Kitabı oku: «An den Ufern des Nebraska», sayfa 2

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Wie Mr. Wallace später erfuhr, waren Etters und Thibaut uns sehr wohl auf der Spur gewesen, hatten aber bei der Verfolgung einen Zeitverzug durch eine Verletzung des Pferdes Thibauts hinzunehmen, sodass sie nicht rechtzeitig in Taos eintrafen, um Derrick in das Gebirge zu folgen.

Also nahmen sie in unserer Nähe Quartier und Thibaut versuchte erneut, sich an Ellen heran zu machen. Durch geschickte Täuschung brachte er sie soweit, dass sie die gleiche Lügengeschichte zur Befreiung Derricks glaubte, auf die auch Mr. Wallace zunächst hereingefallen war. Also verzieh meine Tante Thibaut die Verleumdung. Einwendungen von Mr. Wallace wollte sie nicht hören.

Derrick war es inzwischen geglückt, mit dem Gold aus dem aus den Felsenbergen nach Boston zurückzureisen. Mithilfe des Goldes hatte er, ebenfalls durch Bestechung eines Wärters, meine Mutter frei bekommen können. Leider war mein Vater inzwischen im Gefängnis verstorben. Genauere Umstände über seinen Tod hatte Derrick nicht in Erfahrung bringen können. Meine Mutter wusste nichts darüber, weil sie während der Haft keinerlei Kontakt zu meinem Vater hatte.

Hier unterbrach ich die Erzählung erneut. Ich war wieder von meinem Platz aufgestanden und zum Fenster gegangen, schaute hinaus, ohne wirklich etwas zu sehen und sagte:

„Also ist mein Vater wirklich tot, … als Falschmünzer im Gefängnis gestorben. Wegen der Verleumdung durch seinen eigenen Stiefbruder, diesem Dan Etters und seinem sauberen Helfer Thibaut.“

Ich raufte mir die Haare. Dann drehte ich mich zu Mr. Wallace um und fragte:

„Was wurde aus dem Rest meiner Familie? Sind meine Mutter und mein Onkel noch immer auf der Flucht? Durfte ich deshalb keinen Kontakt zu ihnen haben? Aber mein Bruder, Fred …, er und meine Tante waren doch bei dir? Wieso wusste ich bis heute auch von ihnen nichts?“

Wieder dieser unergründliche Blick von Mr. Wallace. Ich rief:

„Nun rede doch schon!“

Er holte tief Luft und setzte die unterbrochene Geschichte meiner Familie fort.

Derrick brachte meine Mutter nun auch nach Taos. Schließlich sollte sie wieder zu ihren Kindern. Sie kamen am Tage der Hochzeit Thibauts und Ellens dort an und platzen in die Trauungszeremonie. Derrick riss seiner Schwester den Kranz vom Kopf, woraufhin Etters und Thibaut über ihn herfielen. Es entspann sich ein Kampf, in dessen Verlauf Derrick Thibaut in den Arm schoss.

Meine Tante hatte sich über die Gefangenschaft ihrer Geschwister gegrämt; sie war krank und schwach dadurch geworden. Durch den Schreck über die plötzlich unterbrochene Trauung und den Schusswechsel erlitt sie einen Zusammenbruch. Sie sprach irr im Fieber, und verfiel dem Wahnsinn. Sie tobte und war nur dann ruhig, wenn sich mein Bruder Fred bei ihr befand, den sie sehr liebte.

Darum wusste Derrick sich nicht anders zu helfen, als seine Schwester einem Arzt anzuvertrauen. Fred musste bei Ellen bleiben, da eine Behandlung der Kranken ohne ihn wohl nicht möglich gewesen wäre. Meine Mutter, Derrick und ich wohnten bei Mr. Wallace. Und alle glaubten, Etters und Thibaut seien verschwunden.

Schließlich ging das Geld zur Neige und Derrick wollte erneut in die Felsenberge gehen, um Gold holen. Meine Mutter begleitete ihn. Ich blieb bei Mr. Wallace. Als nach mehreren Wochen Nachrichten Derricks und meiner Mutter ausblieben, wollte Mr. Wallace nach meiner Tante Ellen sehen und sich bei ihr erkundigen, ob vielleicht Nachricht vorläge.

Als er jedoch bei dem behandelnden Arzt nach ihr fragte, teilte man ihm mit, die Kranke sei von ihrem Ehemann abgeholt worden. Dieser habe Papiere vorgelegt, womit er die Eheschließung mit Ellen Bender habe beweisen können. Sie führe nun, wie er selbst, den Namen „Lassalle“.

