Kitabı oku: «Arztstrafrecht in der Praxis», sayfa 38

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b) Die aufzuklärende Person

434

Ebenso wie grundsätzlich der behandelnde Arzt aufklärungspflichtig ist, ist der Patient, um dessen Entscheidung (Einwilligung/Veto) es geht, aufklärungsbedürftig.

§ 630d Abs. 1 S. 1 BGB verlangt, dass der Behandelnde vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, verpflichtet ist, die Einwilligung des Patienten einzuholen.[436] Aus der Formulierung könnte man folgern, dass neben der ausdrücklich eingeholten Einwilligung des Patienten nur noch die mutmaßliche Einwilligung in Betracht kommt, denn eine stillschweigende/konkludente Einwilligung sieht der Gesetzestext nicht vor. „Für die Einholung der Einwilligung ist es erforderlich, dass der Behandelnde den Patienten, nachdem er ihn vorher in verständlicher Weise ordnungsgemäß aufgeklärt hat, ausdrücklich und unmissverständlich fragt, ob er in die Maßnahme einwilligt.“[437]

Wenn eine Einwilligung für eine „unaufschiebbare“ Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, darf die Maßnahme nach § 630d Abs. 1 S. 4 BGB ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.

aa) Die natürliche Einsichtsfähigkeit als Voraussetzung wirksamer Einwilligung

435

Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung des Patienten ist dessen „Einwilligungsfähigkeit“. Davon geht auch § 630d BGB aus, doch hat der Gesetzgeber leider die Chance verpasst, die hierzu strittigen Detailfragen zu klären.

So wurde die Gelegenheit nicht genutzt, im „Patientenrechtegesetz“ die Einwilligungsfähigkeit bzw. Einwilligungsunfähigkeit zu definieren und den insbesondere aufgrund der divergierenden Auffassungen der Zivil- und Strafgerichte unbefriedigenden Rechtszustand der Einwilligungskompetenz Minderjähriger zu regeln. Denn ob man aus der Regelung in § 630d Abs.1 S. 2 BGB wirklich folgern kann, dass dem einsichtsfähigen Minderjährigen ein Alleinentscheidungsrecht zukommt[438] scheint insbesondere mit Blick in die Gesetzesbegründung zweifelhaft[439]. So bleibt es bis zur Klärung durch die Rechtsprechung bei der im Folgenden dargestellten, zum Teil unterschiedlichen Betrachtung im Zivil- und Strafrecht.

Da die Einwilligung nach überwiegender Auffassung keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung im Sinne der §§ 104 ff. BGB ist, kommt es auf die bürgerlich-rechtliche Geschäftsfähigkeit des Patienten nicht an. Ebenso wenig kommt es auf die strafrechtlichen Normen der Zurechnungsfähigkeit und der Strafmündigkeit, die bei Kindern unter 14 Jahren fehlt (§ 19 StGB), an. Entscheidend ist vielmehr, dass der Patient die vom Arzt zu beurteilende natürliche Einsichts-, Urteils- und Verständnisfähigkeit hat,[440] um die ärztliche Maßnahme, ihre Folgen und Risiken zu ermessen, anders formuliert, dass der Kranke in einem Akt der Selbstbestimmung (Art. 1, 2 GG) Wesen, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs zumindest in groben Umrissen erkennen und das Für und Wider abwägen kann.[441] „Einwilligungsfähigkeit ist die generelle Fähigkeit zur vernünftigen Entscheidung,“[442] d.h., der Einwilligende muss die Tatsachen erfassen, hinsichtlich ihrer Folgen und Risiken bewerten, Alternativen prüfen und sein Verhalten danach ausrichten können.[443] Eine starre Altersgrenze lässt sich nicht ziehen.[444] Grundsätzlich wird davon auszugehen sein, dass ein Volljähriger einwilligungsfähig ist.[445]

Bei folgenschweren Eingriffen ist deshalb ein strengerer Maßstab an das Einsichts- und Urteilsvermögen anzulegen als bei Bagatelleingriffen, bei Behandlungsalternativen soll die Urteilskraft mehr gefordert sein, als wenn medizinisch nur eine Maßnahme in Betracht kommt, bei unaufschiebbaren Eingriffen soll die Grenze der Einwilligungsfähigkeit im Prinzip niedriger sein als bei aufschiebbaren.[446]

Es ist Aufgabe des Arztes, die Einwilligungsfähigkeit bzw. Einwilligungsunfähigkeit des Patienten zu beurteilen, wobei er die gesamten Umstände – Alter, physische und psychische Konstitution, Einfluss von Medikamenten, Grad der Verständnisfähigkeit, Bildungsgrad, Vorkenntnisse, Herkunft, kulturelle Tradition u.a. – berücksichtigen muss. In Zweifelfragen ist ein Neurologe/Psychiater konsiliarisch zu Rate zu ziehen.

