Kitabı oku: «Heimkehr zu den Dakota», sayfa 2
»Also gut!«, rief das Mädchen schließlich, »aber jetzt mache, dass du hinauskommst!«
Charlemagne zwirbelte befriedigt seinen Knebelbart, nickte Henry wie einem alten Bekannten zu und stolzierte ab.
Henry ließ sich vom Koch noch einmal bestätigen, dass dieser von der Lagerverwaltung alles Gewünschte erhielt, und verließ wieder die Küchenbaracke, um am Rande des Stationslagers das Indianerzelt aufzusuchen, das Top und Harry als Behausung diente.
Henry schlüpfte durch den Zelteingang hinein. Er traf Harka an, der sich offenbar auf seiner Büffelhautdecke ausgestreckt gehabt hatte, jetzt aber den Hereinkommenden schon wieder stehend begrüßte. Henry, fünfundzwanzig Jahre alt, war um einen Kopf kleiner als der lang gewachsene siebzehnjährige Indianer. Der junge Ingenieur hatte sich sonst nicht mehr viel um den Kundschafter gekümmert. Er hatte ihm hin und wieder ein Buch verschafft, wenn Harry sich im Lesen üben wollte, und er hatte ihm Landkarten besorgt im Austausch gegen Felle. Aber das waren äußerliche, versachlichte Beziehungen geblieben. Jetzt, am letzten Tag, den Henry in der Prärie verbrachte, schaute er den Indianer etwas aufmerksamer an. Das Gesicht dieses Burschen war nicht das eines jungen Menschen. Die gut ausgebildete Stirn, die gebogene Nase und die gesamte Knochenbildung traten überdeutlich hervor, da das Gesicht mager war. Die Augenlider blieben immer gesenkt bis auf einen schmalen Spalt, der dem Sehvermögen, aber keinem Ausdruck Raum gab. Henry fühlte sich diesem jungen Mann gegenüber fremd. Die ungeklärten Vorstellungen und Gerüchte, »bester Kundschafter« oder »Verräter«, »Lebensretter« und »Brudermörder«, konnte der Jungingenieur in seine mehr oberflächliche als tiefe Denkweise und in seine plätschernden Gefühle nicht einordnen; er fand keinen Kontakt zu Harry.
»Joe Brown lädt dich und deinen Vater zu der Abschiedsfeier heute Nacht ein. Diese Feier gilt als Dienst«, sagte er in etwas schnoddrigem Ton.
Der Indianer ging auf diesen Ton nicht ein. Er sprach kurz und gemessen: »Im Dienst trinke ich nicht. Ich trinke überhaupt nicht. Es wird also Ärger geben, wenn ich komme, aber wenn Joe Brown es so haben will, werde ich da sein – falls auch mein Vater es wünscht.«
»Wann kommt denn Top zurück?«
»Abends.«
»Gut! Wir erwarten euch, sobald der Zug glücklich eingelaufen ist.«
Henry ging lieber wieder hinaus, als er hereingekommen war. Er hatte nicht nur wenig Sympathie für Harry. Er hatte auch im Hintergrund des Zeltes ein Wesen sitzen sehen, vor dem ihm graute. Es schien eine Indianerin zu sein. Vielleicht war sie alt, vielleicht war sie noch jung. Ihr Gesicht wirkte weder menschlich noch unmenschlich; es wirkte außermenschlich. Ohren und Nase waren ihr abgeschnitten, die alten Wunden waren ungepflegt vernarbt. Ihre Wangen waren eingefallen, ihre Hände waren mager. Sie saß im Hintergrund wie eine Holzfigur, mit schwarzem Baumwolltuch verhängt. Der Ingenieur schüttelte sich unwillkürlich, als er das Zelt verlassen hatte.
Harry hatte ihn auch nicht ungern verschwinden sehen. Der junge Indianer legte sich nicht wieder hin, sondern hockte sich auf seine Büffelhautdecke und überlegte.
Als er mit sich ins Reine gekommen war, verließ er das Zelt und ging zum »Basar«. Der »Basar« war ein einfacher Verkaufsstand, der in einer Baracke mit einem Schiebefenster eingerichtet war. Die Waren wurden in Kommission und sehr teuer verkauft. Da es keinen anderen Laden gab, drängten sich trotzdem die Kunden. Harry wartete mit gleichgültiger Geduld, bis alle, auch solche, die nach ihm kamen, bedient waren, verlangte dann das Quantum Pfeifentabak, das er stets zu kaufen pflegte, und zahlte mit kleiner Münze, die er einem indianisch gestickten Lederbeutel entnahm. Der Geldbeutel war auf der Innenseite zur Hälfte grün, zur Hälfte rot gefärbt.
