Kitabı oku: «Und du bist nicht da», sayfa 3
Ich sehe ihm hinterher und stelle meine Tasche ab. Er stürzt sich förmlich ins Wasser, ich muss kopfschüttelnd lachen. Langsam fällt ein wenig Anspannung von mir ab. Ich packe erst einmal mein Handtuch aus und lege es auf eine schöne sonnige Stelle in der Wiese.
„Anna! Komm schon rein!“, ruft er und taucht erneut unter.
Irgendwie bin ich aber trotzdem nervös. Ganz allein mit ihm hier. Ich kenne ihn doch gar nicht, auch wenn er so süß ist. Zögerlich ziehe ich mein Top über den Kopf und zupfe an meinem Bikinioberteil.
„What are you waiting for?“Julian hebt fragend seine Hände, kommt dann aber aus dem Wasser und auf mich zu.
„Ich komme ja schon.“
Schnell schlüpfe ich aus meiner Shorts. Er greift nach meiner Hand und zieht mich zum Wasser. Ich habe gar keine Zeit zu überlegen ob es kalt ist, denn ich bin so schnell drinnen und habe gleichzeitig Julians Hände an meinen Hüften, dass es keine Zeit zum Nachdenken gibt. Er presst seinen Oberkörper an meinen. Ich bekomme eine Gänsehaut, aber nicht vom kalten Wasser. Ohne Vorwarnung presst er seine Lippen auf meine, zuerst etwas zu stürmisch für meinen Geschmack, doch dann wird der Kuss sanft und innig. Die Gänsehaut ist immer noch da. Er drückt sich noch etwas fester an mich. Ich bekomme kaum Luft. Seine Hände streichen meinen Rücken sanft hoch, langsam löst er seine Lippen von meinen, vorsichtig öffne ich meine Augen. Er streicht zärtlich über meine Wange.
„Ich habe dich nicht ignoriert“, sage ich leise und lege vorsichtig meine Hände an seinen Hüften ab. „Tut mir leid…“
„Ist schon ok. Was ist mit deinem Vater?“ Er zieht mich wieder fester an sich.
„Das ist kompliziert…Er ist streng und hat seine Prinzipien.“
„Prinzipien?“ Er zieht die Augenbrauen hoch.
„Control Freak“, seufze ich.
„Oh. Ok.“ Er streicht sanft durch meine Haare und lächelt mich wieder an. Ich könnte schmelzen bei diesem Blick.
„Now you are here“, flüstert er und küsst mich erneut.
Keine Ahnung wie lange wir im Wasser bleiben. Lange. Mir ist schon kalt, aber es ist so schön ihm nahe zu sein. Nachdem wir uns endlich irgendwie von einander lösen können, wickle ich mich in mein Badetuch und lege mich in die Sonne.
„Erzähl mir etwas von deiner Familie“, frage ich ihn.
Er legt sich neben mich und streicht mit seiner Hand über meine.
„Was willst du denn wissen?“
Ich zucke mit den Schultern. „Alles.“
Er schmunzelt und verdreht dabei die Augen. „Meine Mum kommt aus Deutschland, das habe ich dir ja schon erzählt. Sie hat sich in meinen Dad und sein Hotel verliebt, damals gehörte es allerdings noch meinen Großeltern. Inzwischen führen sie es in dritter Generation am Loch Leven. Kennst du das?“
Ich schüttle den Kopf.
„Ein schöner See in den schottischen Lowlands. Unser Hotel ist nicht weit vom See. Ich habe eine ältere Schwester, Catriona. Sie studiert noch, arbeitet aber schon im Hotel mit und wird es einmal weiterführen. Wie du ja schon weißt, interessiere ich mich nicht so für die Gastronomie. Ich möchte einfach nur mein Studium so schnell als möglich abschließen und dann neue Flugzeugtechniken entwickeln.“
Ich hänge an seinen Lippen. Es ist fesselnd wie er erzählt. Mit seinem Akzent und den manchmal etwas verdrehten Worten klingt einfach alles aus seinem Mund zauberhaft.
„Und du? Hast du Geschwister?“
„Ja. Zwei Brüder. Paul und Sebastian, aber die arbeiten beide im Ausland und sind viel älter als ich.“
„A little sister…“, grinst er und sieht mich dabei lange an.
Ich nicke etwas schüchtern, was dem intensiven Blick zu schulden ist.
Er schaut mich noch kurz an, dann zieht er sein Handy aus der Hosentasche seiner Shorts die neben ihm liegt.
„Schau, so sieht es bei mir zu Hause aus.“
Er öffnet die Fotogalerie und zeigt mir ein paar Bilder vom Hotel und der Umgebung. Es ist unglaublich. Wie aus einem Fotoband. Ich stelle mir vor, welche tollen Fotos man dort machen kann. Das Licht ist atemberaubend.
