Kitabı oku: «Handbuch Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht für Studium und Praxis», sayfa 5

Yazı tipi:

3. Grundrechtliche Anforderungen
a) Überblick

84

Als Grundrechte kann man alle diejenigen subjektiv-öffentlichen Rechte bezeichnen, die in den Artikeln 1 bis 19 des GG normiert sind. Dazu zählen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) mit den weiteren spezielleren Freiheitsrechten und der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) mit den weiteren speziellen Gleichheitssätzen. Soweit auch außerhalb der Art. 1 bis 19 GG subjektiv-öffentliche Rechte bestehen, wie etwa der Anspruch auf rechtliches Gehör bei Gericht (Art. 101 Abs. 1 GG), so werden diese Rechte als grundrechtsgleiche Rechte166 bezeichnet. Diese Rechte sind in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG enumerativ aufgeführt. In anderer Weise kann man Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte auch in Freiheitsrechte (z. B. Art. 2 Abs. 1 GG) und Gleichheitsrechte (z. B. Art 3 Abs. 1 GG) unterteilen.

85

Grundrechte, die in der englischen Fachsprache als „Fundamental Rights“167 bezeichnet werden, können auch in der Weise kategorisiert werden, dass nach den Grundrechtsberechtigten differenziert wird. Handelt es sich um Jedermann-Rechte, wie z. B. die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), so werden diese Rechte als Menschenrechte bezeichnet (vgl. z. B. auch die EMRK bzw. European Convention on Human Rights). Solche Grundrechte hingegen, die auf bestimmte Staatsangehörige abstellen, wie z. B. die in Art. 8 Abs. 1 GG zugunsten Deutscher normierte Versammlungsfreiheit, sind Bürgerrechte bzw. Citizens‘ Rights.

86

Grundrechte binden als Grundrechtsverpflichtete – wie auch Art. 1 Abs. 3 GG belegt – alle staatliche Gewalt, mithin Gesetzgebung, Verwaltung (u. a. Polizei) und die Rechtsprechung (Grundrechtsverpflichtete). Grundrechtsberechtigte, also Personen, die sich auf Grundrechte berufen können, sind alle natürlichen Personen (Deutsche und – soweit die Grundrechte nicht nur auf Deutsche hin formuliert168 sind – auch Ausländer), außerdem inländische169 juristische Personen (AG, GmbH, Limited; auch nicht-rechtsfähige Vereine wie z. B. Gewerkschaften) und Personengesellschaften (z. B. KG, OHG), wenn das Grundrecht dem Wesen nach auf sie anwendbar ist (Art. 19 Abs. 3 GG), so z. B. bei den „Wirtschaftsgrundrechten“ u. a. mit der Unternehmerfreiheit i. S. d. Art. 12 Abs. 1 GG. Versucht man herauszufiltern, welche Grundrechte im Rahmen gefahrenabwehrrechtlicher Maßnahmen von Relevanz sind, so ergibt sich folgendes Bild (Einzelheiten s. jeweils bei den einzelnen Maßnahmen unter B., C. und D.):

1. Menschenwürde, Art. 1 Abs.1 GG

2. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG (subsidiär bzw. nachrangig gegenüber speziellen Freiheitsgrundrechten)

3. Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG

4. Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG

5. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG

6. Gleichheitsgebote, Art. 3 GG (3 Abs. 1 GG ist subsidiär bzw. nachrangig gegenüber speziellen Gleichheitsgeboten wie etwa in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG)

7. Glaubens- und Gewissensfreiheit, Art. 4 GG

8. Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG

9. Kunst- und Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG

10. Versammlungsfreiheit, Art. 8 Abs. 1 GG

11. Allgemeine Vereinigungsfreiheit, Art. 9 Abs. 1 GG

12. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Art. 10 Abs. 1 GG

13. Freizügigkeit, Art. 11 Abs. 1 GG

14. Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG

15. Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 Abs. 1 GG

16. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

17. Justizgrundrechte (Rechtsweggarantie, Art. 19 Abs. 4 GG, Justizgrundrechte in Art. 101 und 103 GG)

b) Funktionen der Grundrechte

87

Die Funktionen von Grundrechten sind seit Unterzeichnung des GG vor rund 70 Jahren nachfolgend durch die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung und durch die Literatur konkretisiert worden. Die Systematisierung dieser Grundrechtsfunktionen erfolgt in der Literatur keineswegs einheitlich. So wird etwa zwischen „Grundfunktionen“, „Funktionsausweitung durch objektive Wertentscheidungsgehalte“ und „querliegenden Funktionen“ unterschieden170, wiederum von anderen zwischen „subjektiv-rechtlichen“ und „objektiv-rechtlichen Dimensionen“171. Entsprechend der Auflistung von Sodan und Ziekow172 lassen sich im Überblick folgende Funktionen herauspräparieren:

Abwehrfunktion

Hier geht es letztlich um die Abwehr von eingreifenden staatlichen Maßnahmen, z. B. mit Blick auf polizeiliche Maßnahmen, wenn diese verfassungswidrig sind. Geschützt wird damit die Freiheitssphäre der Bürger. Das BVerfG führt hierzu aus: „Die Grundrechte sind dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.“173

Originäre Leistungsrechte

In diesen Fällen enthalten Grundrechte ausdrückliche Ansprüche gegenüber dem Staat (z. B. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG mit der Rechtsschutzgarantie oder Art. 103 Abs. 1 GG mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör bei Gericht). Ausnahmsweise abgeleitet aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip wird auch das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.174

Gleichbehandlungsfunktion

Einige Grundrechte – insbesondere Art. 3 Abs. 1 GG – erfüllen ebenfalls eine Gleichbehandlungsfunktion, an die sich auch derivative Leistungs- und Teilhaberechte anschließen können.175 Hier geht es vor allem um die gleiche Vergabe von Studienplätzen.176

Mittelbare Drittwirkung

Ausnahmsweise können Grundrechte auch im Verhältnis zwischen Privaten Wirkkraft entfalten, wenn es im Privatrecht etwa um die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „Treu und Glauben“ (§ 242 BGB) oder die „guten Sitten“ (§ 138 Abs. 1 BGB) geht, die mithilfe der grundrechtlichen Aussagen konkretisiert werden können. Man spricht insoweit von der mittelbaren Drittwirkung. Ausnahmsweise gelten die Grundrechte auch direkt im Privatrechtsverhältnis im Zusammenhang mit der Koalitionsfreiheit kraft grundgesetzlicher Anordnung (Art. 9 Abs. 3 GG).

Schutzpflichten

Der Staat hat sich auch schützend vor die Grundrechte zu stellen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.177 Aus dem Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG kann man z. B. die Einrichtung einer Polizei zur Gefahrenabwehr herleiten. Zum Teil ist hier auch von Gewährleistungsschutzpflichten178 die Rede. Hierbei besteht ein Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers, wobei der Staat indes ein Mindestmaß an Schutz nicht unterschreiten darf (sog. Untermaßverbot). Dies wäre dann der Fall, wenn kein oder gänzlich ungeeigneter Schutz besteht.179

Institutionelle Gewährleistungsfunktion

Auch schützen die Grundrechte einzelne Institute dadurch, dass letztere explizit im GG verankert sind. Zu nennen sind z. B. die Eigentumsgarantie und das Erbrecht in Art. 14 Abs. 1 GG, ferner auch das Berufsbeamtentum in Art. 33 Abs. 5 GG.180

Organisations- und Verfahrensrechtsfunktion

Grundrechte beinhalten als „querliegende Funktion“181 schließlich auch die Pflicht, den organisatorischen Rahmen so zu determinieren, dass Grundrechte adäquat wahrgenommen werden können. Ebenso erwächst aus dieser Funktion die Verpflichtung, Verfahren optimal, z. B. möglichst zügig, durchzuführen.182

c) Checkliste Grundrechtsprüfung

88

Die Prüfung, ob eine Maßnahme auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts (etwa ein Platzverweis oder eine Wohnungsdurchsuchung) mit Grundrechten vereinbar ist, ist Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung in dem praxisrelevanten Rechtmäßigkeitsschema (s. u. B. I.4.b.bb.). Insofern sind die Einzelheiten einer Grundrechtsprüfung zum Verständnis des allgemeinen Rechtmäßigkeitsschemas essenziell. Darüber hinaus sind in Studienarbeiten auch Fragestellungen möglich, die isoliert die Frage der Grundrechtskonformität einer Maßnahme zum Gegenstand haben. Im Rahmen einer solchen Grundrechtsprüfung werden im Übrigen auch weitere Aspekte der Verfassung berücksichtigt, weshalb es sich zugleich immer auch um eine allgemeine Prüfung der Verfassungskonformität handelt.