Der Indianer hielt den geöffneten Beutel so, dass die Verkäuferin die grüne Seite sehen musste. Das war eine stumme Frage, und die Verkäuferin, ein Indianermischling, jung, schwarzhaarig, braunhäutig, zeigte die Kette ihrer weißen Zähne, lachte und sagte im Dakotadialekt: »Die Großmutter hält die Ohren offen. Abends geht sie mit ihrem Enkel Wasser holen.«
»Eh, klappt das Stelldichein?«
Harry hörte diese Frage hinter sich und erkannte auch sofort die Stimme. Das war Mackie.
»Warum? Wolltest du das Mädchen haben?«, fragte er zurück.
»Nein, nein, habe mit Mestizen nichts im Sinn. Freut mich nur; dass du endlich irgendwo anbeißt.«
Der junge Indianer lächelte ironisch, aber so, dass der andere es nicht sah, und ging.
Er brachte den Tabak ins Zelt, gab ihn der verstümmelten Indianerin zum Aufbewahren, rauchte eine Pfeife und legte sich dann wieder schlafen. Bis zum Abend war noch lange Zeit.
Als er wieder erwachte und es schon dunkelte, kümmerte er sich um sein Pferd, das vor dem Zelt angepflockt war. Er machte es los und ritt weit vor das Lager bis zu einem Bach, der noch etwas Wasser führte. Er kam nicht ganz hinaus aus dem Bereich der Gerüche und Geräusche des Lagers, aber das Gewirr von Stimmen, das Klappern aus Küche und Vorratszelten, der Geruch aus großen Kesseln mit Einheitsessen, der Gestank von ungewaschenen Kleidern und Menschenkörpern kamen doch nur noch schwach, mit ihren Ausläufern, zu den Wiesen und dem Ufer des Baches, an dem Harry jetzt sein Pferd saufen ließ. Der Abendwind wehte; im Westen lag noch ein heller Streifen über den ins Violette dunkelnden Bergen. Die ersten Sterne flimmerten an dem Himmel auf, den die Sonne verlassen hatte.
Die Großmutter, von der das Mestizenmädchen gesprochen hatte, war gekommen.
Harry beobachtete unauffällig diese Indianerfrau, eine dick gewordene alte Frau, die tagsüber in der Küche arbeitete und auf diese Weise sich und ihr Enkelkind versorgte. Sie hatte das Kind mitgebracht, ein Mädchen von vier Jahren. Während das Kind sich im seichten Wasser puddelte, sprach die Alte in der Zeichensprache, aber nicht mit dem Kind, wie jeder nicht eingeweihte Beobachter geglaubt haben würde, sondern zu Harry, den sie mit seinem indianischen Namen Harka ansprach. Sie ließ ihn wissen, dass Charlemagne ein junges Küchenmädchen mit weißer Haut zur Abschiedsfeier eingeladen und dass er angedeutet hatte, es werde bei der Feier viel zu essen und zu trinken geben und auch sonst hoch hergehen, und aus einigen Wendungen hatte die Alte geschlossen, dass die Männer etwas Böses gegen irgend jemand planten. Der junge Indianer spähte umher, und als er sich überzeugt hatte, dass er nicht beobachtet wurde, antwortete er, auch in der Zeichensprache: »Der blonde Bart soll mit allen unseren Brüdern kommen.«
Die Alte verstand. Während Harka mit seinem Pferd noch am Bach blieb, rief sie das Kind, hieß es, sich wieder anzuziehen, und ging zum Lager zurück. Sie bewohnte mit den Negerinnen zusammen einen Gemeinschaftsraum neben der Küche. Dorthin brachte sie die Enkelin. Dann holte sie aus der alten Kiste, die sie sich als Aufbewahrungsort für ihre Habseligkeiten verschafft hatte, einen leinenen Mannskittel hervor, den sie geflickt hatte, und ging damit hinüber in die Schreibstube, in der die Lohnlisten geführt wurden. Ein blondbärtiger Mensch, der durch seinen Bart älter aussah, als er war, fegte die Schreibstube eben aus. Die Alte nahm ihm den Besen aus der Hand und stellte ihn an die Wand, sie legte den geflickten Kittel auf den Schreibtisch und sagte zu dem Blondbärtigen: »Bringe zur Abschiedsfeier alle Freunde mit. Harry kommt.«
Der junge Mann nahm seinen Kittel, dankte und verließ den Raum. Draußen zog er den Kittel über, schaute nach den Sternen, stellte fest, dass es noch sehr früh am Abend war und er genügend Zeit hatte, zwar nicht, um eine Stunde zu vergeuden, aber doch, um in Ruhe vorzugehen. Er schlenderte wie absichtslos zum Gleis, an den Abschnitt, an dem der erwartete Zug halten musste, und traf dort einen Trapper, der, die Büchse im Arm, eine Art Aufsicht führte.