„Wow…Und du machst Urlaub in der Steiermark? Das ist doch traumhaft“, stelle ich fest.
„Ja…aber es immer wo anders schöner als zu Hause. Ich finde die Steiermark wunderschön. Es ist grün und trotzdem warm wie im Süden. Ich mag, wie es hier riecht und die Menschen sind freundlich.“ Er streicht sanft über meine Haut. „Und ich mag dich.“
Ich spüre wie sich meine Wangen röten. Mich. Er mag mich.
„Gibst du mir deine Handy Nummer? Dann kannst du mich das nächste Mal anrufen, wenn es Troubles mit deinem Control Freak Dad gibt.“
Ich seufze hörbar. „Ich habe Handyverbot.“
„Was hast du?“ Er richtet sich ein Stück auf.
„Kein Handy im Moment.“ Ich schließe etwas beschämt meine Augen. Keine Ahnung was er von mir denken wird. Handyverbot. Als hätte ich sonst etwas angestellt.
„Warum?“, fragt er vorsichtig nach.
„Eine schlechte Note in Mathe. Mein Vater meint, ich muss mich mehr auf die Schule konzentrieren, als auf meine Freunde. Ich lasse mich zu sehr ablenken.“
„Was heißt schlechte Note? So schlimm?“
„Eine drei“, murmle ich.
„Seriously? Das ist nicht wahr, oder? Ich war schon froh eine drei geschafft zu haben in manchen Fächern. In Mathe war ich allerdings immer gut. Ich kann dir Nachhilfe geben, obwohl ich finde, bei einer drei braucht man keine Nachhilfe.“ Er zuckt verständnislos mit den Schultern.
Ich seufze erneut.
„Ist doch egal“, meint er bestärkend.
„Nein ist es nicht. Ich habe sonst nur gute Noten, aber ich habe mich nicht genug angestrengt.“
„Hast du bestimmt. Und eine drei ist eine gute Note.“ Er greift wieder nach meiner Hand, aber diesmal so, dass ich mich über ihn beugen muss, weil er mich an sich zieht. „You are perfect Anna…“
Ich muss lächeln. Er ist perfekt. Er zieht mich noch weiter an sich und zum ersten Mal ergreife ich die Initiative und küsse ihn. Es ist wunderbar ihn zu küssen. Wie seine Zunge um meine spielt, wie er schmeckt, wie er sich anfühlt. Ich sauge ihn auf und kann mich schon wieder kaum von ihm lösen. Seine Hände gleiten zart über meine nackte Haut am Rücken. Ich schaffe es einfach nicht eine Gänsehaut zu unterdrücken.
„Ist dir noch kalt?“, fragt er vermutlich darum.
„Nein…Das machst du…“, entgegne ich verlegen und löse mich von ihm.
Meine Worte scheinen ihm zu gefallen. „Oh…Ich?“, grinst er.
Ich nicke nur und verdrehe dabei die Augen. Der Tag mit ihm allein ist traumhaft und vergeht für meinen Geschmack viel zu schnell. Wir haben viel geredet, aber auch viel geschmust. Sehr viel geschmust. Meine Lippen sind schon ganz taub, aber das nehme ich auf jeden Fall ganz locker in Kauf. Wir fahren zurück zum Platz an dem mein Fahrrad steht. Jetzt schmiege ich mich wie selbstverständlich an ihn. Ganz fest umarme ich ihn. Ich will ihn nicht loslassen, auch wenn ich weiß, dass es nur noch ein Stück ist. Ich will mich nicht von ihm trennen. Sanft drücke ich meine Nase in seinen Rücken und atme ein. Er riecht so gut. Unglaublich gut. Viel zu schnell sind wir bei meinem Fahrrad. Ich steige ab und gebe ihm den Helm, er steigt auch ab und nimmt seinen ebenfalls ab.
„Sehen wir uns morgen wieder?“ Sein Blick macht mich wahnsinnig.
„Ja sicher. Ich würde auch jetzt lieber bei dir blieben“, murmle ich etwas verlegen, was ihn zum Lächeln bringt.
„Dann bleib doch bei mir“, flüstert er.
Ich zucke mit den Schultern und atme durch.
„Schon gut Anna. Ich weiß. Dein Dad.“
Ich nicke wortlos und lege gleichzeitig meine Arme um seinen Hals.
„Ich mag dich auch Julian. Sehr sogar“, hauche ich.