89

Die Prüfung, ob ein staatlicher Akt der Gesetzgebung, der Verwaltung oder der Rechtsprechung mit einem Grundrecht vereinbar ist, erfolgt grob gesprochen in drei Stufen. Während in Schritt 1 die Eröffnung des Schutzbereiches des jeweiligen Grundrechts untersucht wird, also die Frage, ob das Grundrecht sachlich-thematisch auf den Sachverhalt und persönlich auf den Beschwerdeführer anwendbar ist, erfolgt in Schritt 2 die Eingriffsfrage, mithin ob der staatliche Akt als Belastung des Grundrechtsträgers oder lediglich als Bagatelle zu qualifizieren ist. Liegt ein Eingriff vor, ist die Frage zu beantworten, ob dieser Eingriff gerechtfertigt werden kann. Dieser Schritt 3 mit der Rechtfertigungsprüfung ist der komplexe Part in der Gesamtprüfung. Hier ist letztlich der Frage nachzugehen, ob der Eingriff – etwa eine einzelne Polizeimaßnahme – auf ein Parlamentsgesetz zurückzuführen ist, welches die Schrankenbestimmungen des GG einhält, ob dieses Gesetz formellen und materiell-inhaltlichen Anforderungen (z. B. Verhältnismäßigkeit) genügt und ob die Entscheidung im Einzelfall ihrerseits verhältnismäßig ist.

90

Im Wesentlichen sind bei allen Fragen rund um die Grundrechtskonformität zwei Prüfungskonstellationen auseinanderzuhalten, und zwar, ob lediglich ein Gesetz als solches überprüft wird (z. B. eine bestimmte gesetzliche Regelungen zur automatischen Kennzeichenerfassung zwecks Abgleich mit dem Fahndungsbestand), oder ob eine konkrete Einzelfallentscheidung der Verwaltung oder eines Gerichts mit Grundrechten vereinbar ist.

91

Im Falle einer Prüfung eines Gesetzes auf Grundrechtskonformität kann wie folgt vorgegangen werden:183

A. [Grundrecht XX, Art. YY]

Das zu prüfende Gesetz verstößt gegen das Grundrecht XX gem. Art. YY, wenn der Schutzbereich des Grundrechts eröffnet ist (I.), ein Eingriff vorliegt (II.) und der Eingriff nicht gerechtfertigt werden kann (III.).

I. Eröffnung des Schutzbereichs

1. Sachlicher Schutzbereich

Fällt eine gewünschte Verhaltensweise (Tun oder Unterlassen) unter den Schutz des Grundrechts?

2. Persönlicher Schutzbereich

Kann sich der Beschwerdeführer persönlich auf das Grundrecht berufen (Ausländerfragen, juristische Personen, etc.)?

II. Eingriff

Moderner Eingriffsbegriff: Liegt eine Handlung eines Grundrechtsverpflichteten (hier: eine gesetzliche Regelung) vor, die in zurechenbarer Weise zu einer nicht absolut unerheblichen Belastung des Grundrechtsträgers führt?184

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs

1. Grundrechtsschranke: Parlamentsgesetz nötig

Es ist im Fall von Grundrechtseingriffen ein Gesetz nötig, entweder wegen ausdrücklichen einfachen Gesetzesvorbehaltes wie in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG oder wegen qualifizierten Gesetzesvorbehaltes, bei dem das GG an das Gesetz bestimmte zusätzliche Anforderungen stellt, z. B. in Art. 11 Abs. 2 GG. In denjenigen Fällen, in denen das GG keine Einschränkbarkeit anspricht (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), kann eingeschränkt werden aufgrund des Vorbehaltes des Gesetzes gem. Art. 20 Abs. 3 GG (verfassungsimmanente Schranke).185 Im Fall dieser verfassungsimmanenten Schranken wird in aller Regel argumentiert, es könnten nur kollidierende Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte zur Rechtfertigung herangezogen werden. Es handelt sich indes um eine „Scheineingrenzung“, denn schon die Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, oder das Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, sind so breit angelegt, dass allein hieraus Vieles argumentierbar ist (funktionstüchtige Rechtspflege etc.).186 In den seltenen Fällen der verfassungsunmittelbaren Schranken (z. B. Art. 9 Abs. 2 GG, Art. 13 Abs. 7 HS 1 GG) ist auch ein Gesetz nötig.187

