Kitabı oku: «Wirtschaftsvölkerrecht», sayfa 4

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Anmerkungen

[1]

Z.B. Qureshi/Ziegler, International Economic Law, 4. Aufl., 2019, und Lowenfeld, International Economic Law, 2. Aufl., 2008.

[2]

Carreau/Julliard, Droit international économique, 6. Aufl., 2017.

[3]

Dazu Wilke/Weber, Lehrbuch Internationales Steuerrecht, 15. Aufl., 2020.

[4]

Dazu Teil 2 Rn. 430.

Teil 1 Grundlagen › II. Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts

II. Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts

Literatur:

Krajewski, Völkerrecht, 2. Aufl., 2020; von Arnauld, Völkerrecht, 4. Aufl., 2019; Herdegen, Völkerrecht, 19. Aufl., 2020; Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 8. Aufl., 2019; Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., 2018; Geiger, Staatsrecht III: Bezüge des Grundgesetzes zum Völker- und Europarecht, 7. Aufl., 2018; Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 11. Aufl., 2020; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 14. Aufl., 2017; Hölscheidt/Ridinger/Zitterbart, Grundzüge des Völkerrechts und seine Bezüge zum Europa- und Verfassungsrecht, Teil 1 und 2, JURA 2005, 83 und 224.

Ausgangsfall

Der bayerische Unternehmer Sepp Franzlmeyer schloss mit der Regierung der Republik Archaien einen Vertrag über die Lieferung von mehreren Turbinen für Wasserkraftwerke in Archaien. Nach Lieferung und Installation der Turbinen weigerte sich die Regierung, den vollen Kaufpreis zu bezahlen. Der Vertrag zwischen Archaien und Franzlmeyer enthält eine Schiedsklausel, wonach Streitigkeiten durch ein bei der Handelskammer in Stockholm einzusetzendes Internationales Schiedsgericht entschieden werden sollen. In dem Verfahren beruft sich Archaien auf seine Staatenimmunität. Das Schiedsgericht hält diesen Einwand für unbegründet und verurteilt Archaien zur Zahlung von 2,35 Mio. US-Dollar zuzüglich Zinsen an Franzlmeyer. Dieser Schiedsspruch wurde durch das zuständige deutsche Oberlandesgericht für vollstreckbar erklärt.

Franzlmeyer betreibt nun die Zwangsvollstreckung aus diesem Schiedsspruch und beantragt beim Amtsgericht Berlin-Tiergarten die Pfändung sämtlicher Ansprüche der Republik Archaien gegen Mieter von Räumlichkeiten im Archaischen Haus der Wissenschaft und Kultur (AHKW) in Berlin, das im Eigentum Archaiens steht. Gegen den antragsgemäß erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss legt die Botschaft von Archaien Erinnerung ein und beruft sich auf die staatliche Immunität Archaiens im Vollstreckungsverfahren. Sie führte aus, dass das AHKW Zwecken der Außenkulturpolitik diene. Außerdem beruft sie sich auf Art. 23 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität. Das Vollstreckungsgericht half der Erinnerung nicht ab, da das AHKW jedenfalls auch ein kommerzielles Unternehmen sei. Im Übrigen gelte Art. 23 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität nur für die Vollstreckung gerichtlicher Urteile und nicht für Schiedsgerichtsentscheidungen. Wie entscheidet das Beschwerdegericht über die Rechtsbeschwerde Archaiens?

Hinweis: Art. 23 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität lautet: „In einem Vertragsstaat darf gegen das Vermögen eines anderen Vertragsstaats weder eine Zwangsvollstreckung durchgeführt noch eine Sicherungsmaßnahme getroffen werden, außer in dem Fall und in dem Ausmaß, in denen der Staat selbst ausdrücklich in Schriftform zugestimmt hat.“ Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragspartei dieses Übereinkommens; Archaien hat es unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert.

Sachverhalt nach BVerfG, NJW 2012, 293 und BGH, NJW 2010, 769

39

Da das Wirtschaftsvölkerrecht Teilgebiet des Völkerrechts ist, gilt das allgemeine Völkerrecht auch in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Die Grundzüge des allgemeinen Völkerrechts, soweit sie für das Wirtschaftsvölkerrecht relevant sind, sollen daher im Folgenden überblicksartig dargestellt werden. Für eine vertiefte Befassung muss auf die völkerrechtliche Lehrbuchliteratur verwiesen werden.