Dann küssen wir uns lang. Es fällt mir schwer mich von ihm zu trennen und trotzdem mache ich es irgendwann. Wie in Trance strample ich nach Hause. Es ist ein ganz warmes Gefühl in meinem Bauch. Ein Gefühl, das ich so nicht kenne. Ich versuche nicht zu vergessen wie er riecht und wie er sich anfühlt. Ich will auch nicht vergessen, wie sich seine Hände auf meiner Haut anfühlen. Mein Herz klopft und es zieht in meinem Bauch. Ich mag ihn nicht nur, ich bin verliebt. Ziemlich verliebt.
Kapitel 5
Anna
Heute ist der dritte Tag an dem ich mit Julian allein unterwegs war. Die Zeit ist wieder viel zu schnell vergangen und ich möchte wie die vergangenen Tage lieber bei ihm sein, als nach Hause zu fahren.
„Wie spät ist?“, murmle ich nach einem endlosen, aber unglaublich sinnlichen Kuss etwas benommen. „Ich glaub wir müssen jetzt los…“
„Du bist fast achtzehn…Es ist doch nicht ok, dass du so früh zu Hause sein musst. Die können dich nicht einsperren. Und dann noch Handyverbot…Crazy…“
Julian fährt fast quälend langsam und ganz zart mit seiner Nase meine Wange hinunter. Am Hals angekommen spüre ich seine Lippen ganz sanft immer weiter hinuntergleiten. Seine Küsse reihen sich eng aneinander und erreichen ziemlich bald mein Dekolletee. Er wird immer offensiver und mutiger was die körperliche Nähe betrifft und es gefällt mir. Nein – es ist mehr als ein gefallen. Es macht mich wahnsinnig. Ich amte flach und schließe meine Augen. Als seine Lippen immer weiter nach unten gleiten und schon fast an der Stelle zwischen meinen Brüsten, die zwar mein Bikinioberteil bedeckt angekommen sind, atme ich tief ein.
„Julian…“, hauche ich mit dem Ausatmen. „Bitte…“
Er sieht auf und lächelt. Seine Augen und dieses Lächeln. Ich bin unfähig etwas zu sagen, oder zu tun. Langsam löst er sich von mir und richtet sich auf. Von mir aus könnte er weiter machen, aber es geht eben nicht. Er streckt mir seine Hand entgegen um mir aufzuhelfen.
„Komm schon, ich bring dich nach Hause.“
Ich nicke zaghaft und fange an meine Sachen zusammen zu kramen. Ich bin ganz wackelig und irgendwie planlos. Das macht er. In seiner Nähe fühle ich mich wie besoffen. Besoffen vor Glück. Berauscht von seiner Nähe und den zärtlichen Berührungen die er mir entgegen bringt. Außerdem ist er klug, witzig und auch noch sehr verständnisvoll. Wir haben viel geredet, über alles Mögliche. Er hat mir von seinem Studium in London erzählt, von seiner Familie und was er sonst so treibt, außer den Urlaubstouren quer durch Europa. Man kann toll mit ihm reden. Er ist besonders. Ich glaube schon, dass er mehr wollen würde als herumschmusen, aber keine seiner Berührungen fühlt sich plump, oder gar aufdringlich an. Im Gegenteil, er ist irgendwie vorsichtig, so als würde er bei jeder Annäherung abwarten wie ich reagiere. Das ist anders und eben besonders.
„Hast du alles?“, fragt er und nimmt mir meine Tasche ab, weil ich schon wieder dastehe und nichts anderes tun kann, als ich anzusehen.
„Ja…“
Wie in Trance gehe ich ihm hinterher.
„Übermorgen ist mein Geburtstag. Da musst du kommen. Kannst du nicht mit deiner Mum sprechen?“
„Ja…Ich werde es versuchen“, murmle ich.
Er hält mich sanft zurück. „Das muss einfach gehen Anna…Bitte…Es ist mein Geburtstagswusch.“
Ich zucke mit den Schultern. Geht das? Keine Ahnung. Es muss. Ich lasse mir etwas einfallen. Er hat Recht, ich bin fast achtzehn.
„Ja klar. Ich freue mich schon darauf“, lächle ich, obwohl ich in Gedanken daran gar nicht lächeln kann. Es wird nicht so einfach sein.
Wir fahren zum Platz an dem ich mein Fahrrad abgestellt habe. Jeden Tag fällt es mir schwerer mich von ihm zu lösen. Ich umarme ihn so fest ich kann und reibe dabei meine Nase an seinem Hals. Er riecht so gut, ich könnte ihn auffressen. Es ist kein Parfum oder künstlicher Duft. Es ist einfach er. Ich fühle mich berauscht davon, bevor ich mich unfreiwillig von ihm löse, sauge ich ihn förmlich auf. Fast als wolle ich ein Depot in meinem Gehirn anlegen, um ihn bis morgen früh dann nach und nach abrufen zu können, genau so lange, bis ich ihn wiedersehe.
