Kitabı oku: «Please love me», sayfa 3

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Kapitel 3

Als ich schließlich nach einem langen Einkauf nach Hause kam, machte ich mich wie bereits am Vortag daran, etwas für Dad und Lukas zu kochen. Ich deckte gerade den Tisch, als Dad mit Mia im Türrahmen erschien. Sofort kam Mia auf mich zu gerannt und klammerte sich an meinem Shirt fest.

»Gibt es etwa Spaghetti?«, fragte sie mit großen Augen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um in die Kochtöpfe spitzeln zu können, wofür sie allerdings definitiv noch zu klein war.

»Hallo kleine Motte«, begrüßte ich sie und strich ihr eine dunkle Locke aus dem Gesicht. Dann hob ich sie hoch auf meinen Arm, damit sie in die Töpfe lugen konnte. Ihre Augen begannen zu strahlen und fröhlich klatschte sie in die Hände. In diesem Moment wünschte ich mir, auch noch einmal so jung sein zu können wie Mia. Man freute sich über die kleinsten Dinge, war behütet und unwissend über all das Leid und Grauen, das einem mit dem Älterwerden bevorstand.

Ich begrüßte nun auch meinen Dad und Lukas, während ich begann das Essen zu servieren. Erneut zwang ich mich dazu, ein paar Happen zu essen, was Dad und Lukas freudig zur Kenntnis nahmen.

Nach dem Essen zogen die beiden sich in Dads Arbeitszimmer zurück, um ein paar Dinge bezüglich der Firma besprechen zu können. Da ich sowieso nicht viel zu ihren wirtschaftlichen Diskussionen beitragen konnte, beseitigte ich währenddessen das Chaos in der Küche und erledigte meine Hausaufgaben.

Anschließend schnappte ich mir Mia und steckte sie in die Badewanne. Bereits im dampfenden Wasser legte sich ein schläfriger Ausdruck über ihr Gesicht. Kaum hatte ich sie in ihr Bett gebracht, dauerte es keine Minute ehe sie schon im Land der Träume versank.

In meinem Zimmer warf ich mich zuallererst aufs Bett, wobei mein Blick auf das Buch auf dem Nachttisch fiel. Es war der Jane Austen Roman, den Mr Black mir heute Morgen mit der Absicht gegeben hatte, meine Einstellung Happy Ends gegenüber ändern zu wollen.

Warum machte er sich überhaupt die Mühe? Schließlich war ich nur eine seiner Schülerinnen. Eine von vielen.

Nun ja, es war gut möglich, dass er lediglich mein Interesse zur Literatur bemerkt hatte. Sicherlich war er wohl auch positiv überrascht davon, dass sich eine Schülerin tatsächlich und aufrichtig dafür interessierte. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass er einfach an beliebige Schüler seine Bücher verlieh.

Plötzlich wurde mir bewusst, welche Richtung meine Gedanken einschlugen und ich war schockiert. Machte ich mir tatsächlich Gedanken darüber, was Mr Black von mir dachte? Sofort kamen mir Poppys Worte in den Sinn. Du stehst auf ihn.

Na gut, wenn ich ehrlich zu mir selbst war, hatte seine Gegenwart eine gewisse Wirkung auf mich, was jedoch kein Wunder war. Immerhin schien es den anderen Mädchen in meinem Kurs nicht anders zu ergehen. Mr Black hatte einfach diese Art Präsenz, die alle Blicke auf sich zog, sobald er den Raum betrat. Und offenbar stellte auch ich in diesem Fall keine Ausnahme dar.

Aber stand ich deswegen gleich auf ihn? Nein, das war absoluter Schwachsinn. Ich fand ihn attraktiv und sympathisch, aber das war es auch schon. Obendrein hatte ich noch immer an dem Ende meiner zweijährigen Beziehung mit Danny zu knabbern.

Zwölf Wochen hatten gewiss nicht ausgereicht, um den Tod meiner Mutter und das Beziehungsaus zwischen Danny und mir zu verarbeiten.

