Kitabı oku: «Arztstrafrecht in der Praxis», sayfa 39

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(6) Auffassung des BGH in Zivilsachen

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Der BGH geht in Zivilsachen indes davon aus, dass bei minderjährigen Patienten generell deren gesetzliche Vertreter, im Regelfall die Eltern, Adressaten der Aufklärung sind – den Minderjährigen „kann gegen die Fremdbestimmung der Eltern ein Vetorecht bei nur relativ indizierten Eingriffen mit möglichen erheblichen Folgen für die künftige Lebensgestaltung zustehen, wenn sie ausreichende Urteilsfähigkeit haben“ – dann sind auch sie aufzuklären.[487]

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Zusammenfassend ist festzustellen: Ist ein Kind einsichtsunfähig, dürfen zwar im Regelfall alle medizinisch gebotenen Maßnahmen vom Arzt im Einklang mit dem Willen der Eltern vorgenommen werden. Zu beachten ist jedoch, dass der Wille des Kindes mit fortschreitendem Alter und abnehmender medizinischer Indikation zunehmend mehr Gewicht erlangt und deshalb im Zivilrecht seine „Vetomündigkeit weiter reicht als die Einwilligungsmündigkeit“.[488] Wenngleich also in derartigen Fallgestaltungen die Eltern kraft ihres Personensorgerechts wirksam die Einwilligung zu den notwendigen, gesundheitsfördernden Maßnahmen geben können, so ist deshalb doch „nicht jeder entgegenstehende Wille“ des Kindes gänzlich unbeachtlich, vielmehr ist bei medizinisch indizierten, aber nicht zur Gefahrenabwehr dringlichen Behandlungsmaßnahmen eine der Einwilligungsfähigkeit im Lebensalter vorausgehende Phase der „Vetofähigkeit“ anzuerkennen. Deren Ausübung muss dann zum Aufschub solcher Eingriffe führen, die bis zur Erlangung der vollen eigenen Entscheidungskompetenz des Kindes hinausgezögert werden können.[489]

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Ist der Minderjährige nach seiner Verstandesreife und körperlichen Entwicklung als einwilligungsfähig anzusehen und daher zur eigenverantwortlichen Entscheidung über seine Gesundheit fähig, kommt es nach herrschender, aber nicht unbestrittener Auffassung im Strafrecht allein auf die Entscheidung des unmittelbar betroffenen Minderjährigen an (vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen, vgl. § 40 Abs. 4 AMG). Der Wunsch oder der Wille der Eltern ist rechtlich unbeachtlich, ihr elterliches Sorgerecht tritt hinter die Einwilligungsmündigkeit zurück.[490] Maßgebend für die rechtliche Zulässigkeit des Heileingriffs ist ausschließlich die Zustimmung des einsichts- und urteilsfähigen Jugendlichen, unbeschadet des Umstands, dass die Zuerkennung der Einwilligungsfähigkeit an Minderjährige restriktiv erfolgen, der Arzt sich in Zweifelsfällen also der Zustimmung der Eltern vergewissern sollte und generell der gemeinsamen Entscheidungsfindung des Jugendlichen mit seinen Eltern der Vorzug gebührt. Festzuhalten ist jedoch: Es besteht keine kumulative Entscheidungskompetenz des Jugendlichen und der Eltern, so dass der Arzt weder verpflichtet noch – angesichts seiner Schweigepflicht! – berechtigt ist, die Eltern in irgendeiner Weise unter Umgehung des bzw. der Jugendlichen von sich aus in das Behandlungsgeschehen einzubeziehen.

Die (alte) Entscheidung des OLG Hamm,[491] wonach die Minderjährige in jedem Fall der Zustimmung der Eltern zu einem Schwangerschaftsabbruch bedarf, ist daher abzulehnen. Sie wurde inzwischen korrigiert[492]. Das elterliche Personensorgerecht muss hinter das Selbstbestimmungsrecht der einwilligungsfähigen Schwangeren zurücktreten, wie auch § 1626 Abs. 2 BGB andeutet.[493]

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Ist der Minderjährige dagegen nicht einwilligungsfähig, müssen im Regelfall die Eltern als seine gesetzlichen Vertreter aufgeklärt werden, wobei der Arzt allerdings zumindest bei Jugendlichen auch diese informieren, also doppelt „aufklären“ sollte[494] – zivilrechtlich inzwischen in § 630e Abs. 5 BGB geregelt. Schon zuvor hat der BGH, der einer 15-Jährigen „bei einem nur relativ indizierten Eingriff mit der Möglichkeit erheblicher Folgen für ihre künftige Lebensgestaltung ein Vetorecht gegen die Fremdbestimmung durch die gesetzlichen Vertreter“ zuerkannt hatte, auch die Aufklärung der minderjährigen Patientin verlangt. Allerdings könne „der Arzt im Allgemeinen darauf vertrauen, dass die Aufklärung und Einwilligung der Eltern genügt“.[495]

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Im Falle der Scheidung, bei Getrenntleben, tatsächlicher oder rechtlicher Verhinderung eines Elternteils, gelten die Vorschriften der §§ 1671-1678 BGB.

