Kitabı oku: «Heimkehr zu den Dakota», sayfa 3
»Also einen Drink ohne Harry, aber auf das Wohl von Harry!«, rief Jim und ließ die Augen blitzen.
Mattotaupa konnte nicht umhin, in diesem Falle mitzutun. »Du denkst sehr groß«, sagte er zu Jim in der Dakotasprache, so dass die anderen die Worte nicht verstanden. »Größer als mein Sohn.«
»Was heißt sehr groß?«, meinte Jim mit gut gespielter Generosität. »Der Junge ist nervös. Das kommt im Alter von siebzehn Jahren vor. Man muss dann nur die Ruhe bewahren.«
Joe und Taylor zogen sich wieder an den Tisch zurück, an dem die anderen Ingenieure saßen.
»Nur eine einzige blutige Nase«, meinte Henry. »Das ist ja diesmal glimpflich abgegangen.«
Es wurde weitergetrunken. Bill tanzte mit Lilly. Vicky bediente wieder mit Beflissenheit. Sie hatte sich überzeugt, dass Mackie bald wieder auf den Beinen sein würde.
Der Einzige, der auch nachträglich noch beeindruckt schien, ja nachträglich sogar noch stärker beeindruckt schien als im Augenblick des schnellen Ablaufs der Ereignisse, war Mattotaupa. Er mäßigte sich nicht mehr so beherrscht im Trinken, sondern goss einen Becher schnell hinunter und ließ ihn gleich wieder nachfüllen.
»Was hast du denn?«, fragte Jim.
»Nichts. Ich gehe auch noch einmal kundschaften.«
»Seid ihr alle verrückt?!«, protestierte Bill. »Abschied von Joe feiern wir nur einmal! Auf Kundschaft könnt ihr alle Tage gehen!« Aber Mattotaupa erhob sich. Er grüßte Joe höflich, zahlte bei Vicky die angelaufene Rechnung, sicherte ihr zu, dass er am Morgen die noch anfallende Zeche bezahlen werde, und ging langsam hinaus. Jim sah ihm nach, bis er aus dem Zelt verschwunden war. Dann sprang er auf und stürzte dem Indianer nach. Er traf ihn auf dem Weg zum Indianerzelt, wo Mattotaupa wohl seinen Festrock ablegen, vielleicht das Pferd holen wollte.
»Top, willst du mir nicht sagen, was du vorhast?«, fragte der Weiße, mit jenem tiefen Stimmklang, der um Vertrauen warb.
»Ich habe nichts vor, als auf Kundschaft zu gehen«, antwortete der Indianer abwehrend.
»Glaubst du, es besteht Gefahr?«
»Joe sagte mir, du habest versteckte Fährten gefunden. Sie sind mir entgangen. Sie sind auch Harka entgangen. Aber Mackie sprach von Brandpfeilen. Wir dürfen nichts versäumen. Wo hast du die Spuren gesehen?«
»Es war nur so eine Andeutung. Am Nordwestende meines Kundschafterreviers. Sie müssten eigentlich in Harrys Region hinübergelaufen sein. Du kannst nichts davon gesehen haben. Kommst du noch einmal zurück?«
»Sicher morgen Mittag, wenn Joe mit dem Zug abfährt.«
»Gut. Also beim Zug!«
Jim eilte in das große Zelt zurück.
Mattotaupa begab sich zu seinem Tipi. Er sah schon von weitem, dass beide Mustangs noch davor angepflockt waren. Als er eintrat, war nur die schweigsame Indianerin anwesend.
Die Glut in der Feuerstelle war gedeckt. Harrys Büffelhautdecke lag zusammengefaltet auf ihrem Platz. Er war da gewesen und war wieder gegangen. Die alte Flinte stand an ihrem Platz, aber den Bogen hatte Harka mitgenommen.
Mattotaupa legte den Festrock ab. Er zog die Adlerfedern aus der Schlangenhaut und verwahrte sie, die Büchse aber nahm er an sich. Er verließ das Zelt und ging zum Gleis. Dort fand er kaum einen Menschen mehr vor. Alle die vielen Männer und auch die Frauen, die bei der Ankunft des Zuges zusammengekommen waren, auch die Entladekolonnen, die ihre Arbeit inzwischen getan hatten, waren zur Feier oder zu ihrer Nachtarbeit gegangen, und vielleicht hatten sich auch einige zum Schlafen zurückgezogen. Das Gelände war leer und still, und nur aus dem großen Zelt, dem Mattotaupa den Rücken kehrte, drang der Lärm der Musik und das Singen und Johlen der Feiernden.
