? Mir ist so warm vor Aufregung und das schwüle Wetter lässt mich zusätzlich schwitzen. Es ist nicht weit bis zu der Stelle an der er schon auf mich wartet. Ich steige vom Fahrrad, stelle es in den Fahrradständer und sperre es ab. Um an den Platz am See zu kommen, müssen wir durch ein kleines Waldstück fahren, eine Schotterstraße führt dort hin. Er reicht mir den Helm, ich steige auf und bin plötzlich irgendwie erleichtert, auch wenn mein Herz immer noch klopft.

„Halt dich fest“, sagt er und fährt los.

Ich schließe meine Hände um seine Hüften, sein Shirt ist ein bisschen feucht, es ist aber auch wirklich schwül heute. Er greift nach meiner Hand und zieht sie ein Stück weiter um seine Mitte. Ich gehe darauf ein und schlinge meine Hände ganz darum. Diese Geste erleichtert mich ein wenig, vielleicht ist er doch nicht böse auf mich. Es ist toll. Der Fahrtwind, auch wenn man auf der ungefestigten Straße nicht so schnell fahren kann, ist angenehm und kühlt meine erhitze Haut ein wenig.

„Bleib da vorne stehen“, rufe ich ihm zu.

Ich kenne eine tolle, ganz ruhige und wunderschöne Badestelle ein paar Meter von hier. Er hält an, ich steige ab. Er nimmt den Helm ab, mein Blick hängt an ihm. Vor allem an seinen Augen. Wie immer.

„Hier ist es so schön“, zeige ich ihm den Platz und gehe ein paar Schritte voraus. Er kommt mir nach und nickt bestätigend.

„Bleiben wir hier?“, frage ich nach.

„Ja…“ Er wirft seine Sachen zur Seite, schlüpft aus seinem Shirt und der kurzen Hose und läuft Richtung Wasser. „Ich muss da jetzt rein…Es ist so heiß“, stöhnt er.

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