40

Die Grundlagen des Völkerrechts erschließen sich am besten, wenn man zunächst die Subjekte des Völkerrechts und seine Rechtsquellen und danach einige zentrale Rechtsprinzipien des Völkerrechts betrachtet. Zu klären ist schließlich auch das Verhältnis des Völkerrechts zum innerstaatlichen Recht.

Teil 1 Grundlagen › II. Völkerrechtliche Grundlagen des Wirtschaftsvölkerrechts › 1. Völkerrechtssubjekte

1. Völkerrechtssubjekte

41

Wie jede Rechtsordnung muss das Völkerrecht die Frage beantworten, welche Personen von der Rechtsordnung als Subjekte anerkannt werden. Die Völkerrechtssubjektivität bestimmt sich dabei nicht danach, welche Institutionen und Personen in den internationalen Beziehungen tatsächlich eine Rolle spielen. Vielmehr kommt es darauf an, dass einer Person oder Institution durch die Völkerrechtsordnung die Fähigkeit zuerkannt wird, Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten zu sein. Völkerrechtssubjekte sind Subjekte, deren Verhalten unmittelbar durch das Völkerrecht geregelt werden kann.

42

Völkerrechtssubjekte sind nicht identisch mit den Akteuren der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Unter Akteuren der internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind alle Institutionen und Personen zu verstehen, deren Verhalten sich auf den internationalen Austausch von Gütern, Kapital und Arbeitskraft bezieht. Dazu zählen neben den Staaten und internationalen Organisationen vor allem die natürlichen und juristischen Personen, die an diesem Austausch direkt beteiligt sind, insbesondere die international tätigen Unternehmen.

a) Staaten

43

Auch wenn in Zeiten zunehmender wirtschaftlicher Globalisierung staatliche Grenzen an Bedeutung verlieren und staatliche Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten verschwinden, gehören Staaten weiterhin zu den zentralen Akteuren der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Staaten spielen für das Wirtschaftsvölkerrecht eine doppelte Rolle: Zum einen wirken sie durch die innerstaatliche und völkerrechtliche Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung und durch die Beachtung bzw. Verletzung der rechtlichen Regeln auf die Rahmenbedingungen internationaler Wirtschaftsbeziehungen ein (Rolle als Rechtssubjekt). Zum anderen beteiligen sie sich auch selbst am wirtschaftlichen Austausch, etwa durch die Ausbeutung und den Verkauf von Rohstoffen durch staatliche Monopole oder Staatsunternehmen (Rolle als Wirtschaftssubjekt). Die Rolle des Staats als Wirtschaftssubjekt ist jedoch durch den Bedeutungsverlust planwirtschaftlicher Modelle und im Zuge der weltweiten Privatisierung von Staatsunternehmen deutlich zurückgegangen.

44

Da das Völkerrecht als „zwischenstaatliches“ Recht verstanden wird, setzt es die Völkerrechtssubjektivität der Staaten notwendig voraus. Staaten leiten ihre Völkerrechtssubjektivität von keinen anderen Rechtssubjekten ab: Sie sind originäre (oder „geborene“) Völkerrechtssubjekte. Ihre Völkerrechtssubjektivität ist nicht auf bestimmte Materien beschränkt (absolute Völkerrechtssubjektivität) und gilt gegenüber allen anderen Völkerrechtssubjekten (generelle Völkerrechtssubjektivität).

45

Ein Staat definiert sich im Völkerrecht auf der Grundlage der von Georg Jellinek begründeten Drei-Elemente-Lehre durch ein abgegrenztes Territorium (Staatsgebiet), eine ständige Bevölkerung (Staatsvolk) und eine effektive, dauerhafte Regierung (Staatsgewalt). Als viertes Element wird z.T. die Fähigkeit, mit anderen Staaten Beziehungen aufnehmen zu können genannt, die jedoch regelmäßig bei Vorhandensein einer effektiven und dauerhaften Regierung gegeben sein wird. Der Anerkennung eines Staats durch andere Staaten oder internationale Organisationen kommt keine konstitutive, sondern nur eine deklaratorische Bedeutung zu.

