Kitabı oku: «Die Eucharistie als Opfer der Kirche», sayfa 4

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§3 Mittelalterliche Opfertheologie und reformatorische Kritik

Mit dem Verlust des alten Bild- und Symbolbegriffs wird der Gedanke vom Messopfer immer problematischer im theologischen Denken bewertet. Als mitgedacht vorausgesetzt zu sein, wenn es um das Eucharistieverständnis geht, birgt die Gefahr von Missverständnissen für eine Opfertheologie.

1.Auseinanderfallen von Kreuz- und Messopferverständnis

Im Altertum versteht man auf der Grundlage eines realen Symbolverständnisses, dass das einzige Kreuzesopfer Christi in jeder Messfeier gegenwärtig gesetzt, und dass dabei die unbegrenzte Wirkung eben dieses Kreuzesopfers neu aktualisiert wird. Im Mittelalter ist diese Denkweise nicht mehr plausibel. Ein gnadenwirkendes Opfer ist hier nur noch dann denkbar, wenn zugleich eine neue Opferhandlung gesetzt ist. Der Zusammenhang von Kreuzesopfer und Messopfer muss innerhalb eines solchen Denkens zwangsläufig zerbrechen.61 Wie kann eine neue Opferhandlung neben die einmalige Tat Christ am Kreuz treten? So folgt die Suche nach dem Opferakt, der je eigenen Oblation einer jeden Messe. Sehen wir zur Verdeutlichung auf die theologischen Vertreter dieser Epoche: Albertus Magnus und Thomas von Aquin.

1.1 Orientierung am Messkanon – Albertus Magnus

Die beiden Schriften De mysterio Missae und De Corpore Domini von Albertus Magnus († 1280) gelten als wichtige Meilensteine im theologischen Denken des Hochmittelalters. Albertus setzt, wie selbstverständlich, den Opfercharakter der Messe voraus. Die Messerklärung De mysterio Missae orientiert sich am Messkanon, der am deutlichsten vom Opfer spricht. Für Albertus ist klar, dass der Priester für sich selbst und das Volk darbringt. Alle Umstehenden sind mit dem „offerimus“ des Kanons mitgemeint. Das Volk bringt das Opfer geistig (voto) und der Priester sakramental (mysterio) dar.62 In der Zeit der Hochscholastik vertritt Albertus Magnus den Standpunkt, dass jede Messe einen eigenen realen Oblationsakt hat und stellt daher in nachhaltiger Weise den Opfercharakter der Messe heraus. Gleichzeitig lehnt er strikt die Auffassung des Petrus Lombardus ab,

„die Messe könne im eigentlichen Sinn Opfer (sacrificium et oblatio) genannt werden, weil sie ‚memoria et repraesentatio sacrificii veri et sanctae immolationis factae in ara crucis’ sei.“63

Für Albertus ist die Messe repraesentatio und memoriale bzw. commemoratio passionis Christi, aber in Bezug auf den Opfercharakter ist die Messe immolatio vera bzw. commemoratio passionis in modo sacrificii et modo immolationis. Der Oblationsakt, zugleich repraesentatio des Kreuzesopfers, wird von Albertus in die Doppelkonsekration hinein verlagert. Thomas von Aquin geht später den gleichen Weg.64

Der Priester ist nach Albertus Magnus der efficiens ministrans, dessen Funktion er mit „operari in ministerio ad actum sacramentalem“ (IV sent., d.13, c. 29 ad 2 und ad 7) benennt. So wird eine Einheit der Bereitung des Sakraments, also der Realpräsenz, mit dem Opfercharakter der Messe sakramental geschlossen. Zugleich verbindet sich das Messopfer mit dem Kreuzesopfer innerlich zusammen, da, kraft der Gegenwart des Christus passus und der repraesentatio passionis, die Messe aus sich heraus die ganze Wirkung des Kreuzesopfers vermittelt.65 Die Bestimmung bei Albertus (IV sent. D 13 a 23), dass das Messopfer auch als „Opfer der Kirche“ in irgendeiner Weise oblatio ist, wirkt sich später zur Zeit der Reformation, mit der ethisch ansetzenden Missdeutung der paulinisch-augustinischen Christusmystik, auf die Sichtweise der Reformatoren aus.66