»Wir setzen uns mit Harry zusammen, heute Nacht bei der Feier«, sagte er nebenhin und erkundigte sich dann, was der Zug voraussichtlich für Ladung führen würde. Als die beiden in größerer Entfernung Red Jim auftauchen sahen, ging der Blondbärtige weg. Jim hatte ihn bis jetzt noch nicht wiedererkannt, aber er wollte ihm auch keine Gelegenheit geben, ihn aufmerksam ins Auge zu fassen. MacLean war vor drei Jahren bei einem Streik der Eisenbahnbauarbeiter um ein Haar Red Jims Revolver zum Opfer gefallen. Er war entlassen worden, hatte sich aber unter falschem Namen und verändert durch den inzwischen gewachsenen Bart wieder anwerben lassen. Der Mann in der Schreibstube betrachtete ihn als seinen Burschen und Diener und nutzte ihn weidlich als Aushilfe beim Listenschreiben aus. So wusste MacLean mit vielem Bescheid, was ihn nach Meinung der Lagerleitung sicherlich nicht das geringste anging. Von ihm hatte Harka auch erfahren, was Jim als Manager einer Kundschaftergruppe von sechs Mann als Löhnung für diese erhielt, und Jim musste seitdem etwas mehr herausrücken. Die Auseinandersetzung war kurz und bündig verlaufen, und Jim hasste Harry dafür noch mehr.
Während der Blonde weiter im Lager umherstrich, war der junge Indianer zu seinem Zelt zurückgeritten.
Er pflockte den Mustang wieder an. Auch der Schecke des Vaters stand schon da und graste. Mattotaupa war also von seinem Kundschafterdienst zurück. Als Harka in das Zelt eintrat, fand er den Vater schlafend. Er setzte sich und wartete, bis Mattotaupa nach drei Stunden von selbst wieder wach wurde.
Die verstümmelte Indianerin kam aus dem Hintergrund, fachte das Feuer an und röstete für Mattotaupa ein Antilopenfilet.
Die Zweige knackten leise im Feuer, und das Fleisch am Spieß duftete gut. Mattotaupa saß Harka gegenüber an der Feuerstelle.
»Hast du etwas gefunden?« Mattotaupa sprach im Dakotadialekt. Er konnte annehmen, dass die Frau im Zelt ihn nicht verstand, denn sie stammte von den Seminolen.
»Nein, ich habe nichts gefunden«, gab Harka Auskunft.
»Ich auch nicht. Es scheint, dass sie von den Angriffen jetzt ablassen.«
Das Filet war gar; Mattotaupa fing an zu essen.
»Henry war hier«, berichtete Harka. »Wir sollen beide zu der Abschiedsfeier von Joe kommen, sobald der Zug glücklich eingelaufen ist.«
»Wir gehen hin.«
»Ich trinke nicht. Sie werden mich dafür verspotten wollen, und es wird Streit geben. Ist es nicht besser, wenn ich im Zelt bleibe?«
Mattotaupa aß weiter, aber das Antilopenfleisch schmeckte ihm nicht mehr so gut wie anfangs. Der Ton, in dem Harka die Worte »ich trinke nicht« ausgesprochen hatte, war ruhig, und dennoch war er für den Vater aufreizend gewesen. Denn Mattotaupa hörte darin die Frage mit: »Trinkst du?«, und ob sie nun gestellt war oder nicht, er stellte sie sich selbst und wurde nicht damit fertig.
»Die Sitten der Gastgeber zu verachten ist nicht Art eines Dakotakriegers«, sagte er schließlich. »Es ist auch nicht gut, dass du dich gar nicht geübt hast. Die ersten Becher würden genügen, und du liegst unter dem Tisch.«
Harka antwortete darauf nicht.