Der Indianer ging das Gleis entlang ostwärts, ein kleines Stück nur, dann schlug er einen Bogen nach dem Lager hin, als ob er zurückkehre. Sobald er Stapel von Fässern und Brettern erreicht hatte, die ein gutes Versteck boten, verschwand er für mögliche Beobachter dahinter und begann seinen Kundschaftsgang wie eine Schlange im Gras.
Auf diese Weise konnte er nur verhältnismäßig langsam vorankommen, aber er hatte auch nicht vor, eine große Strecke zurückzulegen. Er wollte in Harkas Revier, zu dem die andeutungsweisen Feindspuren geführt haben sollten, eine Anhöhe gewinnen, die er sehr genau kannte, da die Geländeabschnitte der Kundschaftergruppen wechselten. Von dieser Anhöhe wollte er Ausschau halten und Harkas Späharbeit unterstützen.
So sagte er im Stillen zu sich selbst.
Er sagte es sich immer wieder, aber er glaubte sich selbst nicht. Das Misstrauen wühlte in ihm. Harka hatte berichtet, er habe keine Spuren gesehen, aber Jim hatte von Fährten gesprochen, die in Harkas Abschnitt hinüberliefen. War Harka je eine Spur entgangen, die er finden wollte? Mattotaupa marterte sich selbst mit dem Gedanken, dass er mit seinem Verdacht nicht allein stehe. Mackie war betrunken gewesen, daran gab es keinen Zweifel. Aber Betrunkene sprachen aus, was sie nüchtern verschwiegen. Wie war Mackie zu seiner Beschuldigung gekommen? Was hatte er für Anhaltspunkte gehabt? Jim sagte darüber nichts. Er wollte den Vater schonen. Doch Mattotaupa wollte nicht geschont sein. Er wollte Gewissheit haben, volle, unzweifelhafte Gewissheit.
Er wollte wissen, was sein Sohn Harka in dieser Nacht tat.
Mattotaupa hielt Ausschau.
Nach einer Stunde des Wartens etwa konnte er wahrnehmen, wie Harka im Dunkeln zu der nächsten Bodenwelle schlich, hinaufkroch und oben, von Grasbüscheln gedeckt, liegen blieb, um nach derselben Richtung zu spähen wie der Vater.
Mattotaupas Herzschlag ging immer schneller. Hatte Harka irgendeine Verabredung, wollte er sich mit einem Feind treffen? War seine Eile, die Feier zu verlassen, nicht wirklich verdächtig gewesen? War es nicht sonderbar, dass die Krieger der Bärenbande schon so lange nichts mehr unternommen hatten? Planten sie einen großen Streich vor Einbruch des Winters? Hatten sie die Ankunft des Zuges abgewartet, um gefüllte Vorratsräume und wohlversehene Materiallager in Brand zu stecken und zu verwüsten?
Dem Vater wurde es heiß bis unter die Haut. Seine Augen glühten. Der Branntwein und das Misstrauen arbeiteten gleichzeitig in ihm. Er beobachtete, dass Harka sich bewegte. Der junge Kundschafter glitt den Hang der Anhöhe, auf deren Kamm er lag, an der für Mattotaupa nicht sichtbaren Seite hinab und blieb für lange Zeit verschwunden. Mattotaupa überlegte, ob er zu der Anhöhe, auf der Harka gelegen hatte, hinüberschleichen sollte. Aber der Platz, den Mattotaupa jetzt einnahm, bot im Ganzen den weitesten Ausblick. So wartete er, ob er entdecken könnte, wo Harka sich wieder zeigte. Aber er konnte ihn bis zum Morgen nirgends mehr beobachten.
Es war Herbst, und die Nächte waren lang.
Als es dämmerte, lief Mattotaupa gebückt zu der Bodenwelle hinüber, die er im Auge gehabt hatte. Er sah noch die Spuren, wo Harka im Gras gelegen hatte. Er sah auch die Fährten, die den Hang hinabführten. Dann aber fehlte jede weitere Spur. Harka war ein guter Schüler seines erfahrenen Vaters, ohne Zweifel, und er hatte als Kundschafter Tag für Tag nichts anderes zu tun, als andere zu entdecken und sich selbst zu verbergen. In dieser Kunst war er ein fast nicht mehr zu übertreffender Meister geworden, obgleich oder vielleicht gerade weil er noch so jung war.