„Bis morgen Anna. Wir sehen uns doch morgen wieder?“, fragt er leise nahe an meinen Lippen.
„Ja…Natürlich…Ich hoffe es ist schnell wieder morgen“, murmle ich und schließe noch einmal meine Augen um ihn zu küssen.
Auf dem Heimweg bin ich in Gedanken. Immer nur Julian. Alles dreht sich in meinem Kopf um ihn. Es ist ein seltsam gutes und vereinnahmendes Gefühl. Ich war schon einmal verliebt, aber anders. Alles ist mit Julian anders. Mein Blut kribbelt in den Adern, wenn er in meiner Nähe ist. Ich biege auf unsere Einfahrtsstraße ein. Die Stunden ohne ihn kommen mir endlos vor. Ich rufe schnell seinen Blick in meinen Gedanken ab. Kurz fasse ich einen klaren Gedanken: Er wird nicht ewig hier sein. Im Gegenteil – Er wird bald wieder weg sein. Was dann? Ein paar Stunden ohne ihn kommen mir schon ewig lange vor. Ich sollte mich womöglich nicht so hineinsteigern. Kurz schließe ich meine Augen. Seine Hände auf meiner Haut, seine Lippen, sein Atem. Shit. Ich kann meine Gefühle nicht einfach abstellen. Mama schließt gerade den Hühnerstall ab, als ich vom Fahrrad steige.
„Hallo Mama“, begrüße ich sie.
„Servus. Stimmt etwas nicht?“, fragt sie mich und sieht mich musternd an.
Es lässt sich nicht scheinbar nicht verbergen wie ich mich fühle. Ich fühle mich fürchterlich. Einerseits fürchterlich gut, andererseits fürchterlich nachdenklich. Ich schiebe diesen Zustand kurz beiseite. Da mein Vater noch nicht da zu sein scheint, nutze ich die Gelegenheit um mit Mama zu sprechen.
„Nein…Alles ok. Mama…Ich muss dich etwas fragen…“, stammle ich.
„Ja, was denn Anna. Ist etwas passiert?“
Ich zucke mit den Schultern und schiebe mein Fahrrad in den Schuppen.
„Anna, los raus damit. Was ist denn?“ Sie greift nach meiner Hand und lächelt mich mild an. Sie weiß, dass ich nichts Unüberlegtes tue. Sie kennt mich. Da ist so viel Wärme und liebe in ihrem Blick.
„Da ist ein Junge…“, sage ich leise und senke meinen Blick. „Also ein Junge ist er nicht mehr wirklich…Er hat am Samstag Geburtstag und ich würde gerne hingehen…“, stammle ich nervös.
„Aha. Komm. Setzen wir uns auf die Bank“, meint sie neugierig.
Ich folge ihr und lehne mich an die kühle Hauswand.
„Wie alt wird er denn?“, fragt sie vorsichtig.
„Einundzwanzig. Er macht Urlaub. Am Herzoghof.“ Ich sehe sie an und lächle kurz, was sie erwidert. „Ich habe mich in ihn verliebt“, sage ich so leise, dass man es kaum hört.
Sie nickt und lächelt immer noch. Sie lässt mir kurz Zeit, dann fragt sie genauer nach. Ich erzähle ihr alles, was wirklich guttut.
„Papa wird das nicht erlauben“, seufze ich und senke meinen Blick.
Mama seufzt auch. „Bestimmt nicht. Würdest du weiter gehen, als das was du mir gerade erzählt hast? Ich meine, er ist vermutlich bald weg. Auch wenn ich ihn nicht kenne, Männer vergessen danach gerne alles schnell.“
Würde ich weiter gehen? Keine Ahnung. Ich könnte es mir vorstellen, auch wenn ich nicht genau darüber nachgedacht habe bis jetzt.
„Ich möchte einfach gerne auf die Geburtstagsfeier“, murmle ich. „Ich habe nicht vor irgendetwas in der Richtung zu tun Mama.“
Sie nickt. „Aber er vielleicht.“
„So ist er nicht.“
Wieder nickt sie. „Ich lasse mir etwas einfallen Anna.“ Jetzt lächelt sie wieder.
Wir sitzen noch ein bisschen so da. Ohne über Julian zu sprechen. Ich bin froh es ihr erzählt zu haben. Vorsichtig lege ich meinen Kopf auf ihre Schulter.
„Danke Mama…“, murmle ich mich an sie schmiegend.