Dieser „Lassalle“ war natürlich kein anderer, als der Fälscher Thibaut, der Ellen entführt hatte. Als der Arzt noch berichtete, jener Lassalle sei in Begleitung eines anderen Mannes gewesen, dessen obere Zahnreihe, je rechts und links, auffällige Zahnlücken aufwies, war auch der letzte Zweifel ausgeräumt. Denn bei diesem Mann musste es sich um Dan Etters handeln, der genau solche Zahnlücken hatte.

Mr. Wallace war jetzt überzeugt, dass meine Mutter und Derrick von Etters und Thibaut verfolgt worden waren. Diese Verbrecher hatten sich also seit der unterbrochenen Trauung versteckt gehalten, um auf die Chance zu lauern, doch noch an das ersehnte Gold zu kommen.

Weil meine Mutter und Derrick nicht zurückgekehrt waren, mussten Etters und Thibaut ihr Ziel erreicht und sie getötet haben.

Mr. Wallace selbst war, weil er sich auf die Seite meiner Familie geschlagen hatte, nicht mehr sicher. Er verwischte also alle Spuren, nahm den Namen Wallace an und floh mit mir nach Jefferson City, wo er sein Bankgeschäft gründete. Dazu verwendete er das Gold, welches er von Derrick als Belohnung für die Befreiung aus dem Gefängnis und die Inobhutnahme seiner Neffen erhalten hatte.

Hier endete der Bericht meines Ziehvaters. Ich hatte jedes Wort mit innerer Erregung aufgenommen und wollte noch weitere Details wissen.

Gab es keine Möglichkeit, dass meine Mutter und Derrick noch lebten? Hatte es nie ein Lebenszeichen von Fred und meiner Tante gegeben?

Leider musste Mr. Wallace beide Fragen verneinen. Da er damals jede Spur, die zu uns führen konnte, ausgelöscht hatte, konnte er zwar nicht völlig sicher sein, dass meine Mutter und Derrick nicht doch noch am Leben waren und vielleicht nach mir, Fred und Ellen geforscht hatten. Doch wie die Dinge lagen, musste er annehmen, dass Etters und Thibaut die beiden umgebracht hatten.

Seine eigenen Nachforschungen nach Ellen und meinem Bruder waren auch nicht erfolgreich gewesen. Niemand kannte in Taos Thibaut oder Etters. Niemand, außer dem Arzt Ellens, kannte einen Lassalle. Und so verliefen alle Spuren im Sande. Ich war so erregt, dass ich ihn anschrie:

„Du hast nicht gründlich genug geforscht. Es muss doch irgendwelche Hinweise gegeben haben.“

„Nein, mein Junge!“, antwortete er „Niemand konnte sich erinnern, zwei Männer und eine Frau mit einem einjährigen Knaben gesehen zu haben. Niemand konnte mir sagen, wie sie die Stadt verlassen hatten. Der Arzt hatte sich um die Leute, die seine Patientin abholten, nicht weiter gekümmert, weil er alles in Ordnung fand. Erst später, auf mein Betreiben, zeigte er Thibaut und Etters wegen Entführung an. Es gab keinerlei Spuren.“

„Was war mit meiner Mutter und Derrick? Du hast dich nicht nach ihnen erkundigt? Bist einfach aus Taos verschwunden?“

„Ich habe dir doch gesagt, wie die Sache stand. Etters und Thibaut waren wieder da und nahmen deinen Bruder und Ellen mit sich. Es war klar, dass sie deine Mutter und Derrick gehindert hatten, nach Taos zurückzukehren. Sie waren lange überfällig gewesen. Es musste ihnen etwas zugestoßen sein.“

„Nein, das musste es nicht. Sie waren in die Wildnis gegangen. Du musst doch wissen, dass da immer Dinge geschehen können, die nicht vorherzusehen sind und wodurch man aufgehalten werden kann. Sie waren sicher noch am Leben.“

„Mein Junge, … ich habe selber auch damals daran gedacht, dass ich vielleicht zu überstürzt aufgebrochen bin, aber ich habe dann noch Nachforschungen anstellen lassen. Der Detektiv, den ich anonym beauftragte, nachzuforschen, ob eine Frau namens Emily Bender oder ein Pater Derrick nach Taos zurückgekehrt waren, teilte mir mit, dass er auch drei Monate nach unserem Aufbruch keinerlei Spuren deiner Mutter und ihres Bruders finden konnte. Ich gab dann die Suche auf, weil ich nun sicher war, dass sie tot waren. Alles andere ist vollkommen unwahrscheinlich, Leo.“

