Kitabı oku: «Verteidigung bei Korruptionsfällen», sayfa 4
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Ob der BGH dem folgt oder unter welchen Voraussetzungen er im Einzelfall bereit ist, „eine Gesellschaft in alleiniger staatlicher Inhaberschaft als einen weiteren Wettbewerber … auf einem Markt“ zu betrachten, „der vom Staat eröffnet wurde und sich um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildet hat“[105] und daher in Bezug auf alle (hypothetischen) Wettbewerber, also auch die in öffentlicher Hand, die Eigenschaft als „sonstige Stelle“ ausschließt, lässt sich nicht präzise bestimmen. Aus Sicht der Verteidigung begründet das zumindest Hoffnung. Sie sollte aber nicht überwertet werden. Denn was in der einen Entscheidung in obigem Sinn restriktiv klingt,[106] wird in der nächsten kaum noch erwähnt,[107] um in einer weiteren im Anschluss an BGHSt 38, 199[108] – d. h. einer eigentlich seit Inkrafttreten des KorrBekG (fast) allseits desavouierten Entscheidung –[109] scheinbar wieder Bedeutung zu erlangen.
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Aus Sicht der Strafverteidigung sollte der „Kampf“ um die (Weiter-)Geltung des in BGHSt 38, 199 vom 5. Senat des BGH Ausgeführten schon deswegen nicht aufgegeben werden, weil derselbe Senat gerade in letzter Zeit den Faden zu o. g. Entscheidung aus dem Jahre 1992 möglicherweise – zumindest ansatzweise – wieder aufnehmen will.[110]
c) Bestellung
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Ein häufig vernachlässigtes, im Einzelfall aber durchaus problemreiches Element des Amtsträgerbegriffs nach § 11 Abs. 1 Nr. 2c ist das der „Bestellung“ („zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“).[111]
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Dass diese „Bestellung“ durch einen öffentlich-rechtlichen Akt zu erfolgen hat, entspricht – soweit ersichtlich – allgemeiner Meinung.[112] Unklar ist allerdings schon, ob und wie ein solcher (öffentlich-rechtlicher) Bestellungsakt von dem ggf. privatrechtlich begründeten Beschäftigungsverhältnis zu trennen ist.[113] Soweit als Bestellungssubjekt eine „Behörde“ in Betracht kommt, ist mit einer dauerhaften Beschäftigung nach den Regeln etwa des „Tarifvertrages der Länder“ zugleich eine „Bestellung“ zur Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben verbunden.
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Anders verhält es sich, wenn es um die Beauftragung eines privaten Dienstleisters durch eine Behörde geht. Hier verbindet sich mit dem privatrechtlichen Dienstvertrag noch keine „Bestellung“. Sie ergibt sich auch nicht aus der Art der von dem „Verwaltungshelfer“ vorgenommenen Tätigkeit. Der BGH verlangt vielmehr, dass es sich entweder für den Betroffenen um eine langfristige Tätigkeit handeln muss oder seine Tätigkeit eine organisatorische Eingliederung in die Behördenstruktur bedingt.[114]
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Eine präzise, für den Strafrechtsadressaten leicht zu entschlüsselnde Definition verbindet sich mit dieser sog. „organisatorischen Betrachtung“ allerdings nicht: Der BGH versäumt zu begründen, unter welchen Voraussetzungen eine „längerfristige Tätigkeit“ anzunehmen ist und warum allein die bloße Längerfristigkeit der vertraglichen Beziehung eine „Bestellung“ indizieren soll, die kurzfristige, aber ggf. umso intensivere Hilfe bei hoheitlichen Eingriffen diesseits einer „Beleihung“ aber nicht.
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Schwer nachzuvollziehen ist der Umgang des BGH mit dem Erfordernis der „Bestellung“ auch, wenn die in Frage stehende, ggf. auch dauerhaft und voll in den betrieblichen Ablauf integrierte Person, bei einer „sonstigen Stelle“ beschäftigt ist, die privatrechtlich organisiert ist. Hier will der BGH offensichtlich einen Unterschied machen zwischen der nach wie vor einen öffentlich-rechtlichen Akt verlangenden „Bestellung“ eines „privaten Verwaltungshelfers“[115] und dem Beschäftigen in einem Unternehmen, das „selbst durch öffentlich-rechtlichen Akt, nämlich durch … einen öffentlich-rechtlichen Vertrag … zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung berufen“ ist.[116] In letzterem Unternehmen sollen Mitarbeiter schon „dadurch“, d. h. allein durch die „Bestellung“ des Unternehmens, von diesem dann (nur noch) per Anstellungsvertrag i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c „bestellt“ werden können.