46

Die Grenzen des Territoriums eines Staats müssen im Wesentlichen feststehen, d.h. der Staat muss über ein anerkanntes Kerngebiet verfügen. Das Territorium bedarf keiner Mindestgröße. Auch sog. Klein- oder Mikrostaaten sind Staaten i.S. des Völkerrechts. Das Staatsgebiet muss Teil der (natürlichen) Erdoberfläche sein; eine Bohrinsel kann also kein Staatsgebiet sein. Es umfasst in räumlicher Hinsicht neben dem Landgebiet (einschließlich der Binnengewässer) auch das Erdreich unter dem Landgebiet und den Luftraum über dem Staatsgebiet. Auf dem Meer wird das Küstenmeer bis zu einer Entfernung von 12 Seemeilen von der Küste hinzugezählt. Die sog. Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), die bis zu 200 Seemeilen ab der Küste umfassen kann, ist nicht Teil des Staatsgebiets. Der Staat verfügt hier jedoch über das ausschließliche Recht der wirtschaftlichen Nutzung (vor allem Fischerei-Rechte).

47

Auch die Bevölkerung eines Staats muss keine Mindestgröße erreichen. Sie muss auch keine ethnisch, religiös oder sprachlich homogene Gruppe sein. Erforderlich ist lediglich eine gewisse dauerhafte Verbundenheit mit dem Staat. Regelmäßig wird diese bei natürlichen Personen durch die Staatsangehörigkeit ausgedrückt. Juristische Personen verfügen über keine Staatsangehörigkeit; ihre Zuordnung zu einer nationalen Rechtsordnung (Staatszugehörigkeit) erfolgt über das Gesellschaftsstatut.[1]

48

Von zentraler Bedeutung für die Staatsqualität ist die Ausübung einer effektiven und dauerhaften Staatsgewalt. Dazu zählt die Fähigkeit einer Regierung, das Staatsgebiet und die Bevölkerung nach innen effektiv und dauerhaft zu kontrollieren und die staatliche Ordnung zu organisieren (innere Souveränität). Zum anderen ist erforderlich, dass der Staat unabhängig von anderen Staaten oder internationalen Organisationen nach außen selbstständig handeln kann (äußere Souveränität).

49

Wird in einem Staat insgesamt keine effektive Staatsgewalt mehr ausgeübt, spricht man von einem „failed state“. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich in einem Staat mehrere rivalisierende Gruppen bekämpfen und öffentliche Aufgaben nicht mehr wahrgenommen werden (Bsp. Somalia nach 1991). Der „failed state“ bleibt jedoch weiterhin Völkerrechtssubjekt; ihm fehlt allerdings die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit.

50

Hat sich auf einem Territorium eine neue Herrschaftsgewalt etabliert, deren Dauerhaftigkeit noch nicht sicher ist, kann man von einem stabilisierten (lokalen) de facto-Regime sprechen. Ein Gebiet, auf dem ein de facto-Regime etabliert ist, hat noch keine Staatseigenschaften. Das de facto-Regime wird aber als partielles Völkerrechtssubjekt anerkannt, so dass es etwa den Schutz des eigenen Territoriums beanspruchen kann. Das Regime der Taliban, das zwischen 1996 und 2001 über wesentliche Teile des Gebiets von Afghanistan herrschte, wurde als de facto-Regime bezeichnet.

Anmerkungen

[1]

Dazu unten Rn. 105 f.

b) Internationale Organisationen

51

In den internationalen Wirtschaftsbeziehungen spielen internationale Organisationen eine zentrale Rolle.[1] Dies gilt sowohl für globale Organisationen, d.h. Organisationen mit universeller (z.B. Vereinte Nationen[2], Internationaler Währungsfonds, Weltbank) oder nahezu universeller Mitgliedschaft (z.B. WTO) als auch für regionale Organisationen (z.B. OECD[3]), insbesondere regionale Integrationsorganisationen wie die Afrikanische Union oder Mercosur.[4]

52

Die Europäische Union nimmt eine Sonderstellung unter den internationalen Organisationen ein. Aufgrund ihrer umfassenden Kompetenzen hat sie vor allem in den internationalen Handelsbeziehungen die Mitgliedstaaten als eigenständige Akteure fast vollständig verdrängt. Auch in anderen Bereichen des Wirtschaftsvölkerrechts, wie dem Investitionsrecht, Wettbewerbsrecht und beim Abschluss von regionalen Handelsabkommen, lässt sich die Rolle der EU eher mit der eines Staates vergleichen als mit der einer herkömmlichen internationalen Organisation.