„Nein, ist es nicht. Du warst nur zu feige! Du hattest nur Angst um dein eigenes, armseliges Leben. Der bestochene Gefängniswärter Beckett auf der Flucht! Du musstest ja nicht nur Angst vor Etters und Thibaut haben, du wurdest ja wahrscheinlich auch von den Behörden gesucht.“

„Ich kann es dir nicht übelnehmen, dass du mir solche Vorwürfe machst. Aber glaube mir, ich habe alles versucht, deine Mutter und Derrick oder Fred und deine Tante zu finden. Aber nichts!“

Ich konnte ihn nicht mehr ansehen, vor Wut stiegen mir die Tränen in die Augen. Ich drehte mich also von ihm weg und rannte aus dem Raum, die Treppe hinauf, um mich in meinem Zimmer einzuschließen und niemanden sehen zu müssen. Er versuchte nicht, mich zu hindern.

Meine Gedanken rasten. Ich wusste nicht wohin mit meiner Wut und meiner Trauer. Ich wusste nicht mehr, wer ich war. Meine ganze Welt war ein einziger Scherbenhaufen. Mein Vater war also im Gefängnis als Falschmünzer gestorben. Meine Mutter war eine Moqui und … ich hatte einen Bruder!

Wir waren Halbblute! Mischlinge! Nicht gerade das, was man in Jefferson City haben wollte. Aber das war mir jetzt egal. Meine Gedanken waren wirr. Heute kann ich mich kaum daran erinnern, wie ich mich mit der neuen Situation zurechtfand. Aber nach einigen Tagen, in denen ich mein Zimmer nicht verlassen und kein Wort mit Mr. Wallace oder Mrs. Pittney gesprochen hatte, wurden meine Gedanken klarer.

Ich hatte also einen Bruder. Vielleicht hatte ich auch noch eine Mutter, eine Tante und einen Onkel. Ich musste nach ihnen forschen und ich musste die Männer finden, die meinen Vater auf dem Gewissen hatten. Dan Etters und Lothair Thibaut!

Aber wie sollte ich all dies anfangen? Ich war ja nur ein fünfzehnjähriger junger Kerl. Kein Alter, in dem man allein, einfach so, Nachforschungen anstellen und in die Welt hinausziehen konnte. Schon gar nicht, ohne die notwenigen Kenntnisse und Fertigkeiten. Ich musste also Geduld haben und warten. Irgendwann würde sich die Gelegenheit ergeben, mich auf den Weg zu machen und Nachforschungen anzustellen.

Dazu würde ich zuerst nach Taos gehen, um dort zu versuchen, Anknüpfungspunkte zu finden. So wie die Dinge lagen, waren mir aber zunächst die Hände gebunden. Alles, was ich tun konnte war, Mr. Wallace zu bitten, noch einmal zu versuchen, bei den Personen zu denen er, meine Mutter und Derrick zur damaligen Zeit Kontakt hatten, Informationen einzuholen.

Das nahm ich mir nun fest vor. Aber zunächst musste ich mich wieder in die „Außenwelt“ zurückbegeben und weitermachen. Was blieb mir sonst übrig? Ich ging also die Treppe hinunter zur Küche, wo Mrs. Pittney, vor Freude mich zu sehen, völlig aus dem Häuschen geriet. Sie bot mir als erstes etwas zu essen an. Während ich aß, schaute sie mich mit großen Augen an. Vermutlich fragte sie sich, ob ich böse mit ihr sei, weil sie doch schließlich auch Bescheid gewusst hatte. Wenn sie auch vermutlich nicht alle Details kannte.

Aber ich war ihr nicht böse. Wie auch? Sie war ja in keiner Weise verantwortlich für die Geschehnisse. Vermutlich hatte sie bis vor kurzem gar nichts gewusst. Mr. Wallace hatte sie ja erst eingestellt, als wir in Jefferson angekommen waren. Vorsichtig wie er war, hatte er die wahre Geschichte sicher, bis vor einigen Tagen, niemandem anvertraut. Letztlich hatte er Mrs. Pittney aber doch ins Vertrauen gezogen, sonst hätte sie sich an jenem Abend mir gegenüber nicht so seltsam benommen. Mr. Wallace hatte sie wohl vorwarnen wollen, dass sich mein Verhalten plötzlich ändern könnte.