Da in der Nacht kein Überfall stattgefunden hatte, begann Mattotaupa etwas ruhiger zu denken und zu empfinden. Mackies schwere Beschuldigung gegen Harka hatte sich nicht unmittelbar bestätigt.
Mattotaupa machte sich auf den Heimweg. Der Wind wehte stark, der Morgenhimmel war von Staubwolken verdüstert. Die Zeltwände blähten sich. Aus dem großen Speisezelt klangen noch immer die Geigen. Im Gras zwischen Zelten und Baracken lagen ein paar Betrunkene und schliefen ihren Rausch aus.
Als Mattotaupa sich seinem Zelt näherte, sah er, dass die Pferde nicht davor angepflockt waren. Harka war wohl schon zurück und brachte die Tiere eben zum Bach, um sie saufen zu lassen.
Mattotaupa ging in das Zelt. Die schweigsame Seminolin saß im Hintergrund. Über dem Feuer kochte Fleischbrühe im Kessel.
Mattotaupa stellte seine Büchse an ihren Platz. Dann wurde er steif wie ein Gelähmter.
Neben der Feuerstelle, auf der hellen Lederdecke, lag sein eigener Revolver.
Mattotaupa fasste nach dem Gürtel. Die Revolvertasche war leer.
Nun wusste der Vater, was Harka getan hatte, als er verschwand und seine Spuren so sorgsam verbarg. Er hatte dem Vater den Revolver aus der Tasche geholt. Es war ein Meisterstreich.
Mattotaupa hob den Revolver nicht auf.
Er ließ ihn vorläufig liegen. Wenn Vater und Sohn noch in jenem unverbrüchlichen, jede Offenheit und Heiterkeit erlaubenden Vertrauensverhältnis gestanden hätten wie einst, so würde Mattotaupa jetzt gelacht, sich gefreut und jedermann erzählt haben, was er für einen vorzüglichen Kundschafter und künftigen Krieger herangezogen habe, der mit siebzehn Jahren schon den eigenen Vater überlistete.
Vielleicht konnte er der Sache diese gute Seite abgewinnen. Wenn Harka glaubte, dass der Vater ihn hatte unterstützen und prüfen wollen – nur seine Kundschafterfähigkeiten hatte prüfen wollen –, dann konnte Mattotaupa dem Sohn jetzt das Lob frei ins Gesicht sagen. Wenn Harka aber nach dieser Nacht annahm, dass der Vater ihn verdächtigte, so wie der betrunkene weiße Mann Harka verdächtigt hatte, dann ... Mattotaupa scheute sich davor, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Es blieb ihm auch keine Zeit dazu.
Er hörte den Sohn mit den Pferden kommen. Er hörte, wie Harka mit ein paar Beilschlägen die Pflöcke an anderer Stelle in die Erde trieb, damit die Mustangs einen neuen Weidekreis fanden. Dann schlüpfte der junge Indianer ins Zelt.
Mattotaupa hatte den Revolver noch immer nicht aufgehoben. Jetzt erst, vor Harkas Augen, bückte er sich, griff nach der Waffe und steckte sie zu sich, mit dem Versuch eines Lächelns, mit einer verborgenen Frage, ob der Sohn ihm erlaube, die Sache von dieser Seite aufzufassen.
Harka holte sich seine alte Büffelhautdecke und legte sich wortlos schlafen. Der Vater hatte nur einen Augenblick in das Gesicht des Sohnes geschaut, aber er wusste jetzt, was alles verloren war.
Der alt gewordene Indianer zögerte, dann ging er aus dem Zelt hinaus in den Staubsturm. Er irrte im Lager umher und log sich vor, dass er kein Ziel habe. Doch lenkten seine Schritte immer näher zu dem großen Zelt, aus dem noch immer die Geige des Primas sang. Er gelangte zum Eingang, er ging hinein. Der Geruch von verschüttetem Bier, von kaltem Tabak, von erbrochenem Essen und Trinken schlug ihm entgegen. Die meisten Tische waren schon leer. Nur an einigen saßen noch die Unentwegten zusammen mit aufgedunsenen Gesichtern. Sie grölten heiser und unzusammenhängend und verlangten weiterzutrinken. Drei Kellner bedienten. Die Mädchen waren schon gegangen.
