Kitabı oku: «Verantwortungsvoll führen in einer komplexen Welt», sayfa 3
Gravierende Unfälle sind oft das Resultat der Kombination von hoher Komplexität und starker Kopplung.
Zur Abrundung dieses Denkmusters soll die Anwendung des Gesetzes der erforderlichen Varietät am Beispiel der Vermeidung von Großunfällen illustriert werden. Wie bereits in Abb. 1.2 zu den Gefahren des Internets der Dinge illustriert, sind viele gravierende Unfälle, die meist durch relativ kleine Fehler ausgelöst werden, das Resultat des Zusammenspiels von Komplexität (linke Seite der Gleichung) und Kopplung (rechte Seite der Gleichung). Wenn die Komplexität zunimmt, ergibt sich eine Vielzahl neuer Teile. Sind diese eng miteinander gekoppelt, beispielsweise durch bereichsübergreifende Prozesse, so erfolgt auch bei kleinen Fehlern eine Kettenreaktion, die das Ganze unkontrollierbar macht. Wenn ein Unternehmen komplexer wird, so versucht das Management oft intuitiv, diesem Trend durch Zentralisierung zu begegnen. Dies ist aber genau die falsche Reaktion. Um die Kontrolle zurückzugewinnen, muss bei der Gestaltung solcher Systeme die Komplexität so einfach wie möglich gehalten werden (Varietätsreduktion), und die Kopplung muss lose sein (Varietätsgenerierung).
Die Ausführungen zum ersten Denkmuster der Komplexitätsbewältigung sollen mit einigen Beobachtungen aus einer etwas ungewohnten Sicht abgeschlossen werden. Komplexität ist keine objektive Eigenschaft eines Systems, sondern abhängig von der Perspektive und damit der Systemabgrenzung des Beobachtenden. Führungskräfte können Komplexität aufbauen, sei es durch schieres Unvermögen oder durch bewusste Manipulation. Ersteres hat als Ursache meist mangelnde methodische oder Sachkompetenz. Eine konsequente Umsetzung der Erkenntnisse zum ersten Denkmuster (siehe unten) kann hier weiterhelfen. Etwas anders liegt der Fall bei der Manipulation. CLEARFIELD und TILCSIK (2018, 67) führen als Beispiel das Unternehmen Enron an. Das Unternehmen baute Modelle, um den «wahren» Wert ihrer Vermögenswerte zu ermitteln. Bei Großprojekten trafen sie Annahmen, welche Einkünfte sie über die kommenden Jahre generieren könnten. Diese verbuchten sie als unmittelbare Geldflüsse, ohne solche je erzielt zu haben. Damit manipulierten sie den Aktienkurs und schließlich auch die Boni. Dieses sogenannte «mark-to-market accounting» (den Marktwert ansetzen) erhöhte nicht nur die Komplexität, sondern macht aus Enron ein eng gekoppeltes System – mit den bekannten Konsequenzen des Bankrotts.
CLEARFIELD und TILCSIK (2018) argumentieren weiter, dass Sicherheitssysteme oft die wichtigste Quelle von Systemversagen seien. Diese Systeme weisen meist einen so hohen Komplexitätsgrad auf, dass die Verantwortlichen dadurch völlig absorbiert werden und die einfachen Gefahrensignale ignorieren. Denn jedes komplexe System produziert schwache Signale, wenn es aus dem Ruder zu laufen droht. Wie diese entdeckt werden können, wird in Kapitel 4 gezeigt. [29]
Für das Denken und Handeln der reflektierenden Praktiker bedeuten diese Erkenntnisse Folgendes:
— Unterscheide zwischen komplizierten und komplexen Problemen, und richte dein Vorgehen auf deren spezifische Charakteristika aus!
— Lasse dich nicht von «Big Data» zu einer reduktionistischen Sicht komplexer Probleme verleiten!
— Gehe komplexe Probleme stets im Geiste des «Gesetzes der erforderlichen Varietät» an, die Gleichung von Varietätsreduktion und Varietätsgenerierung muss aufgehen!
— Lerne von der Natur den geschickten Umgang mit Komplexität!
— Vermeide zerstörerische Kettenreaktionen – sorge für lose Koppelung in komplexen Systemen!
Denkmuster 2: Die Perspektive der russischen Puppen
Unternehmerische Aktivitäten spielen sich nicht im luftleeren Raum ab, sie sind in gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenhänge eingebettet. Die Gesellschaft – oder präziser die Zivilgesellschaft – führt auf der Grundlage gemeinsamer Wertvorstellungen durch formale Regeln und abstrakte Vorgaben Individuen zusammen, die sonst keine enge Beziehung zueinander haben. Die Wirtschaft als Teil der Gesellschaft regelt die Austauschbeziehungen in Form von idealerweise freien Märkten. Beide zusammen geben so den Rahmen jeglicher unternehmerischen Tätigkeit vor. Unternehmen schließlich nutzen diesen Spielraum, um als kleinste produktive Einheiten zur Sicherstellung des Wohlergehens des größeren Ganzen beizutragen.
Weitere Teile der Gesellschaft – wie etwa der Staat, die Wissenschaft, die Kultur – üben einen prägenden Einfluss auf die Unternehmen aus. Hier soll aber vorerst der Fokus auf das Zusammenspiel von Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen gelegt werden. Dieses gestaltet sich nach dem Prinzip der russischen Puppen – «Matrjoschka», aus Holz gefertigte, bunt bemalte, ineinander schachtelbare Puppen. In ihren Grundzügen sind sich diese drei Systeme sehr ähnlich, aber sie können nur in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit verstanden werden.
Die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Unternehmen sind komplexe Systeme, sie setzen Wertvorstellungen um, sie sind im Prinzip dem Gemeinwohl verpflichtet, und sie dienen dem Wohlergehen der Menschen. Diese Eigenschaften bestimmen die Möglichkeiten und Grenzen unternehmerischen Handelns. Aber nur durch eine grundlegende Einsicht in das Zusammenspiel von Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen lassen sich die unternehmerischen Spielräume optimal erkennen und nutzen.
Das Denkmuster der russischen Puppen ermöglicht den Zugang zum wichtigsten Bindeglied von Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen: Sie alle sind komplexe Systeme. Diese lassen sich weder analytisch noch statistisch noch mittels «Big Data» vollständig erfassen und abbilden. Sie zeichnen sich durch Eigendynamik aus und lassen [30] sich deshalb nicht prognostizieren. Und sie lassen sich auch nicht direkt steuern oder «managen». Und trotzdem gibt es Wege, sich mit und in ihnen zurechtzufinden.
Armin NASSEHI (2017) charakterisiert auf eindrückliche Weise die Gesellschaft als komplexes System. Sie zeichnet sich durch verteilte Intelligenz aus, wobei eine Vielzahl von eigenständigen Logiken miteinander konkurrieren, ohne dass sie sich aufeinander abbilden lassen. Wirtschaft, Politik, Kultur, Medien, Wissenschaft, Rechtssystem haben ihre eigenen Problemlösungsperspektiven, die sie stets weiter optimieren. Sie definieren sich in ihrer Perspektivendifferenz zu den anderen Bereichen und kämpfen um die «narrative Autorität». Die Lösung (oder besser Bewältigung) für die Gesamtheit der Gesellschaft wichtiger Probleme ist deshalb äußerst schwierig. Nicht nur die Interessen, sondern auch die jeweiligen Sprachen lassen einen Diskurs nicht zu. Der streitbare Philosoph Peter SLOTERDJIK hat dies treffend mit einem Bonmot unter Verweis auf die Systemtheorie des Soziologen Niklas LUHMANN festgehalten:
«Mir kommen die Welt von heute und ihre Debatten mit jedem Tag mehr vor wie ein aus dem Ruder gelaufenes Luhmann-Seminar.» (SLOTERDJIK 2018)
Diese Problematik wird gegenwärtig durch die Erstarkung der «Identity Policy» (FUKUYAMA, 2018) noch verschärft. Die politischen Grenzen zwischen «Links» und «Rechts» verwischen sich zusehends, die Menschen fühlen sich Minoritäten zugehörig und schotten sich gegen die Andersdenkenden ab. In unseren Breitengraden sind dies etwa die Bauern gegen die Befürworter von Freihandelsverträgen, die Velofahrer gegen die Automobilisten oder die Vegetarier/Veganer gegen die Fleischkonsumenten. Hier Verbindendes zu finden, erweist sich zunehmend als schwierig bis unmöglich.
Wir versuchen, die Gesellschaft aus der Sicht der Logik der Wirtschaft zu erklären – das erweist sich aber als Illusion!
Als weiteres Element der Komplexität führt NASSEHI (2017) an, dass der angestrebte Umbau der Gesellschaft dazu führt, dass diese sofort auf die Eingriffe reagiert. Damit sind diese Aktivitäten immer unterkomplex, sie schaffen neue Konstellationen, die wiederum Interessengruppen auf den Plan rufen. Wie gehen wir aber mit dieser Komplexität [31] um, schließlich müssen wir uns irgendwie zurechtfinden? NASSEHI (2017) präsentiert eine verblüffende Einsicht: Wir versuchen, die Gesellschaft aus der Sicht der Logik der Wirtschaft zu erklären und die Ökonomie für gesellschaftliche Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen. Folglich wird der Kapitalismus an den Pranger gestellt, freie Märkte werden reguliert, «Big Data» wird als Mittel der Revitalisierung der Planwirtschaft angepriesen. Dies alles in der Erwartung, damit eine Komplexitätsreduktion zu erreichen und schließlich unsere gesellschaftlichen Verwerfungen interpretieren und bewältigen zu können. Dies erweist sich aber als Illusion, da auch die Wirtschaft ähnlich komplex ist wie die Gesellschaft, nach gleichen Gesetzmäßigkeiten funktioniert und nicht dadurch prognostizierbar wird, dass man mit deterministischen Modellannahmen arbeitet.
Die Wirtschaft ist auch ein «komplexes adaptives System» – eher ein Ökosystem als eine Maschine – und kann nicht komplett durchschaut, verstanden oder kontrolliert werden.
So ortet der Chairman des Economic and Development Review Committee der OECD, William WHITE (2018), die Hauptursache der steigenden globalen Verschuldung in einem mangelnden Verständnis für die wirtschaftlichen Zusammenhänge. Er kritisiert die Annahme, dass die Struktur der Wirtschaft sowohl durchschau- als auch beherrschbar sei. Dies ist populär, aber falsch, wirtschaftliche Systeme weisen emergente Eigenschaften auf, und es gibt kein Gleichgewicht in solchen Systemen. Wie die Gesellschaft besteht die Wirtschaft aus verschiedenen Sektoren mit jeweils unzähligen Akteuren. Diese verfolgen ihre Ziele individuell nach einfachen Regeln, und Wechselwirkungen und Rückkoppelungseffekte führten zu unerwarteten Ergebnissen oft nicht linearer Natur.
Wie die Gesellschaft und die Wirtschaft weisen Unternehmen Eigenschaften auf, die deren Steuerung oder gar «Beherrschung» verunmöglichen. Unternehmen sind grundsätzlich komplex, wenn auch nicht so stark von Interessengruppen getrieben wie die Gesellschaft oder die Wirtschaft. Aber auch hier gibt es keinen Königsweg auf der Basis stark vereinfachender Managementansätze und -modelle. Dies wird im Verlauf dieses Buches aus verschiedensten Perspektiven zu illustrieren sein.
Im Unternehmenskontext erweist sich die «Helikoptersicht» als bewährtes Vorgehen bei der Umsetzung des Prinzips der russischen Puppen. Bevor Führungskräfte eine Problemsituation in Angriff nehmen, steigen sie – bildlich gesprochen – zuerst in den Helikopter und erheben sich hoch über das Gelände. Von dort sehen sie das Unternehmen eingebettet in die Gesellschaft und die Wirtschaft. Sie gewinnen Einsicht in die großen Zusammenhänge und können sich erste Gedanken über ihre Handlungsoptionen [32] machen. Dann landen sie mit dem Helikopter an einem genau spezifizierten Standort – beispielsweise dem Marketing – und gewinnen dort eine umfangreiche Bodenprobe. Diese nehmen sie wieder in ihrem Helikopter auf jene Flughöhe mit, die eine Interpretation der gewonnenen Daten im größeren Kontext von Unternehmen, Wirtschaft und Gesellschaft erlaubt.
Das Prinzip der russischen Puppen wird in Kapitel 2 ausführlich zur Anwendung kommen. Das Viable System Model (BEER, 1972), das dort als Landkarte der reflektierenden Praktiker vorgestellt wird, hat die Eigenschaft der Rekursivität. Ein lebensfähiges System besteht aus Subsystemen, die ihrerseits ebenfalls die Eigenschaft der Lebensfähigkeit aufweisen.
Für das Denken und Handeln der reflektierenden Praktiker bedeuten diese Erkenntnisse Folgendes:
— Gewinne aus «Helikoptersicht» einen Überblick über die Einbettung der Führungssituation!
— Betrachte die Zusammenhänge von Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen durch die verbindende «Komplexitätsbrille»!
— Verstehe deine Handlungsoptionen als Eingriffe in unvorhersehbar reagierende Gebilde!
— Vermeide Scheinlösungen durch unzulässige Vereinfachungen deiner Grundannahmen und Denkmodelle!
Denkmuster 3: Die Einheit von Freiheit und Verantwortung
Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft, Respekt vor privatem Eigentum, freier Wettbewerb und Mut zum Risiko sind Eigenschaften einer liberalen Weltsicht, wie sie in diesem Buch vertreten werden. Wir machen uns dabei die Argumente von Karl POPPER («Die offene Gesellschaft und ihre Feinde», Nachdruck 2003), Friedrich von HAYEK («Der Weg zur Knechtschaft», Nachdruck 2003) und Isaiah BERLIN («Freiheit», 1969) zu eigen. Kern ist ein freiheitliches Menschenbild, das ein ausgewogenes Verhältnis von Rechten und Pflichten umfasst. Der Staat darf die Freiheit des Einzelnen nur beschränken, wenn diese die Freiheit und die Sicherheit Anderer bedroht. Der Staat übernimmt im liberalen Weltbild die Verantwortung für die Bereiche der Sicherheit, der Bildung, der Infrastruktur und der Sozialleistungen. Dies im Gegensatz zur libertären Geisteshaltung, die staatliche Aktivitäten weitestgehend zurückdrängen möchte.
Das liberale Welt- und Menschenbild ist im Rückzug begriffen. Umso mehr müssen reflektierende Praktiker die sich durch den Wandel ergebenden Freiräume verantwortungsvoll nutzen. [33]
Wie eingangs erwähnt, schafft der digitale Wandel Freiräume, die noch nicht gesetzlich reguliert sind. Um diese Freiräume kämpfen nicht nur Unternehmen, auch der Staat möchte diese baldmöglichst besetzen. Man kann in diesem Zusammenhang von einer zeitlich begrenzten «Zone der staatlichen Willkür» sprechen. Diese Freiräume verschaffen Unternehmen bei geschickter Nutzung Wettbewerbsvorteile, vor allem für die «early movers». Diese sind aber nur nachhaltig, wenn sie verantwortungsvoll genutzt werden. Denn nur dann wird dem Staat kein Anlass gegeben, regulatorisch einzugreifen. Voraussetzung für ein grundlegendes Verständnis dieser Zusammenhänge ist eine zeitgemäße Interpretation der liberalen Weltsicht.
Ausgangspunkt für solche Überlegungen sind gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen, wie Globalisierung, Individualisierung, Nachhaltigkeit und internationale Regulierung. Sollen diese im Geiste des Liberalismus als Chance und nicht als Gefahr gesehen werden, so müssen die liberalen Werte gestärkt und allenfalls neu ausgerichtet werden, und dies in den vier Bereichen: Gemeinschaft, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik (GOMEZ, 2015). Die Unterscheidung von Gemeinschaft und Gesellschaft wurde bereits im 19. Jahrhundert vom Soziologen Ferdinand TÖNNIES (1887/2005) eingeführt. Gemeinschaft bezeichnet das reale und organische Leben in Familie, Nachbarschaft und Verein. Voraussetzung dafür ist der Gemeinsinn. Gesellschaft hingegen entsteht durch ideelle Bindung von sich «Fremden» durch formale Regeln und abstrakte Vorgaben. Diese erst ermöglichen ein Leben in Freiheit. Gemeinschaft und Gesellschaft befinden sich in steter Interaktion mit Wirtschaft und Politik. Wirtschaft ermöglicht Fortschritt, und Politik sichert die Zukunftsfähigkeit. Erst das Zusammenspiel dieser Kräfte aber ermöglicht wahrhaft liberales Denken und Handeln (vgl. zum Folgenden GOMEZ, 2015, 25).
Chancen für unternehmerische Freiräume ergeben sich in der Gemeinschaft, in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und in der Politik. Was bedeutet es, diese verantwortungsvoll zu nutzen?
Ist in der heutigen Zeit Gemeinsinn überhaupt noch aktuell? Fragt man die junge Generation, was in ihrem Leben das Wichtigste ist, dann stehen mit Abstand die Freunde und die Familie an der Spitze. Und hierbei spielen das gegenseitige Vertrauen, der Zusammenhalt und die Integrität des Einzelnen die entscheidende Rolle. Ordnet man Gemeinschaft in ein liberales Koordinatensystem (Abb. 1.8) ein, so ist zwischen ihren Voraussetzungen und ihren grundlegenden Werten zu unterscheiden. Voraussetzungen sind sozialer Friede und Sicherheit, grundlegende Werte das gegenseitige Vertrauen, die Toleranz gegenüber dem Anderssein und das Augenmaß bei der Nutzung des eigenen Spielraums.
Das Pendant zur Gemeinschaft ist die Gesellschaft. Diese regelt das Zusammenleben und die gemeinsamen Wertvorstellungen von Fremden. Eine liberale Gesellschaft ruht auf drei tragenden Säulen: Freiheit, Eigentum und Rechtssicherheit. Ohne Freiheit keine Eigentumsrechte; Freiheit wiederum ist nicht nur Anspruch, sondern auch Verpflichtung. [34] Freiheit ist eine Tätigkeit, sie bedeutet, Lebenschancen zu schaffen und zu nutzen. Und dies kann sie nur, wenn rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen dies absichern. Daraus lassen sich im liberalen Koordinatensystem von Abb. 1.8 als Voraussetzungen für eine freie Gesellschaft das Eigentum und die Rechtssicherheit ableiten, die grundlegenden Werte lauten Wahlmöglichkeiten, Chancengleichheit, Verantwortung.
Bei der Erfassung der Wirtschaft stehen die Themen des Wachstums und des Fortschritts in einer freiheitlichen Marktwirtschaft im Vordergrund. Wachstum schafft Wohlstand, darf aber nicht zur Ideologie oder zum Zwang verkommen. Der Wachstumspfad soll im Dienste des Fortschritts folgende Leitideen umsetzen: Investition in Innovation und Wertschöpfung, Schuldendisziplin und ressourcengerechtes Wachstum Voraussetzung für Fortschritt sind Bildung, Freiheit des Denkens und internationale Vernetzung, nur so entsteht neues Wissen und Wertschöpfung. Im liberalen Koordinatensystem von Abb. 1.8 lässt sich die Wirtschaft wie folgt einordnen: Voraussetzung für Fortschritt sind Bildung und Weltoffenheit im Sinne weltweiter Vernetzung, die grundlegenden Werte lauten Denkfreiheit, Investition und Innovation.
Das Spektrum der Politik rundet diese Betrachtung ab. Diese muss die Zukunftsfähigkeit der gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung sicherstellen. Voraussetzung dafür sind demokratische Freiheit der Meinungsäußerung und Föderalismus, der eigenverantwortliche Gemeinschaften ermöglicht. Zukunftsfähigkeit beinhaltet nicht nur umweltgerechtes Handeln, sondern auch umfassende Sicherung des Wohlergehens künftiger Generationen. Nachhaltiges, zukunftsfähiges Denken und Meinungsvielfalt sind äußerst anspruchsvoll, zumal deren heutige Ausprägungen durch die elektronischen Medien herausgefordert werden. Im liberalen Koordinatensystem von Abb. 1.8 wird die Politik wie folgt abgebildet: Voraussetzung für «Zukunftsfähigkeit» sind Meinungsäußerungsfreiheit und Generationengerechtigkeit, die grundlegenden Werte lauten lebendiger Bürgerstaat, Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit.
Die Integration dieser Anforderungen zu einem kohärenten Koordinatensystem für einen zeitgemäßen Liberalismus ergibt folgendes Bild in Abb. 1.8.
Bereiche | Voraussetzungen | Werte |
Gemeinschaft «Gemeinsinn» | Sozialer Frieden Sicherheit | Vertrauen Toleranz Augenmaß |
Gesellschaft «Freiheit» | Eigentum Rechtssicherheit | Wahlmöglichkeiten Chancengleichheit Verantwortung |
Wirtschaft «Fortschritt» | Wissen Weltoffenheit | Denkfreiheit Investition Innovation |
Politik «Zukunftsfähigkeit» | Meinungsäußerungsfreiheit Generationengerechtigkeit | Lebendiger Bürgerstaat Ressourceneffizienz Nachhaltigkeit |
Abbildung 1.8 Das Koordinatensystem des zeitgemäßen Liberalismus (GOMEZ, 2015, 26) [35]
Welche Handlungsanweisungen lassen sich aus diesem Koordinatensystem für reflektierende Praktiker ableiten? Entscheidende Hinweise gibt das oben vorgestellte Denkmuster der russischen Puppen. Unternehmen sind einerseits eingebettet in die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Politik. Anderseits sind die Mitarbeitenden Teil unterschiedlicher Gemeinschaften: Familie, Sportverein, Kirche, Gemeinde. Wenn reflektierende Praktiker die Grundprinzipien einer liberalen Ausrichtung der übergeordneten Gesellschaft, Wirtschaft und Politik kennen, können sie ihr Unternehmen besser positionieren. Wenn sie die Mitarbeitenden im Kontext ihrer Gemeinschaften verstehen, können sie auch besser deren Motivation und deren Ziele einordnen. Und schließlich sind sich alle diese Bereiche selbstähnlich, sie funktionieren nach gleichen Prinzipien – denen von komplexen Systemen.