Je mehr ich darüber nachdachte zwei geliebte Menschen verloren zu haben, desto intensiver fühlte ich den Schmerz in meinem Herzen wieder. Schnell schluckte ich den Kloß hinunter und verdrängte die Gedanken an die letzten Monate. Stattdessen griff ich nach dem Buch, das auf dem Nachttisch lag und begann zu lesen. Ich flüchtete mich an einen anderen Ort, in einer anderen Zeit.

Der Rest der Woche verlief Gott sei Dank ereignislos. Poppy hatte mir erzählt, dass Mr Black die Auseinandersetzung mit Madison wohl von Anfang an mitbekommen hatte. Sie berichtete mir, dass er Madison anschließend vor dem kompletten Kurs zusammengestaucht und sie zu einer Stunde Nachsitzen verdonnerte hätte.

Zwar hatte auch Poppy die Schulbank eine Stunde länger drücken dürfen, da sie Madison gegenüber handgreiflich geworden war, doch das war es ihr, wie sie mir mit einem breiten Grinsen mitteilte, wert gewesen.

Später informierte ich sie noch über Lukas' Vorhaben, am Wochenende auszugehen. Natürlich war sie von der Idee hellauf begeistert. Wobei ich mir nicht so ganz sicher war, ob ihre Freude womöglich mehr daher rührte, dass mein Bruder mit von der Partie sein würde.

Als die Woche endlich vorüber war und Freitag vor der Tür stand, war Poppy einem Nervenzusammenbruch nahe. Sie wusste schlichtweg nicht, was sie für den Abend in der Diskothek tragen sollte. Mein Handyspeicher platzte aus allen Nähten, da sie mir im Minutentakt ein neues Outfit simste. Irgendwann schrieb ich ihr zurück, wann sie wohl endlich gedachte zuzugeben, dass sie auf meinen Bruder stand.

Ich bekam keine Antwort mehr.

Den Freitagabend verbrachte ich damit, Mia beim Spielen Gesellschaft zu leisten und Mr Blacks Roman zu lesen, bis mich die Müdigkeit schließlich übermannte.

Nun war es Samstagnachmittag, ich war gerade am Lernen, als die Zimmertür mit einem lauten Knall aufschwang und Poppy, mit mehreren Taschen auf dem Arm balancierend, mein Zimmer betrat. Ich hob lediglich eine Braue und warf einen prüfenden Blick auf ihre Taschen, der meine dunkle Vorahnung bestätigte; sie schleppte ihren halben Kleiderschrank mit sich herum.

»Aha. Und du willst mir weis machen, dass du nicht auf meinen Bruder stehst?«, argwöhnisch beäugte ich ihren mühsamen Versuch, all ihre Taschen zu meinem Bett zu bugsieren.

»Wie geht es eigentlich Mr Black?«, parierte sie daraufhin, grinste mich über den Berg von Kleidern auf ihren Armen hinweg an und ließ schwer atmend den Ballast auf mein Bett fallen. Bei ihren Worten verzog ich grimmig das Gesicht. Poppys spitze Zunge hatte ich fast schon vergessen.

»Na schön, dann lass mal sehen, was dein Kleiderschrank zu bieten hat«, mit einem ergebenen Seufzen ließ ich von meinen Schulsachen ab und machte es mir auf dem Bett bequem. Poppys Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. Einen Augenblick später war sie auch schon zur Musikanlage getänzelt und startete ihre Playlist.

Die Modenschau begann.

Nach sechzehn Outfits und wiederholtem Abspielen ihrer Playlist war sie endlich zufrieden mit ihrem Aufzug. Sie trug ein schwarzes bauchfreies T-Shirt, auf welchem das Logo von Captain America abgebildet war. Das Shirt kombinierte sie mit einer schwarzen Jeans, an deren Knie zwei ausgefranste Löcher zierten. Abgerundet wurde das Outfit mit ihren hochhackigen geschnürten Stiefeletten.