Mattotaupa schaute nach den Tischen, an denen die Ingenieure und die alten Prärieläufer gesessen hatten. Bloody Bill und seine lange Lilly hockten noch dort, außer ihm vier Mann. Red Jim, Joe, Henry, Taylor, Charlemagne, Mackie waren nicht mehr zu sehen. Als der Indianer langsam zwischen den Tischen hindurchging, begann der Zigeunerprimas einen wilden Tanz zu spielen. Mattotaupa kam nah an dem Podium der Kapelle vorüber, betrachtete den Geiger abwesend, wie über eine weite Entfernung hinweg, und warf ihm dann eine Goldmünze hin. Aus den Augen des Zigeuners schoss Feuer; die ganze Kapelle spielte Sturm, und die reißende Melodie wirkte gespenstisch in dem riesigen leeren stinkenden Raum.
Mattotaupa ließ sich auf die nächste Bank fallen. Es war ihm gleichgültig, dass der Tisch davor von verschüttetem Bier triefte.
»Brandy!«, rief er.
Die Kellner waren flink für diesen Gast. Während die Kapelle nur für ihn spielte, schüttete Top den Branntwein hinunter.
Es schwindelte ihm, und er trank weiter. Er wusste nicht mehr, dass er von der Bank auf den Boden sank. Er war schwer, und seine Augen schlossen sich.
Die drei Kellner warfen sich im Umherlaufen verstohlene Blicke zu. Allmählich zogen sie ihre Kreise enger um den vom Alkohol Eingeschläferten, endlich standen sie um ihn herum.
»Zahlen muss er noch«, sagte schließlich der eine.
Da merkten sie, dass sie nicht mehr drei waren, sondern schon fünf. Der Geiger und Bloody Bill hatten sich mit eingefunden.
Bill nahm den Lederbeutel, den Top am Gürtel trug, leerte ihn und legte die Münzen auf den Tisch. »Teilen wir ehrlich?«
»Erst die Zeche!«, sagten die Kellner und nahmen den größeren Teil an sich.
»Dann die Musik!«, sagte der Geiger und griff nach dem Rest.
»Ihr Raub- und Diebesgesindel!«, schrie Bill und wollte dem Zigeuner das Geld entreißen, aber da blitzte schon ein Stilett, und Bill zog die durchstoßene Hand fluchend zurück. Die lange Lilly kreischte im Hintergrund.
»Schaffen wir den Indsman heim«, meinte einer der Kellner. »Das ist mitbezahlt!«
Während der Zigeuner und Bill zu einem Hahnenkampf ansetzten, bei dem alle Mittel erlaubt waren, schleppten zwei der Kellner den Indianer auf ihren Schultern weg und trugen ihn hinaus bis zu seinem eigenen Zelt. Dort warfen sie ihn neben den beiden Pferden ins Gras.
Als sie weggegangen waren und das Indianerzelt schon nicht mehr sehen konnten, schlüpfte Harka aus dem Tipi. Er holte den Vater, der noch immer nicht zu sich gekommen war, in das Zelt herein und legte ihn auf eine Decke.
Dann setzte er sich an das Feuer und rauchte.
Die Seminolin saß im Hintergrund. Sie hatte sich so gesetzt, dass Harka ihr verstümmeltes Gesicht sah, wenn er vom Feuer aufblickte. Die Frau galt als stumm; vielleicht war auch ihre Zunge verstümmelt. Nie hörte jemand sie ein Wort sprechen. Auch Harka wusste nichts von ihr, als dass sie eine Seminolin war, die nach der Niederlage ihres Stammes in Florida in Sklaverei geraten und nach Beendigung des Bürgerkrieges frei geworden war. Sie hatte als Kesselschlepperin bei der Küche gearbeitet. Von dort hatte Harka sie mit Joes Erlaubnis und der Unterstützung des Blondbärtigen weggeholt, um für den Vater und sich jemanden zu haben, der das Zelt in der gewohnten Weise versorgte.