(7) „Familienautonomie“: Kindeswohl und Fehlgebrauch des Sorgerechts

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Die Rechtsordnung respektiert im Bereich alternativ zur Verfügung stehender Behandlungsmöglichkeiten im Grundsatz die „Familienautonomie“, d.h. die Eltern entscheiden nach sachverständiger Beratung durch den Arzt stellvertretend für ihr Kind, was sie diesem im Hinblick auf den möglichen Nutzen der ärztlichen Behandlung an damit verbundenen Belastungen und Gefahren zumuten wollen oder nicht. Anders liegt der Fall jedoch, wenn die medizinische Indikation des Eingriffs oder die Notwendigkeit einer bestimmten Therapie unumstritten ist. Hier kann die Verweigerung der Einwilligung seitens des oder der Sorgeberechtigten ein Fehlgebrauch des Sorgerechts sein, da es um fremdes Leben und fremde Gesundheit geht und das Elternrecht damit, wie sich aus § 1666 BGB ergibt, an seine Grenze stößt.[496] Schon das Reichsgericht hat deshalb mit Recht darauf hingewiesen, dass der Widerspruch des oder der Sorgeberechtigten keine Handlungssperre bedeute, sondern einen Missbrauch darstellen könne, von dem der Arzt „nicht einfach zurückweichen“ dürfe. Vielmehr sei er „rechtlich verpflichtet, das ihm Mögliche zu tun, um von dem Kinde die Folgen eines solchen Missbrauchs abzuwenden“.[497] Die Rechtspflicht zum Handeln ergebe sich für derartige Fälle „aus der nahen persönlichen Beziehung, die zwischen dem Arzt und dem der Gewalt des Sorgeberechtigten unterworfenen Kinde durch den rein tatsächlichen Vorgang der Krankenhausbehandlung entstanden ist“. Daher sei der Arzt, „der einer derartigen Pflicht zuwider nicht das ihm Zumutbare zur Beseitigung der Gefahr tut, für die sich daraus ergebenden Folgen verantwortlich“.[498]

Selbst wenn also die Eltern als natürliche Sachwalter ihres einwilligungsunfähigen Kindes dessen Behandlung nach eingehender Aufklärung über die Erfolgsaussichten, Risiken, Alternativen des medizinischen Vorgehens und die Konsequenzen seines Unterlassens ablehnen, darf der Arzt diese Entscheidung nicht stets respektieren.[499] Denn wie sich aus § 1666 BGB ergibt, ist das Elternrecht durch das Wohl des Kindes eingeschränkt, und das heißt konkret: Therapiemaßnahmen, die bei objektiver Abwägung von Chancen und Risiken als unvernünftig, weil wirkungslos, zu qualifizieren sind, müssen auch bei Zustimmung oder Verlangen der Eltern unterbleiben.[500] Erfolg versprechende und als zumutbar erscheinende Behandlungsmöglichkeiten müssen dagegen auch bei Weigerung der Eltern vorgenommen werden. In gleicher Weise ist das Kindeswohl bzw. seine Gefährdung der maßgebende Aspekt für das pflichtgemäße Handeln des Arztes. Bedeutet das Abhalten eines Kindes vom Impfen, das Unterlassen seiner schulmedizinischen Behandlung, die Ablehnung einer Operation oder Bluttransfusion einen Sorgerechtsmissbrauch, darf der Arzt diesen nicht nur nicht hinnehmen oder gar unterstützen, sondern muss sich nach besten Kräften bemühen, die Eltern umzustimmen, und notfalls „auf eine familiengerichtliche Entscheidung hinwirken“.[501] Anderenfalls drohen ihm persönliche zivil- und/oder strafrechtliche Konsequenzen wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung oder unterlassener Hilfeleistung. Denn in derartigen – glücklicherweise seltenen – Fallkonstellationen geht das Schutzbedürfnis zugunsten des Kindes dem Elternrecht oder ärztlicher Methodenfreiheit bezüglich besonderer Therapierichtungen nach der eindeutigen Rechtslage vor.[502]