Kapitel 6
Anna
Heute ist Julians Geburtstag. Der Tag hat schon so toll begonnen. Er hat mich zum Frühstück eingeladen. Wir sind in den Nachbarort gefahren und lange im kleinen Café im Ort gesessen. Er hat immerzu meine Hand gehalten. Ich bin verliebt und ich glaube er ist es auch. Sein Blick. Ich schließe kurz meine Augen. Ich freue mich total ihn gleich wieder zu sehen. Jetzt bin ich allerdings wieder zu Hause und warte. Mama hat sich etwas überlegt. Ich habe zwar kein gutes Gefühl dabei, aber das muss ich jetzt wohl ausblenden. Sonst ist mein Vater Samstag abends immer irgendwo unterwegs, aber heute ist er natürlich zu Hause. Als würde er spüren das etwas im Gange ist. Mama meint ich soll warten bis es ein bisschen später ist und mich dann raus schleichen.
„Anna!“, ruft mich mein Vater kurz nach acht. Gut, dass ich noch nicht umgezogen bin. Ich öffne meine Zimmertüre.
„Ja?“, rufe ich hinunter.
„Deine Mathe Übungen für die Woche? Du hast sie mir noch nicht gezeigt“, ruft er zurück.
„Das kann sie doch auch morgen machen“, fällt Mama ihm ins Wort.
„Gabi. Das ist unsere Sache“, stellt er sie wie gewohnt ab. „Misch dich da nicht ein.“
Ich atme durch. Shit. Ich habe noch gar nicht alles fertig. Mir fehlen noch ein paar Beispiele für die ich diese Woche einfach keine Zeit hatte und auch keinen Kopf. Weil mein Kopf voll mit Gedanken an Julian ist.
„Ja…Ich weiß… Ich mach´s gleich fertig“, rufe ich hinunter und haste zu meinem Schreibtisch.
Ihm wird nicht auffallen, wenn ich irgendetwas hinschreibe. Für den Stoff reicht sein IQ nicht. Trotzdem habe ich Angst, ihn zu bescheißen. Heute tue ich es trotzdem. Ich schreibe irgendwelche Phantasie Gleichungen neben die Rechnungen. Ein leichter Wind kommt auf und weht angenehm in mein Zimmer. Es ist fürchterlich schwül heute. Hoffentlich kommt kein Gewitter. Es klopft an meiner Tür die zeitgleich schwungvoll aufgeht. Ich zucke zusammen. Papa kommt ins Zimmer und bleibt neben mir stehen. Er atmet durch.
„Immer am letzten Drücker“, sagt er leise aber bestimmt.
Ich lege den Stift weg und presse meine Hände auf den Tisch, da ich vor Angst über meinen Betrug erwischt zu werden zittere.
„Ich bin schon fertig“, sage ich leise.
Er nimmt mir das Blatt aus der Hand und sieht mit verengtem Blick darauf. Ich senke meinen Blick und halte kurz die Luft an. Er sieht länger als gewohnt darauf. Mir wird warm. Er kennt sich nicht aus, das weiß ich, trotzdem überfällt mich eine innere Panik die ich mühsam verberge.
„Im nächsten Jahr hast du Matura. Streng dich mehr an. So wird da nichts“, sagt er und legt das Blatt wieder hin.
Ich nicke zaghaft und atme vorsichtig aus. Er verlässt mein Zimmer wieder. Mein Hals fühlt sich komisch an. Als würde man mir die Luft abdrücken. Ich hasse mein Leben in diesem Haus. Warum kann ich nicht einfach wie alle Mädchen in meine Alter samstags weggehen? Ich lege mich auf mein Bett und könnte schreien. Ich sollte einfach hinunter gehen und sagen was Sache ist. Oder abhauen. Für immer. Ich schnappe nach Luft. Das kann ich nicht. Mama braucht mich. Darum warte ich und bin still. Wie immer. Ein leises Klopfen reißt mich auf. Shit. Ich bin eingeschlafen. Mama schaut ins Zimmer. Es reißt mich auf. Schnell werfe ich einen Blick auf meinen Wecker. Kurz nach elf. Mist…Er wird denken ich komme nicht.
„Wir gehen jetzt schlafen. Gute Nacht Anna“, sagt Mama und zwinkert dabei.