An diesem Morgen, an dem sich das Licht durch Staubwolken und Lederplanen nur trübe ins Zelt kämpfte, schienen aus dem verstümmelten Gesicht zum ersten Mal lebende Augen zu schauen. Allmählich fingen sie Harkas Blick und hielten ihn fest.
»Sprechen.« Mühsam, rauh kam die lange nicht gebrauchte Stimme aus der Kehle und zwang sich in die fremde, die englische Sprache. Harka war in ganz anderen Gedanken gefangen gewesen, und vielleicht hatte er nie so wenig an die Verstümmelte gedacht wie in diesem Augenblick. Aber als sie ihn lange genug fest angesehen hatte und nun zu sprechen begann, war es so, als ob ein Wunder geschehe und ein Baum Sprache bekommen habe, und er musste zuhören und antworten.
»Wer hat dich verstümmelt?«, fragte er.
»Weißer Mann. Seminolen haben gekämpft.«
»Ich weiß.« Auch Harka formte an seinen Worten. »Sieben Sommer und Winter habt ihr gekämpft. Für jeden eurer Krieger, der den Tod fand, starben hundert weiße Männer.«
»Nicht besiegt. Unser Häuptling verraten und gefangen.«
»Euer Häuptling Osceola. Er starb als Gefangener der weißen Männer.«
»Ja. Er ist tot, der Vater meines Vaters. Aber die tapfersten meiner Väter leben und kämpfen seit vierunddreißig Sommern und heute noch immer in den Sümpfen von Florida.« Die Frau, die vielleicht ein Mädchen war, stand auf. Eckig standen ihre Schultern unter der schwarzen Kattunbluse. Sie war groß und sehr mager, wie ein halb verhungertes herangewachsenes Kind oder eine verhärmte Mutter, wer wusste es? Ihr verstümmeltes Gesicht verzog sich in einem verzweifelten Hass. »Aber du, Harka Steinhart Wolfstöter, du kämpfst für die weißen Männer – für die Betrüger – die Mörder ... die blutgierigen Kojoten!«
Harka stand auf. »Geh und hole Wasser!«, sagte er.
Als die Seminolin in das Zelt zurückkam, fand sie Harka nicht mehr dort vor. Ihre Augen erloschen wieder, und ihre Lippen pressten sich von neuem fest zusammen. Sie wartete still und stumm. Stundenlang wartete sie. Dann stand sie plötzlich auf, zog die Decke unter dem Körper von Mattotaupa weg und goss ihm zwei Kübel kalten Brunnenwassers über den Kopf, in die Augen, in Mund und Nase.
Top schüttelte sich. Er hob die Augenlider, betrachtete die Seminolin erstaunt, sah sich einen Augenblick um, als ob er nicht wisse, wo er sich befinde, sprang aber auch schon auf und rannte an den Bach, um sich zu baden.
Während er den ganzen Körper in das kalte Wasser legte, versuchte er sich zu erinnern, was in der Nacht geschehen war. Sein Gedächtnis wiederholte ihm die Ereignisse, und als er endlich vor sich selbst nicht mehr glauben konnte, dass er geträumt habe, ging er zum Zelt zurück.
Er legte seinen Festrock an und begab sich zu dem Platz, an dem der Zug hielt. Es ging schon gegen Mittag. Lärm und Leben herrschten wieder im ganzen Lager. Alle, die sich über Mittag freimachen konnten, strömten zu dem Gleis, um die Abfahrt des Zuges und den Abschied Joe Browns und Henrys zu erleben.
Mattotaupa schaute nicht nach diesem oder jenem aus. Er wollte sich aber allen zeigen, einem jeden, wer es auch war. Er war sich bewusst, dass er zwei schwere Niederlagen erlitten hatte, eine gegenüber seinen eigenen Entschlüssen und Vorsätzen, sich nicht wieder zu betrinken, und die andere gegenüber dem Sohn. Er wollte aber den Kampf nicht aufgeben. Er wollte Achtung für sich verlangen und erzwingen, mit allen Mitteln, auf Biegen oder Brechen.
Seine hohe Gestalt blieb nicht unbemerkt. Joe, umgeben von einem Kreis Abschiednehmender, erspähte ihn und winkte ihn herbei. Mit gemessenen Schritten ging der Indianer auf den Ingenieur zu, der Kreis gab eine Gasse frei, und Top begrüßte Joe in der eigentümlich zurückhaltend-würdevollen Art, die ihm noch immer anhaftete, wenn er nüchtern war.