»Es waren vor drei Tagen Fremde hier, du weißt es«, fing Mattotaupa ein anderes Thema an. »Ich habe etwas eingetauscht, und ich werde heute bei der Feier unsere Freunde auch einmal einladen.«
Harka schwieg, aber sein Blick fragte: »Kannst du dich nicht anders auszeichnen?«
Mattotaupa erwiderte auf die nicht ausgesprochene Frage: »Unsere Väter waren Oglala, Leute, die ihre Habe freigebig austeilten. Ich bin kein Bettler, der immer nur nimmt, und ich denke, auch mein Sohn würde daran keinen Gefallen finden.«
Harka sagte auch dazu nichts.
Nachdem Mattotaupa gegessen hatte, legte er sich noch einmal schlafen. Sein Dienst als Kundschafter begann erst am nächsten Morgen wieder. Bei Harka stand es anders. Für ihn war es Zeit, sich mit der Gruppe, die er führte, schon bereitzumachen. Mit dem einlaufenden Zug wollte er um Mitternacht wiederum zum Lager zurückkommen, und dann mochte Joe weiter bestimmen. Vielleicht fiel es dem Ingenieur bis dahin selber ein, dass es doch besser sein würde, wenn Harka auch die zweite Hälfte der Nacht draußen blieb, um die Strecke sichern zu helfen.
Harka hatte sich mit den drei Männern, die zu seiner Gruppe gehörten, verabredet, dass sie nachts zu Fuß umherspähen wollten. Er ließ daher seinen Grauschimmel beim Zelt zurück. Am Halteplatz des Zuges traf er einen jungen Prärieläufer und die beiden Panikundschafter. Es gab nicht viel zu verabreden. Die vier waren aufeinander eingespielt. Sie kannten ihre Verständigungszeichen zu jeder Tages- und Nachtzeit, und sie wussten auch schon, welchen Abschnitt sie in dieser Nacht bewachen sollten. Dass Harka führte, obgleich er der Jüngste war, hatte sich von selbst ergeben. Die anderen drei verließen sich am liebsten auf ihn, und der junge Prärieläufer, dem die Verantwortung offiziell zukam, hatte sie inoffiziell dem Indianer zugeschoben.
Als die vier sich auf den Weg machen wollten, zeigten sich Charlemagne und Mackie und hielten sie noch auf.
»Da ist er ja«, sagte Mackie zu Charlemagne.
Charles wandte sich an Harry. »Junge, erkennst du mich gar nicht wieder?«
»Doch.«
»Wie geht es dir denn?«
»Gut.«
»Immer noch ein bisschen aufregende Gegend hier. Was macht denn die Bärenbande?«
»Keine Fährten.«
»Keine Fährten? Ach, sieh an. Ob sie sich jetzt wirklich zurückziehen oder ob das nur eine List ist?«
»Guten Abend!«, sagte Harry, ließ Charlemagne stehen und lief mit seinen drei Kundschaftergefährten nordostwärts in die Prärie hinaus.
Charlemagne und Mackie schauten den vier Spähern nach, bis diese im welligen Terrain verschwanden. Auch dann blieb Charlemagne noch stehen, und Mackie, der hatte kehrtmachen wollen, fragte: »Gibt’s noch was?«
»Hast du nichts bemerkt?«
»Was denn?«
»Wie der Rote plötzlich abbrach.«
»Komisch sind die Indsmen immer.«
»Er hätte doch antworten können. Aber nach der Bärenbande ist er nicht gern gefragt. Hast du das nicht bemerkt?«
»Kann ja sein. Was kümmert mich das!«
»Vielleicht wird es uns alle noch einmal kümmern, mehr als uns lieb ist.«
»Verstehe dich nicht.«
»Er stammt doch aus der Bärenbande. Weiß der Teufel, was er heute noch für Verbindungen dorthin hat.«
»So, meinst du?«
»Ich will nichts gesagt haben. Aber wenn ich dran denke, wie die uns alle vergiften wollten ..., dann wäre mir ein anderer als Kundschafter schon lieber als ausgerechnet einer von diesem Stamm!«
Mackie spuckte aus. »Mir gefallen die Indsmen überhaupt nicht! Hab gehört, die sollen heute Nacht bei der Feier auch dabei sein. Wozu das? Vielleicht lädt der Joe Brown auch noch einen Nigger ein!«
»So weit kommt’s. Wir müssen besser zusammenrücken.«
Die beiden gingen wieder in das Lager.