Eine Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP)[447] geht davon aus, dass beim erwachsenen Patienten zunächst Einwilligungsfähigkeit zu unterstellen, Einwilligungsfähigkeit zu definieren und Einwilligungsfähigkeit anzunehmen ist, falls Einwilligungsunfähigkeit nicht besteht. Um nicht „jede nach außen unsinnig erscheinende Willensäußerung als Indikator für Einwilligungsunfähigkeit“ zu werten, geht sie von einer Zweistufigkeit in der Definition der Einwilligungsunfähigkeit aus: „Einwilligungsunfähig ist derjenige, der wegen Minderjährigkeit, psychischer Krankheit oder geistiger Behinderung (1. Stufe) unfähig ist,


den für die Entscheidung relevanten Sachverhalt zu verstehen (Verständnis),
ihn im Hinblick auf seine gegenwärtige Situation und die sich daraus ergebenden Folgen und Risiken zu verarbeiten (Verarbeitung),
zu erfassen, welchen Wert die betroffenen Interessen für ihn haben und zwischen welchen Möglichkeiten er wählen kann (wichtig ist die Bezugnahme auf die – nicht durch Krankheit verzerrte – Werterhaltung des Betroffenen) (Bewertung),
den eigenen Willen auf der Grundlage von Verständnis, Verarbeitung und Bewertung der Situation zu bestimmen (Bestimmbarkeit des Willens; 2. Stufe)“.

Die Einwilligungsfähigkeit hat also eine intellektuelle und eine voluntative Komponente.[448]

(1) Der einwilligungsunfähige Patient

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Ist der Patient einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, soweit nicht eine Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB die Maßnahme gestattet[449] oder untersagt (§ 630d Abs. 1 S. 2 BGB). Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt voraus, dass der Patient oder der an seiner Stelle zur Einwilligung Berechtigte vor der Einwilligung nach Maßgabe des § 630e Abs. 1–4 BGB aufgeklärt worden ist (§ 630d Abs. 2 BGB).

Die Frage, wen der Arzt im Rahmen einer „Einwilligungsaufklärung“ aufklären muss, bietet in den Fallkonstellationen Probleme, in denen die Entscheidungsfähigkeit des Patienten in Frage steht. Dabei ist zwischen dem minderjährigen Patienten einerseits und dem volljährigen, aber willensunfähigen Patienten andererseits zu unterscheiden. Unabhängig von dem Erfordernis, eine „Einwilligungsaufklärung“ eines zur Entscheidung über die medizinische Maßnahme Berechtigten (Vormund, Betreuer, gesetzlicher Vertreter oder rechtsgeschäftlich Bevollmächtigter)[450] einzuholen, verpflichtet § 630e Abs. 5 S. 1 BGB dazu, dem (einwilligungsunfähigen) Patienten die wesentlichen Umstände seinem Verständnis entsprechend zu erläutern, soweit er aufgrund seines Entwicklungsstandes und seiner Verständigungsmöglichkeiten in der Lage ist, die Erläuterungen aufzunehmen, und soweit dies seinem Wohl nicht zuwiderläuft. Offen bleibt aber, welche Konsequenzen die Nichterfüllung dieser Verpflichtung hat.[451] Auf die Wirksamkeit der Einwilligung (des Berechtigten) hat ein Verstoß gegen § 630e Abs. 5 BGB keinen Einfluss,[452] denn die Wirksamkeit der Einwilligung nach § 630d Abs. 2 BGB fordert die Aufklärung nach § 630e Abs. 5 BGB ausdrücklich nicht.