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In dieser „Deduktion“ des BGH liegt nicht nur ein Bruch mit der angeblich nach wie vor Beachtung verlangenden überkommenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum „strafrechtlichen Beamtenbegriff“[117], in der – wie selbstverständlich – ausnahmslos von einem öffentlich-rechtlichen Bestellungsakt gesprochen wird.[118] Begründungsbedürftig ist auch, warum bzw. auf welche Weise eine juristische Person überhaupt „bestellt“ werden kann; oder umgekehrt, warum in der Möglichkeit einer mittelbaren „Bestellung“ keine Umgehung der Vorschrift des § 14 und kein Verstoß gegen das Analogieverbot liegt:[119]
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Immerhin wird eine nicht-beliehene juristische Person des Privatrechts unbesehen mit einer „Behörde“ gleichgesetzt und ein „Vertreter“ in die Haftung genommen, obwohl die Voraussetzungen des § 14 nicht vorliegen.[120]
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Abgesehen davon bejaht der BGH selbst dann – undiskutiert – eine „Bestellung“ einer juristischen Person des Privatrechts, wenn diese nicht (einmal) durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Staat verbunden ist.[121] Auch darin liegt eine Missachtung der – jedenfalls nach Auffassung des Gesetzgebers und des BGH – fortgeltenden Rechtsprechung des RG bzw. des „frühen“ BGH (§ 359 a. F.) zur „Bestellung“.[122] Nach dieser Rechtsprechung war es selbstverständlich, dass eine „Bestellung“, die „naturgemäß“ von einem Träger öffentlicher Gewalt auszugehen hatte, nur ein „öffentlich-rechtlicher Akt“ sein konnte.[123] Dass juristische Personen des Privatrechts sollten „bestellt“ werden können und mit ihnen die dort Beschäftigten, war der Rechtsprechung vor 1997[124] schon deswegen keiner Diskussion wert, weil juristische Personen des Privatrechts ohnehin nicht als „sonstige Stelle“ galten[125] oder zumindest nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung waren.
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In diesem Zusammenhang verwundert auch, dass die „Berufung“ zum „Beamten“ (vgl. § 359 a. F.) bzw. die „Bestellung“ zum „Amtsträger“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 2c) zwar allenthalben als „öffentlich-rechtlicher“ Akt bezeichnet wird,[126] dass aber diese Inpflichtnahme einer Person durch das Strafrecht in dem für Verwaltungshandeln eigentlich zuständigen Öffentlichen Recht – soweit ersichtlich – nicht vorkommt. Angesichts der nicht zuletzt vom BGH beschworenen Verwaltungsrechtsakzessorietät des „Amtsträgerbegriffs“[127] mag dies überraschen, darf allerdings umgekehrt nicht dazu führen, dass ausgerechnet in Bezug auf die „Bestellung“ nunmehr rein ergebnisorientiert auf jeden Rückgriff auf Grundsätze des Verwaltungsrechts verzichtet wird.
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Insbesondere kann daher eine „Bestellung“ nicht allein deswegen angenommen werden, weil eine Person „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnimmt. Letzteres kann zwanglos auch durch einen Angestellten eines materiell privatisierten Unternehmens, das keine „sonstige Stelle“ ist, erfolgen. Die „Bestellung“ darf sich aber auch nicht aus dem Umfang der staatlichen Beteiligung oder der Art der „Steuerung“ des Unternehmens durch die öffentliche Hand ergeben, weil (auch) diese Umstände allein die juristische, nicht aber die natürliche Person betreffen.