„Ja…Gute Nacht“, sage ich und stehe zeitgleich auf. „Ich muss noch ins Bad.“
Sie nickt als ich an ihr vorbei gehe. „Viel Spaß“, flüstert sie und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
Da ich nicht viel Zeit verschwenden will, muss duschen und ein hübsches Kleid ausreichen. Ich schleiche mich wie mit Mama ausgemacht aus dem Haus und versuche über den Hof zu gehen, ohne dass das automatische Licht angeht. Mein Fahrrad habe ich schon so abgestellt, dass ich nur noch losradeln muss. Es ist stockdunkel, meine Lampe erhellt die Nacht nur schwach. Je näher ich zum Herzoghof komme, umso nervöser werde ich. Ich höre schon leise die Musik und das Reden und Lachen der Leute. Der Hof ist recht abgelegen, darum stört sich hier auch niemand an einer Party. Die letzten Meter schiebe ich mein Fahrrad. Um meinen Puls zu regulieren und nicht komplett atemlos anzukommen. Ich lehne es an eine Scheunenwand und gehe schüchtern durch die Partygäste. Ich kenne zwar die meisten, auch wenn ich nicht wirklich etwas mit ihnen zu tun habe. Mich nach Julian umsehend, merke ich wie meine Knie ein wenig schlottern. Vielleicht ist es ein Fehler mich weggeschlichen zu haben. Hier sind alle schon so gut drauf, ich passe gar nicht dazu. Außerdem wäre es doch gut gewesen etwas Makeup aufzulegen, wenn ich die anderen Mädchen ansehe, komme ich mir viel zu normal vor. Gerade als ich weiter zu zweifeln beginne sehe ich Julian. Ich gehe auf ihn zu und plötzlich fällt alles von mir ab. Er sieht auf und lächelt mich an.
„Hey…Ich dachte schon du kommst nicht mehr…“ Er zieht mich direkt in seine Arme und küsst meinen Hals. Das ist überraschend offensiv zwischen den ganzen Leuten, aber er scheint auch schon ordentlich etwas getrunken zu haben. Doch ich sehe darüber hinweg. Es ist sein Geburtstag und ich bin um Stunden zu spät.
„Sorry…es ging nicht früher“, entschuldige ich mich und greife nach seiner Hand.
„Komm, was trinkst du?“ Er zieht mich zur Seite und schenkt mir etwas ein. Ich nehme das Getränk und lächle ihn an. Dann nehme ich einen Schluck. Plötzlich nimmt er mir das Glas aus der Hand und umarmt mich fest. Sehr fest. Ich erwidere es. Dann küsst er mich erneut zwischen den ganzen Leuten. Die Blicke der anderen sind mir jetzt aber egal.
„Du bist betrunken“, schmunzle ich uns streiche dabei durch seine Haare.
„Nicht so sehr…“, haucht er nahe meinem Mund und küsst mich erneut.
Wir tanzen und es ist perfekt. Ich liebe es ihn nahe an meinem Körper zu spüren. Meine Hände umklammern ihn fest. Irgendwann reißen seine Freunde ihn von mir weg, aber das macht nichts. Schließlich sind da auch noch andere Gäste. Ich lehne mich an eine Holzwand und genieße das laue Lüftchen, das unter mein Kleid weht. Zuerst sieht Julian immer wieder zu mir, doch dann verliere ich ihn aus den Augen. Mit den anderen Mädels kann ich mich nicht wirklich unterhalten, weil ich nicht weiß was ich mit ihnen reden soll. Nach einiger Zeit sehe ich mich nach ihm um. Da gibt es scheinbar ein Trinkspiel. Ich gehe näher. Julian muss Schnaps trinken. Viel Schnaps. Das gefällt mir nicht. Den anderen gefällt es aber außerordentlich gut wie es aussieht. Da sind auch die Mädchen vom See, auch Janine. Sie amüsiert sich augenscheinlich perfekt. Ein ungutes Gefühl macht sich in mir breit. Es kommt nie etwas Gutes heraus, wenn zu viel getrunken wird. Ich mag das einfach nicht und brauche es auch nicht um gut drauf zu sein. Eine Zeitlang sehe ich zu, er bemerkt mich nicht einmal mehr. Das tut unerwartet weh. Ja es ist sein Geburtstag, aber ich bin wegen ihm gekommen. Ich zupfe an meinem Kleid und überlege was ich tun soll. Dann drehe ich mich um und gehe an ihm vorbei. So, dass er mich sieht. Als ich schon am Weg zu meinem Fahrrad bin, höre ich ihn mir nachrufen.
„Anna! Was ist denn?“ Er lallt gewaltig und als ich mich umdrehe kann ich nur die Augen verdrehen. Er wankt auch ordentlich.
„Ich fahre wieder“, sage ich leise ohne ihn anzusehen.
„Warum denn? Bist du böse?“
Ich schüttle den Kopf und gehe weiter. Enttäuscht. Ich bin enttäuscht, aber auch das behalte ich für mich.
„Anna…Komm schon…“ Er schließt auf und erwischt mich an meiner Hand. „Anna“, sagt er jetzt leiser und zieht mich an sich.
Ich atme durch. So gefällt er mir nicht. Naja schon, aber ohne den Vollrausch finde ich ihn viel süßer. Er beginnt mich zu küssen, auch wenn ich den Schnapsgeruch dabei ausblenden muss ist es schön. Der Kuss wird inniger, er drückt mich an die Schuppenwand und streicht durch meine Haare, seine Lippen saugen an meinem Hals. Ich muss ihn bremsen, weil ich befürchte sonst einen Knutschfleck zu bekommen, das kann ich so gar nicht gebrauchen.