1.2 Die Sicht von Thomas von Aquin

In der Zeit der Hochscholastik werden mehr und mehr allegorische Kommentare zur Messliturgie und Untersuchungen über die Transsubstantiation herausgegeben. Die Frage des Opfercharakters der Messe bleibt weiterhin nur sehr eingeschränkt beleuchtet. Mit drei Hinweisen in seiner Summa Theologica deutet Thomas von Aquin († 1274) den Opfercharakter an.67 Dort heißt es, dass die Messe commemoratio und repraesentatio des Kreuzesopfers Jesu Christi ist.68 An anderer Stelle ergänzt er, dass sie auch participatio fructus dominicae passionis ist.69 Woraus abgeleitet werden kann, dass die Messe selbst als sacrificium bzw. immolatio Christi verstanden werden kann. Thomas versteht die commemoratio und repraesentatio ganz im augustinischen Sinne, nämlich als Vergegenwärtigung, hervorgerufen durch Bild und Gleichnis (figura et signis). Der Vollzug des Abendmahlgeschehens garantiert die commemoratio. Die Wirkweise des Sakramentes (ex opere operato) gewährleistet wiederum die participatio fructus.70 Thomas verbindet ebenfalls die Darstellung des Sakraments der Eucharistie in seiner Symbolfülle eng mit dem Hinweis auf deren Opfercharakter. So können wir mit Burkhard Neunheuser zu Thomas resümieren:

„Die Eucharistie ist Opfer als Sakrament des Leibes und Blutes Christi; der Vollzug des Sakraments, d.h. die Wandlung, die Hinstellung der Doppelgestalt von Leib und Blut Christi, ist gleichzeitig das Opfer, gefeiert vom konsekrierenden Priester, der hier als Werkzeug des geschichtlich am Kreuze sich opfernden Herrn das eine Christusopfer gegenwärtig setzt. Die sakramentale, sinnbildlich repräsentierende Handlung der Eucharistiefeier vermittelt in Kraft der (Zeit und Raum überbrückenden) virtus Divina das eine Opfer Christi auch unserer Zeit.“71

1.3 Standpunkt und Ausblick

Mit Thomas von Aquin ist der Höhepunkt der scholastischen Betrachtungsweise der Eucharistie erreicht. Zwar finden sich bei ihm die Tendenzen einer weiteren „Verdinglichung“ in der Verstehensweise der Eucharistie, doch ist sein Beitrag zukunftsweisend, da traditionelle Elemente erhalten bleiben und gefestigt werden. Der Lehrentscheid für die Armenier auf dem Konzil von Florenz (1438-1445) greift auf Thomas von Aquin zurück, wenn das Konzil die Eucharistielehre in den Begriffen der mittelalterlichen Scholastik entfaltet. Erstmals findet sich hier die Formel, dass der Priester „in der Person Christi“ handelt72:

„Die Form dieses Sakramentes sind die Worte des Erlösers, mit denen er dieses Sakrament vollzog; der Priester vollzieht dieses Sakrament nämlich, indem er in der Person Christi spricht.“73

So können wir festhalten, dass Albertus Magnus und Thomas von Aquin eine Effectus-Gegenwart des Kreuzesopfers im Messopfer vertreten. Gleichzeitig tritt das Paradoxon zu Tage, dass die Schultheologie der Spätscholastik den Opfercharakter der Messe vernachlässigt, während der Opfercharakter in sogenannten Messerklärungen mehr und mehr an Bedeutung gewinnt.74 Darum widmen wir uns jetzt diesen mittelalterlichen Messerklärungen.

2.Die populären Meßerklärungen des Mittelalters

Die von der Kirche in den Jahren 1059 und 1079 Berengar von Tours vorgelegten Glaubenszeugnisse (DH 690/ DH 700) verdeutlichen eine objektivierende-statische, auf die somatische Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi ausgerichtete Denkweise. Diese objektiv-statische Sicht wird schließlich durch die Transsubstantiationslehre überwunden, dennoch bleibt die Transsubstantiationslehre auf die somatische Realpräsenz festgelegt. Das bedeutet, dass die an das vergegenwärtigende Gedenken gebundene aktualpräsentische Dimension der Messe verloren war und auch verloren blieb. Diese Lücke will die Messallegorie des Mittelalters versuchen zu schließen.75

Seit dem frühen Mittelalter werden diese Messerklärungen, besonders nördlich der Alpen, sehr populär. Das Bedürfnis, in der Muttersprache die Messe zu erklären – selbst für den Klerus – brachte einen Typus nichtliturgischer Schriften hervor, der bis in die neuere Zeit hinein die Messfrömmigkeit, die Theologie und den Ritus beeinflusst hat, d.h., dass das ganze Mittelalter durch eben diese allegorische Auslegungsmethode bestimmt wird. Dabei werden mit der sogenannten rememorativen Allegorese die einzelnen Teile des Messritus mit dem Gang der alt- und neutestamentlichen Begebenheiten, besonders mit dem Leiden, dem Tod und der Verherrlichung Jesu parallelisiert. Daneben gibt es die typologische, moralische und eschatologische Allegorese.76