(8) Sonderfall Beschneidung

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Von der Öffentlichkeit nicht kommentiert, sprach das LG Frankenthal[503] nur wegen der Missachtung hygienischer Erfordernisse der Einwilligung der Eltern in die Beschneidung eines Knaben die rechtfertigende Wirkung ab und wertete die Beschneidung als Körperverletzung. Zu der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der Beschneidung nahm das LG Frankenthal nicht Stellung.[504] Ausgelöst durch ein Urteil der Kleinen Strafkammer des LG Kölns[505], entzündete sich eine lebhafte, vor allen Dingen auch öffentliche Debatte.[506] Das LG Köln sah in der Beschneidung eines vier Jahre alten Jungen aus religiösen Gründen – durch einen Arzt nach den Regeln ärztlicher Kunst – eine gefährliche Körperverletzung, hielt dem Arzt allerdings einen Verbotsirrtum zugute. Die Einwilligung der Eltern könne die Tat nicht rechtfertigen, da das Sorgerecht nur Maßnahmen erlaube, die dem Wohl des Kindes dienten, dies sei bei der Beschneidung nicht der Fall.

Die dagegen in der Literatur vertretene Auffassung, die Sorgeberechtigten verwirklichten mit der Einwilligung ein aus Art. 4 GG abgeleitetes Recht des Kindes[507] bzw. könnten sich auf einen aus Art. 4 GG abgeleiteten Entschuldigungsgrund berufen,[508] überzeugt nicht, denn Religionsfreiheit kann sich nur innerhalb der staatlichen Rechtsordnung[509] vollziehen. Geht es aber um eine Abwägung zwischen der körperlichen Integrität des Kindes und dem Erziehungsrecht der Sorgeberechtigten, dann beschränkt das Wohl des selbst nicht entscheidungsfähigen Kindes die Vornahme irreparabler chirurgischer Eingriffe.[510] Davon unberührt bleiben indizierte chirurgische Eingriffe.

Die Debatte veranlasste den Gesetzgeber, in § 1631d Abs. 1 BGB ausdrücklich festzustellen, dass die Personensorge auch das Recht umfasst, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll.[511] Allerdings gilt dies nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird. Damit fand zumindest die öffentliche Diskussion ein Ende – doch die rechtliche Würdigung, wann das Kindeswohl gefährdet ist, bleibt offen, so dass wiederum die Gerichte gefordert sind.[512]

Unstreitig ist hingegen: Die Genitalverstümmelung (Beschneidung) von Mädchen ist und bleibt als schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) und gem. § 226a StGB strafbar.[513]

cc) Einwilligungsunfähige Volljährige

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Beim volljährigen Patienten, der z.B. infolge Bewusstlosigkeit, Unfallschocks, geistiger Verwirrtheit, erheblicher Schmerzen[514] nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit und Bedeutung der Heilbehandlung einzusehen und seinen Willen hiernach zu bestimmen, ist die Rechtslage eindeutig: Die mangelnde Einsichtsfähigkeit hebt das Einwilligungserfordernis nicht auf, doch geht die „Einwilligungskompetenz“ – entgegen einer in Ärztekreisen weit verbreiteten Ansicht – nicht „ipso iure“ auf die nächsten Angehörigen,[515] z.B. den Ehepartner oder die erwachsenen Kinder über. Vielmehr muss für den einwilligungsunfähigen Kranken gemäß § 1896 BGB von Amts wegen oder auf Antrag ein Betreuer bestellt werden, es sei denn, der Patient hat durch eine wirksame Vorsorgevollmacht (§ 1904 Abs. 5 BGB) vorgesorgt, dann ist eine Betreuerbestellung durch das Betreuungsgericht nicht notwendig. Der Betreuer ist zur Entscheidung über die Erteilung der Einwilligung in den Heileingriff berufen[516] und daher entsprechend aufzuklären (§ 630d Abs. 2 BGB).[517] Besteht die begründete Gefahr, dass der Betreute aufgrund der Maßnahme stirbt, einen schweren und länger andauernden gesundheitlichen Schaden erleidet, bedarf die Einwilligung des Betreuers oder Vorsorgebevollmächtigten in den Eingriff im Grundsatz zwar darüber hinaus der Genehmigung des Betreuungsgerichts (§ 1904 Abs. 1 und 2 BGB). Davon macht § 1904 Abs. 4 BGB aber eine Ausnahme für den Fall, dass zwischen dem Arzt und dem Betreuer/Bevollmächtigten Einvernehmen über das vom Patienten Gewollte besteht.