53

Die Völkerrechtssubjektivität der internationalen Organisationen leitet sich von der Völkerrechtssubjektivität der Staaten ab und wird daher auch als derivativ bezeichnet („gekorene Völkerrechtssubjekte“). Sie ist regelmäßig partiell, d.h. sie gilt nur für bestimmte Materien oder Sachgebiete. Zumeist ist sie auch relativ oder partikular, d.h. sie gilt nur gegenüber bestimmten anderen Völkerrechtssubjekten.

54

Die Völkerrechtssubjektivität internationaler Organisationen wird durch den Willen ihrer Gründungsmitglieder begründet, die Organisation mit Rechten und Pflichten auszustatten. Die Begründung der Rechtspersönlichkeit kann sich ausdrücklich aus dem Gründungsvertrag der internationalen Organisation ergeben, wie z.B. im Fall der WTO.

Art. VIII:1 Übereinkommen zur Gründung der Welthandelsorganisation (WTO)

Die WTO besitzt Rechtspersönlichkeit; von jedem ihrer Mitglieder wird ihr die Rechtsfähigkeit eingeräumt, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

55

Art. VIII:1 WTO-Übereinkommen begründet nicht nur ausdrücklich die Völkerrechtssubjektivität der WTO, sondern macht auch deutlich, dass die Fähigkeit, Trägerin von Rechten zu sein, der WTO von ihren Mitgliedern eingeräumt wird. Außerdem zeigt Art. VIII:1, dass die Rechtsfähigkeit der WTO partiell ist, da sie auf den Umfang beschränkt ist, der „zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist“.

56

Die Völkerrechtspersönlichkeit internationaler Organisationen kann sich auch implizit aus dem Gründungsvertrag ergeben. Dies hat der Internationale Gerichtshof z.B. für die Charta der Vereinten Nationen angenommen. In seinem Gutachten über die Frage, ob die Vereinten Nationen gegenüber einem Staat Ansprüche wegen der Ermordung eines UN-Bediensteten gelten machen können, bejahte der IGH die Völkerrechtspersönlichkeit der Vereinten Nationen mit einer funktionalen Perspektive. Die Vereinten Nationen könnten ihre Aufgaben nach der UN-Charta nur erfüllen, wenn sie Völkerrechtssubjekt seien.[5]

57

Die Völkerrechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation gilt zunächst nur gegenüber ihren Mitgliedern. Gegenüber Nicht-Mitgliedern wird sie erst begründet, wenn diese die Völkerrechtspersönlichkeit der internationalen Organisation mittels einer förmlichen Erklärung oder durch die Begründung von rechtlichen Beziehungen faktisch anerkennen. Hierin zeigt sich, dass die Völkerrechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation relativ ist. Die Völkerrechtspersönlichkeit gilt nur gegenüber Mitgliedern und solchen Nicht-Mitgliedern, die diese ausdrücklich anerkannt haben.

Anmerkungen

[1]

Ausführlich dazu Ruffert/Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2. Aufl., 2015.

[2]

Schöbener/Herbst/Perkams, Internationales Wirtschaftsrecht, 2010, §§ 6-8.

[3]

Organisation for Economic Cooperation and Development. Es handelt sich um einen Zusammenschluss von überwiegend europäischen und nordamerikanischen Industrie- und Schwellenländern mit Sitz in Paris.

[4]

Zu regionalen Integrationsorganisationen siehe Teil 7.

[5]

IGH, Reparations for Injuries, Gutachten vom 11.4.1948, ICJ Reports 1949, 174, 179. Siehe auch Dörr, Kompendium völkerrechtlicher Rechtsprechung, 2. Aufl., 2014, Fall 10.

c) Individuen

58

Individuen wurde bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts generell keine Völkerrechtssubjektivität zugebilligt. Soweit das Völkerrecht Rechte und Pflichten für Individuen begründete, galten diese zunächst nur für die Staaten. Rechte und Pflichten, die sich auf Individuen bezogen, mussten zunächst in staatliches Recht umgesetzt werden. Auf völkerrechtlicher Ebene konnten diese Rechte nur von Staaten wahrgenommen werden. Das Individuum trat aus völkerrechtlicher Sicht stets nur als Angehöriger eines Staats in Erscheinung („Mediatisierung des Individuums“).