„Zu aller Zeit war die Wahrheit vom Kreuzesopfer, das Christus ‚ein für allemal’ als voll genügendes Opfer des Neuen Bundes darbrachte (vgl. Hebr 9-10), die Basis der katholischen Messopferlehre. Doch hatte sich die spät-scholastische und zeitgenössische Theologie [der vorreformatorischen Zeit] wenig oder nur in mangelhafter Weise mit diesem Lehrpunkt befasst.“77

Man konzentrierte sich auf die Fragen nach dem Warum, dem Wie und dem Wann der Gegenwart des Leibes und Blutes Christi. Einher mit dieser Linie theologischer Fragen rückt die Messe immer mehr als Opfer der Kirche, deren Repräsentant der Priester ist, in das Bewusstsein.78 Wenn auch der Opfercharakter der Messe nur sehr geringfügig reflektiert wird, so nimmt er doch gerade in den Meßerklärungen für das Volk derartige Popularität an, dass dem Protest der Reformatoren geradewegs der Weg geebnet wird, worauf wir noch zu sprechen kommen werden.79 Zunächst halten wir fest:

„Es war der zum (real)symbolischen Denken unfähige Nominalismus, der im Spätmittelalter die Einheit zwischen Kreuzes- und Messopfer völlig aufgelöst hat. Man fragte nach dem ‚Wert’ der Messe für Lebende und Verstorbene, nach den … ‚Messfrüchten’ und konnte sich ein reales Messopfer nur als wirkliche Darbringung eines neuen Opfers vorstellen. Die Messe wurde nicht mehr als das real gegenwärtige eine und einzige Opfer Christi gesehen, sondern als Werk des menschlichen und darum auch sündigen Priesters, der als solcher kein Opfer darbringen kann, das unbegrenzten Wert hätte.“80

Der Nominalismus hat kein Verständnis für das Symbol, das an der Wirklichkeit partizipiert. Wort und Begriff sind insofern nur Gedankengebilde und haben nicht den Charakter von natürlichen Zeichen. Das Sakramentenverständnis musste so zwangsläufig an der Oberfläche stagnieren, und das Sakrament wurde nicht als etwas begriffen, das bezeichnet, was es bewirkt. Die Beziehung von Begriff und Sache ist aufgegeben und die Trennung von Sakrament, als Zeichen, und der Gnadenvermittlung ist vollzogen.81 Die Theologie dieser Zeit findet keinen Zugang zur Ganzheit der Eucharistie. Periphere Fragestellungen und Akzentuierungen bewirken ein Übriges. Dennoch muss zugleich gesagt werden, dass die damalige kirchliche Frömmigkeit irgendwie dennoch um die Messe als die Darstellung des Kreuzesopfers kreist.82 Die Messerklärung des Gabriel Biel († 1495) und der Artikel Missa im theologischen Lexikon Altenstaigs, Vocabularis theologiae, von 1517 verdeutlichen dies:

„Die Messe ist Opfer, Opfer der Kirche, in dem sie des einmaligen Opfers Christi am Kreuz gedenkt, um es sich anzueignen und seine Früchte zu gewinnen.“83

Gabriel Biel hat damals die entscheidende Frage offengelassen: Wie die Messe als repraesentatio des Opfers Christi selbst ein „Opfer“ sein kann, ohne die Einmaligkeit des Opfers Christi zu gefährden?84 Die Theologen dieser Epoche können sich nicht mehr um eine klärende Antwort dieser Frage bemühen, da andere Aspekte in den Mittelpunkt des Interesses treten. Die Eucharistiefrage wird nunmehr eine von vielen Kritikpunkten der Reformation, deren Epoche heraufzieht.