Die Zeit verlief. Gegen Mitternacht waren ungewöhnlich viele Männer, auch Frauen und Mädchen, auf den Beinen, um die Ankunft des Zuges zu erleben. Noch gingen auch die Materialzüge nicht regelmäßig. Manchmal hob der Sturm einen Zug aus dem Gleis, oder eine Büffelherde legte sich vor die Lokomotive, so dass kein Weiterkommen war. Die Indianer rissen, wenn es ihnen unbeobachtet gelang, die Gleise auf, denn sie hatten längst begriffen, dass die Lokomotive, dieses geheimnisvolle Tier, nur auf dem Gleispfad laufen konnte und auf Grasboden, ja selbst auf einem staubigen Büffelpfad völlig hilflos war.
Der Zug sollte nicht nur Material, sondern auch Löhnung und Proviant bringen. Alles spähte nach dem Zug aus.
Als in der Stille der nächtlichen Wildnis das Rollen der Räder, das Stampfen der Kolben zu hören war, schossen die freudigen Rufe in der Station auf, und als die Lokomotive, dampfend und pfeifend, die letzte Biegung nahm, schlugen sich die Männer gegenseitig auf die Schultern und sich selbst auf die Schenkel, denn nun stand nicht nur fest, dass der Zug wohlbehalten ankam, sondern auch, dass Joes Abschied gebührend gefeiert werden konnte.
Der Lokomotivführer bremste, der Zug hielt. Die Ausladekolonnen standen schon bereit und griffen sofort zu.
Joe Brown hatte sich mit Henry und mit dem Leiter des Stationslagers, Taylor, zusammengefunden.
»Also am letzten Tag doch noch einmal etwas genau nach der Richtschnur gegangen«, sagte der Ingenieur. »Dann können wir anfangen zu feiern! Kommt!«
In der Nähe der drei hatten noch zwei weitere Ingenieure gestanden, darunter Browns Nachfolger. Sie schlossen sich an, und die Gruppe ging langsam zu dem Hauptplatz und dem riesigen Zelt, das als Speiseraum und Wirtsstube diente. Einfache Tische und Bänke waren aufgestellt, in der Mitte des großen Raumes war ein Podium aufgebaut, und die Kapelle mit dem neuen Zigeunergeiger hatte sich bereits eingefunden. Als die Gruppe der angesehenen Personen eintrat, intonierten die Musiker einen Empfangstusch, und von verschiedenen Tischen dröhnten bereits Willkommensrufe. Das Zelt füllte sich rasch. Ein allgemeiner Lärm breitete sich aus, in dem jedes einzelne Geräusch nicht mehr nach seiner eigenen Natur, sondern nur noch als Lautverstärkung wirkte.
Die Tische und Bänke waren so gestellt, dass rings an den Zeltwänden entlang ein äußerer Kreis führte. Davon durch einen Zwischenraum, einen Gang, in dem sich drei bis vier Personen nebeneinander bewegen konnten, getrennt, waren die Tische dann in einem großen inneren Rechteck angeordnet. Durch dieses führten für die Bediener nur schmale Gänge, netzförmig, längs und quer. Der Tisch für die Ingenieure und den Stationsleiter befand sich in der äußersten Reihe dieses Rechtecks, unmittelbar an dem breiten Gang, an der oberen Schmalseite des Zeltes. An der unteren waren die Schanktische aufgestellt.
Für den Tisch, an dem Joe Brown sitzen sollte, hatte jemand eine Tischdecke und Blumen herbeigeschafft. Das wirkte im gewohnten Milieu erstaunlich, vielleicht auch töricht, und Henry hatte davon nichts gewusst, tat aber jetzt so, als ob dies unbedingt sein müsse. Joe Brown in der Mitte, sein Nachfolger links von ihm, der Stationsleiter rechts, präsidierten. Sie hatten den breiten Gang im Rücken und konnten ungehindert bedient werden. Die anderen Ingenieure, der Buchhalter, der Kassierer, der für den Bahnbetrieb Verantwortliche, fanden ihre Namenskarten an diesem Tisch, an den sich keiner setzen sollte, den Henry nicht dafür vorgesehen hatte. Daisy-Vicky kam und fragte nach den Wünschen der Herren. Joe bestellte für den ganzen Tisch.