Dass letztlich in allen o. g. Fällen ein Gesetz des Parlamentes erforderlich ist, ergibt sich auch aus der Wesentlichkeitsgarantie (s. o. A.III.2.), nach der in wesentlichen Bereichen – so gerade im grundrechtsrelevanten Bereich – das Parlament zu entscheiden hat. Dies schließt nicht aus, dass der Gesetzgeber die Exekutive ermächtigt, in Rechtsverordnungen Grundrechtseingriffe zu bestimmen. Die Ermächtigungsgrundlage des Gesetzgebers muss dann aber den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG genügen.

2. Formelle Anforderungen an das Gesetz

a) Gesetzgebungszuständigkeit

Es sind die Kompetenzvorschriften der Art. 30, 70 ff. GG einzuhalten.

b) Gesetzgebungsverfahren

Hier gelten Art. 76 ff. GG.

c) Zitiergebot

Es gilt die Anforderung des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG.

3. Materielle Anforderungen an das Gesetz

a) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Vgl. dazu die Ausführungen unter B. I.4.b.bb.

b) Weitere Anforderungen

Andere Anforderungen der Verfassung – z. B. das Bestimmtheitsgebot des Rechtsstaatsprinzips oder das Einzelfallgesetzverbot (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG) – sind nur anlassbezogen zu problematisieren. An dieser Stelle wird die Grundrechtsprüfung auch zu einer allgemeinen Prüfung der Verfassungskonformität.

c) Wesensgehaltsgarantie

Aufgrund ihrer Bedeutung als „Rettungsanker“ der Rechtsstaatlichkeit, sollte die Frage, ob der Grundrechtseingriff das Grundrecht unzulässig in seinem Wesensgehalt antastet (Art. 19 Abs. 2 GG), angesprochen werden. Allerdings dürfte dann bereits die Verhältnismäßigkeit zu verneinen sein.

92

Im Falle einer Prüfung einer Einzelfallentscheidung der Verwaltung (z. B. einer polizeilichen Maßnahme) oder eines Gerichtes (z. B. ein bestimmtes Urteil mit einer festgesetzten Freiheitsstrafe), ist letztlich ebenso das oben genannte Schema anzuwenden. Bei dem „Eingriff“ ist dann jedenfalls nicht das Gesetz als Eingriff zu qualifizieren, sondern die Einzelfallentscheidung. In der Rechtfertigungsprüfung ist zunächst das Vorhandensein einer Rechtsgrundlage als Basis der Einzelfallentscheidung zu prüfen, ebenso die dazu gehörigen formellen und materiellen Anforderungen an das Gesetz. Zusätzlich zum ursprünglichen Schema ist anschließend die konkrete Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gesondert auf Verhältnismäßigkeit zu begutachten. Daraus ergibt sich:

A. [Grundrecht XX, Art. YY]

Die zu prüfende Maßnahme verstößt gegen das Grundrecht XX gem. Art. YY, wenn der Schutzbereich des Grundrechts eröffnet ist (I.), ein Eingriff vorliegt (II.) und der Eingriff nicht gerechtfertigt werden kann (III.).

I. Eröffnung des Schutzbereichs

1. Sachlicher Schutzbereich

2. Persönlicher Schutzbereich

II. Eingriff

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs

1. Grundrechtsschranke: Parlamentsgesetz nötig

2. Rechtsgrundlage (Parlamentsgesetz)

a) Formelle Anforderungen an das Gesetz (Einzelheiten s. o.)

b) Materielle Anforderungen an das Gesetz (Einzelheiten s. o.)