„Nicht…Lass das Julian“, sage ich und drehe mich zur Seite. Er sieht mich kurz an, dann küsst er mich weiter. Er ist atemlos und ich überfordert. Seine Hände wandern meine Taille hoch und streichen über meine Brust. Das macht er sehr bewusst ich schiebe sie wieder weg. Auch wenn ich seine Berührungen mag, so gefällt mir das nicht. Es ist nicht zärtlich und er betrunken. Er lässt sich allerdings nicht abbringen, jetzt schiebt er mein Kleid hoch und gleichzeitig sein Bein zwischen meine und seine Hände sind plötzlich unterm Kleid an meinem Po. Das ist zu viel.
„Nein! Bitte!“, stoße ich ihn energisch zurück.
„Was hast du denn?“, meint er verständnislos.
„So nicht Julian!“
Er schüttelt den Kopf, fast als fände er meinen Einwand lächerlich. „Wie denn dann? Wie willst du es haben?“
Ich reiße mich von ihm los und sehe ihn geschockt an, dabei schnappe ich nach Luft. „Spinnst du?!“
Er zieht die Augenbrauchen hoch und schmunzelt. Ich senke mit gekränktem Blick mein Gesicht und schüttle enttäuscht den Kopf. Dann gehe ich ohne ein weiteres Wort zu sagen zu meinem Fahrrad.
„Sorry Anna! Komm schon…Bleib stehen! “, ruft er mir noch nach, doch ich reagiere nicht mehr darauf. Alles fühlt sich ganz falsch an. Schmerzlich und falsch. Ich schnappe nach Luft. So habe ich mir das nicht vorgestellt. Nachdem ich ein Stück gefahren bin, bleibe ich an der Hofausfahrt stehen und versuche mich zu sammeln. Doch es gelingt nicht. Tränen laufen über meine Wangen. Habe ich mich wirklich so getäuscht? Warum? Mein Magen dreht sich fast um, als mich das Krachen eines lauten Blitzes, gefolgt von einem mächtigen Donner zusammenschrecken lässt. Der Wind nimmt zu, die Blätter der angrenzenden Bäume beginnen zu rascheln, als ich auch schon große Tropfen spüre. Mist. Ich steige schnell wieder auf und radle im immer weiter zunehmenden Gewitterregen los. Es blitzt und donnert und ich bekomme Angst, weil ich mitten in diesem Inferno unterwegs bin. Aber es ist nicht mehr weit, darum trete ich einfach weiter. Als ich unsere Einfahrt hinuntertrete, schrecke ich erneut zusammen, weil die Sirene lautstark losheult. Vermutlich hat irgendwo der Blitz eingeschlagen. Ich stelle mein Fahrrad ein und kann immer noch keinen klaren Gedanken fassen, ich bin einfach nur froh wieder zu Hause zu sein. Alles in meinem Kopf ist wirr und durcheinander. Gerade als ich den Schlüssel unter der Matte vor der Tür hochheben will, öffnet sich diese. Mein Vater stoppt ab und sieht mich an. Die Sirene. Fuck. Ein Feuerwehreinsatz. Ich schließe kurz meine Augen. Oh mein Gott…
„Anna! Bist du wahnsinnig? Was macht du denn?“, schreit er mich an und packt mich am Arm.
Ich kann nichts sagen, reiße mich los und laufe panisch an ihm vorbei, die Stiege hinauf in mein Zimmer. Atemlos lehne ich mich an die Tür und höre wie er wegfährt. Ich reibe mir die Schläfen, wieder laufen Tränen über meine Wangen. Ich muss nachdenken. Shit.
„Anna?“ Mama klopft an die Tür.
Ich öffne diese langsam. „Entschuldige…Er hat mich gesehenen…“
„Keine Angst, ich mach das schon“, beruhigt sie mich.
Ich nicke schluchzend, auch wenn ich ihr glauben will, weiß ich jetzt schon, dass es nichts helfen wird. Sanft streicht sie über meine Wange. „War es denn schön?“
Schön? Es hätte schön sein können. Ich hätte besser zu Hause bleiben sollen. Wortlos lege ich meine Hände vors Gesicht und kann nicht aufhören zu weinen.