»Hab gehört, du bist auf elende Weise bestohlen worden, Top?« Joe musterte das graue Gesicht des Indianers mit der Teilnahme eines Mannes, der solche Erlebnisse kannte.
»Nein. Ich habe einige Münzen verschenkt«, log der Indianer in stolzer Haltung. »Den weißen Männern erschien es vielleicht etwas viel. Aber das hat nichts zu sagen.«
»Bill und der Zigeuner haben sich gegenseitig beinahe umgebracht. Bill liegt auf seinen Decken und stöhnt, gepflegt von der langen Lilly. Der Zigeuner arbeitet wieder bei den Ballen und Kisten. Er darf nicht mehr aufspielen. Alles in allem aber doch noch ein glimpfliches Ende!«
Der Lokomotivführer ließ seine Maschine ungeduldig pfeifen. Er erhielt das Abfahrtszeichen. Joe kletterte in den Güterwagen, in dem Henry sich schon eingerichtet hatte.
Die Räder begannen ostwärts zu rollen. In der staubigen Luft war der Zug bald nicht mehr zu sehen.
Abseits der Menge, die sich zu der Abfahrt eingefunden hatte, standen Red Jim und Charlemagne.
»Alles in allem«, zog Charles die Bilanz, »haben wir uns gründlich blamiert, und der Vogel, den wir fangen wollten, ist uns entronnen.«
»Er ist schnell, aber ich habe den längeren Atem.« Jim tat einen Lungenzug und fügte hinzu: »Siehst du nicht den alten Top dort allein? Sein Geld ist er los. Ich will wetten, dass er es sich für Nuggets eingetauscht hatte. Nun muss er sich wieder Gold holen, wenn er weiter den großen Herrn spielen will. Der Versuchung widersteht er nicht. Ich kann mich an seine Spur hängen.«
»Denke aber nicht, dass du mich dabei wieder abhängen kannst! Und was wird Harry machen? Die beiden haben wir nun doch nicht auseinandergebracht. Darauf kam es aber an!«
»Warte ab. Ich sagte dir ja, mein Atem ist länger. Top ist von neuem misstrauisch geworden. Er hat versucht, dem Harry nachzuschleichen.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe ja meine Augen! Was Mackie sagte, hat sicherer gewirkt als unsere Waffen.«
»Du bist ein junger Kerl, Jim. Nicht mehr ganz so jung wie damals, als wir uns kennenlernten. Doch auf ein paar Sommer kommt’s bei dir noch nicht an. Ich aber bin zehn Jahre älter, ich will nicht mehr zu lange warten.«
»Wer Beute machen will, muss geduldig lauern; das ist die erste Jagdregel. Wenn du das nicht vermagst, steh gleich von allem ab.«
»Du wirst mich nicht mehr los!«
»Scheint so. Aber ich warne dich. Harry hat beobachtet, dass du es warst, der dem Mackie zuletzt was eingeflüstert hat.«
»Du meinst ...?«
»Ja, ich meine, dass es anderwärts sicherer für dich wäre als gerade hier. Für Mackies Leben gebe ich auch keinen Cent mehr.«
»Und für deins?«
»Mich schützt Top, wenn ich nicht allzu große Dummheiten mache.«
»Schuft bist du.«
»Das kannst du nennen, wie du willst! Ich habe dich jedenfalls gewarnt. Schade, dass du den Zug verpasst hast.«
»Ich habe ein Pferd.«
Während dieses Gespräch stattfand, war Harka noch einmal in sein Zelt zurückgekehrt, aber nur, um sich seine Büffelhautdecke zu holen. Er schnallte sie dem Grauschimmel um, ritt in die Prärie hinaus und suchte an diesem Tag mit seinem Mustang zusammen einen Schlafplatz im Freien. Er konnte das verstümmelte Gesicht der Seminolenfrau, ihren wieder stumm gewordenen Hass und die Lippen mit den wieder verstummten Fragen nicht sehen, und er wollte seinem Vater an diesem Tag nicht mehr begegnen.
So schlief er mit seinem Mustang draußen in Staub und Gras, holte sich abends im Zelt ein Stück Fleisch zu essen und begab sich dann wieder zu dem Spähdienst, zu dem er sich verpflichtet hatte.