Als sich der Ingenieur nach den Gefährten seiner Pionierzeit und nach der übrigen Prominenz der Kundschafter und Prärieläufer umsah, stellte er fest, dass für diese an den nächsten beiden Tischen, der Saalmitte zu, gedeckt war. Bloody Bill hatte sich schon eingefunden und seine lange Lilly mitgebracht. Auch Charlemagne tauchte auf, und Red Jim ließ sich sehen, groß, breitschultrig, neu in Leder eingekleidet, mit allen Waffen, ausgenommen die Büchse. Auch die beiden anderen Männer hatten Messer und Revolver bei sich. Dann kam Mattotaupa. Er hatte das Haar glatt gelegt und neu geflochten, und die Schlangenhaut, die um die Stirn lief, hielt am Hinterkopf zwei Adlerfedern, die der ehemalige Häuptling nur sehr selten anlegte. Er hatte einen schön gestickten Rock angezogen, der lose über den Gürtel hing. Die Stickerei zeigte nicht die bei den Dakota gebräuchlichen Muster und Farbzusammenstellungen. Der Rock war in einem Panidorf für Mattotaupa angefertigt worden. Das wussten die wenigsten, von den Weißen wusste es keiner. Mattotaupa war sehr groß und eine würdige und stolze Erscheinung, nicht nur durch seine Kleidung, sondern auch durch eine gestraffte Haltung, die er an diesem Abend annahm. Red Jim beobachtete den Indianer aus einiger Entfernung und fragte sich: Was ist plötzlich wieder in ihn gefahren? Er schaut um sich wie ein Häuptling, der Gäste empfängt; nicht wie ein Indsman, der als alter Kampfgefährte trotz einiger Bedenken wohl oder übel noch eingeladen wird. Auch Harka zeigte sich, ein paar Schritte hinter dem Vater zurück. Er war kaum mehr kleiner, aber noch jugendlich-schlanker als der Vater. Er hatte kein Gewand an, da er eine Sommerjacke überhaupt nicht besaß, sondern nur die im Winter unentbehrliche Pelzkleidung. Mattotaupa hatte wohl empfunden, dass aus Harkas Weigerung, sich einen Festrock für den Sommer arbeiten zu lassen, seine Verachtung für die weißen Männer sprach. Harka hatte in diesem Punkt eigensinnig auf seinem Standpunkt beharrt. Sein nackter Oberkörper war sehr gut eingefettet, nicht nur für den Kundschaftsgang, den er hinter sich hatte, sondern nochmals für die bevorstehende Feier. Er war glatt wie eine Schlange; keine Hand konnte ihn so leicht festhalten. Die Büffelhautdecke, die mit den Taten seines Vaters als Kriegshäuptling der Bärenbande bemalt war, hatte er über die Schulter um Brust und Rücken geschlagen. Niemand konnte ohne weiteres sehen, was für Waffen sich unter der Lederdecke verbargen. Seinen Platz wählte der junge Indianer so, dass er den Tisch mit Joe Brown und den Ingenieuren im Rücken hatte und die Grenzer alle vor sich. Er setzte sich noch nicht, da die meisten anderen sich auch noch nicht gesetzt hatten. Aber er stellte sich so an den Tisch, dass ihm der gewünschte Platz gesichert blieb.
Die Musik spielte; der Zigeunerprimas ging zu den Gästen in der Nähe des Podiums und sang zu seiner Geige. Die ersten fingen an zu lachen und zu trinken und mit ihren Bechern zu Joe hinüber zu grüßen. Dieser erhob sich und dankte. Eine Rede gedachte er nicht zu halten.
Mattotaupa ging zu Joe Brown und sagte ein paar leise Worte zu dem Ingenieur. Brown hob rasch den Kopf, erstaunt, erfreut, und winkte die Kellnerin her, deren fettige Haut schon Schweißtropfen absonderte, ehe der Betrieb richtig begonnen hatte. »Daisy«, sagte er, »für dich und deine Kollegen: An den beiden Tischen vor uns wird auf Tops Kosten getrunken. Verstanden?«
Das Mädchen schaute zweifelnd an dem Häuptling hinauf. »Wenn die das erst merken, an den zwei Tischen, Top, dann hast du morgen früh eine Rechnung, für die du dir eine Farm kaufen könntest! Kannst du so viel zahlen?«
Der Indianer lächelte wohlwollend, überlegen, öffnete den Lederbeutel ein wenig und ließ das Mädchen einen Blick hinein tun.
»Donnerwetter ... Top ... du ... wer hätte das geahnt!« Daisy-Vicky wurde über und über rot, und ihre Augen strahlten, als ob sie ein Wunder gesehen habe.
Mattotaupa gab ihr eine Münze im Voraus. »Das ist für deine Arbeit«, sagte er.