Zufrieden betrachtete sie sich im Spiegel. Dann drehte sie sich wieder zu mir um und ein breites Grinsen umspielte ihre Lippen. Ich ahnte Böses.

»Jetzt bist du dran.«

Poppys Augen funkelten aufgeregt, während sie auch schon auf meinen Kleiderschrank zuhielt. Ich unterdrückte ein Stöhnen und ließ mich in die Kissen zurücksinken.

»Poppy, ich bin wirklich nicht in Stimmung für eine Modenschau. Ich werde einfach ein paar Jeans und ein T-Shirt anziehen«, murmelte ich, als mein Blick auf das Jane Austen Buch glitt. Zu gerne wäre ich einfach zuhause geblieben und hätte weiter gelesen, meine Ruhe gehabt.

Ich sah wieder zu Poppy rüber. Ihre enttäuschte Miene entging mir keineswegs.

»Ach komm schon, Drea. Das haben wir früher immer gemacht«, ihre Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund.

Innerlich fluchend senkte ich meinen Blick und versuchte mein schlechtes Gewissen zu vertreiben. Poppy und ich hatten uns damals vor jeder anstehenden Party bei mir zuhause getroffen und eine Modeschau veranstaltet. Es war zu so etwas wie einem Ritual geworden. Aber wie Poppy bereits sagte, war es früher einmal so gewesen. Und nichts war mehr wie früher. Ich war nicht mehr wie früher.

»Dann lass mich wenigstens etwas für dich raussuchen«, bettelnd blickte sie mich mit ihren großen Augen an. Poppy einen Wunsch auszuschlagen war ein schier unmögliches Unterfangen. Also willigte ich mit einem genervten Grummeln ein, woraufhin sie sich mit neuem Elan mit dem Inhalt meines Kleiderschrankes beschäftigte.

Während sie sich durch meine Kleidung wühlte, sprang ich schnell unter die Dusche. Zurück in meinem Zimmer, sah ich, dass ihre Wahl auf eine blaue Jeans und ein weißes eng anliegendes Shirt gefallen war.

Widerstrebend und wohlwissend, dass ich gegen Poppys Auswahl keinerlei Einsprüche erheben konnte, zog ich mich an.

Als mein Blick jedoch auf ihre Schuhauswahl wanderte, traf mich der Schlag.

High Heels. Niemals würde ich freiwillig solche Dinger tragen. Nicht wenn es unbedingt nötig war. Also schlug ich einen Handel heraus und schnappte mir meine geliebten schwarzen Converse, die schon völlig ausgelatscht waren.

Obwohl ich in den letzten Wochen sehr abgenommen hatte, passten mir die Jeans und schmiegten sich um meine Beine wie eine zweite Haut. Dies lag aber eher daran, dass sie ein Fehlkauf gewesen waren. Versehentlich hatte ich sie eine Nummer zu klein gekauft. Ich griff nach dem hellen Oberteil und zog es mir über den Kopf. Es betonte meine dunklen Augen und mein braunes Haar, das mir in Wellen bis zur Brust reichte.

Kaum war ich angekleidet, drückte mich Poppy auch schon auf einen Stuhl und begann mich zu schminken. Da sie wusste, dass ich zu viel Make-Up nicht mochte, vertraute ich ihr in dieser Hinsicht und war mit dem Ergebnis recht zufrieden.

Poppy hatte es geschafft meine Augen mithilfe von Eyeliner und etwas Wimperntusche noch mehr hervorzuheben, ohne dass es zu künstlich wirkte. Lediglich der rote Lippenstift stellte einen harten Kontrast dar. Als Poppy jedoch gerade nicht hinsah, wischte ich schnell mit einem Tuch über meine Lippen.

Kurz darauf klopfte es an der Tür und Lukas streckte den Kopf herein. Sein Blick lag sofort auf Poppy und ein breites Lächeln huschte über seine Lippen.