„Ach Anna…“, beruhigt mich Mama und hilft mir aus dem nassen Kleid zu schlüpfen. „Schlaf jetzt, morgen sieht die Welt ganz anders aus.“
Auch das glaube ich nicht. Denn ich weiß, was auf mich zukommt. Ich schlüpfe kraftlos unter meine Decke, sie bleibt noch ein bisschen bei mir dann geht sie aus dem Zimmer. Mein ganzer Körper zittert und ich kann mich nicht beruhigen. Ich weiß, dass mein Vater ausrasten wird, wenn er wieder zurück ist, Mama wird das nicht verhindern können. Außerdem geht mir Julians Verhalten nicht aus dem Kopf. Er war doch nie so. Geht es ihm wirklich nur darum? Will er nur Sex? Mich ausnutzen und dann wieder abhauen? Ich denke lange darüber nach, kann es aber einfach nicht verstehen.
Laute Worte reißen mich auf. Ich bin eingeschlafen. Irgendwann. Es wird schon hell. Ich habe so viel geweint, dass ich meine Augen kaum aufmachen kann. Sie sind ganz zugeschwollen. Mein Wecker zeigt kurz nach fünf.
„Lass sie jetzt schlafen und leg dich auch noch hin“, höre ich Mama ruhig aber bestimmt sagen.
„Sag mal spinnst du? Was ist denn los mit euch Weibern?“, schreit mein Vater. „Sie führt sich auf wie eine Schlampe! Ich dulde das nicht! Nicht unter meinem Dach!“
Ich kenne die Tonlage seiner Stimme. Nach dem Feuerwehreinsatz ist es nicht bei einem Bier geblieben. Das kann ich deutlich hören. Ich liege regungslos da, aber mein Herz klopft. Ich höre ihn die Stufen heraufpoltern. Jetzt bin ich auf alles eingestellt. Ich weiß was passieren wird.
„Nein habe ich gesagt! Lass sie!“, schreit Mama ihn an. Er ist schon fast vor meiner Tür.
„Nein…Nein…Bitte nicht“, bettle ich in Gedanken. „Bitte lieber Gott, wenn es dich gibt, dann hilf mir jetzt.“
Meine Tür öffnet sich schwungvoll. Mama zerrt an seinem Arm und ich habe Angst, er wird sie gleich wegschubsen. Ich springe aus dem Bett und schüttle hysterisch den Kopf.
„Lass bitte Mama!“, flehe ich und sehe in seine geröteten Augen. Ich kann den Alkohol riechen und seine Wut auf mich spüren. Die Ader an seinem Hals ist hervorgetreten, ich sehe wie sie pumpt. Ich will noch etwas zu meiner Verteidigung sagen, doch da habe ich seine flache Hand schon im Gesicht. Einmal. Zweimal. Dreimal. Ich schnappe nach Luft. Meine Wangen beginnen zu glühen, so fest hat er zugeschlagen. Mama schreit ihn an.
„Sei ruhig!“, schreit er zurück und stößt sie kraftvoll aus dem Zimmer.
„Lass Mama“, wiederhole ich. Während dieser Worte schlägt er wieder auf mich ein.
„Wo warst du denn? Am Herzoghof? Willst so werden wie die Flittchen aus dem Dorf? Schau dich an wie du aussiehst in deinen knappen Hosen! Das ekelt mich an!“, schreit er nahe an meinem Gesicht.
„Was weißt du schon!“, schreie ich emotionslos zurück und bereue meine Worte sofort. Wieder schlägt er mir direkt ins Gesicht.
„Was ich weiß?! Ich weiß das du mit irgendwelchen Typen im Café im Nachbarort herummachst! Die Frau vom Pichler Franz hat dich gesehen! Geschmust hast du mit ihm, in aller Öffentlichkeit! Bist du total übergeschnappt?!“
Erneut trifft mich seine Hand kraftvoll an der Wange, ich kann nichts mehr sagen, denn jetzt hört er nicht mehr auf. Immer wieder schlägt er auf mich ein. Mama weint laut und versucht ihn davon abzuhalten. Ich mache es wie immer. Ich schalte ab. Irgendwann ist es vorbei, ich versuche mich gedanklich wegzubeamen. Da ist nur noch mein Körper auf den er einschlägt, ich bin eine leere Hülle. Es ist als würde ich aus mir herausschlüpfen und alles aus sicherer Entfernung beobachten. Es tut nicht weh, ich lasse den Schmerz nicht an mich heran. Ich halte das aus, Mama nicht. Sie ist zu schwach dafür. Ich bin stark. Genau jetzt. Ein Schlag trifft mich noch an der Schulter, einer neben der Nase. Dann ist es vorbei. Auf Knien kauernd stütze ich mich mit meinen Händen am Holzboden ab und sehe ihm nach wie er das Zimmer verlässt und Mama und mich zurücklässt. Die Tür fliegt schwungvoll ins Schloss. Etwas Blut aus meiner Nase tropft auf den Boden. Mama lässt sich auf den Boden sinken und zieht mich in ihre Arme. Sie weint laut, ihr ganzer Körper bebt.