Nun jedenfalls war ich doch froh, wieder von ihr umsorgt zu werden aber ich war noch nicht so weit, dass ich sie das auch spüren ließ. Doch wie sollte ich ihr weiterhin böse sein, wenn ich das noch nicht einmal Mr. Wallace gegenüber fertig brachte?

Ich hatte ihm im Grunde schon verziehen. Nein, … wenn ich es genau betrachtete, gab es gar nichts zu verzeihen. Er hatte so gehandelt, wie andere es in seiner Situation wohl auch getan hätten. Und er hatte versucht, Nachforschungen anzustellen. Er musste davon ausgehen, dass meine Mutter und Derrick tot waren. Meinen Bruder und meine Tante konnte er nicht ausfindig machen. Etters und Thibaut hatten keine Fährte hinterlassen.

Was mich aber am meisten für Mr. Wallace einnahm, war, dass er sich um mich gekümmert hatte, als wäre ich sein eigenes Kind. Was hatte er denn eigentlich mit mir zu schaffen? Ich war das Kind einer Frau, die er kaum kannte. Auch noch das einer Indianerin. Was auch immer der Grund war, ich war ihm dankbar. Aber das wollte ich vor mir selbst noch nicht wahrhaben, vielmehr wollte ich, dass er noch ein schlechtes Gewissen behielt, weil er mich so lange im Unklaren gelassen hatte.

Also war ich schweigsam und zurückhaltender, als dies sonst der Fall war. Aber Mr. Wallace und Mrs. Pittney beschwerten sich nicht darüber, sie waren wohl einfach nur froh, dass ich mich nicht weiter in meinem Zimmer verkroch.

So verging dann einige Zeit, bis ich wieder normal mit den beiden sprach. Wir vermieden aber zunächst, wieder über meine Familie zu sprechen. Mr. Wallace wird vielleicht gehofft haben, dass ich mich mit der Zeit mit den Geschehnissen abfinden und damit nicht weiter belasten würde, aber damit lag er natürlich falsch.

In all den Wochen, die nun vergingen, beschäftigte ich mich mit Plänen, wie ich die Spuren meiner Angehörigen und die der Verbrecher Etters und Thibaut finden könnte. Mein ganzes Streben ging in diese Richtung.

Äußerlich ließ ich mir davon nicht viel anmerken. Ich besuchte weiterhin den Unterricht bei Mrs. Smith und versuchte, diese möglichst unbefangen über die Indianer und insbesondere die Stämme im Süd-Westen der Staaten auszufragen, weil auch die Moqui zu diesen Stämmen gehörten. Von jenen wusste sie allerdings nicht sehr viel. Sie kannte die meisten größeren Stämme dem Namen nach und konnte diese, einiger Maßen genau, den Gebieten auf der neuen Landkarte, die in unserem Unterrichtsraum aufgehängt worden war, zuordnen.

Diese Karte zeigte das Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika nach dem mexikanisch-amerikanischen Krieg, der 1848, also vor ungefähr acht Jahren, mit dem Vertrag von Guadalupe-Hidalgo zu Ende gegangen war. Das Stammesgebiet der Moqui hatte zu der Zeit, als mein Onkel von dort wegging, noch auf mexikanischem Staatsgebiet gelegen.

Auch wenn ich nicht viel über den Stamm der Moqui in Erfahrung bringen konnte, waren Mrs. Smith‘ Lektionen in Geschichte meine Lieblingsstunden. Hier konnte ich immer wieder Fragen zu den Ureinwohnern, den Indianern, anbringen. Wusste ich doch nun, dass ich selbst ein halber Indianer war.

Leider war das verfügbare „Wissen“ um die Ureinwohner ausschließlich von Weißen geprägt. Die Bücher zur noch jungen Geschichte der Vereinigten Staaten enthielten vieles über jene Stämme im Osten, mit welchen man zusammen in den Reihen der Engländer und Franzosen oder gegen die man gekämpft hatte. Von diesen Stämmen war inzwischen nicht mehr viel übriggeblieben. Sie waren nach und nach verdrängt, getötet oder assimiliert worden.

Was man über diese Stämme wusste, waren Berichte von Seiten der Weißen. Nur wenige waren soweit in den Alltag, die Kultur und die religiösen Anschauungen dieser Indianerstämme eingedrungen, so dass man von „Wissen“ zu diesen Themen kaum sprechen konnte. Solches gab es zwar, es wurde aber damals und teilweise auch heute noch nicht für Wert gehalten, verbreitet zu werden.