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Soweit der BGH meint, dass durch einen „öffentlich-rechtlichen Akt“, nämlich „… einen öffentlich-rechtlichen Vertrag“ ein Unternehmen „zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung berufen“ werden könnte und allein „dadurch“ zugleich „einzelne Mitarbeiter … zu Amtsträgern“ transformiert werden könnten,[128] fehlt jede Auseinandersetzung mit der abschließenden Regelung des § 14. Gemäß dieser Vorschrift könnte die „Bestellung“ der juristischen Person einen Vertreter[129] des Unternehmens nur dann zu einem „Amtsträger“ machen, wenn die Amtsträgereigenschaft ein besonderes persönliches Merkmal des Unternehmens (!) wäre. Dazu müsste aber eine juristische Person „Amtsträger“ sein können. Das ist nicht der Fall.[130] Die Konstruktion einer mittelbaren „Bestellung“, mit der der BGH das unübersehbare Fehlen eines an die jeweilige als „Amtsträger“ in Betracht kommende Person gerichteten „öffentlich-rechtlichen Aktes“ gleichsam „heilen“ will, stellt eine Umgehung der Regelung des § 14 dar und ist damit eine strafbarkeitserweiternde unzulässige Analogie.
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Abgesehen davon läge es in der Konsequenz der Auffassung des BGH, dass eine „Bestellung“ allein deswegen vorliegen würde, wenn eine Person in irgendeinem Unternehmen „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnimmt. Dass das nicht richtig sein kann, zeigt sich allerdings daran, dass auch materiell privatisierte Unternehmen oder in Public-Private-Partnership geführte Unternehmen bei vertraglicher Bindung an die Auftrag vergebende öffentliche Hand „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen“, ohne dass das Unternehmen oder gar dessen Mitarbeiter deswegen i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung „bestellt“ wären! Mit Blick auf „mittelbare“ Bestellungen sollte es daher bei dem bleiben, was der 1. Senat des BGH in seiner Entscheidung vom 15. Mai 1997 mit erfreulicher Klarheit hervorgehoben hat: „Allein aus der von einer Bestellung losgelösten Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung lässt sich kein ausreichendes Abgrenzungskriterium – zumindest für die §§ 331 ff. entnehmen. … Eine Amtsträgereigenschaft ist ohne öffentlich-rechtlichen Bestellungsakt nicht anzunehmen.“[131]
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Deutlicher ließe sich die Fortgeltung der Rechtsprechung zu § 359 a. F.,[132] aber auch das Erfordernis eines unmittelbar personenbezogenen „öffentlich-rechtlichen“ Bestellakts, eigentlich kaum postulieren; der BGH hat dem allerdings nicht Folge geleistet.
d) Exkurs – Zur Verdeutlichung
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Die Entscheidung des BGH vom 30.1.1992[133] ist – auch nach Selbsteinschätzung des Senats[134] – nicht nur die bis dahin erste Entscheidung des BGH zu einer „dem Staat gehörenden Kapitalgesellschaft in Privatrechtsform“, in der „Aufgaben der Daseinsvorsorge“[135] – hier des sozialen Wohnungsbaus – erfüllt werden, es gibt – soweit ersichtlich – auch keine einschlägige Entscheidung des RG, die die Grundlegung durch BGHSt 38, 199 ernsthaft in Frage stellen würde.[136]
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In der genannten Entscheidung verneint der BGH die Amtsträgereigenschaft des Geschäftsführers einer GmbH, die sich nicht nur im Alleineigentum der öffentlichen Hand befindet, sondern nach gängigem Verständnis auch Aufgaben wahrnimmt, die zur staatlichen Daseinsvorsorge zählen:
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„Amtsträger“ im strafrechtlichen Sinne könne nur sein, wer Verrichtungen vornehme, die unmittelbar aus der Staatsgewalt abgeleitet seien. Das sei zum einen dann der Fall, wenn der Staat die ihm zustehenden hoheitlichen Aufgaben selbst wahrnehme oder es durch beliehene Dritte tue.[137] Darüber hinaus sei die Amtsträgereigenschaft der Betroffenen auch begründet, wenn der Staat wirtschaftliche Einrichtungen der Leistungsverwaltung betreibe, die unmittelbar dazu bestimmt seien, für die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit zu sorgen.[138] Bei Personen, die in einem privatrechtlich organisierten Unternehmen tätig sind, fehle es aber daran: Wenn der Staat sich bewusst für die Verwendung einer privatrechtlichen Gesellschaftsform entschieden habe, sei die von den in den Unternehmen beschäftigten Personen ausgeübte Tätigkeit nicht unmittelbar aus der Staatsgewalt abgeleitet und daher ihrer Art nach keine Verwaltungstätigkeit.[139] Diese – zumindest in Ansehung des Bestimmtheitsgrundsatzes begrüßenswerte – „organisatorische Betrachtungsweise“ führt dazu, dass – wenn überhaupt – privatrechtlich organisierten Unternehmen der öffentlichen Hand nur ganz ausnahmsweise, etwa bei völligem Fehlen eines Marktes und sehr enger, d. h. etwa durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag begründeter Anbindung an den Staat, Behördengleichheit zugeschrieben werden könnte;[140] bzw. dann, wenn das Unternehmen dem einzelnen Bürger so gegenübertritt, dass es diesem im Ganzen, „nicht nur in einzelnen Beziehungen“ wie eine Behörde erscheint.[141]
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Bei einem Unternehmen der öffentlichen Hand, das – und wenn auch nur programmatisch – als Konkurrent unter anderen auf einem Markt auftreten will, fehlt eine solche „Behördengleichheit im Ganzen“ schon deswegen, weil „Behörden“ sich typischerweise nicht als Konkurrenten auf einem Markt bewegen (dürfen).