»Na wen haben wir denn hier? Hi Grandma‘«, begrüßte er sie mit einem provokanten Funkeln in den Augen. Seit Poppy ihre Haare grau gefärbt hatte, zog Lukas sie immer mit diesem Spitznamen auf. Entnervt rollte ich mit den Augen. Jetzt würden diese Sticheleien wieder beginnen, die mich jedes Mal eher an ein Vorspiel erinnerten, anstatt eines kleinen Wortgefechtes.

»Hast du immer noch keinen besseren Spitznamen für mich gefunden?«, konterte Poppy und auch ihre Augen glitzerten aufgeregt. Wie immer stand sie meinem Bruder in nichts nach und warf ihm einen herausfordernden Blick zu.

»Kannst du später mit uns überhaupt mithalten oder umarmst du um Mitternacht schon die Kloschüssel?«

Der Schalk stand Lukas regelrecht ins Gesicht geschrieben.

»Dass ich nicht lache. Ich würde euch ausnahmslos unter den Tisch saufen«, demonstrativ verschränkte sie die Arme vor der Brust. Lukas brach in lautes Gelächter aus. Sein Lachen klang so aufrichtig und schön, wie ich es schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr von ihm gehört hatte.

»Das bezweifle ich«, erwiderte er auf Poppys Aussage.

»Soll das eine Herausforderung sein?«, angriffslustig schob sie ihr Kinn nach vorn. Ich konnte nur fassungslos den Kopf schütteln. Poppy würde haushoch gewinnen. Niemand war in der Lage so viel Alkohol zu konsumieren und dabei immer noch Herr seiner Sinne zu bleiben. Meine beste Freundin kippte das Zeug herunter, als wäre es Wasser. Mal ganz ungeachtet dessen, dass wir im Grunde erst mit einundzwanzig Alkohol zu uns nehmen durften.

»Die Wette gilt«, Lukas grinste.

Der Abend würde nicht gut für ihn ausgehen, das war sicher. Doch eine Warnung erschien mir überflüssig. Er würde sich so oder so nicht davon abbringen lassen. Noch einige Sekunden lang grinsten sie sich einfach nur an. Ihr Lächeln ging beinahe schon ins Laszive über, was ich nun wirklich nicht sehen wollte.

»Okay Leute, das reicht«, unterbrach ich die beiden. »Könntet ihr euch diese Blicke nicht für ein andermal aufheben? Das ist echt ekelhaft.«

Mit aller Macht vertrieb ich das Kopfkino, das sich hinter meinem inneren Auge abspielte und warf einem nach dem anderen einen mahnenden Blick zu.

Lukas verfiel in schallendes Gelächter und teilte uns mit, dass wir in einer halben Stunde losfahren würden. Dann war er auch schon wieder verschwunden. Poppy dagegen lief hochrot an. Offenbar hatte sie meine Anwesenheit während des Gesprächs mit Lukas völlig vergessen. Schnell wandte sie sich ihren Kleidern zu, die mittlerweile in meinem gesamten Zimmer verstreut lagen und begann, etwas Ordnung zu schaffen.

Schweigend beobachtete ich sie dabei und überlegte, wie ich sie am besten auf das Thema Lukas ansprechen konnte. Jedes Mal, wenn man sie nach meinem Bruder fragte, wich sie aus. Es war mehr als offensichtlich, dass sie für Lukas schwärmte. Dennoch schien sie es nicht zugeben zu wollen oder aber sie fühlte sich unwohl dabei, sich mit mir über ihn zu unterhalten. Ich wollte jedoch nicht, dass sie das Gefühl hatte, nicht mit mir reden zu können, nur weil Lukas mein Bruder war. Das musste ich ihr klar machen.

»Hör mal Poppy, du kannst wirklich über alles mit mir reden«, setzte ich an und spürte ihren überraschten Blick auf mir ruhen. »Naja, du weißt schon, über Lukas. Ich verurteile dich nicht oder bin sauer oder so etwas«, ich zuckte mit den Schultern und wandte mich wieder dem Spiegel zu. Es herrschte Stille zwischen uns, sodass ich schon damit rechnete, keine Antwort mehr zu erhalten. Aber dann brach sie das Schweigen.