Von dieser Information darf abgesehen werden, wenn sie ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere, wenn die Maßnahmen unaufschiebbar ist oder der Patient auf Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat (§ 630e Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 BGB).

bb) Minderjährige Patienten
(1) Einwilligungsfähigkeit und Entscheidungskompetenz[453]

437

Gemäß § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB sind die Eltern gemeinschaftliche gesetzliche Vertreter des „Kindes“ bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, d.h. dem Eintritt der Volljährigkeit und unbeschränkten Geschäftsfähigkeit („Vertragsmündigkeit“). Bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern ist die Einwilligung versagt, so dass notfalls das Familiengericht (§§ 1627 ff. BGB) anzurufen, bei Unaufschiebbarkeit der medizinisch indizierten Maßnahme diese durchzuführen ist. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 S. 1 BGB übertragen ist (§ 1629 Abs. 1 S. 3 BGB). Bei dem ungeborenen Kind liegt die Entscheidungskompetenz allein bei der Mutter.[454]

(2) Keine festen Altersgrenzen

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Feste Altersgrenzen gibt es insoweit angesichts der „Vielfalt der in Rede stehenden ärztlichen Maßnahmen“ sowie der „Prozesshaftigkeit der Reifeentwicklung“ nicht[455], weshalb die Frage der Einwilligungsfähigkeit fortlaufender Überprüfung bedarf. In demselben Maß, wie der Reifeprozess fortschreitet, weicht das elterliche Sorgerecht zugunsten des Selbstbestimmungsrechts und der Eigenverantwortlichkeit des minderjährigen Patienten zurück[456]. Wenn § 1626 Abs. 2 BGB von den Eltern fordert, „die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem, verantwortungsbewusstem Handeln“ zu berücksichtigen, so muss dies auch für den Arzt gelten. Maßgebend ist deshalb, ob der Einwilligende nach seiner individuellen geistigen und sittlichen Reife unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles die nötige Urteils- und Einsichtskraft hat, gerade die Bedeutung der in Rede stehenden Behandlungsmaßnahme und ihrer Gestattung zu erfassen und danach zu handeln.[457]

(3) Kinder

439

Auf der gleitenden Skala zwischen zweifelsfrei bestehender Einwilligungsunfähigkeit und zweifellos vorhandenem Einsichts- und Urteilsvermögen sind die Übergänge naturgemäß fließend, oft nur gradueller Natur im Sinne eines Mehr oder Weniger, so dass „eine klare Ja-Nein-Entscheidung nur selten möglich ist.“[458] Übereinstimmung besteht jedoch darin, dass Minderjährige unter 14 Jahren – allgemein und auch hier im Folgenden als „Kinder“ bezeichnet – wohl grundsätzlich (Ausnahmen vorbehalten „angesichts der großen Variationsbreite des Entwicklungsstandes“)[459] einwilligungsunfähig, also vertretungsbedürftig sind und damit der Arzt bei ihrer Behandlung wohl stets die Zustimmung des oder der Personensorgeberechtigten (im Regelfall der Eltern) einholen muss.[460]

Die Eltern können sich aber gegenseitig ermächtigen, für den anderen mit zu entscheiden.[461] Zum Zustimmungserfordernis bei der Behandlung von Kindern und zur Reichweite der gegenseitigen Ermächtigung hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung 1988 eine Dreistufentheorie entwickelt,[462] die zwischen „Routinefällen“, „ärztlichen Eingriffen schwererer Art mit nicht unbedeutenden Risiken“ und „großen Operationen mit schwierigen, weit reichenden Entscheidungen und erheblichen Risiken“ differenziert. Im ersteren Falle, also bei der Behandlung „leichterer Erkrankungen und Verletzungen“, darf sich der Arzt „im allgemeinen ungefragt auf die Ermächtigung des erschienenen Elternteils zum Handeln für den anderen verlassen“.[463] Bei Eingriffen mittlerer Schwere, der zweiten Kategorie, muss sich der Arzt „darüber hinaus vergewissern, ob der erschienene Elternteil die Ermächtigung des anderen hat und wie weit diese reicht“. Bei der dritten Fallgruppe, den schwerwiegenden Eingriffen, muss sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs der Arzt jedoch Gewissheit über das Einverständnis des nicht erschienenen Elternteils mit der vorgesehenen Behandlung des Kindes verschaffen.

Auf welche Weise dies zu geschehen, welche Anstrengungen der Arzt insoweit zu unternehmen hat, wie Gewissheit objektiv zu definieren ist, bleibt aber offen und daher ebenso unklar wie die Zuordnung des jeweiligen konkreten Falles zu den drei Eingriffskategorien, deren Grenzen fließend und wertungsabhängig sind. Es wundert daher auch nicht, dass beide Vorinstanzen im konkreten Fall einer Herzoperation die Aufklärungspflichtverletzung verneint haben, zumal der Eingriff indiziert und lege artis durchgeführt worden war. Die Entscheidung zeigt einmal mehr das unsichere Terrain, auf dem sich der Arzt hier befindet und wie wichtig deshalb die – leider häufig unterbleibende – Prüfung der Verschuldensfrage bei Aufklärungspflichtverletzungen ist.