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Wenn daher Unternehmen der öffentlichen Hand, die sich (auch) der privaten Konkurrenz stellen, als „sonstige Stellen“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c betrachtet werden,[142] mag das der (wahren) expansiven Intention des Gesetzgebers des KorrBekG entsprechen, ist aber mit der Entscheidung BGHSt 38, 199 nicht kompatibel.
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Durch das KorrBekG erhielt § 11 Abs. 1 Nr. 2c den Zusatz: „… unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform“. Das zielte – eigentlich unmissverständlich – auf die soeben erwähnte, als zu restriktiv empfundene, zunächst richtungweisende BGH-Entscheidung aus dem Jahre 1992.
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Der Gesetzgeber hat allerdings insofern ein Verständnis-„Problem“ geschaffen, als die Gesetzesbegründung meint, der Zusatz stelle lediglich klar, was vorher schon galt.[143]
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Wird das ernst genommen, ist der Frage nachzugehen, was denn vorher galt. Dabei stellt sich dann allerdings schnell der wenig überraschende Befund ein, dass „vorher“ in Bezug auf die Behandlung von Angestellten von privatwirtschaftlichen Unternehmen der öffentlichen Hand allein die Entscheidung BGHSt 38, 199 „galt“, weil es andere einschlägige höchstrichterliche Entscheidungen zu diesen Problemen nicht gab:
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Zu der Vorschrift des § 359 a. F., die – als Nachfolgeregelung zu § 333 des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten vom 14.4.1851 – zwischen 1871 und 1975 galt,[144] existiert keine Entscheidung des RG bzw. des BGH,[145] die trotz der allenthalben beklagten Weite des sog. „strafrechtlichen Beamtenbegriffs“[146] einen Angestellten einer GmbH oder einer AG, an der der Staat mit welchen Anteilen auch immer beteiligt war, als „Beamten“ eingestuft hätte.
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Dass der Grund dafür im Fehlen möglicherweise einschlägiger Fallkonstellationen zu suchen ist, ist auszuschließen: Seit Ende des 19. Jahrhunderts gibt es in Deutschland zahlreiche privatrechtlich organisierte Unternehmen, an denen der Staat, vornehmlich die Kommunen, in verschiedener Größenordnung oder als Alleininhaber beteiligt war.[147] Immerhin wurde die notorische „Flucht des Staates in das Privatrecht“ schon Ende der 1920er Jahre von Vertretern des Verwaltungsrechts beklagt.[148] Dass es in den „geflohenen“ Unternehmen keine „Korruption“ gegeben hätte bzw. dass diese den Ermittlungsbehörden nicht bekannt geworden sein könnte, ist schon in Ansehung der Quantität der veröffentlichten Rechtsprechung allein des RG zu den Vorschriften der §§ 331 ff. so gut wie auszuschließen. „Korruption“ dürfte insoweit vielmehr der – zumindest früher – abseits gelegenen und als Antragsdelikt wenig effektiven Vorschrift des § 12 a. F. UWG zugeschlagen worden sein. Abgesehen davon scheint es aus Gründen der vom RG auch sonst durchaus ernst genommenen Wortlautgrenze der Auslegung[149] ausgeschlossen, in einem Geschäftsführer, Prokuristen, Vorstand etc. einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft einen „Beamten“ (vgl. § 359 a. F.) zu sehen, mag der strafrechtliche „Beamten“-Begriff auch ansonsten recht weit gewesen sein.[150] Soweit behauptet wird, dass es unter Geltung des § 359 a. F. „umstritten“ gewesen sei, „ob eine Beamteneigenschaft im strafrechtlichen Sinne auch dann vorliegen kann“, wenn sich der Staat „privatrechtlicher Organisationsformen bedient“,[151] fehlt es an Belegen für einen „Streit“; ganz zu schweigen von irgendeinem Nachweis aus der Rechtsprechung.