Das Mädchen war daraufhin sofort bei den beiden Tischen. Sie stellte sich neben Mackie, der Charlemagnes Nachbar geworden war. »Bestellen bitte«, sagte sie. »Top zahlt für alle!«
Die Mitteilung wurde mit Freudengeschrei und Hallo aufgenommen, und es hagelte Bestellungen, so dass Vicky zusammenrechnen und wiederholen musste, um nichts zu vergessen.
Charlemagne und Bill warfen Red Jim wieder vielsagende Blicke aus den Augenwinkeln zu, die Jim aber nicht bemerkte, da er selbst Top anstarrte. Harka jedoch fing die Blicke auf, während er Daisy-Vicky eben anwies, ihm eine Fleischmahlzeit zu bringen. »Sonst nichts«, fügte er auf ihre Rückfrage hinzu.
Bier, Brandy und Becher kamen schnell auf den Tisch. Das Mädchen hatte sich noch zwei Kollegen zur Unterstützung herbeigerufen.
Die Köpfe erhitzten sich bald. Es wurde viel Unsinn und viel Belangloses geredet, und die Männer tranken immer wieder Mattotaupa zu; er war auf einmal in viel stärkerem Maße der Mittelpunkt als Joe. Harka verzehrte sein Stück Braten. An der Unterhaltung, die ihn langweilte, beteiligte er sich überhaupt nicht. Mattotaupa hatte trotz allen Zutrinkens den ersten Becher Branntwein noch nicht geleert. Um sich einen zweiten eingießen zu lassen, kippte er den Rest aus dem ersten auf den Boden. Harka bemerkte das wohl; den meisten anderen entging es, da es schnell und geschickt geschah.
Nach einer Stunde waren die meisten im Saal angetrunken. An einigen Tischen sangen die Gäste im Chor. Der Stationsleiter Taylor begann aus seinem Leben zu erzählen. Browns Nachfolger erläuterte kühne Perspektiven von drei Bahnen quer durch die Union. Henry schwärmte von dem Leben in der Stadt. Joe Brown soff still vor sich hin, er fühlte sich auf einmal überflüssig. Da an dem Tisch von Top und Jim ein Platz frei wurde, setzte er sich zu diesen hinüber, und es dauerte nicht lange, da kam Taylor nach.
»Lassen wir die Greenhorns da hinten unter sich«, sagte er, »ich muss Prärie um mich haben und Männer! So bin ich’s gewohnt.«
Die Männer ließen ihn erzählen, und wenn er an diesem Tisch auch keine aufmerksamen Zuhörer für seine Geschichte fand, so doch sachverständige. Mattotaupa war höflich genug, hin und wieder eine Zwischenfrage zu stellen, die bewies, dass er gefolgt war.
Red Jim war noch vollkommen nüchtern, obwohl er mehr als jeder andere trank. Bloody Bill stritt sich mit der langen Lilly. Er war immer eifersüchtig. Mackie begann zu prahlen, und Charlemagne bestärkte ihn darin.
Mattotaupa hatte noch nicht mehr als einen halben Becher wirklich getrunken. Harka wusste nicht, dass seine Gegenwart es war, die den Vater hinderte, sich selbst und den anderen nachzugeben. Es war das erste Mal, dass Harka mit an einem Tisch saß, an dem gezecht wurde, und Mattotaupa war entschlossen, dem Sohn eben dieses erste Mal zu beweisen, dass ein ehemaliger Häuptling freigebig sein könne, ohne sich unwürdig zu benehmen. Die Rolle, die Mattotaupa spielte, gefiel ihm selbst mehr und mehr. Er hatte schon lange nicht mehr im Mittelpunkt gestanden, früher aber täglich, und das Wohlgefühl, bewundert zu werden, brach bei ihm durch. Die Tischgenossen sparten nicht an Schmeicheleien.
Es war in der dritten Stunde nach Mitternacht. Harka teilte Joe Brown kurz mit, dass er gehen und in den letzten Nachtstunden, die für unvorhergesehene Indianerangriffe die gefährlichsten waren, den Kundschafterdienst in seinem Abschnitt wieder selbst versehen wollte. Der Ingenieur sagte nicht nein, denn Harka trug zur Unterhaltung sowieso nichts bei. Nachdem Joe einverstanden war, konnte Mattotaupa nicht widersprechen, und Harka wollte stillschweigend den Tisch verlassen.
