Kitabı oku: «Emscher Zorn», sayfa 2
Kapitel 3 – Jakob
Der Alkohol waberte in weichen Wellen durch seinen Körper, als er einige Zeit später aus dem Bett stieg, um sich fertig zu machen. Vor dem Kleiderschrank rümpfte er die Nase.
Er besaß nur eine einzige Jeans, die zwar abgewetzt war und Löcher an den Knien hatte, die aber immer noch cooler aussah als seine üblichen Jogginghosen. Er zog sie und ein ausgebleichtes, ehemals schwarzes T-Shirt an und musterte sich im Spiegel.
Er war zu dünn. Seine mageren Arme ragten wie Striche aus den Ärmeln seines T-Shirts hervor, und unter dem Stoff wirkten die Knochen seiner schmalen Schultern wie spitze Dolche. Immerhin war sein Aussehen gut geeignet, um einen Feind zu täuschen, redete er sich ein. Er mochte vielleicht einen dürren Körper haben, aber er war zäh und in einer Schlägerei nahezu schmerzunempfindlich.
Kurz steckte er den Kopf ins Wohnzimmer. »Tschüss Mutter, ich bin mal kurz weg.«
Sie saß hoch aufgerichtet auf der Couch, stopfte sich abwesend Pralinen in den Mund und starrte wie hypnotisiert auf das flimmernde Fernsehbild. »Mmmh«, murmelte sie, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden.
Schön, dass sie glücklich war.
Bevor Jakob die Haustür hinter sich zuzog, sah er genau, wie Jesus auf dem Bild im Flur die Stirn runzelte und ihm argwöhnisch hinterhersah.
Das animalische Grölen der Fans riss ihn mit wie eine Sturmflut, als er neben ihnen über die Möllerbrücke in Richtung Stadion lief. Das sonst so friedliche Kreuzviertel, mit seinen hübsch sanierten Altbauten, normalerweise überlaufen von Pädagogen, Lehrern, Studenten, Alternativen, ökologisch korrekten Eltern mit Kleinkindern und linken Möchtegernintellektuellen, verwandelte sich bei einem Heimspiel in einen brodelnden Sumpf. Durch die große Menschenansammlung und die vielen Polizisten kamen sie nur langsam voran. Sie bewegten sich in Schneckentempo und als eine gesammelte Macht. In ihrer einheitlichen grellgelben Fantracht, gemeinsame Parolen und Lieder brüllend, wirkten die Fußballfans wie Soldaten in Uniform, die bereit und auf dem Weg waren, um in den Krieg zu ziehen. Jakob spürte das Kribbeln, das sich von seinen Fingerspitzen aus in den gesamten Körper ausbreitete, als würden Tausende von Bienen unter seiner Haut beginnen zu brummen.
Die Nachmittagssonne brannte so heiß, dass die von Testosteron geschwängerte Luft zu flimmern schien.
»Tod dem SV 30«, brüllte ein krank aussehender, rothaariger Mann neben ihm, und Tropfen seiner Spucke trafen Jakob an der Stirn.
»Tod dem SV 30«, brüllten alle anderen zurück.
Sie waren eine Einheit. Eine gelbe Einheit voller Kraft und Unbesiegbarkeit. Kurz überkam Jakob das trügerische Gefühl dazuzugehören, aber er schüttelte den Gedanken schnell wieder ab. Er würde sich keiner Gruppe Hooligans anschließen und Teil von ihnen werden wollen. Er war schon immer ein Einzelkämpfer gewesen und würde das auch bleiben. Wenn es drauf ankommen würde, hätte er kein Problem damit, auch Fans der eigenen Mannschaft zusammenzuschlagen, wenn sich die Möglichkeit ergeben würde. Er hatte nur einen Grundsatz, an den er sich eisern hielt, wenn es um Gewalt ging. Er schlug sich nur mit Gegnern, die sich ebenfalls schlagen wollten. Niemals würde er sich an einem wehrlosen Opfer vergreifen, das würde gegen seine Prinzipien verstoßen. Gut, dass es genug Trottel gab, die sich gerne prügeln wollten.
Am Stadion angekommen, musste er die Tortur der Durchsuchung am Eingang über sich ergehen lassen.
Mit zusammengepressten Lippen ließ er sich widerstrebend von den Ordnern abtasten. Endlich ließen die Typen von ihm ab und er durfte weitergehen.
Erleichtert atmete er auf, besorgte sich an einem der Getränkewagen Bier, drängte sich durch die aufgebrachte Menge und stellte sich in seinen Block auf der Südtribüne.
Die Spieler liefen ein, das Spiel begann. Die Fans tobten, obwohl noch gar nichts passiert war. Er sah sich im Publikum um. Ausverkauftes Stadion. Das Übliche.
Die Menschen ähnelten dicht aneinandergedrängten Schafen in einer Herde, sie standen und glotzten, machten bei jeder Ballberührung der eigenen Mannschaft ungelenke Sprünge, umarmten ihre Nachbarn, die sie normalerweise auf der Straße nicht mal grüßen würden, und klatschten bei jeder Situation in die Hände wie geistig zurückgebliebene Kinder. Jeder bemühte sich sichtlich, endlich mal aus sich hinauszugehen und die Sau rauszulassen. Jakob seufzte. Das Spiel langweilte ihn.
Volle Bierbecher wurden nach vorne geworfen, das Gegröle der Fangesänge wurde lauter.
Jakob begann, sich innerlich darauf vorzubereiten, was draußen auf der Straße gleich passieren würde. In absehbarer Zeit würde sein eigenes Spiel beginnen. Er schloss die Augen und sah das verschwommene Bild eines konturlosen Gesichts vor sich und seine eigene Faust, die mitten hineindrosch. Zerrissene blaue Trikots voller Blut tauchten vor seinem inneren Auge auf. Er lächelte.
»Hömma, hat dir schon mal jemand gesagt, dass du aussiehst, wie ein kleiner Junge, wenn du lächelst? Richtig süß«, lallte ein betrunkener Fußballfan neben ihm und riss ihn aus seinen Gedanken. Jakob versuchte, ihn mit seinen Blicken zu töten und der Mann war schlau genug, ihn in Ruhe zu lassen.
Erst als die ersten Besucher des Fußballspiels ihn grob in den Rücken stießen, um sich an ihm vorbei zu den Treppen zu drängeln, bemerkte er, dass das Spiel zu Ende und abgepfiffen worden war. Das Publikum schob ihn Richtung Ausgang und zog ihn mit sich. Angespannt verließ er mit den anderen das Stadion.
Sobald er auf der Straße war, kam die Wut mit voller Kraft zurück und brüllte ihn an, dass sie endlich hinausgelassen werden wollte.
Breitbeinig und mit erhobenem Kopf stolzierte er provozierend langsam durch die herumstehenden Menschen, die Bier trinkend vor dem Stadion herumlungerten, sich aufgebracht über das Spiel unterhielten und nicht nach Hause wollten.
Misstrauisch beäugte er die Polizisten, die sich, mit Helmen, Schutzschildern und Knüppeln bewaffnet, am Straßenrand aufgereiht hatten und nur darauf zu warten schienen, dass es endlich losging. Drei der gegnerischen Fans standen etwas abseits der anderen, die sich sammelten, um geschlossen Richtung Bahnhof zu gehen.
Der größte der drei Männer fing seinen Blick auf und fixierte ihn, ohne zu zwinkern. Arrogant musterte er ihn von oben nach unten. Seine Lippen öffneten sich, und er bleckte seine schiefen, gelblichen Zähne. Kaum erkennbar nickte er mit dem Kopf in Jakobs Richtung.
Jakob reagierte sofort. Das Adrenalin pochte in seinen Adern.
Er spurtete los, rannte auf den Mann zu, boxte ihm erst mit der Faust in den Magen, umrundete ihn und sprang von hinten auf seinen Rücken. Er schlang ihm die Arme von hinten um die Kehle und drückte mit aller Kraft zu.
»Scheiß SV 30, du Hurensohn«, keuchte er in sein Ohr, »jetzt bist du dran.«
Der Große versuchte, ihn abzuschütteln, aber es gelang ihm nicht. Wie ein Sack hing Jakob auf seinem Rücken und presste die Arme immer fester um seinen Hals.
»Ey«, schrie einer der Kollegen des Mannes, »bist du wahnsinnig? Der kriegt keine Luft mehr. Lass ihn los, du Spinner.« Er versuchte, Jakob von hinten zu packen, doch dieser trat ihm voll ins Gesicht.
Jakob hörte das Knacken seiner Nase und trat direkt noch einmal zu. Der Mann krümmte sich, vergrub das Gesicht in den Händen und wandte sich ab. Inzwischen hatte Jakob den Großen zu Boden geworfen, stürzte sich auf ihn und schlug ihm mit der Faust immer wieder ins Gesicht. Der erste Schlag war wie eine Befreiung. Jeder Muskel seines Körpers befand sich im Einklang, jede Sehne war angespannt. Endlich konnte er sich spüren und war eins mit seinem Körper.
Jakob roch das Blut, bevor er es sah. Tief atmete er den metallischen Geruch ein. Ein Gefühl von Freiheit begann, sich in seiner Brust auszubreiten, das ihn schwindelig machte.
Wie ein wildes Tier blickte er um sich in die verschwommene Traube von Menschen, die sich um sie herum gebildet hatte, und sah direkt in die dunkelblauen Augen des schwarz gekleideten Mannes, der ihm am Vorabend auf der Straße begegnet war. Nelu sah interessiert zu ihnen hinüber, und ein leichtes Lächeln huschte über sein schönes Gesicht. Jakob starrte ihn an. Dann fühlte er einen dumpfen Schlag auf seinem Hinterkopf, und alles um ihn herum wurde schwarz.
Kapitel 4 – Tim
Tim König stand neben seinen Kollegen, die ein Spalier am Straßenrand gebildet hatten, und schaute mit gequältem Gesichtsausdruck auf die Fußballfans, die an ihnen vorbeiliefen. Bei manchen torkelnden Gestalten konnte man es kaum Laufen nennen.
Er beobachtete, wie einer dieser gelben Irren sich in einem großen Schwall auf seine eigenen Schuhe erbrach, und wandte schnell den Blick ab.
Wieder einmal mussten sie nach einem Fußballspiel für öffentliche Sicherheit sorgen. Die Hundertschaften, die normalerweise für solche Einsätze zuständig waren, waren abgezogen worden, da in der Nachbarstadt heute Nacht eine groß angekündigte Razzia im Rotlichtbezirk stattfinden sollte. Die Hälfte der Kollegen war im Sommerurlaub, sodass man sogar ihn, der normalerweise ausschließlich Bürodienst machte, hinter seinem Schreibtisch hervorgezogen hatte.
Es war heiß, er schwitzte, und seine Haut juckte unter dem Schutzpanzer. Mit Mühe unterdrückte er ein Gähnen und versuchte krampfhaft, seine Augen offen zu halten, die immer wieder zufallen wollten.
Gestern Nacht hatte er bis zum Morgengrauen gezockt und war endlich bei dem besten Computerspiel der Welt »Warriors of Darkness« im fünften Level angekommen.
Beim Zocken machte ihm so schnell niemand etwas vor, und er brauchte Zeit dafür, egal, ob Markowski ihn nach seinem letzten Krankenschein wieder schief von der Seite angesehen hatte. Jetzt war er schließlich hier, stand wie ein Dominostein in einer Reihe mit den anderen und betete innerlich, dass bloß keiner dieser Fußballidioten austicken würde.
Königs Blick schweifte misstrauisch über die Menschenmenge. Noch war alles ruhig. Wenn dieses Herumgestehe bloß nicht so langweilig wäre.
Hatte er heute Mittag, bevor er zum Dienst ging, eigentlich Jutta, die Katze, die ihm Corinna bei ihrem fluchtartigen Auszug aus der gemeinsamen Wohnung hinterlassen hatte, gefüttert? König überlegte konzentriert. Doch, beschloss er, er war sich ganz sicher, eine Dose dieses übel riechenden Katzenfraßes geöffnet und in ihre Schüssel gefüllt zu haben. »Rebhuhn mit Erbsen«, hatte auf der Dose gestanden. So etwas Feines bekam er selber nicht zu essen. Sofort begann sein Magen zu knurren. Verstohlen blickte er auf seine Uhr. Es war nach sechs Uhr abends. Wenn nichts Weltbewegendes mehr geschehen würde, wäre vielleicht pünktlich um halb neun Feierabend.
König zuckte zusammen, als plötzlich der schrille Pfiff einer Trillerpfeife direkt neben ihm ertönte.
»Zugriff. Deeskalation. Rechte Seite. Steinmauer«, brüllte eine Stimme. Sein Blick fuhr automatisch nach rechts.
An der Mauer, die den urigen Biergarten umschloss, hatte sich eine Menschenansammlung gebildet, stellte er überrascht fest.
Einige der Leute wichen gerade erschrocken zurück und gaben den Blick frei auf zwei Typen, die in einer Lache Blut am Boden lagen.
»Bist du eingeschlafen, oder was?«, raunzte dieser Schleimer Dressler ihn von der Seite an, »leg einen Zahn zu und schieb deinen Body da rüber. Die Mauer war dein Part der Überwachung. Haste ja toll hingekriegt.«
König schluckte und lief trabend hinter Dressler durch die Menge auf die Mauer zu.
»Gehen Sie aus dem Weg. Polizei!«
Er versuchte, nicht zu würgen, als er durch die Menge trat. Es war viel Blut geflossen. Der ganze Boden schimmerte in einem bräunlichen Dunkelrot. Einer der beteiligten Kerle, dessen Gesicht ähnlich aussah wie das Katzenfutter von Jutta, rappelte sich gerade schwankend vom Boden auf und wurde dabei von seinen beiden Kumpels gestützt, von denen einer heftig aus seiner schief stehenden Nase blutete.
»Kann mir bitte jemand sagen, was hier los war?«, fragte er resigniert in die Runde, nahm den Schutzhelm ab und strich sich müde sein verschwitztes, braunes Haar aus der Stirn.
»Da war so ein Verrückter«, keuchte der Unverletzte der drei Männer, »der ist von hinten auf Thomas drauf gesprungen, wie ein wild gewordenes Tier, ohne Vorwarnung und ohne was zu sagen. Hat auf ihn draufgeschlagen, einfach so. So was hab ich noch nicht erlebt. Ich hasse dieses Dortmunder Gesocks.« Er schüttelte schockiert den Kopf, atmete schwer, als wäre er selbst zusammengeschlagen worden.
König sah ihn schweigend an.
Eine blonde junge Frau trat hervor. »Er hat recht. Ich habe das Ganze beobachtet. Es ging ganz schnell. Die drei standen da, und der«, sie wies mit der Hand auf das zusammengesunkene Stück Mensch in der Blutlache, »der kam angerannt, sprang den einen an, würgte ihn und trat mit dem Fuß nach dem anderen. Als er den einen Mann zu Boden gebracht hatte, kam er in eine Art Blutrausch und schlug auf ihn ein, als würde es um sein Leben gehen.«
»Und dann habt ihr zurückgeschlagen, oder was? Immer schön rauf auf den Dortmunder.«
»Na ja«, meinte der mit der zertrümmerten Nase, »der Typ schien plötzlich wie weggetreten zu sein und glotzte wie hypnotisiert in die Menge, während er vorher nur damit beschäftigt war, Thomas halbtot zu schlagen. Ich habe die Chance ergriffen, ihm eine Flasche über den Hinterkopf gezogen und ihn außer Gefecht gesetzt. Der Typ«, seine Stimme zitterte, »er ist doch nicht tot?«
König trat vorsichtig mit der Schuhspitze in die Rippen des auf dem Boden liegenden Mannes. Ein Stöhnen erklang von unten.
»Nö. Ist er nicht«, erklärte König. »Hat sonst noch jemand was zu sagen, um den Sachverhalt zu klären?« Er sah sich fragend im Publikum um.
Markowski drängte plötzlich seinen haarigen, stämmigen Körper zwischen ihn und die Menge und stieß ihn grob zur Seite.
»So, König. Jetzt lass mal gut sein. Du bist diese Art von Arbeit doch gar nicht gewohnt. Ich übernehme.« Sein Stiernacken glänzte wie immer rot leuchtend, genauso wie sein Gesicht. Er zückte sein Notizbuch und begann mit seinen Befragungen.
Der Rettungswagen kam. Ein Sanitäter warf einen flüchtigen Blick auf die zwei ansprechbaren Verletzten, dann kniete er sich in die Lache Blut auf dem Boden, schob mit den behandschuhten Fingern das Augenlid des bewusstlosen Mannes nach oben und beleuchtete mit einer Lampe seine Pupille. Der Bewusstlose zuckte plötzlich, richtete sich auf, hob seine Hand und krallte die Finger in das schulterlange, gelockte Haar des Sanitäters.
»Fick dich«, schrie er ihn mit geschlossenen Augen an und spuckte dem Mann ins Gesicht, dann sank er zurück auf die Straße.
»Der Mann ist ok«, stellte der Sanitäter fest, räusperte sich und wischte sich den Rotz aus dem Gesicht, »die Wunde ist nicht tief. Ich werde sie desinfizieren, aber nehmen Sie ihn in Polizeigewahrsam. Der Junge muss sich dringend ausnüchtern. Falls Sie morgen eine ungewöhnliche Veränderung seiner Pupillen wahrnehmen, bringen Sie ihn ins Krankenhaus.«
Die Sanitäter verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.
Dressler, Markowski und König sahen den blinkenden Lichtern des Rettungswagens hinterher. Dann wandten sie ihren Blick der zusammengekrümmten Gestalt auf dem Boden zu.
»Wir müssen ihn mitnehmen«, stellte Markowski fest.
Sie sahen auf den jungen Mann mit den raspelkurzen Haaren und dem schwarzen T-Shirt hinunter.
»Wenn er mich anspuckt, lasse ich ihn fallen«, sagte Markowski entschlossen.
Sie schauten sich an. Ohne ein Wort zu sagen, griffen sich Dressler und Markowski jeweils einen Arm und ein Bein des Mannes, König schob seine Finger unter das Genick und sicherte den Kopf. Er stöhnte.
»Was hat der in seinem Schädel? Steine?«, rief er.
Er spürte das vertraute Ziehen in seinem Rücken.
Er war mit seinen 35 Jahren einfach zu alt für so einen Einsatz.
Sie schleppten den Mann zu ihrem Streifenwagen und versuchten, ihn nach hinten ins Auto zu legen. Ein dumpfer Knall ertönte.
»Vorsicht. Sein Kopf«, schimpfte Markowski.
Sie bugsierten ihn unter großen Anstrengungen auf den Rücksitz. Markowski schnaufte, und sein dicker Schnurrbart, der ihn aussehen ließ wie ein Walross, bebte dabei lustig auf und ab.
»Jetzt auf zur Wache, Jungs. Ab in die Zelle mit dem Typen, Berichte schreiben und Feierabend. Obwohl«, er kratzte sich am Kopf, »ich mir eigentlich nicht sicher bin, ob er nicht doch besser in ein Krankenhaus gehören würde. Na ja, was soll’s, ich bin kein Arzt. Los, auf geht’s.« Er klatschte in die Hände.
König hasste das. Es fühlte sich an, als wäre er ein Schuljunge und Markowski sein Lehrer.
Sie machten sich auf den Weg. Die Straßen waren voll, und es dauerte eine Ewigkeit, bis sie die Polizeiwache Nord erreichten. Dass der Mann auf dem Rücksitz langsam zu sich kam, war nicht zu überhören. Er stieß erst seltsame, lang gezogene Geräusche aus, dann brabbelte er irgendwelche unsinnigen Wörter vor sich hin, als würde er in einer fremden Sprache sprechen.
Ob er bei dem Schlag auf den Kopf seinen Verstand verloren hat? König wurde unruhig. Oder war er gar kein Mensch? Vielleicht kam er von einem anderen Planeten und war hier, um die Erde zu vernichten. Er versuchte, sich zusammenzureißen. Er spielte wirklich zu viele Computerspiele, seine Fantasie ging immer öfter mit ihm durch.
Er drehte seinen Kopf nach hinten und musterte den verletzten Mann. Dieser riss genau in diesem Augenblick die blutunterlaufenen Augen auf und starrte ihn an.
»Verpiss dich, Bullenschwein«, schrie der Mann ihn an.
König war beruhigt. Es war kein Außerirdischer, so ging das normale Volk heutzutage mit Polizisten um. Alles ganz normal.
Er lächelte, als der Mann wüste Flüche und Beschimpfungen von hinten brüllte. Die Polizisten stellten sich taub.
Als sie auf der Wache ankamen, schien der Mann erschöpft zu sein, leistete keine Gegenwehr und ließ sich mit hängendem Kopf in das Büro führen.
Sie nahmen sein Handy an sich und überprüften seine Personalien. Markowski zog seine buschigen Augenbrauen nach oben. »Oha. Schon öfter hier gewesen, was? Immer wegen Gewaltdelikten und Körperverletzung. Na, dann kennst du dich ja aus.«
Der Mann reagierte nicht.
Irgendwie schien ihm alles egal zu sein, dachte König. Etwas an diesem Mann machte ihn traurig. Er wirkte einsam und ernsthaft verzweifelt.
Sie brachten ihn in die Ausnüchterungszelle, wo er sich von selbst, ohne dass sie ihm Anweisungen geben mussten, die Schuhe auszog und den Gürtel ablegte und ihnen schweigend in die Hand drückte. Dann legte er sich in der Zelle auf die Pritsche und starrte an die Decke.
»Angenehme Nacht«, rief Markowski ihm zu und schloss die Zellentür. Er rieb seine dicken Hände aneinander und musterte nacheinander Dressler und König.
»Und wer, was denkt ihr, wer schreibt jetzt den Bericht?«, fragte er vergnügt in die Runde und zwinkerte Dressler zu.
»König. Wer sonst?«, Dressler kicherte wie ein kleines Mädchen.
»Was? Warum ich schon wieder?«, fragte König zickig.
»Weil du, Tim König«, Markowski tippte ihm mehrmals mit dem Zeigefinger gegen die Brust, »vor Kurzem wieder mal zwei Wochen einen Schein genommen und krankgefeiert hast. Glaub mir, wir wissen genau, dass du nicht wirklich krank warst.«
König schnappte nach Luft. »Das ist eine Unterstellung«, fing er empört an, doch Markowski unterbrach ihn.
»Fang bloß nicht an, dich rauszureden, sonst werde ich ernsthaft wütend. Mach dich an die Arbeit. Strafe muss sein und übrigens, geh endlich mal zum Friseur. Deine Haare sind viel zu lang und stehen von deinem Kopf ab, als hättest du einen Stromschlag bekommen. Du könntest glatt als Musiker in einer dieser ausgeflippten Reggae-Bands durchgehen, bald nenne ich dich nur noch Pumuckl«, er stieß ein bellendes Lachen aus, »los, Dressler. Wir trinken noch ein Feierabendbier zusammen, dann geht’s ab nach Hause.«
Das Klatschen seiner Hände hallte über den Flur.
König sah Dresslers höhnisches Grinsen noch vor sich, als er sich in dem stickigen, kleinen Büro an den Schreibtisch setzte, erfolglos versuchte, mit der Hand sein widerspenstiges, kurzes Haar zu glätten und den Computer hochfuhr.