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Unabhängig davon war es ohnehin Ziel der gesetzgeberischen Bemühungen im Vorfeld der Reform des Allgemeinen Teils des StGB, den allgemein als (viel) zu weit bzw. unbestimmt erachteten „strafrechtlichen Beamtenbegriff“ nicht nur zu präzisieren, sondern ihn zugleich auch restriktiver zu fassen.[152] Beides ist in Gestalt der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 2c in der Fassung des EGStGB von 1974 kaum gelungen. Unbestreitbar bleibt gleichwohl, dass mit dem Gesetz gewordenen § 11 Abs. 2 Nr. 2c a. F. kein neuer, d. h. vor allem kein im Verhältnis zum überkommenen strafrechtlichen Beamtenbegriff expansiverer „Beamten“- bzw. nunmehr „Amtsträger“-Begriff geschaffen werden sollte. Die Norm enthält lediglich den Versuch des Gesetzgebers, den von der Rechtsprechung zu § 359 a. F. entwickelten „strafrechtlichen Beamtenbegriff“ gesetzlich zu fixieren.[153] Dem entspricht es, dass der „strafrechtliche Beamtenbegriff“ nach allgemeiner Meinung unbesehen für den „Amtsträgerbegriff“ weiter Geltung beanspruchen sollte.[154] Diese vom Gesetzgeber gewollte Kontinuität des „Beamten“-, dann „Amtsträgerbegriffs“ wird auch durch die Gesetzesbegründung belegt,[155] die in erster Linie aus der zu § 359 a. F. ergangenen Entscheidung des 5. Senats des BGH vom 10.10.1958[156] schöpft.
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In der Gesetzesbegründung heißt es u. a., dass unter öffentlicher Verwaltung „sowohl die Wahrnehmung von Aufgaben der staatlichen Anordnungs- und Zwangsgewalt sowie die Tätigkeit des Staates zur Daseinsvorsorge, also die staatliche Tätigkeit, die dazu bestimmt ist, unmittelbar für die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit oder ihrer Glieder zu sorgen[157] und schließlich auch die erwerbswirtschaftlich-fiskalische Tätigkeit des Staates und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts“[158] zu verstehen sei.
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Zu Formen staatlicher Leistungsverwaltung, die dem Bürger in Organisationsformen des Privatrechts entgegentritt, verhält sich die Gesetzesbegründung nicht. Um eine privatrechtlich strukturierte Unternehmung geht es auch in der in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 10.10.1958[159] nicht:
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Bei der dort in Frage stehenden „Kleinbahn“ handelt es sich vielmehr um einen sog. Eigenbetrieb, d. h. gerade nicht um ein rechtlich ausgegliedertes, in Privatrechtsform geführtes Unternehmen. Aus der Entscheidung wird sogar recht deutlich, dass der BGH bei einer „rein privatwirtschaftlichen“ Betätigung des Unternehmens die Beamteneigenschaften des Angeklagten verneint hätte: „Zugegeben werden muss, dass eine Kleinbahn einer Gemeinde auch als ein Unternehmen rein privatwirtschaftlicher Natur betrieben werden kann. Das ergibt aber nicht ohne weiteres, dass auch die hier in Rede stehende Kleinbahn ein solches Unternehmen sei und daher ihre Verrichtungen nicht aus der Staatsgewalt abzuleiten wären.“ [160]
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Was die „sonstige Stelle“ angeht, sollte dieser Begriff nach der Gesetzesbegründung nur verdeutlichen, dass nicht nur Behörden als Anstellungsinstitutionen von „Amtsträgern“ in Betracht kommen, sondern auch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie Behördenteile, aber auch „sonstige Stellen, die zu öffentlichen Aufgaben berufen sind, so etwa Vereinigungen, Ausschüsse oder Beiräte, die bei der Ausführung von Gesetzen mitwirken“.[161] Auch diese vergleichsweise präzise Aufzählung von Beispielen für „sonstige Stellen“ i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c a. F. legt den Schluss nahe, dass privatrechtlich organisierte Unternehmen, die sich von den in der Gesetzesbegründung genannten „Stellen“ schon durch ihre rechtliche Verfassung kategorial unterscheiden, nicht erfasst sein sollten.