(4) Jugendliche

440

Für die Altersstufe der 14- bis 18-Jährigen, meist und auch im Folgenden „Jugendliche“ genannt, kommt es zum einen auf den Reifegrad und das Lebensalter, mehr aber auf die Art der Krankheit und die konkret geplante ärztliche Maßnahme, deren Dringlichkeit, Komplikationsmöglichkeiten und körperliche Auswirkungen an: „Je schwerwiegender, je weniger dringlich, je unübersehbarer in seinen Risiken und Folgen ein Eingriff“[464] und je jünger der Patient ist, desto eher fehlt die Einwilligungsfähigkeit des Jugendlichen.

„Je mehr es umgekehrt um eine reine Routinebehandlung“[465] oder „um die sofortige Notwendigkeit eines lebensrettenden Eingriffs“[466] geht und sich das Alter dem Volljährigkeitszeitpunkt nähert, desto eher kann dem Jugendlichen ein „hinreichendes Verständnis zugetraut werden, um das Für und Wider verständig gegeneinander abzuwägen“,[467] desto eher also ist von seiner Einsichtsfähigkeit und damit – allerdings nur aus strafrechtlicher Sicht – von seiner alleinigen Entscheidungsbefugnis auszugehen,[468] selbst wenn diese im konkreten Fall zu einem Widerspruch mit dem Elternwillen führt.[469]

Denn – so das BVerfG[470] –

„das Elternrecht dient als pflichtgebundenes Recht dem Wohle des Kindes; es muss seinem Wesen und Zweck nach zurücktreten, wenn das Kind ein Alter erreicht hat, in dem es eine genügende Reife zur selbstständigen Beurteilung der Lebensverhältnisse und zum eigenverantwortlichen Auftreten im Rechtsverkehr erlangt hat. Als ein Recht, das um des Kindes willen und dessen Persönlichkeitsentfaltung willen besteht, liegt es in seiner Struktur begründet, dass es in dem Maße, in dem das Kind in die Mündigkeit hineinwächst, überflüssig und gegenstandslos wird […] Da die Entscheidungsfähigkeit des Jugendlichen für die verschiedenen Lebens- und Handlungsbereiche sich in der Regel unterschiedlich entwickelt, ist jeweils eine Abwägung zwischen Erziehungsbedürftigkeit und Selbstbestimmungsfähigkeit des Jugendlichen erforderlich. Dabei hat für die Ausübung höchstpersönlicher Rechte der Grundsatz zu gelten, dass der zwar noch Unmündige, aber schon Urteilsfähige die ihm um seiner Persönlichkeit willen zustehenden Rechte soll eigenständig ausüben können“.

Die Einwilligung eines 17-jährigen Patienten ist also wirksam, „wenn er die Einsichtsfähigkeit und Urteilskraft über Bedeutung und Tragweite der Behandlung besitzt“.[471]

441

Dasselbe gilt „für die Behandlung bösartiger Erkrankungen“. Wenn der Jugendliche aufgeklärt ist, die vorgeschlagene Therapie die „einzige Chance der Lebensrettung“ darstellt und die Folgen seiner Entscheidung für ihn übersehbar sind, sollte selbst einem 14-Jährigen die ausschließliche Einwilligungskompetenz zuerkannt werden.[472] Andererseits sind Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit eines Jugendlichen angebracht, „wenn die Erklärung jeder Vernunft entbehrt oder aus sachwidrigen Erwägungen“, etwa purem „Widerspruchsgeist“ erfolgt.[473]

Auch bei Eingriffen, die „weniger schadensabwendenden als vielmehr lebensgestaltenden Charakter“ haben, also die Persönlichkeit des oder der Jugendlichen besonders berühren, erscheint es richtiger, „die Anforderungen an die Einwilligungsfähigkeit niedriger anzusetzen“.[474] Dasselbe gilt „bei leichteren Eingriffen wie zum Beispiel einer Blutentnahme zu diagnostischen Zwecken und gynäkologischen Untersuchungen“, bei denen man „in der Regel die Entscheidungsfähigkeit einer Jugendlichen im Alter von 14-15 Jahren“ – in Ausnahmefällen vielleicht auch einer noch jüngeren – bejahen kann.[475]

(5) Kontrazeption

442

Die „Pille“ darf der Arzt angesichts des allgemeinen Wissensstandes unter Jugendlichen jedenfalls ab dem 16. Lebensjahr Mädchen, im Regelfall auch ohne Information und Zustimmung der Eltern verschreiben.[476]