Die Siedlungen an der Frontier8, wie das Gebiet an den großen Strömen Mississippi und Missouri genannt wurde, waren noch vergleichsweise jung und ebenso jung wie sporadisch war das Wissen um die Indianerstämme, die westwärts dieser Grenze im Süd-Westen der Staaten, den Great Plains, den Rocky Mountains oder jenseits davon, Richtung Pazifik lebten und umherstreiften.

Die Landkarte und die von Mrs. Smith angedeuteten Kreise mit den Gebieten, dieser noch weitgehend unbekannten Stämme, prägte ich mir umso mehr ein, als ich sonst wenig darüber in Erfahrung bringen konnte.

So kam ich auf die Idee, bei Mother Thick‘s Boarding House am anderen Ende der Straße um einen Job zu bitten. Mr. Wallace hatte nichts dagegen gehabt; er kannte die Wirtin seit Jahren und wusste, dass ich dort in guten Händen war. Er glaubte wohl, dass Arbeit die richtige Ablenkung für mich war. Schließlich konnte er ja nicht wissen, dass ich vor allem dorthin wollte, weil ich hoffte, dort mehr über die Indianer und die Gebiete zu erfahren, in die mich meine „Expedition“ unweigerlich führen musste.

Mother Thick‘s“ beherbergte immer wieder Leute, die von westwärts der Frontier kamen oder im Begriff standen, diese dorthin zu überqueren.

Es wurde da immer eine ganze Menge erzählt und besonders lebhaft und interessant ging es zu, wenn sich Prairiemänner und Jäger dort wiedertrafen. Es wurden dann die neuesten Geschichten aus dem noch reichlich unerforschten und damals noch vom Weißen Mann weitgehend unberührten Indianerland ausgetauscht.

Mrs. Thick war eine rundliche Dame Mitte vierzig, die ihr Schankhaus ordentlich führte und ein Herz für Ihre besonderen Gäste hatte. Allerdings zog ein Wirtshaus hier an der Grenze zum Indianerland auch einiges Gesindel an. Wenn es also mal etwas rauer zuging, stand sie resolut ihren „Mann“ und sorgte schnell für Ruhe. Rowdies mussten außerdem immer damit rechnen, dass Gesellen anwesend waren, die es leicht mit ihnen aufnehmen konnten, so dass sie schnell „den Kürzeren zogen“. So blieb es deshalb meist anheimelnd in der Gaststube.

Ich hatte es also geschafft, eine weitere Informationsquelle zu erschließen. Nach dem Unterricht bei Mrs. Smith ging ich nun immer erst nach Hause, um dort zu essen und gelegentliche Hausaufgaben zu erledigen. Nachmittags, ab fünf Uhr, fand ich mich bei Mrs. Thick ein, um dort auszuhelfen, wo immer gerade eine Hand gebraucht wurde. Da sie mich für meine Arbeit auch gut bezahlte, konnte ich mir ein schönes finanzielles Polster schaffen.

Inzwischen musste ich auf mein Vorhaben zurückkommen, Mr. Wallace zu bitten, noch einmal Nachforschungen zu meiner Familie in Taos zu veranlassen. Vielleicht hatten sich meine Mutter oder Derrick ja doch noch nach unserem Verbleib erkundigt und jemand konnte sich an diese Erkundigungen erinnern.

Dann hätte ich den Beweis, dass sie noch lebten und vielleicht auch einen Anknüpfungspunkt für spätere Nachforschungen nach dem Verbleib der beiden oder dem meines Bruders und meiner Tante.

Als ich also an diesem Abend nach Hause kam, fragte ich Mrs. Pittney gleich, ob Mr. Wallace heute Abend pünktlich sein und das Abendessen mit mir einnehmen würde. Sie bejahte und ich sah ihr an, dass sie sich nun sorgte, ich könnte doch noch Fragen im Hinblick auf meine Familie haben oder sogar weitere Vorwürfe gegen Mr. Wallace erheben. Nun, damit musste sie fertig werden. Ich hatte nicht die Absicht, sie einzuweihen. Zuerst wollte ich sehen, was ich bei Mr. Wallace erreichen konnte.