59

Diese Auffassung ist heute überholt. Zwar können nach wie vor völkerrechtliche Individualrechte von den Staaten im Wege des diplomatischen Schutzes eingefordert werden.[1] Die regional und international verbürgten Menschenrechte können jedoch unmittelbar geltende völkerrechtliche Rechte für Individuen begründen. Dies gilt insbesondere für die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). In jüngster Zeit werden zunehmend auch Pflichten von Individuen angenommen, z.B. im entstehenden Völkerstrafrecht. Insofern geht man heute davon aus, dass Individuen jedenfalls eine partielle Völkerrechtssubjektivität zukommen.

Anmerkungen

[1]

Dazu unten Rn. 103 f.

d) Transnationale Unternehmen

60

Transnationale oder multinationale Unternehmen, d.h. Unternehmen, die durch Zweigniederlassungen in mehr als einem Staat wirtschaftlich tätig sind, gehören zu den Hauptakteuren der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Sie sind für einen großen Teil des internationalen Waren- und Dienstleistungshandels, der ausländischen Direktinvestitionen und des internationalen Kapital- und Zahlungsverkehrs verantwortlich. Die wirtschaftliche Macht transnationaler Unternehmen zeigt sich plastisch daran, dass die Jahresumsätze mancher Unternehmen das Bruttoinlandsprodukt zahlreicher Staaten um ein Vielfaches übersteigen. Transnationale Unternehmen beeinflussen auch die Aushandlung völkerrechtlicher Verträge, wie z.B. der Einfluss US-amerikanischer Unternehmen auf die Verhandlungen zum Dienstleistungsabkommen der WTO (GATS) und das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS) zeigt.[1]

61

Trotz ihrer tatsächlichen Bedeutung für die internationalen Wirtschaftsbeziehungen und das Wirtschaftsvölkerrecht ist die rechtliche Qualifizierung von multinationalen Unternehmen aus völkerrechtlicher Sicht, insbesondere die Frage einer Völkerrechtssubjektivität, hochumstritten.[2] Nach überwiegender Auffassung sind multinationale Unternehmen keine Völkerrechtssubjekte, da es (derzeit noch) keine unmittelbar geltenden Völkerrechtsregeln gibt, durch die multinationalen Unternehmen direkte Rechte und Pflichten übertragen werden.

62

Die Frage der Völkerrechtssubjektivität transnationaler Unternehmen ist jedoch nicht pauschal zu beantworten. Vielmehr ist zu prüfen, ob transnationalen Unternehmen im Einzelfall durch völkerrechtliche Normen Rechte oder Pflichten übertragen wurden. In Investitionsschutzverträgen kann multinationalen Unternehmen z.B. das Recht eingeräumt werden, Streitigkeiten im Rahmen einer Investor-Staat-Streitschlichtung[3] zu lösen. Wenn dieses Recht unabhängig von der Zustimmung des Sitzstaats ausgeübt werden kann, begründet der Vertrag für multinationale Unternehmen eine völkerrechtliche Rechtsposition. In einem solchen Fall ist auch eine partielle Völkerrechtssubjektivität multinationaler Unternehmen anzunehmen.

63

In gleicher Weise ist denkbar, dass durch eine völkerrechtliche Norm Pflichten für transnationale Unternehmen begründet werden.[4] Allerdings sind die Kodizes für das Verhalten transnationaler Unternehmen, die in internationalen Organisationen bisher entwickelt wurden, stets unverbindliche Richtlinien geblieben. Dies gilt sowohl für die von der ILO 1977 angenommene und 2017 zuletzt geänderte „Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises“[5] als auch für die von der OECD 1976 erlassenen und zuletzt 2011 überarbeiteten „OECD Guidelines for Multinational Enterprises“.[6]

64

Da diese Richtlinien nur Erwartungen der Staaten gegenüber transnationalen Unternehmen enthalten, begründen sie keine völkerrechtlichen Pflichten. Ein Verstoß gegen sie führt nicht zu einer Völkerrechtsverletzung. Da das Völkerrecht multinationalen Unternehmen somit Rechte, aber (noch) keine Pflichten überträgt, kann man von einer asymmetrischen, partiellen Völkerrechtssubjektivität dieser Unternehmen ausgehen. Die Asymmetrie zwischen Rechten und Pflichten ist nicht ungewöhnlich: Auch die Rechtsstellung von Individuen enthielt zunächst nur völkerrechtliche Rechte. Erst später wurden auch Pflichten begründet.

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