Bei technischen oder medikamentösen Fixierungsmaßnahmen, die zu einer Freiheitsentziehung „über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig“ erfolgen sollen – aber auch nur dann[518] – und in die der Patient in einwilligungsfähigem Zustand nicht bereits zuvor wirksam eingewilligt hat, ist zusätzlich zur Einwilligung des Betreuers/des Bevollmächtigten die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich (§ 1906 Abs. 4, 5 BGB).[519]

Voraussetzung ist, dass für Einsetzung eines Betreuers und Entscheidung eines Betreuers bzw. des Betreuungsgerichts noch Zeit bleibt, der Eingriff also aufschiebbar ist. Auch bei einem schwer verletzten Patienten, der z.B. „mit einem Schädel-Hirn-Trauma, aber ohne weitere, dringend zu behandelnde Verletzungen“ in die Klinik eingeliefert wird, ist dies nicht ausgeschlossen.[520]

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In Notfällen, in denen keine eindeutige Patientenverfügung vorliegt[521] und die ärztliche Maßnahme vital indiziert und unaufschiebbar und daher die Bestellung bzw. Aufklärung eines Betreuers- bzw. eines Vorsorgebevollmächtigten – bzw. an deren Stelle die Eilentscheidung eines Betreuungsgerichts – nicht mehr rechtzeitig möglich ist, darf – u.U. sogar muss – der Arzt als „Geschäftsführer ohne Auftrag“ den gebotenen Eingriff, gestützt auf den Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung und (oder) des Notstands gemäß § 34 StGB, vornehmen.[522] In Zweifelsfällen gilt „in dubio pro vita“.

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Die Meinung der Angehörigen, die nach Möglichkeit über die geplante Maßnahme informiert und befragt werden sollten, ist dabei nur insofern von Bedeutung, als sie Aufschluss über den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten geben können[523] (s.a. § 1901a Abs. 2, § 1901b Abs. 2 BGB) „Die Aufklärung des Ehegatten des Patienten ersetzt aber nicht die Aufklärung des Patienten selbst.“[524]

Bei dem Versuch, das mutmaßliche Patienteninteresse zu ergründen,[525] hat der Wille der Angehörigen, anderer Bezugs-/Vertrauenspersonen also lediglich Indizfunktion. Ihre Meinung ist keineswegs verbindlich, sondern stellt nur – ebenso wie die gesamten Lebensumstände des Patienten – einen – durchweg wichtigen – Abwägungsgesichtspunkt unter mehreren im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau dar. Dass die Praxis häufig anders verfährt und die Zustimmung der Angehörigen als wirksame Einwilligung in den Heileingriff wertet, mag zum einen in mangelnden Rechtskenntnissen der Ärzte liegen, zum anderen in einer gewissen Abneigung gegenüber bürokratischen Prozeduren, ist vor allem aber wohl in der „Erkenntnis aller Beteiligten“ begründet, „dass die Bestellung eines Betreuers für die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten wenig erbringt“.[526]

§ 630d Abs. 1 S. 2 BGB räumt deshalb einer Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB,[527] die die Maßnahme gestattet oder untersagt, Vorrang vor der Entscheidung eines an Stelle des Einwilligungsunfähigen zur Entscheidung „Berechtigten“ ein.[528]

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Mit den 2009 im Rahmen des Patientenverfügungsgesetzes in das Betreuungsrecht des Bürgerlichen Rechtes eingefügten §§ 1901a-c BGB und ergänzenden Änderungen betreuungsrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber die bisherige Rechtsprechung zum „Patiententestament“/Patientenverfügung kodifiziert und beabsichtigt, bestehende Unsicherheiten zu klären.[529] So steht nun fest, dass die schriftliche Patientenverfügung – die jederzeit formlos widerrufen werden kann (§ 1901a Abs. 1 S. 3 BGB)[530] – eines einwilligungsfähigen Volljährigen[531] – ebenso auch die Behandlungswünsche/der mutmaßliche Wille eines Patienten – ohne Reichweitenbegrenzung, d.h. unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung, wirksam sind (§ 1901a Abs. 3 BGB), dass die Patientenverfügung keiner periodischen Erneuerung bedarf und die Einschaltung des Betreuungsgerichts auf Fälle beschränkt ist, in denen zwischen dem Arzt und den anstelle des Patienten zur Entscheidung Berechtigten Dissens über das vom Patienten Gewollte besteht (§ 1904 Abs. 4 BGB).[532]

12. Der Zeitpunkt der Aufklärung

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Da ohne die Einwilligung die ärztliche Heilbehandlung als tatbestandsmäßige Körperverletzung angesehen wird und ohne Aufklärung – von Ausnahmefällen (z.B. zeitlich dringliche Maßnahme, Verzicht) abgesehen – eine rechtswirksame Einwilligung fehlt, muss die Aufklärung stets vor Behandlungsbeginn[533] erfolgen und zwar „rechtzeitig“. § 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB verlangt, dass die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen muss, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung „wohl überlegt“ treffen kann. Näher definiert das Gesetz den Zeitraum zwischen Information und Beginn der ärztlichen Maßnahme nicht.