Als die Zeit des Abendessens gekommen war, begab ich mich also in das Speisezimmer, wo Mr. Wallace schon auf mich wartete. Heute gab er sich wie früher. Er stand sofort auf, rückte meinen Stuhl zurecht und schoss gleich die ersten Fragen nach meinen Tageserlebnissen ab. Ich beschloss, nicht lange mit meinem Anliegen hinterm Berg zu halten. Und so antwortete ich zunächst einsilbig auf seine Fragen.

Als Thomas das Essen aufgetragen hatte, sagte ich rundheraus:

„Ich muss dich um etwas bitten, Onkel!“

Er antwortete:

„Was immer du willst, mein Junge.“

„Nun denn“, gab ich zurück „es hat mit der Wahrheit zu tun, die du mir vor einiger Zeit berichtet hast“.

Ich merkte, wie er hörbar einatmete und sich versteifte, fuhr aber unbeirrt fort.

„Wie du dir sicher schon gedacht hast, habe ich viel über diese Geschichte nachgedacht.“

Er wollte hier schon einhaken, ich unterbrach ihn aber und sprach weiter:

„Ich möchte dir zunächst sagen, dass ich meine Worte an jenem Abend bereue. Ich halte dich weder für einen Feigling, noch werfe ich dir weiterhin vor, zu früh aufgegeben zu haben.“ Ein hörbares Ausatmen … „Ich möchte dir sagen, dass ich dir dankbar bin, für alles was du für mich und meine Familie getan hast. Nichts davon war selbstverständlich.“

Hier machte ich jetzt eine Pause, so dass er aussprach:

„Ich bin froh, dass du so denkst. Du weißt, ich bin für dich da!“

Ich konnte ihm seine Rührung ansehen und er konnte ein Seufzen nur schwer unterdrücken. Daher fuhr ich fort.

„Ich habe nur eine Bitte in dieser Sache, Onkel.“

Er schaute mich jetzt voll an und ahnte wohl, was ich nun fragen wollte.

„Ich möchte, dass du noch ein einziges Mal Nachforschungen in Taos anstellst und versuchst, in Erfahrung zu bringen, ob sich nicht doch noch jemand nach unserem Verbleib dort erkundigt hat.“

Er sagte:

„Das habe ich schon getan, Junge!“

Ich wollte gleich wieder aufbrausen, weil ich annahm, er wollte auf seine Erkundigungen vor nun schon zwölf Jahren hinweisen, aber er winkte ab und machte deutlich, dass ich ihn ausreden lassen solle. Also hörte ich zu und schluckte meinen Ärger hinunter. Er sprach also weiter:

„Gleich nach unserem Gespräch vor einigen Wochen, habe ich jemanden beauftragt, erneut in Taos nach Spuren deiner Familie zu suchen. Der Mann wird voraussichtlich nächste Woche wieder hier sein und mir Bericht erstatten. Er hat mir aus Albuquerque telegraphiert. Die Nachricht kam gestern mit einer Postfracht aus St. Louis.“

Die ersten Telegraphen waren inzwischen in den Staaten in Benutzung. Noch verfügte nicht jedes Nest über die notwenigen Stationen, aber zwischen St. Louis und Albuquerque gab es wohl schon solche Verbindungen.

Ich vergaß vor Aufregung über diese Neuigkeit zunächst, mich bei Mr. Wallace zu bedanken und fragte als erstes:

„Wer hat denn diesen Auftrag angenommen? Hat er schon etwas mitgeteilt? Gibt es eine Spur?“

Er antwortete:

„Eins nach dem anderen, zunächst das dringlichste, … ja es gibt ein Lebenszeichen!“

Ich sprang, ob dieser Neuigkeit, erregt von meinem Stuhl auf, fasste ihn am Arm und fragte:

„Wirklich, wirklich ein Lebenszeichen? Von wem? Von meiner Mutter? So sprich doch endlich!“

„Junge, beruhige dich doch, ich sprach absichtlich von einem Lebenszeichen, nicht von einer Spur. Lass‘ es mich erklären, soweit ich selbst darüber informiert bin. Also der Mann hat herausbekommen, dass eine Indianerin sich gut zwei Jahre nach unserem Weggang aus Taos bei unserem damaligen Vermieter nach uns erkundigt hat. Weil ich aber auch diesem Vermieter nicht gesagt hatte, dass wir weggehen würden und schon gar nicht wohin, lief diese Erkundigung wohl ins Leere. Jedenfalls hat der Vermieter danach niemals mehr etwas von der Indianerin gehört oder gesehen.