Da kam Mackie mit einem Becher auf ihn zu: »Einen Drink!«
»Trink selber aus«, antwortete der junge Indianer und war in dem breiten Rundgang schon drei Tische vorbei, als Mackie ihm, den Becher hochhebend, nachbrüllte: »Einen Drink, du verdammter Bursche! Willst du abschlagen?«
Harka dachte den Schreier auch weiterhin nicht zu beachten, aber da standen dem jungen Indianer bereits vier andere Kerle im Weg. Harka warf seinen Freunden an den Tischen einen raschen Blick zu. Sie hielten sich alle bereit, ihm beizuspringen. Der Indianer sah, dass die vier, die ihm in den Weg getreten waren, ihn nicht hindern konnten, aus dem Zelt hinaus zu gelangen, wenn er das wollte. Er brauchte nur seitlich über die Tische zu springen; keiner der Gäste, die an diesen Tischen saßen, würde schnell genug sein, um Harka zu halten. Eben weil er sich auf diese Möglichkeit verließ, zögerte er noch einen Augenblick.
»Ich schlage dir nichts ab. Ich trinke nichts. Trink du auf dein eigenes Wohl!« Als er dies zu Mackie zurückrief, stand er in ganz entspannter Haltung, als ob er für den nächsten Augenblick keineswegs etwas Besonderes vorhabe.
»Dann geh doch, du Esel! Wenn du nicht weißt, was gut schmeckt!«
Harka lächelte ein wenig. Diese Aufforderung war ein harmloser Abschluss, den er sich zunutze machen konnte. Es schien, dass Mackie, halb betrunken, noch nicht so funktioniert hatte, wie seine Hintermänner es erwarteten. Aber nun flüsterte dem Angetrunkenen jemand etwas zu.
»Ja, geh doch zu deinen Dakota, wo du hingehörst!«, brüllte Mackie plötzlich, ganz unvermittelt. »Es ist jetzt Zeit, dass sie die Brandpfeile abzuschießen beginnen!«
An den nächsten Tischen, an denen der Zuruf verstanden worden war, verstummten die Gespräche. Die Worte Dakota und Brandpfeile hatten im Bewusstsein aller, die sie vernahmen, wie ein Blitz eingeschlagen. Man befand sich in einem Zelt, und das Zelt stand in einer noch immer umkämpften Prärie. Gab es Verräter in den eigenen Reihen?
Harka sprang zurück, schneller fast als ein Gedanke. Er schlug Mackie schallend ins Gesicht, so dass dieser zur Seite taumelte, und stellte sich dann neben den Vater. Er hatte unter der büffelledernen Decke längst die Hand an der Waffe gehabt. Jetzt riss er den Revolver heraus, richtete ihn aber nicht auf Mackie, sondern auf Jim. »Pfeif sie zurück!«, sagte er leise. »Oder ich schieße.«
Red Jim wusste, dass er nichts mehr unternehmen konnte, was Harka entging, und er begriff, dass er erkannt war.
Er hob die Hände flach ein wenig hoch, zum Zeichen, dass er nicht zur Waffe greifen werde, und sagte laut: »Billy, bring doch den Mackie zur Vernunft! Jedes Mal fängt dieses Ross an, Krakeel zu machen! Damals um deine Lilly, jetzt mit Harry. Schaff das besoffene Schwein hinaus!«
Bill verstand, wenn er die Wendung, die eingetreten war, auch sehr bedauerte. Er packte mit Charlemagne zusammen Mackie an, dessen Nase blutete, und die beiden schleiften das unglückliche Opfer ihrer Pläne aus dem Zelt. Daisy-Vicky lief jammernd hinterher.
»Stecke den Revolver weg!«, befahl Mattotaupa seinem Sohn.
Harka gehorchte; seine rechte Hand verbarg sich wieder unter der büffelledernen Decke. »Ich gehe also«, sagte er gelassen.
Er ging ungehindert.
Seine Freunde lächelten ihm unauffällig zu.
Mattotaupa, Jim und Joe setzten sich wieder.
»Was war denn das?«, fragte Taylor, der Leiter des Stationslagers.
»Wildwest«, erläuterte Joe. »Eine Geschichte mehr für ihr Repertoire.«
»Begriffen habe ich die Sache nicht ganz.«
»Mackie war eben besoffen«, meinte der Ingenieur. »Er hat selbst nichts mehr begriffen. Wie sollen wir es begreifen?«
»Aber es besteht doch keine Gefahr?«
»I wo!«
»War das nicht dein Sohn?«, fragte Taylor Mattotaupa.
»Hau, mein Sohn.«
»Der Bursche hat mir gefallen. Er trinkt nicht, weiß sich zu helfen und nimmt seinen Dienst ernst. Solche Leute brauchen wir.«