»Nein, das ist es nicht«, sie schüttelte den Kopf und durch den Spiegel sah ich, dass sie sich auf dem Bett niederließ.

»Ich mag ihn tatsächlich sehr. Aber er ist vierundzwanzig, sechs Jahre älter als ich. Zudem gehe ich noch in die High School, während er schon einen wichtigen Job hat, sogar eine Firma leitet, zusammen mit deinem Dad. Was würden meine Eltern wohl sagen? Außerdem weiß ich ja nicht mal ob er mich auch mag. Und zu allem Überfluss ist er... ist er auch noch dein Bruder. Ich will nicht, dass das irgendwann zwischen uns steht«, sie senkte den Blick auf ihre Hände und ich spürte die Unsicherheit in ihrer Stimme. In diesem Moment hätte ich sie am liebsten in den Arm genommen. Ich drehte mich auf meinem Stuhl wieder zu ihr herum.

»Poppy, du machst dir völlig unnötige Gedanken. Ich bin die Letzte, die etwas dagegen hätte, das musst du mir glauben«, ich hielt kurz inne. »So lange ich euch nicht bei einer wilden Knutscherei erwische oder naja … Du weißt schon was.«

Bei diesen Gedanken verzog ich angewidert das Gesicht. So sehr ich meinen Bruder auch mochte, über sein Liebesleben wollte ich wirklich nicht mehr wissen als unbedingt nötig. Poppy kicherte.

»Danke. Das bedeutet mir viel, aber ich weiß ja nicht einmal, ob er mich ebenfalls auf diese Art und Weise mag.«

Sie nestelte nervös an dem Saum ihres T-Shirts herum.

»Glaub mir, das tut er, das ist ja wohl kaum zu übersehen«, erwiderte ich sarkastisch und schnappte mir Handy und Geldbeutel, um beides in einer kleinen Tasche zu verstauen. Meine Schlüssel passten leider nicht mehr hinein, was aber nicht weiter tragisch war, da Lukas ja mit dabei war.

»Ehrlich?«, ein aufgeregter Hoffnungsschimmer keimte in ihren Augen auf.

»Ja, ehrlich«, ich erwiderte ihr Lächeln und warf mich neben ihr aufs Bett. Minutenlang lagen wir einfach nur stillschweigend nebeneinander, starrten an die Decke und ließen unseren Gedanken freien Lauf.

Kaum zu glauben, dass ich vor einer Woche noch jegliche soziale Kontakte gemieden hatte und nun im Begriff war, feiern zu gehen. Für einen kurzen Moment spürte ich das schlechte Gewissen in meinem Innern aufkeimen. Doch sogleich fielen mir Lukas' Worte wieder ein.

Mom hätte nicht gewollt, dass du dich im Haus vergräbst und keinen Spaß mehr hast.

Natürlich hätte sie das nicht gewollt. Lukas hatte Recht. Doch ich vermisste sie so sehr, dass die Tatsache auszugehen und zu feiern mir erschien, als lebte ich einfach weiter, als wäre nichts geschehen, als würde ich Moms Tod verleugnen.

Von der Treppe aus waren die Rufe meines Bruders zu vernehmen. Ich schob meine Gedanken schnell beiseite und schnappte mir meine Tasche. Poppy und ich gingen nach unten in die Küche, wo Dad mit Mia auf dem Schoß irgendwelche Unterlagen durchging.

Als Poppy und ich hereinkamen, sah er überrascht auf. Über die Lesebrille hinweg musterte er uns.

»Ihr seht hübsch aus«, ein Lächeln erschien auf seinen Lippen und ich war froh, Dad so unbeschwert zu sehen. Es war das erste Mal seit Mom weg war, dass er einigermaßen entspannt wirkte.

»Daddy, ich will auch so Schuhe haben wie Poppy!« Mias Rehaugen klebten förmlich an Poppys hochhackigen Schuhen, als wären sie das Erstaunlichste was sie jemals gesehen hatte. Dad verzog grimmig das Gesicht und Lukas prustete los. Poppy dagegen warf Mia nur einen bösen Blick zu, was mir ein Schmunzeln entlockte. Sie konnte nicht besonders gut mit Kindern.

»Oh nein, meine Kleine. Dafür bist du noch zu jung. Du kommst schnell genug in dieses Alter«, brummte Dad. »Viel zu schnell, wenn du mich fragst.«

Die letzten Worte murmelte er mehr zu sich selbst und tätschelte dabei Mias Rücken. Für Eltern war es immer schwierig, wenn die Kinder plötzlich erwachsen wurden.

»Ich will trotzdem so welche haben«, Mia zog eine Schnute und ihr Blick haftete noch immer an Poppys Schuhen.

»Bis morgen, kleine Motte.« Ich näherte mich Mia und drückte ihr einen dicken Schmatzer auf die Stirn, während sie nach Poppys Schuhen zu greifen versuchte. Dann verabschiedete ich mich von Dad und gab ihm ebenfalls einen Kuss auf die Wange.

So einfach ließ Dad uns jedoch nicht gehen. Nicht, ehe er Lukas strikte Anweisungen gegeben hatte, wie er auf Poppy und mich Acht zu geben hatte. Die Augen verrollend stimmte mein Bruder zu und konnte es kaum erwarten das Haus zu verlassen.

Zwanzig Minuten später standen wir in einer Warteschlange vor dem Lieblingsclub meines Bruders. Da Lukas den Besitzer kannte, dauerte es nicht lange und schon wurden wir an der Schlange vorbei nach drinnen geführt, wodurch wir uns einige schiefe Blicke der wartenden Leute einhandelten.

Das erste, das ich wahrnahm, als wir das Innere des Clubs erreichten, war der schwere Geruch von Schweiß, Alkohol und Parfüm, der in der Luft hing. Die Disco hatte die Räumlichkeiten einer alten Lagerhalle. Oben befand sich eine Galerie, die rund um die Wände verlief, sodass man von dort aus einen perfekten Blick auf das unmittelbare Geschehen hatte.

Bunte Discolichter durchfluteten die Halle mit Farbe. Heftige Bassklänge drangen in meine Ohren und erfüllten den Raum mit Leben. Überall sah man die verschiedensten Menschen herumlaufen.

Auf der Tanzfläche bewegten sich Einige miteinander zum Takt der Musik, streckten die Hände in die Luft und grölten den Gesang bekannter Songs mit. Ein Pärchen stach mir besonders ins Auge. Es schien nichts anderes mehr wahrzunehmen, außer sich selbst und den Beat der Musik. Sie tanzten nicht wie die anderen, sondern viel aufreizender, fast schon anstößig.

Peinlich berührt sah ich weg und konzentrierte mich auf den Weg vor mir. Zuerst erwies es sich als schwierig in diesem Gewirr aus Lichter und Blitze etwas zu erkennen. Doch schnell hatten sich meine Augen an die Umgebung gewöhnt und ich erkannte die Bar und einige Sitznischen am Rande der Tanzfläche.

Mit einem Mal fühlte ich mich an die Zeit vor zwölf Wochen zurückerinnert. Wie oft hatte ich mich mit Poppy, Timmy und Danny in irgendwelche billigen Clubs und Bars geschmuggelt, um die Nacht durchzufeiern… Diese Clubnächte hatten mir einmal Spaß bereitet, waren ein Teil von mir gewesen. Unter der Woche in der Schule hatten Poppy und ich das Wochenende kaum erwarten können und nun fühlte ich mich furchtbar unwohl hier.

Lukas schien wohl jemanden zu erkennen, denn er erhob die Hand zum Gruß und schnappte sich Poppy und mich, um uns in eine der Nischen zu bugsieren. Wir kämpften uns durch die sich zum Rhythmus wogende Masse hindurch, als ich auch schon zwei von Lukas Freunde erkennen konnte.

David und Michael standen auf, um uns zu begrüßen. Lukas klopfte den beiden zur Begrüßung freundschaftlich auf den Rücken, bevor er Poppy mit seinen Freunden bekannt machte. David warf sein charmantestes Lächeln auf und fuhr sich durch seinen dunklen Lockenschopf, bevor er ihr die Hand gab. Er handelte sich dadurch einen warnenden Blick seitens Lukas ein, was selbst Poppy nicht entging. Schnell warf sie mir ein breites Grinsen zu und ihre Augen leuchteten glücklich, als sie vom Licht der Discokugel angestrahlt wurden.

Michael dagegen gab sich freundlich und distanziert, was typisch für ihn war. Er war schon immer der Zurückhaltendste von allen gewesen. Er kannte meinen Bruder bereits seit Kindestagen. Bei ihm schien sich Lukas auch nicht die Mühe zu machen, sein Territorium zu markieren, was nicht weiter verwunderlich war. Denn Michael steckte in einer langjährigen Beziehung und war seit kurzem sogar verlobt. Gerade letzte Woche hatten wir die Hochzeitseinladungen erhalten.

Auch ich begrüßte die zwei besten Freunde meines Bruders. Nachdem wir es uns gemütlich gemacht hatten, winkte Lukas eine Kellnerin herbei, die natürlich augenblicklich errötete und mit hochrotem Kopf an unseren Tisch geeilt kam. Ich konnte es der armen Frau kaum verübeln. Bei so viel Testosteron auf einem Fleck würde ich sehr wahrscheinlich auch nervös werden. Jedoch kannte ich die Rabauken schon etwas länger.

Sie nahm unsere Bestellung auf und hastete mit noch immer leicht geröteten Wangen davon, um unsere Getränke zuzubereiten.

»Kommt dein Collegefreund von letzter Woche nicht?«, Lukas warf Michael einen fragenden Blick zu.

»Er kommt noch, allerdings verspätet er sich ein wenig«, erwiderte Michael und warf einen flüchtigen Blick auf sein Handy. Lukas nickte und ließ seine Augen durch die Menge wandern. David begann ein Gespräch über sein neues Auto, als die Jungs auch schon in eine lange, hitzige Diskussion darüber verfielen, ob nun amerikanische oder deutsche Autos die bessere Wahl waren. Ich stöhnte und fragte mich ein weiteres Mal, was ich hier eigentlich tat. Poppy, der natürlich nichts entging, spürte mein Unbehagen und legte mir eine Hand auf den Arm.

»Ich weiß, dass du viel lieber zuhause wärst und dich hier alles andere als wohl fühlst. Aber versuche einfach mal für heute Abend alles zu vergessen und ein bisschen Spaß zu haben. Ich kann mir vorstellen wie schwierig das ist, aber versprich mir, es zumindest zu versuchen, ja?«

Sofort sah ich zu ihr rüber und blickte in ihre warmen, mitfühlenden Augen. Poppy hatte recht. Was brachte es mir, hier herum zu sitzen und ein Gesicht zu ziehen? Ich verdarb den anderen nur den Abend und es änderte auch nichts an der Tatsache, dass ich lieber zuhause wäre, als hier. Ich sollte das Beste aus dem Abend machen oder zumindest versuchen, mich ein bisschen zusammenzureißen. Also nickte ich schweigend und Poppy schenkte mir erneut ein strahlendes Lächeln. Wenig später erschien die Kellnerin mit einem Tablett, welches randvoll gefüllt war mit Cocktails, Bieren und Schnäpsen.

Um Himmels Willen, was hatte mein Bruder nur alles bestellt? Er nahm die Wette mit Poppy wohl wirklich ernst.

Die Frau stellte die Getränke eilig ab und machte sich dann sofort wieder aus dem Staub. Noch bevor ich zur Widerrede ansetzen konnte, hatte mir Poppy einen Cocktail in die eine und einen Schnaps in die andere Hand gedrückt. Sie prostete mir zu. Die Jungs dagegen entschieden sich für ein Bier. Sie waren noch immer tief in ihre Männergespräche versunken, als Poppy mir bereits den nächsten Shot vor die Nase hielt.

»Penelope Whitehill, willst du mich etwa betrunken machen?«, brüsk nahm ich das Getränk entgegen und überlegte, wie ich es unauffällig verschwinden lassen konnte, ohne dass sie es bemerkte. Vielleicht die Pflanze hinter mir?

Empört erwiderte Poppy meinen Blick

»Niemals«, sie legte sich eine Hand aufs Herz. »Du weißt ich habe nur edle Absichten.«

Ich verdrehte die Augen und Poppy begann herzhaft zu lachen.

»Okay ich gestehe, ich versuche dich nur gefügig zum Tanzen zu machen.«

»Was? Nein, völlig ausgeschlossen!«

Mit strengem Blick entgegnete ich ihrem Schmollmund. Natürlich setzte sie wieder ihren weltberühmten Hundeblick auf, dem niemand etwas abschlagen konnte.

»Komm schon oder erinnerst du dich etwa nicht mehr an das, was du mir gerade versprochen hast?«

Nun spielte sie mit unfairen Mitteln. Poppy wusste nämlich genau, mit welchen Worten sie mich umstimmen konnte. Ich hob die Brauen und unterdrückte den Drang, schreiend nach Hause zu rennen. Stattdessen griff ich nach dem Glas vor mir und kippte es in einem Zug herunter. Vielleicht würde der Alkohol die ganze Situation ja etwas erträglicher machen.

»Na schön. Dann mal los«, ich erhob mich und Poppy klatschte aufgeregt in ihre Hände. Erst als wir bereits drauf und dran waren, uns auf die Tanzfläche zu begeben, schienen die Jungs sich unserer Existenz wieder bewusst zu werden.

Lukas schien von unserem Vorhaben, tanzen zu gehen, nicht sehr angetan zu sein. Mit strengem Blick befahl er uns in der Nähe zu bleiben. Zur Antwort nickten wir und begaben uns dann auf die überfüllte Tanzfläche. Wir mussten uns regelrecht durch die Menschenmenge drängen, bis wir einen geeigneten Platz fanden.

Poppy bewegte sich sofort völlig unbeschwert zu den tiefen Klängen und ließ rhythmisch ihre Hüften im Takt der Musik kreisen. Sie verschmolz vollkommen mit den anderen Leuten und schien zu einem Teil der Masse zu werden.

Ich tat es ihr gleich, doch so losgelöst und frei wie ich mich früher bewegt hatte, war es nicht mehr. Meine Bewegungen waren steif und ungelenk, ich konnte nicht loslassen, mich nicht in die Musik fallen lassen.

Unwillkürlich fragte ich mich, was mich überhaupt dazu bewogen hatte, Poppy auf die Tanzfläche zu folgen. Ich fühlte mich mit einem Mal völlig fehl am Platz und wollte nichts mehr, als von der Tanzfläche zu verschwinden. Ich quälte mich Poppy zuliebe noch einige Minuten ab, ehe ich die erlösenden Worte hervorbrachte.

»Ich gehe mal kurz zur Toilette, mich frisch machen. Wartest du an unserem Platz?«, ich musste förmlich schreien, um die Musik zu übertönen, die viel zu laut in meinen Ohren dröhnte.

Poppy nickte und ich begab mich auf den Weg zur Damentoilette, welche sich direkt neben dem Eingang befand. Während ich mir aus der tobenden Menge einen Weg heraus bahnte, erkannte ich das Toilettenschild und atmete erleichtert auf.

Zielstrebig hielt ich darauf zu, als ich im Augenwinkel jemanden sah, der mir irgendwie bekannt vorkam. Meine Augen richteten sich auf die Person, die ein paar Meter von mir entfernt stand und auf ein Handy eintippte.

Postwendend machte mein Herz einen Sprung und ich blieb abrupt stehen.

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