Ich mache mir nun noch größere Vorwürfe, nicht schon damals nachhaltiger geforscht zu haben. Vielleicht hätten wir deine Mutter noch finden können. Denn, dass diese Indianerin deine Mutter war, steht bei mir fest.“

„Aber du hast aus deiner Sicht damals alles getan, was zu tun war. Du kannst nichts dafür. Sie ist ja erst sehr lange nach unserem Weggang aus Taos dort aufgetaucht. Du musstest davon ausgehen, dass sie tot war. Das habe ich inzwischen verstanden.“

Nach einer kurzen Pause fuhr ich dennoch aufgeregt fort:

„Und doch ist es jetzt so, dass sie wohl zumindest damals noch lebte und nach uns geforscht hat. Hat der Mann denn noch weiteres in Erfahrung bringen können? Weiß man, wohin sich meine Mutter damals gewendet hat? Gab es Hinweise auf den Aufenthalt meines Bruders? Was war mit meinem Onkel Derrick?“

„Leo, ich kann dir noch nicht alle deine Fragen beantworten. Aber es ist so, dass es wohl einige Tage gedauert hat, diesen Vermieter ausfindig zu machen. Er wohnt längst nicht mehr an der mir bekannten Adresse. Er hat das Haus verkauft und lebt nun außerhalb von Taos auf einem Rancho. Er konnte sich nur noch an die Indianerin erinnern, die sich nach den seltsamen Leuten erkundigt hatte, die eines Tages einfach so über Nacht verschwunden waren. Mehr war aus dieser Quelle nicht herauszuholen.“

„Aber es gibt nun wenigstens Hoffnung, dass meine Mutter noch lebt und vielleicht sogar meinen Bruder gefunden hat. Vielleicht kann ich die beiden und auch meine Tante eines Tages finden, … ich muss unbedingt mit dem Mann sprechen, der in deinem Auftrag in Taos war.“

„Ja, das sollst du auch. Höre dir zunächst mal an, was er noch zu berichten hat. Dann sehen wir weiter!“

„Danke Onkel, danke, dass du noch einmal Erkundigungen eingeholt hast.“

„Das war das Mindeste. Unser Gespräch über deine Familie ließ mich nicht mehr los. Was, wenn ich doch einen Fehler gemacht hätte, indem wir zu früh von Taos fortgingen und ich meinen jetzigen Namen annahm, um keine Hinweise zu hinterlassen? Ich werde mir jetzt immer die Frage stellen müssen, ob ich falsch gehandelt habe, und dich damit um deine wahre Familie gebracht habe. Das tut mir leid und ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen.“

Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Einige Tage zuvor, hatte ich ihm insgeheim die gleichen Vorwürfe gemacht, jetzt hatte ich ihm aber verziehen. Dennoch hatte er wohl recht, es war ein Fehler gewesen und wir waren nicht in der Lage, diesen Fehler zu beseitigen. Ich umarmte ihn, weil mir vor Rührung die Tränen in die Augen traten und er schlang die Arme auch um mich. So standen wir einige Zeit und schwiegen. Was gab es auch zu sagen?

Als wir uns voneinander lösten, sah ich, wie er sich über die Augen wischte. Er holte tief Luft, setzte sich wieder und deutete mit einer Geste an, ich solle mich auch wieder hinsetzen. Dann sagte er:

„Der Mann, den ich beauftragt habe, ist in seinen jungen Jahren bereits ein berühmter Prairiemann. Er wird Old Firehand genannt. Bestimmt hast du schon von ihm gehört. Er ist erst vor wenigen Jahren aus Deutschland hier herübergekommen, hat sich den Pelzjägern angeschlossen und wohl auch einige Zeit bei den Indianern herumgetrieben. Er spricht einige indianische Sprachen und besitzt alle Fertigkeiten, die ihn zu einem guten Scout und Prairiemann machen.

Ich war der Ansicht, es sei besser, einen solchen Mann mit dieser Sache zu betrauen, als einen Polizisten oder einen Detektiv. Hätte er eine Spur gefunden, hätte er sich selbst auf dieselbe gesetzt, auch wenn sie ihn noch weiter in die dark and bloody grounds9 geführt hätte. Das konnte ich nur einem solchen Mann anvertrauen.“

Ich hatte natürlich schon von diesem Prairieläufer und Jäger gehört. Von ihm wurden sich die tollsten Taten berichtet. Er sollte schon einige Male aus der Hand feindlicher Indianerstämme entkommen sein. Er hatte, nach allem was erzählt wurde, auch das eine oder andere Mal ein, bei einigen Stämmen sogenanntes und praktiziertes, Gottesurteil, also einen Kampf auf Leben und Tod, überstanden.