Ob die Einwilligungsfähigkeit im Zusammenhang mit medizinischen Verhütungsmethoden allerdings auch bei Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren regelmäßig gegeben ist, wird unterschiedlich beantwortet. Entscheidend sind, wie stets, die konkreten Umstände des Einzelfalles. „Bemüht sich die Minderjährige aus eigener Initiative zielbewusst um eine sichere Kontrazeption, so liegt darin wohl ein Indiz für die erforderliche Einsichts- und Entschlussfähigkeit“.[477] Zu bedenken ist auch, dass die Anforderungen an die Einwilligung geringer sind, wenn eine eindeutige, dringende Indikation für die Verschreibung der „Pille“ besteht.

443

Mädchen unter 14 Jahren sind in aller Regel noch nicht einwilligungsfähig,[478] doch erscheint dies in dem hier in Rede stehenden Lebensbereich nicht ausgeschlossen. Möller[479] lässt ausdrücklich die Verordnung der „Pille“ an eine 13-jährige, voll entwickelte, geistig reife Patientin zu,[480] und auch Schewe hält es – ohne zeitliche Limitierung – bei Mädchen unter 16 Jahren für „immerhin denkbar, dass in Einzelfällen die Einwilligungsfähigkeit gegeben ist.[481] Die Gründe hierfür sollte der Arzt in allen Fallgestaltungen sorgfältig dokumentieren.

444

Bejaht der Arzt die Einwilligungsfähigkeit seiner noch nicht 14 Jahre alten Patientin im Hinblick auf die gewünschte Kontrazeption, so kommt es unter dem Aspekt der Körperverletzung für deren Rechtfertigung allein auf die Zustimmung des „Kindes“ an, so dass eine Strafbarkeit des Gynäkologen insoweit ausscheidet. Problematisch bleibt aber die Frage, ob der Arzt mit seiner Verschreibung nicht eine Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Kindern gem. § 27, § 176 Abs. 1, § 176a Abs. 1, 2 (bei Volljährigkeit des Partners) StGB begeht, wenn das Mädchen ihm als Grund ihrer Bitte die Aufnahme oder Fortsetzung von Geschlechtsverkehr mit ihrem Freund nennt. Während Heger[482] das Handeln des Arztes als „nicht notwendig strafrechtlich bedeutungslos“ bezeichnet, verneint Laufs mit Recht die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Beihilfe in derartigen Fällen. Auch eine Strafbarkeit nach § 180 Abs. 1 StGB wegen Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger scheidet aus.[483] Denn die medizinisch „indizierte Ordination“ zielt unter Abwägung der Vorteile und Risiken auf das gesundheitliche Wohl der Patientin ab. „Es liegt nicht im Normzweck des Strafgesetzes begriffen, den Arzt von der Ausübung seiner Berufspflicht abzuhalten, der dem strafrechtlich geschützten jungen Menschen Notlagen ersparen will“.[484] Subjektiv geht es dem Arzt darum, seinem therapeutischen Auftrag im Einzelfall gerecht zu werden und die kindliche Patientin vor Notsituationen zu schützen, insbesondere eine unerwünschte, risikoreiche (z.B. erhöhte kindliche Mortalität, Frühgeburtlichkeit, Anämie) Schwangerschaft, einen traumatisierenden Schwangerschaftsabbruch oder eine das junge Mädchen überfordernde Mutterschaft[485] auszuschließen. „Mag die Medikation die Wahrscheinlichkeit sexueller Kontakte objektiv erhöhen, so bleibt das ärztliche Rezeptieren doch von dem überwiegenden Risiko einer Schwangerschaft“ und der Abwendung der daraus sich möglicherweise ergebenden „schädlichen Folgen für die Jugendliche geprägt“, bedeutet also kein bewusstes und gewolltes Fördern verbotenen sexuellen Missbrauchs, sondern gewollte und medizinisch gebotene ärztliche Hilfeleistung für das Mädchen zur Vermeidung größeren gesundheitlichen und/oder seelischen Schadens. Anders läge der Fall natürlich, wenn die Patientin sich in einer „sexuellen Zwangslage, etwa in Abhängigkeit von einem tyrannischen Stiefvater“ befände, die die Mutter nicht beenden kann. Unter dieser Prämisse ist die Information staatlicher Stellen notwendig (zu den Informations- und Offenbarungsbefugnissen nach § 4 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) siehe dort), die Pille wäre dagegen „geradezu kontraindiziert“.[486]

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