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Soweit der 2. Senat des BGH in seiner Entscheidung vom 19.12.1997[162] gleichwohl der Auffassung ist, die Gesetzesmaterialien seien „wenig ergiebig“ und „die mit den Worten „so etwa“ eingeleitete Aufzählung“ sei „selbst nur beispielhaft“ und schließe privatrechtlich organisierte Unternehmen „nicht von vornherein aus“,[163] ist dies mit den Regeln (seriöser) juristischer Argumentation kaum noch vereinbar:
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Wenn eine weit verbreitete, privatrechtliche Betätigungsform des Staates und hier insbesondere der Kommunen in einer sich über mehr als hundert Jahre erstreckenden, reichhaltigen Rechtsprechung[164] nicht als „beamten“- bzw. „amtsträger“-beschäftigend vorkommt und die zeitgenössische Kommentarliteratur die obige Gesetzesbegründung ebenfalls nicht zum Anlass nimmt, privatrechtlich organisierte Unternehmen des Staates als „sonstige Stellen“ in Erwägung zu ziehen,[165] kann die mit „so etwa“ eingeleitete Aufzählung kaum ernsthaft dafür in Anspruch genommen werden, sie schließe – weil nur beispielsbezogen – die letztgenannten Unternehmen nicht aus.[166] Nicht ausgeschlossen wurden auch materiell privatisierte Unternehmen, die „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnehmen. Gleichwohl können sie – unstreitig – keine „sonstigen Stellen“ sein. Auffällig ist zudem die Behördennähe der in der Gesetzesbegründung genannten „Stellen“ und ihre Ferne zu Aktiengesellschaften und GmbHs in öffentlicher Hand.
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Dass jedenfalls auch unter Geltung des § 11 Abs. 1 Nr. 2c in der Fassung des EGStGB 1974 Mitarbeiter von juristischen Personen des Privatrechts unabhängig davon, ob ihre Träger zur öffentlichen Hand gehörten, grundsätzlich nicht als „Amtsträger“ betrachtet wurden bzw. nach Maßgabe juristischer Auslegungsmethodik auch nicht als solche betrachtet werden konnten,[167] zeigt dann auch und gerade das Urteil des 5. Senats des BGH vom 29.1.1992.[168]
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All dem lässt sich die ebenfalls zu § 11 Abs. 1 Nr. 2c a. F. ergangene „GTZ“-Entscheidung des 2. Senats des BGH[169] nicht entgegenhalten:[170]
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Dort führt der BGH aus, dass „der Umstand allein, dass der Staat sich in privatrechtliche Organisationen kleide“ kein zureichender Grund für die Einschränkung der strafrechtlichen Sanktionierung sei. Diese Erwägung liege im Übrigen auch dem KorrBekG zugrunde. Soweit der frühere § 11 Abs. 1 Nr. 2c durch die Worte „unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform“ ergänzt worden sei, werde diese Einfügung – u. a. in der Begründung des Regierungsentwurfs – „zu Recht“ nur als „Klarstellung“ dessen gewertet, „was ohnehin schon galt“.[171] Was früher, d. h. zu Zeiten des § 359 a. F. „galt“, ist oben ausführlich erläutert worden.[172] Von einer – auch nur andeutungsweisen – Einbeziehung privatrechtlich organisierter Unternehmen in die Ausübung von öffentlicher Gewalt und damit ihrer Gleichstellung mit „Behörden“ kann keine Rede sein. Daher nimmt der 5. Senat in seiner Entscheidung vom 29.1.1992[173] auch zu Recht an, dass zu diesem Zeitpunkt „der Bundesgerichtshof … noch nicht über Fälle entschieden“ hatte, „in denen Aufgaben der Daseinsvorsorge von einer dem Staat gehörenden Kapitalgesellschaft in Privatrechtsform vorgenommen“ werden.