5. Verhältnismäßigkeit der konkreten Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung

B. Befugnisse nach dem SOG
I. Grundlagen
1. Gefahrenabwehrmaßnahmen im Überblick und Struktur der Rechtmäßigkeitsprüfung

Sven Eisenmenger

a) Handlungsformen

93

Der Staat kann in verschiedenen Formen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abwehren. Dazu stehen ihm verschiedene Handlungsformen zur Verfügung, die von allgemeinen bis hin zu konkreten Maßnahmen reichen.

94

Sehr allgemeine Maßnahmen kann der Staat in Form von Normen treffen, zu denen naturgemäß die Parlamentsgesetze des Gesetzgebers (wie z. B. das SOG, PolDVG und das HafenSG) zählen. Aber auch die Exekutive kann Normen erlassen, so Rechtsverordnungen (wie z. B. in Hamburg die Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und gefährlichen Gegenständen oder die Verordnung über das Verbot der Kontaktaufnahme zu Personen zur Vereinbarung entgeltlicher sexueller Dienstleistungen im Sperrgebiet). Voraussetzung für den Erlass von Rechtsverordnungen ist, dass die Exekutive dazu konkret von dem Gesetzgeber in einem Parlamentsgesetz ermächtigt worden ist.

95

So heißt es etwa in § 1 Abs. 1 SOG, dass der Senat ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung die zum Schutze der Allgemeinheit oder des Einzelnen erforderlichen Bestimmungen zu erlassen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. § 1 Abs. 2 SOG ergänzt, dass in der Verordnung auch Ordnungswidrigkeiten geregelt werden können. Für die vom Gesetzgeber erlassenen Ermächtigungsgrundlagen, nach denen die Exekutive Rechtsverordnungen erlassen kann, gilt im Übrigen Art. 80 Abs. 1 GG („Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, dass eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.“). In Hamburg heißt es in Art. 53 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg: „(1) Der Senat kann durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. (2) Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, dass eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung einer Rechtsverordnung.“

96

Die Exekutive kann darüber hinaus auch Verwaltungsvorschriften erlassen, ohne notwendigerweise dazu gesetzlich ermächtigt worden zu sein. Es handelt sich mehr um Durchführungshinweise und Konkretisierungen für die Verwaltungspersonen als Adressaten, nicht für den Bürger. Im polizeilichen Kontext ist hier z. B. die „PDV 350“ zu nennen, die als Polizeidienstvorschrift nähere Einzelheiten etwa zu gefährlichen Orten oder gefährdeten Objekten enthält.

97

Ebenso handelt es sich bei Satzungen der Verwaltung um Normen. Hier werden Körperschaften des öffentlichen Rechts oder körperschaftsähnliche Gebilde, die jeweils Mitglieder haben, durch Gesetz ermächtigt, durch Satzungsvorschriften ihre Angelegenheiten zu regeln, auch gegenüber dem Bürger. Im Bereich der Polizei Hamburg ist es der Fachhochschulbereich, der nach § 11 Satz 1 und 2 des Hamburgischen Polizeiakademiegesetzes die akademischen Angelegenheiten im Rahmen der Forschung und Lehre in Selbstverwaltung wahrnimmt und dazu Satzungen erlassen kann, soweit der Senat nicht durch Rechtsverordnung Ausbildung und Prüfung regelt.

98

Bei Parlamentsgesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie Satzungen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Rechtsakte abstrakt-genereller Natur (abstrakte Sachverhalte, generell beschriebener Adressatenkreis), wobei Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen (auch) nach außen an den Bürger gerichtet sind, Verwaltungsvorschriften grundsätzlich nur im Innenverhältnis an die Verwaltung.188 Verwaltungsvorschriften können ausnahmsweise Außenwirkung entfalten, wenn sie im Verhältnis zum Bürger regelmäßig angewendet werden (Argument über den Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG).189

99

Um einen öffentlich-rechtlichen Rechtsakt im Außenverhältnis, nun aber konkreter-individueller Natur (konkreter Sachverhalt, individueller Personenkreis), handelt es sich bei dem Verwaltungsakt. Letztlich ist es diese Form, mit der einzelne Polizeivollzugsbeamte und Verwaltungsbehörden verbindliche Anordnungen gegenüber einem Bürger treffen können. Die Palette reicht von Platzverweisen über Sicherstellungen und Durchsuchungen bis hin zu Ingewahrsamnahmen. § 35 HmbVwVfG definiert den Verwaltungsakt dabei wie folgt:

„Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.“

100

Hoheitliche Maßnahme ist jede einseitige Erklärung der Verwaltung. Behörde ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 4 HmbVwVfG), so etwa die Polizei. Regelung ist eine Maßnahme, die unmittelbar die Herbeiführung einer Rechtsfolge bezweckt (z. B. ein Platzverweis gem. § 12 a SOG). Einzelfall bedeutet, dass es sich um eine Maßnahme in einer bestimmten Situation gegenüber einer oder mehreren Person/en (ein oder mehrere Störer oder Nichtstörer, §§ 8 ff. SOG) handeln muss, dies alles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (SOG, PolDVG, HafenG) und mit unmittelbarer Wirkung nach außen, d. h. gegenüber Personen außerhalb der Verwaltung.190

101

Einzugehen ist im Zusammenhang mit Verwaltungsakten auf Verkehrszeichen. Verkehrsregelnde Ge- und Verbote enthaltende Verkehrszeichen werden als Allgemeinverfügungen, d. h. als eine besondere Ausprägung des Verwaltungsaktes, eingestuft. Konkret handelt es sich um den Gemeingebrauch regelnde Benutzungsregelungen i. S. d. § 35 Satz 2 Alt. 3 HmbVwVfG.191

102

Weniger praktische Relevanz im Sicherheitsrecht haben die (konkret-individuelle) Zusage (§ 38 HmbVwVfG), nach der sich die Behörde zum Erlass oder zum Unterlassen eines Verwaltungsaktes verpflichtet, und der öffentlich-rechtliche Vertrag (§§ 54 ff. HmbVwVfG), bei dem die Behörde zusammen mit dem Bürger Vereinbarungen trifft (konsensual, nicht einseitig), anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen.

103

Neben Verwaltungsakten, den hier weniger relevanten Zusagen und öffentlich-rechtlichen Verträgen, existiert noch die Handlungsform des (konkret-individuellen) schlichten Verwaltungshandelns, also von Handlungen, die weder als Verwaltungsakt noch als Zusage und ebenso wenig als öffentlich-rechtlicher Vertrag qualifiziert werden können. Letztlich handelt es sich hier um ein „Auffangbecken“ für alle sonstigen öffentlich-rechtlichen Handlungsformen. Teilweise ist auch von Realakten oder schlicht-hoheitlichem Handeln die Rede.192 Die Palette des Handelns reicht von bloßen Hinweisen bzw. Ratschlägen oder Auskünften bis hin zu Gefährderansprachen/Gefährderanschreiben.

104

Bei Gefährderansprachen/Gefährderanschreiben handelt es sich um konkret-individuelle Maßnahmen, bei der ein potenzieller Gefahrenverursacher ermahnt wird, Störungen zu unterlassen.193 Letztlich geht es darum, Abschreckung zu erzielen, um die Person von der Begehung einer prognostizierten Straftat abzubringen.194 Auch wenn es sich bei der Gefährderansprache (mündlich) und dem Gefährderanschreiben (schriftlich) nicht um Regelungen, also nicht um die Herbeiführung einer Rechtsfolge handelt wie bei Verwaltungsakten, so ist dieses Handeln qualitativ nicht wie eine reine Information (ähnlich der Auskunft) einzustufen, sondern es liegt ein Handeln mit appelativem bzw. mahnendem Charakter vor. Insofern wird man hier regelmäßig zugleich einen Grundrechtseingriff zu bejahen haben, mit der Folge, dass eine Rechtsgrundlage erforderlich ist. Hier ist dann aber § 3 Abs. 1 SOG – die Generalklausel – als Rechtsgrundlage anwendbar, die nicht nur für Verwaltungsakte, sondern auch für schlichtes Verwaltungshandeln gilt (vgl. „Maßnahmen zur Gefahrenabwehr“). Dies bedeutet, dass bei Gefährderansprachen/Gefährderanschreiben die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 SOG vorliegen müssen, etwa eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
692 s. 4 illüstrasyon
ISBN:
9783415068582
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi: