Kitabı oku: «Verantwortungsvoll führen in einer komplexen Welt», sayfa 4
Was bedeutet Freiheit und Verantwortung in einer von Daten und Algorithmen dominierten Welt?
Gelten die aufgeführten Prinzipien und Handlungsanleitungen auch heute noch weitgehend uneingeschränkt, so haben sich doch mit dem digitalen Wandel neue Herausforderungen ergeben. Was bedeutet Freiheit und Verantwortung in einer von Daten und Algorithmen gesteuerten Welt? (GUTZWILLER, MÜLLER, 2018). Freiheit bedeutet, über eigene Daten zu verfügen, nicht nur im Sinne der Berechtigung, sondern auch der Befähigung, diese zu erwerben. Und wie kann Verantwortung für Entwicklungen übernommen werden, die von Algorithmen und Datenstrukturen weitgehend vorbestimmt sind? Es gab zwar schon immer Sachzwänge, aber die heutigen Skaleneffekte sprengen alle Dimensionen. Trägt der Staat weiterhin die Verantwortung für die Rechte seiner Bürger? Alles Fragen, deren Beantwortung wohl erst im Verlauf der digitalen Weiterentwicklung möglich sein wird. Und dies nicht durch Experten, sondern durch die unmittelbar Betroffenen, die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Unternehmen sowie letztlich die Bürgerinnen und Bürger.
Für das Denken und Handeln der reflektierenden Praktiker bedeuten diese Erkenntnisse Folgendes:
Gemeinschaft: Vertrauen, Toleranz, Augenmaß
— Schaffe eine Kultur des Vertrauens!
— Ermögliche die Diversität von Meinungen!
— Feiere die kleinen Erfolge! [36]
Gesellschaft: Wahlmöglichkeiten, Chancengleichheit, Verantwortung
— Erhebe Job Rotation zum Prinzip!
— Fördere Diversität, garantiere gleiche Ausgangsbedingungen!
— Organisiere nach dem Prinzip der Autonomie der kleinsten Einheit!
Wirtschaft: Denkfreiheit, Investition, Innovation
— Ermögliche eine Fehlerkultur!
— Gib Effektivität Priorität vor Effizienz!
— Schaffe Freiraum für Kreativität!
Politik: Lebendiger Bürgerstaat, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeit
— Beziehe die Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse ein!
— Poche auf optimalen Ressourceneinsatz!
— Setze auf die langfristige gesunde Entwicklung des Unternehmens!
Denkmuster 4: Im Zentrum der Mensch
In jeglichen Führungssituationen geht es mit erster Priorität darum, dass die Mitarbeitenden im Mittelpunkt stehen und ihre Talente, Fähigkeiten und Erwartungen von Strukturen, Prozessen und Automatismen optimal unterstützt werden. Dies gilt für die gegenwärtige Führung genauso wie für die Führung im digitalen Wandel. In der anschwellenden Literatur zur künstlichen Intelligenz und zum Internet der Dinge wird diese Thematik allerdings bisher nur sehr spärlich angesprochen. Vielmehr wird in Form von extremen Szenarien eine kommende Massenarbeitslosigkeit und die Ablösung der Mitarbeitenden als eigenständig denkende und handelnde Arbeitskräfte durch Roboter und Automaten heraufbeschworen. Die einleitend zu diesem Kapitel angesprochenen Studien zur Zukunft der Arbeit aber zeichnen ein differenziertes Bild. Nicht die Anzahl der Arbeitsplätze wird sich ändern, sondern die Arbeitsinhalte und -formen werden dem Wandel unterliegen. Mitdenkende Arbeitskräfte werden an Bedeutung gewinnen, und deshalb wird ihre gezielte Integration in die durch künstliche Intelligenz geprägte Zukunft von entscheidender Bedeutung sein.
Bei einer am Menschen orientierten Unternehmensentwicklung ist zu berücksichtigen, dass Begriffe wie Freiheit, Macht und Politik neu definiert werden. Freiheit bedeutet, in Netzwerke integriert zu sein, Macht misst sich an der Position im Netzwerk, und das politische Schwergewicht verlagert sich von der Geo- in die Biosphäre. Im Kapitel «Die Zukunft von Mensch und Maschine» seines Buches «Hit Refresh» macht Satya NADELLA, CEO von Microsoft, einige bemerkenswerte Aussagen, die hier wörtlich wiedergegeben werden (NADELLA, 2018, 201 f.): [37]
«... Wir wollen Intelligenz bauen, die unsere menschlichen Fähigkeiten und Erfahrungen ergänzt. Wir denken nicht in Begriffen wie ‹Mensch gegen Maschinen›, sondern konzentrieren uns lieber darauf, menschliche Talente wie Kreativität, Empathie, Gefühl, Körperlichkeit und Einsicht mit der KI-Fähigkeit zu verbinden, gewaltige Datenmengen zu verarbeiten und Muster schneller zu erkennen – mit dem Ziel, die Weiterentwicklung der Gesellschaft zu fördern.
... Wir müssen unsere Technologie mit Schutzmaßnahmen für Privatsphäre, Transparenz und Sicherheit versehen. KI-Geräte müssen dafür ausgelegt sein, neu auftretende Bedrohungen zu erkennen und angemessene Gegenmaßnahmen einzuleiten.
... Alle unsere Technologie muss inklusiv und gegenüber allen respektvoll sein. Sie muss Menschen ungeachtet ihrer Kultur, ihrer Abstammung, ihrer Nationalität, ihres wirtschaftlichen Status, ihres Alters, ihres Geschlechts, ihrer körperlichen und mentalen Fähigkeiten und vielem anderen mehr dienen.»
«Wir denken nicht in Begriffen wie ‹Mensch gegen Maschinen›, sondern konzentrieren uns lieber darauf, menschliche Talente wie Kreativität, Empathie, Gefühl, Körperlichkeit und Einsicht mit der KI-Fähigkeit zu verbinden.» (NADELLA, 2018, 201)
Der CEO von Google, Sundar PICHAI (2018) hat anfangs Sommer 2018 die sieben Prinzipien seines Unternehmens zur Künstlichen Intelligenz bekannt gegeben. Dabei betont er, dass diese keine theoretischen Konzepte seien, sondern konkrete Standards, die die Forschung und die Produkteentwicklung bei Google aktiv lenken sollen.
Google glaubt, dass Künstliche Intelligenz …
— sozial dienlich sein,
— unfaire Verzerrungen in jeder Hinsicht vermeiden,
— auf Sicherheit gebaut und getestet sein,
— gegenüber Menschen verantwortlich sein,
— den Schutz der Privatsphäre schützen,
— hohen wissenschaftlichen Standards genügen,
— für Anwendungen, die diesen Prinzipien genügen, verfügbar sein muss.
Grundsätzlich lebt Google dem Hippokratischen Eid der Medizin nach, der die Vermeidung jeglichen Schadens als oberstes Ziel proklamiert. [38]
«Vermeide jeglichen Schaden» – auch bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz.
In ihrem Buch «Human + Machine» präsentieren DAUGHERTY und WILSON (2018) eine Auslegeordnung konkreter Handlungsanweisungen für eine menschengerechte Digitalisierung. Besonders interessant sind ihre Ausführungen zu Aktivitäten, die Mensch-Maschinen-Hybriden charakterisieren werden. Der Mensch steht im Mittelpunkt, und die Maschinen ergänzen ihn oder geben ihm Superkräfte. Sie unterscheiden folgende symbiotische Fähigkeiten:
— Den Menschen mehr Zeit für kreative Aktivitäten verschaffen
— Die Mensch-Maschine-Interaktion zum Normalfall werden lassen
— Bei Unsicherheit der Maschine die eigene Einschätzung einbringen
— Optimale maschinelle Antworten auf schwierige Fragen erhalten
— Intelligenz durch Kombination von Geist und Algorithmus verstärken
— Die mentalen Maschinenmodelle weiterentwickeln
— Lernprozesse gegenseitig verstärken
— Gemeinsam völlig neue Geschäftsmodelle entwickeln
Wir müssen «moralische Knautschzonen» zum Schutz der Mitarbeitenden einbauen (DAUGHERTY, WILSON, 2018)
Dies sind ethisch verantwortungsvolle Aussagen, allerdings bisher nur Absichtserklärungen. In ihrem Buch «Surveillance Capitalism» äußert sich Soshana ZUBOFF (2019) dazu sehr kritisch. Sie sieht in der gegenwärtigen Entwicklung eine schrittweise Modifikation menschlichen Verhaltens mit dem Ziel einer vollständigen Manipulation, nicht zuletzt durch Maschinen. Sie illustriert dies anhand der oben zitierten Unternehmen Google und Microsoft sowie anhand von Facebook. Diese Unternehmen würden jegliche Freiheiten verlangen, um neue Technologien frei von Regulierungen zu lancieren. Und wenn der Erfolg sich eingestellt hat, werden sie den Wissensvorsprung verwenden, um ihre Freiheiten zu verteidigen. Sie sagt: «Überwachungskapitalisten wissen zu viel, als dass sie sich für Freiheit qualifizieren» (ZUBOFF, 498). Die Zukunft wird weisen, ob die Aussagen der Führungsspitzen von Google und Microsoft oder die Bedenken von ZUBOFF Realität werden. Es ist aber für reflektierende Praktiker in jedem Fall unumgänglich, dem Prinzip des Menschen im Zentrum Geltung zu verschaffen. [39]
Für das Denken und Handeln der reflektierenden Praktiker bedeuten diese Erkenntnisse Folgendes:
— Denke und handle nicht in Kategorien wie «Mensch gegen Maschine», sondern konzentriere dich darauf, menschliche Talente wie Kreativität, Empathie, Gefühl, Körperlichkeit und Einsicht mit der Künstlichen Intelligenz zu verbinden!
— Vermeide jeglichen Schaden – befolge den «Hippokratischen Eid» bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz!
— Ermögliche deinen Mitarbeitenden ein permanentes Lernen und Weiterentwickeln!
— Gib eigenen Mitarbeitenden bei der Besetzung neuer Stellen Priorität vor externen Spezialisten.
— Behalte die Entwicklungen des «Überwachungskapitalismus» mit kritischem Geist im Auge.
Denkmuster 5: Die ganzheitliche Erfolgsmessung
Woran orientieren sich Unternehmen heute, wenn sie ihren Erfolg beurteilen oder messen? Unter dem Einfluss der einschlägigen Managementliteratur und der Anleitung durch führende Beratungsunternehmen haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegende strategische Konzepte durchgesetzt, die von der Unternehmenspraxis bereitwillig aufgenommen worden sind. Diese Konzepte stammen – wie ihre Bezeichnung verrät – vorwiegend aus dem angelsächsischen Bereich.
Die folgende Abb. 1.9 ordnet die wichtigsten Konzepte auf der Zeitachse und in ihrer Positionierung im Spannungsfeld von Profit und Gemeinwohl ein. Diese Konzepte sind untrennbar mit den Namen ihrer Promotoren verbunden, was im weiteren Verlauf des Buches zu illustrieren sein wird.
Abbildung 1.9 Konzepte der strategischen Ausrichtung und der Erfolgsmessung (in Anlehnung an GOMEZ, MEYNHARDT, 2014, 20) [40]
Bereits in den 1970er-Jahren wurde die Thematik der Wertschöpfung von Unternehmen ganzheitlich aufgenommen, und es wurden darauf aufbauend umfassende Theorien und Modelle entwickelt. Ab Beginn der 1980er-Jahre schlossen sich dann in rascher Folge Konzepte an, die sich auf einen einzelnen Aspekt der Unternehmensführung fokussierten. Dies oszillierend im Spannungsfeld von Profit und Gemeinwohl. Zu Beginn stand der «Customer Value» im Mittelpunkt, mit der Kundenzufriedenheit als Kompass unternehmerischen Handelns. Nachdem das Management weitestgehend die Deutungshoheit über die Ziele der Unternehmensführung übernommen hatte, kam die Gegenbewegung in Form des «Shareholder Value»-Konzeptes. Dieses kann vereinfacht als eine dynamische Investitionsrechnung angewandt auf ein ganzes Unternehmen charakterisiert werden. Es hatte aber viel weitreichendere Wirkungen, indem die finanziell-ökonomischen Aspekte der Unternehmensführung plötzlich erste Priorität erhielten. Dem stemmte sich das «Stakeholder Value»-Konzept entgegen, indem es die legitimen Interessen anderer Anspruchsgruppen thematisierte. Dieses Konzept erwies sich angesichts der vielen (teilweise auch selbsternannten) Stakeholders als zu kompliziert, als dass es die erwünschte politisch-soziale Wirkung hätte voll entfalten können. Mit dem Konzept der «Corporate Social Responsibility» wurde eine leichter umsetzbare Lösung gefunden, allerdings bewirkte diese nicht die angestrebte Neuausrichtung des unternehmerischen Kerngeschäfts, sondern erzeugte lediglich flankierende Maßnahmen. Das Konzept des «Shared Value» schließlich schlägt vor, das Unternehmen gemeinsam mit den von den Geschäftsaktivitäten unmittelbar Betroffenen weiter zu entwickeln. Der Erfolg dieser Bemühungen lässt sich noch nicht endgültig abschätzen. Mit dem Konzept des «Public Value» – der dem Gemeinwohl verpflichteten Wertschöpfung – kehrte die Erfolgsmessung von Unternehmen wieder an ihre Wurzeln zurück. Die ganzheitlichen Ansätze der 1970er-Jahre werden zeitgemäß aufgearbeitet, und die gesellschaftliche Funktion der Unternehmensführung rückt in den Mittelpunkt. Und auch der Customer Value erlebt im digitalen Zeitalter eine eindrucksvolle Wiederkehr, wie im 4. Kapitel zu zeigen sein wird.
Jedes dieser Konzepte hat sein eigenes Messinstrumentarium entwickelt. Wenn also von Erfolgsmessung gesprochen wird, so muss die jeweilige Perspektive spezifiziert werden. Kommt der Shareholder Value-Ansatz zum Zug, dann sind ganz andere Messgrößen im Spiel, als wenn die Perspektive der Corporate Social Responsibility eingenommen wird. Dies wird in den Kapiteln 3 und 4 ausführlich begründet und illustriert. Entscheidend ist dabei, dass keine Messgröße Anspruch auf absolute Priorität beanspruchen kann, wie dies beispielsweise mit dem Shareholder Value in den 1990er-Jahren der Fall war. In jeder Situation ist aufzuzeigen und zu begründen, welche Erfolgsmessung im Interesse der nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens ist. Der Public Value – Ansatz versucht diesen Prozess zu strukturieren und so eine ganzheitliche Sicht sicherzustellen. [41]
Mit dem Public Value-Konzept kehrt die unternehmerische Erfolgsmessung wieder an ihre Wurzeln zurück, zur Wertschöpfung für die Gesellschaft.
Das Public-Value-Konzept wird im Mittelpunkt der Ausführungen des 3. Kapitels zum sinnstiftenden Wertbeitrag des Unternehmens stehen. Mit der praktischen Umsetzung dieses Konzeptes in Form der Public Value Scorecard werden die Anliegen der verschiedenen Ansätze der Erfolgsmessung aufgenommen. Bisher fehlte eine übergreifende und integrierende Sichtweise der Wertschöpfung für die Gesellschaft und damit letztlich für den einzelnen Menschen. Das Konzept des «Public Value» stellt dieses Denkmuster bereit und gibt damit dem schwer fassbaren Begriff des Gemeinwohls ein Gesicht.
«Immer dann, wenn Menschen ihre Werte und Bedürfnisse im gesellschaftlichen Umfeld verwirklicht sehen, wird das Gemeinwohl gestärkt. Unternehmen leisten dazu ihren Beitrag, indem sie in den Augen der Bevölkerung im Kerngeschäft erstklassige Arbeit leisten, zur Lebensqualität beitragen, den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken und sich anständig verhalten. Gemeinwohl wird so fassbar, aber steuern lässt es sich nicht, weder durch staatliche Eingriffe noch durch privatwirtschaftliche Initiativen – dies im Einklang mit der liberalen Weltsicht. Es ist der Preis der Freiheit, darauf zu setzen, dass Unternehmen im eigenen Interesse ihre Geschäftsmodelle gemeinwohlverträglich ausrichten. Nur so können sie dauerhaft am Markt bestehen, die besten Talente halten und letztlich auch ihre Anteilseigner überzeugen» (GOMEZ, MEYNHARDT, 2018). Ähnlich argumentiert auch Colin MAYER in seinem Buch «Prosperity» (MAYER, 2018).
Für das Denken und Handeln der reflektierenden Praktiker bedeuten diese Erkenntnisse Folgendes:
— Sei vertraut mit den Konzepten des Customer Value, des Shareholder Value, des Stakeholder Value und des Shared Value – denn sie sind je einzeln unerlässlich für eine gute Unternehmensführung!
— Verliere die integrierende Sichtweise des Public Value nie aus den Augen, die den menschlichen Grundbedürfnissen verpflichtet ist!
— Verstehe das Gemeinwohl als eine regulative Idee, nicht als unternehmerische Messgröße.
— Nutze die Freiheit, im Interesse des Unternehmens deine Geschäftsmodelle gemeinwohlverträglich auszurichten!
Mit dem 5. Denkmuster zur ganzheitlichen Erfolgsmessung schließt sich der Kreis der Anforderungen, die reflektierende Praktiker in Zeiten grundlegenden Wandels an sich selber stellen müssen. Im folgenden 2. Kapitel sollen nun diese Denkmuster in eine «Landkarte für reflektierende Praktiker» umgesetzt werden. [42]
2.
Die Landkarte der reflektierenden Praktiker
Nach den einleitenden Überlegungen und der Offenlegung unserer Prämissen möchten wir den Leserinnen und Lesern (als reflektierende Praktiker) vorstellen, auf welcher Basis die weiteren Ausführungen dieses Buches strukturiert sind – es geht um das Viable System Model (VSM) von Stafford BEER (1972). Dieses Modell ist nicht nur als Ordnungsrahmen für die Organisation von lebensfähigen Systemen geeignet, es ist auch passfähig für die Strukturierung eines Konzeptes oder eben ... eines Buches. Gleich zu Beginn möchten wir darlegen, warum das Modell der lebensfähigen Organisation aktueller denn je erscheint und bestens dazu geeignet ist, die in der Einleitung genannten Herausforderungen des verantwortungsvollen Umgangs mit organisatorischer Komplexität anzugehen.
Dieses Kapitel ist wie folgt aufgebaut:
— Die Struktur: Das Viable System Model VSM – Herkunft und Zukunft
— Der Praxistest: Von den Denkmustern zur Landkarte
— Das Werkzeug: Die Funktionsweise des Viable System Model Der Case: Machine Ltd.
— Die Umsetzung: Netzwerke verstehen und entwickeln
— Das Wissen: Weiterführende Literatur
Die folgenden Kapitel 3 bis 5 weisen die gleiche Gliederung auf, um eine möglichst große Vergleichbarkeit der Inhalte zu gewährleisten.
Die Struktur: Das Viable System Model VSM – Herkunft und Zukunft
Führung findet immer in Organisationen statt. Diese sind so allgegenwärtig, dass wir uns selten Gedanken machen, was hinter diesem Begriff steckt. Er teilt damit das Schicksal des Begriffs der Komplexität, er wird für Phänomene verwendet, die nicht so leicht durchschaut werden können, vielleicht sogar eine gewisse Bedrohung darstellen. Deshalb soll hier eine Klärung versucht werden. Ausgangspunkt ist die Umschreibung der Organisation als System: «Ein System ist eine bestimmte Perspektive, die Welt zu sehen!» (WEINBERG, 1975, 52).
Ein System ist eine bestimmte Perspektive, die Welt zu sehen! [45]
Wenn also von Organisationen gesprochen wird, muss zuerst eine bestimmte Sicht eingenommen werden. Hier bietet sich der von Gareth MORGAN in seinem Buch «Images of Organization» (MORGAN, 1997) vorgestellte Ansatz an. Er schlägt acht Metaphern vor, die Organisationen aus verschiedenen Perspektiven abbilden lassen:
— Organisationen als Maschinen
— Organisationen als Organismen
— Organisationen als Gehirne
— Organisationen als Kulturen
— Organisationen als politische Systeme
— Organisationen als psychische Gefängnisse
— Organisationen als Fluss und Transformation
— Organisationen als Herrschaftsinstrumente
Das unserem Buch zugrunde liegende Verständnis orientiert sich an den beiden Metaphern der Organisation als Organismus und der Organisation als Gehirn. Dies in Übereinstimmung mit dem St. Galler Ansatz des Systemorientierten Managements (ULRICH, 1968; KRIEG, 1971; GOMEZ, MALIK, OELLER, 1975; PROBST, 1987, SCHWANINGER, 2000), der Erkenntnisse der Systemtheorie und der Kybernetik auf die Führung von Unternehmen anwendet. MORGAN (1997, 116) schreibt zum Übergang der beiden Metaphern: «Bei der Metapher des Organismus ... wurde die Bedeutung von kreativen Organisationen hervorgehoben, die zur Innovation und Evolution fähig sind, um die Herausforderungen einer sich verändernden Umwelt anzunehmen. ... Die Metapher des Gehirns identifiziert die Voraussetzungen, um lernende Organisationen in einem umfassenden Sinn zu gestalten.»
Die im Folgenden zu entwickelnde Landkarte für die reflektierenden Praktiker nimmt einerseits die Anforderungen und Erwartungen des unternehmerischen Umfelds auf und setzt diese in innovative Strukturen und Lösungen um. Anderseits schafft sie die Voraussetzungen für eine lernende Organisation, indem sie den von MORGAN (1997, 102) vorgestellten Gestaltungsprinzipien einen konkreten Inhalt gibt:
— Baue ein Ganzes in alle Teile!
— Verteile Intelligenz über das ganze System!
— Stelle die erforderliche Varietät bereit!
— Ermögliche Autonomie!
— Lerne zu lernen!
Das von Stafford BEER (1972) entwickelte Viable System Model VSM stellt eine ideale Grundlage für die konkrete Umsetzung der Erkenntnisse aus den Metaphern der Organisation als Organismus und als Gehirn bereit. Es dient uns als Richtschnur bei der Entwicklung der Landkarte für die reflektierenden Praktiker. [46]