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Dass die Rechtsprechung in der Folgezeit, gleichsam in einer Gegenbewegung zu fortschreitenden Deregulierungs- und Privatisierungstendenzen des Staates, die wirtschaftliche Liberalisierung mit einem staatsbezogenen, rückwärtsgewandten strafrechtlichen Korsett versehen hat, ist unübersehbar:
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Die – in Ansehung des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der in Privatrechtsform handelnden „GTZ“ geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages[174] – noch recht zurückhaltende „GTZ“-Entscheidung ist dem BGH im Weiteren offenbar immer mehr aus dem Blick geraten, mag der 5. Senat es nach 15 Jahren auch unternehmen, einen Bogen zu seiner „Wohnungsbaugesellschafts“-Entscheidung zu schlagen.[175]
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Ein nicht ganz unmaßgeblicher Grund für die immer weiter expandierende Fassung des „sonstigen Amtsträgers“ durch den BGH dürfte im Übrigen auch darin liegen, dass die Entscheidung aus dem Jahre 1992[176] äußerst harsche Kritik von öffentlich-rechtlicher Seite erfuhr, die sich der BGH offenbar zu Herzen genommen hat. Zu Unrecht:
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Soweit die Anzahl von Zitatstellen ein Indikator für eine entsprechende „Wirkung“ auf Entscheidungsfindungen ist, war insbesondere Ossenbühls (kurze) Rezension der Entscheidung BGHSt 38, 199 von erheblichem Einfluss auf die weitere Rechtsprechung. Immerhin wird Ossenbühls Anmerkung[177] in verschiedenen Entscheidungen nicht nur des 2. Senats noch lange nach Erscheinen als maßgebliche Stimme aus dem Verwaltungsrecht zitiert.[178]
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Das ändert allerdings nichts daran, dass Ossenbühl sowohl verwaltungs- als auch strafrechtlich nicht nur ungenau, sondern auch tendenziös argumentiert: Ossenbühl meint u. a., dass aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 2c a. F. ohne Weiteres (folge), dass der „Amtsträgerbegriff an den Verwaltungsaufgaben orientiert ist und nicht an den Organisationsformen der Verwaltung“.[179] Insbesondere bei dem Begriff „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ handele es sich um einen „Verweisungsbegriff“, mit der Folge, dass das Strafrecht „kraft des gesetzlichen Verweisungsbegriffs „verwaltungsakzessorisch“ gestaltet“ sei. Dies verkenne der 5. Senat[180] mit einer „schon im Ansatz an Lustlosigkeit (grenzenden) Nachlässigkeit“, wenn er aus dem Umstand einer privatrechtlichen Organisationsform ableite, dass keine „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ mehr wahrgenommen würden. Denn eine Verwaltungsaufgabe verliere nicht dadurch ihren Charakter als „öffentliche Aufgabe“, dass „sie in den Organisationsformen des Privatrechts erfüllt wird“.[181] Die Verwaltung weiche „aus vielerlei Gründen in privatrechtliche Organisationsformen aus“, im Wesentlichen, um die Aufgabenerfüllung „optimaler“(!) zu gestalten. „Völlig unbestritten“ sei, „dass die Grundrechtsbindungen … auch dann durchschlagen, wenn die Verwaltung in Privatrechtsform“ handele. „Warum sollte dies bei strafrechtlichen ‚Bindungen‘ anders sein …?“ Die Entscheidung schließe die Befugnis ein, „das Strafrecht ‚abzuwählen‘“[182] „Ganz verfehlt“ sei die Bezugnahme des 5. Senats auf die Entscheidung RGSt 60, 139, 141 aus dem Jahre 1926, weil es dort um eine sog. materielle Aufgaben-Privatisierung, nicht aber, wie im entschiedenen Fall, um eine bloß formelle, d. h. Organisationsprivatisierung gegangen sei.[183]
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Alle diese Argumente gehen fehl. Abgesehen davon sind die Ausführungen zur „Privatisierung“ entweder (absichtlich) unvollständig oder nicht auf dem – auch in Ansehung des Erscheinungsdatums der Anmerkung – letzten Stand der Diskussion:
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Selbst wenn der Begriff der „Verwaltungsaufgaben“ verwaltungsrechtsakzessorisch sein sollte, kann er nicht unabhängig von der „sonstigen Stelle“ gesehen werden, bei der diese Aufgaben gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2c wahrgenommen werden müssen. Eine Aufgabe kann „an sich“ noch so sehr eine Verwaltungsaufgabe sein; wird sie von einem gänzlich privaten Träger außerhalb der Verwaltung wahrgenommen, macht die bloße Aufgabenerfüllung aus dem Privaten keine Behörde und auch keine „sonstige Stelle“. Wenn also – mit Ossenbühl – anzunehmen ist, dass eine sog. „materielle“ (im Gegensatz zur bloßen Organisationsprivatisierung) „Aufgabenprivatisierung“ dazu führt, dass das in Frage stehende Unternehmen selbst dann keine „Amtsträger“ beschäftigt, wenn dieses Unternehmen die früher von der Verwaltung erledigten „Aufgaben“ nunmehr auf Grund eines Vertrages mit der Verwaltung statt dieser erfüllt,[184] zeigt sich, dass es nicht darum geht, was „Aufgabe der Verwaltung“ ist, sondern darum, welches Rechtssubjekt (= „Stelle“) sie durchführt.
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Dass Ossenbühl darüber hinaus selektiv argumentiert, zeigt sich daran, dass er auf die seit jeher durchaus verbreiteten[185] gemischt-wirtschaftlichen, d. h. in sog. Public-Private-Partnership geführten Unternehmen überhaupt nicht eingeht.
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Derartige Unternehmen erfüllen in der Regel (auch) „Aufgaben“, die ansonsten der öffentlichen Verwaltung zugewiesen sind, gleichwohl werden Public-Private-Partnership-Unternehmen im Verwaltungsrecht ganz überwiegend nicht unter dem topos einer bloßen Organisationsprivatisierung geführt.[186]
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Wenn Ossenbühl die Verwaltungsrechtsakzessorietät der Begriffe in § 11 Abs. 1 Nr. 2c n. F. wirklich ernst nehmen würde, hätte er sich – zur Vermeidung von „Nachlässigkeiten“ – auch mit der „sonstigen Stelle“ auseinandersetzen müssen. Dabei hätte sich dann ergeben, dass im Verwaltungsrecht eine „Stelle“ entweder eine „Behörde“ ist oder ein „Behördenteil“ bzw. eine Organisationseinheit, die in der Verwaltung (aber außerhalb von Behörden) angesiedelt ist. Dass eine solche „Stelle“ aber nicht eine GmbH oder AG sein kann, die als eigene Rechtspersönlichkeit in selbständigen vertraglichen Beziehungen mit Trägern öffentlicher Gewalt steht, dürfte unbestreitbar sein. Daraus folgt, dass die Erfüllung von Aufgaben der Verwaltung bei Beauftragung eines Dritten Sache der Verwaltung bleibt, die sich ggf. lediglich zur Erfüllung einer sie nach wie vor treffenden Aufgabe eines privatrechtlichen Subjekts bedient. Dessen Mitarbeiter sind dann aber keine Sachwalter der Verwaltung, der sie nicht nur (arbeits-)rechtlich nichts schulden. Sie sind vielmehr allein ihrem privaten Anstellungsunternehmen nach Maßgabe arbeits- und/oder gesellschaftsrechtlicher Vorgaben verpflichtet.[187] Derartige rein privatrechtliche Verpflichtungen bestehen aber unabhängig davon, ob das Unternehmen zu 100 % von Trägern öffentlicher Gewalt beherrscht wird, ob die Mehrheit sich bei einem Privaten befindet oder der Staat, für den das Unternehmen welche Aufgabe auch immer erfüllt, überhaupt nicht beteiligt ist. Das von der Verwaltung jeweils mit der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben beauftragte Unternehmen ist – z. B. aus Gründen des Vergaberechts –[188] grundsätzlich durch jedes andere zur Vertragserfüllung sich im Stande sehende Unternehmen, welcher Organisationsform auch immer, ersetzbar. Letzteres gilt aber nicht für den zur Aufgabenerfüllung ggf. verpflichteten oder sonst sich zuständig fühlenden, drittbeauftragenden Staat.