Seinen Namen Firehand hatte er bei den Assiniboin erworben. Dort hieß er „Mann-mit-der-Feuerhand“. Diesen Namen gab man ihm, weil er mit Feuerwaffen so gut umzugehen wusste, dass er angeblich nie sein Ziel verfehlte.

Nun würde ich ihn also bald kennenlernen. Ich freute mich darauf. Insgeheim hoffte ich, dass ich von ihm einiges lernen und in Erfahrung bringen konnte, was mich dazu befähigte, auf eigene Faust auf die Suche nach meiner Familie und den Mördern Etters und Thibaut zu gehen.

Mr. Wallace sollte von diesem, meinem Wunsch aber zunächst nichts erfahren. Er sollte keine Gelegenheit bekommen, mich von diesem Vorhaben abzubringen.

Nun hieß es also zunächst -- warten! Firehand kam in der Woche darauf in Jefferson an. Er suchte Mr. Wallace aber erst einmal in dessen Kantor in der Bank auf, mit der Absicht, ihm dort in aller Ausführlichkeit zu berichten.

Mr. Wallace, der wusste, wie sehr ich darauf brannte, zu hören, was der Scout zu sagen hatte, komplimentierte ihn in unser Haus. Er führte ihn in die Stube und bat ihn Platz zu nehmen. Mrs. Pittney hatte einen Wink bekommen, mich dazu zu holen.

Firehand nahm also auf der Sitzbank am Kamin Platz. Mrs. Pittney informierte mich, dass ich in die Stube kommen solle, Mr. Wallace habe nach mir geschickt. Ich ahnte, dass der Prairiemann angekommen war. Es war schließlich mehr als ungewöhnlich, dass Mr. Wallace um diese Tageszeit im Haus war und mich sehen wollte. Außerdem war bereits fast eine Woche vergangen, seit er mir erzählt hatte, dass er Old Firehand nach Taos geschickt hatte.

Ich stürzte daher förmlich die Treppe hinunter und stürmte in die Stube.

„Ho, ho! Nicht so stürmisch, Junge!“, meinte Mr. Wallace. „Ruhig Blut!“.

Ich lief wohl ein bisschen rot an und empfand Scham, weil ich mich so wenig beherrscht hatte. Mr. Wallace lächelte mich aber freundlich an und stellte nun Firehand und mich einander vor:

„Mr. Firehand, dies ist mein Ziehsohn Leo, von dem ich Euch berichtet habe, der Sohn von Emily Bender oder auch Tehua, der Schwester des Padre Diterico, … Leo, dies ist der berühmte Scout Old Firehand!“

Firehand stand von der Bank auf, um mir die Hand zu reichen. Dabei schaute er mich lächelnd an und sagte:

„Nun weiß ich auch, weshalb Ihr wolltet,“ dabei schaute er zu Mr. Wallace, „dass ich Euch in Euer Haus begleite. Ich soll wohl meinen Bericht nicht zweimal erstatten müssen, was natürlich sinnvoll ist, mir aber keine Umstände gemacht hätte. Freue mich dich kennenzulernen, Leo.“

Ich erwiderte seinen kräftigen Händedruck und jetzt hatte ich Gelegenheit, mir diesen außergewöhnlichen Mann näher anzusehen.

Er war ein wahrer Riese von Gestalt und trug einen Anzug aus Büffelleder. Der Rock war an den Ärmelnähten ausgefranst und wurde von einem breiten Navajo-Gürtel aus Leder zusammengehalten, woraus der Griff eines großkalibrigen Colts ragte. An dem Gürtel hatte er einige Beutel befestigt. Ich nahm an, dass er darin jene notwendigen Utensilien aufbewahrte, die einem jeden Prairiemann unersetzlich waren.

Außerdem befand sich an diesem Gürtel eine lederne Messerscheide, aus der der Griff eines Bowie-Messers herausragte. Um den Hals trug er eine Kette aus den Zähnen des grauen Bären. Seine Füße steckten in kniehohen Schaftmokassins, die, wie ich heute weiß, auch die Apachen trugen. Sein Gewehr, eine langläufige Hawken-Rifle, lehnte an der Seite des Kamins. An dessen Mündung hing eine Waschbärenfellmütze, die er wohl abgenommen hatte, als er eingetreten war.

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