Die Judikatur hat in den letzten Jahren wiederholt zur Frage des richtigen Aufklärungszeitpunkts Stellung genommen und dabei Richtpunkte gesetzt: Die Antwort hängt zum einen von der Dringlichkeit und Schwere des Eingriffs, vom Vorwissen des Patienten, aber auch von den beteiligten ärztlichen Fachgebieten ab.

a) Die Umstände des Einzelfalls entscheiden

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Der korrekte Zeitpunkt der Aufklärung ist „nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der im Einzelfall gegebenen Umstände“ bestimmbar. Die (zeitliche) Dringlichkeit des Eingriffs ist dabei ein wesentlicher Abwägungsfaktor.[534] Als Grundsatz gilt, dass die Aufklärung so frühzeitig zu erfolgen hat, dass der Patient den Entschluss zur operativen oder sonstigen ärztlichen Behandlung in Ruhe überdenken, sich beraten kann und nicht „mit dem Problem sozusagen überfallen wird“[535]. Ihm muss Zeit bleiben für eine hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe, um seine Entscheidungsfreiheit, sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahren zu können.

Die Aufklärung muss deshalb zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Patient noch im Besitz seiner Erkenntnis- und Entscheidungsfreiheit ist und noch Gelegenheit hat, zwischen der Aufklärung und dem Eingriff das Für und Wider des weiteren ärztlichen Vorgehens zu erfassen und eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen[536] – wieviel Zeit ein Patient dafür benötigt, ist seine individuelle Entscheidung.

Das ist – von Notsituationen und vital indizierten ärztlichen Eilmaßnahmen abgesehen – ausnahmslos nicht mehr der Fall, „wenn sich der Patient bereits auf dem Operationstisch befindet, und auch nicht, wenn er schon auf die Operation vorbereitet wird und unter dem Einfluss von Medikamenten steht“.[537] Bei „gewöhnlichen“ Eingriffen „mit einer gewissen Dringlichkeit und weniger einschneidenden Risiken“ mag in Einzelfällen die Aufklärung am Vorabend genügen.[538] Vor einer Sterilisation aber ist selbst ein Tag ein „extrem knapper Zeitraum“,[539] der wegen der weit reichenden psychosozialen Folgen als nicht ausreichend anzusehen ist.

„Wenn ein Krankenhaus aus organisatorischen Gründen die – schon vom Grundsatz her nicht unbedenklich erscheinende – Übung hat, den Patienten unmittelbar im Anschluss an die Aufklärung zur Unterschrift unter die Einwilligungserklärung zu bewegen, kann von einer wohlüberlegten Entscheidung nicht ausgegangen werden“ meint das OLG Köln[540] und verlangt von den Ärzten, sich vor dem Eingriff „davon zu überzeugen, dass die gegebene Einwilligungserklärung nach wie vor dem freien Willen des Patienten entspricht.“ Mag dies mit geringem Aufwand erfüllbar sein, stellt sich doch die Frage, inwieweit diese, selbst wenn noch keine sedierenden Medikamente verabreicht sein sollten, aber unmittelbar vor Beginn des Eingriffs abzugebende Erklärung noch eine wirkliche „freie“ ist. Zudem werden zum Eingriff entschlossene Patienten durch diese Nachfrage eher irritiert. Jedenfalls aber ist die Auffassung, die aus dem vom OLG Köln zu entscheidenden sehr speziellen Fall einer deutlich misslungenen Kommunikation zwischen Arzt und Patientin generell eine „nachgeschaltete Überlegungsfrist“ mit zwei möglichen Einwilligungsformen, einer „unbedingten Einwilligung mit Widerrufsobliegenheit“ und einer „bedingten Einwilligung mit Vergewisserungspflicht des Arztes“ ableiten will,[541] abzulehnen. Eine solche Differenzierung schafft nicht nur Rechtsunsicherheit, sie bietet darüber hinaus Missbrauchsmöglichkeiten und findet, zumindest in der zweiten Variante, auch keinen Widerhall in § 630d Abs. 2 und 3 BGB, der von einer (unbedingten) Einwilligung ausgeht, die jederzeit ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen werden kann.

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