3. Beklagte Missstände

Missstände, die an der Wende vom 15. zum 16. Jh. in die Messpraxis eindringen, sind mit ein Auslöser für das reformatorische Ansinnen. Dazu gehören die gehäuften Privatmessen, der Missbrauch von Messstipendien und Vernachlässigung, aus falschem Verständnis des „opus operatum“85, die personale Beanspruchung als unentbehrliches Element der Teilnahme am Opfer Christi.86 Daneben ist die Elevationsfrömmigkeit, d.h. das bloße Anschauen der gewandelten Hostie statt der wirklichen Kommunion, auf einem Höhepunkt angelangt.87

„Sie [die Elevation] hatte ein so beträchtliches Eigengewicht, dass viele Gläubige nur zur Elevation in die Kirche kamen oder sie jedenfalls danach verließen.“88

Mit dem bloßen Anschauen der Hostie werden besondere Kräfte in Verbindung gebracht. Zugleich hat die Messfeier insgesamt einen so hohen Stellenwert, dass mit ihrer Wirkung übertriebene und abergläubische Vorstellungen verbunden werden. Folge ist die übergroße Zahl an Messen, besonders Votiv- und Totenmessen und der Verlust des Gemeinschaftscharakters. Der Stand der theologischen Bildung bei Klerus und Volk bilden den Nährboden solcher Entwicklung. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es immer wieder Reformversuche gibt, besonders im Spätmittelalter und in der Zeit unmittelbar vor dem Konzil von Trient, als die reformatorischen Anfragen die Notwendigkeit unübersehbar machen. Doch die vielen unterschiedlichen Traditionen lassen die Reformversuche nicht über bloße Forderungen hinauskommen.89

4. Luthers Ansatz und Argumentation

Mit Johannes Wyclif († 1384) zeigen sich erste Verfallserscheinungen der Eucharistielehre. Er wendet sich z.B. gegen die Transsubstantiationslehre und nennt die Messe eine Erfindung der Kirche. Das Konzil von Konstanz verurteilt 1415 die irrigen Sätze Wyclifs.90 Martin Luther (1483-1546) sympathisiert später mit der Impanationslehre Wyclifs91.

Um die umfangreichen lutherischen Lehren für unser zu behandelndes Thema des Opfers zu bündeln und in einem thematisch relevanten Zusammenhang zu betrachten, greifen wir im weiteren Verlauf auf die fundamentale Untersuchung des reformatorischen Opferdenkens von Wilhelm Averbeck zurück.92

Martin Luther bildet mit seiner Lehre von der Rechtfertigung allein aus dem Glauben und ohne verdienstliche Werke des Menschen ein neues Fundament für das Verständnis der Sakramente und hier besonders wichtig, für die Ablehnung der Messe als Opfer.93 Luther verwendet den Sakramentenbegriff zeitlebens bewusst mehrdeutig. Den Begriff „ex opere operato“ sieht er als Ausdruck einer Sakramentenautomatik: Äußerlicher Vollzug des Ritus zur Bewirkung der Gnade.94

4.1 Die Zeit bis 1530

Als Luther 1517/18 in der Exegese des Hebräerbriefes zu der Frage gelangt, warum heute noch das Opfer nicht aufgehört hat, obwohl der Mensch doch durch Tauf- und Bußgnade vollkommen und gerecht gemacht sei, interpretiert er eine Aussage von Chrysostomus, die lautet: Freilich opfern wir, aber zum Gedächtnis seines Todes; und dieser ist das eine Opfer, einmal dargebracht. Luther interpretiert: Christus ist einmal geopfert. Das, was täglich von den Menschen geopfert wird, ist aber nicht so sehr Opfer, vielmehr ein Gedächtnis dieses Opfers, denn das Opfer des NT ist vollendet. Das geistige Opfer des Lobes seines Leibes (= die Kirche) wird hingegen täglich geopfert. So löst Luther mit derselben Argumentation, mit der Chrysostomus zur Bestätigung des eucharistischen Opfercharakters gelangt, den Opfercharakter auf.95

Einen ersten Versuch, die Abendmahlslehre neu zu interpretieren, nämlich vom Vorgang des Essens und Trinkens her, macht Luther 1519 mit „Eyn Sermon von dem Hochwirdigen Sacrament des Heyligen Waren Leychnams Christi. Und von den Bruderschafften“. Er kritisiert darin wiederum die Anwendung des „opus operatum“ auf die Messe als eines Werkes. Ein Jahr später folgt die Schrift zur Messe „Eyn Sermon von dem neuen Testament, das ist von der heyligen Messe“.96 Hier findet sich ein wichtiger Terminus des Neuansatzes bereits im Titel: Testament. Es geht ihm um das Wesen der heiligen Messe. Dieses Wesen sieht er in der Zusage und Verheißung Jesu Christi, dass den Menschen alle Sünden vergeben sind, was im Kern die Einsetzungsworte ausdrücken, an die sich der Glaube zu halten hat. Darin besteht somit die Summe des Sakraments, das neue „Testament“. Von Opfer wird Abstand genommen.97 Die Verbergung, d.h. leise gesprochenen Einsetzungsworte „Christi Testament“, hier als unwiderruflich letzter Willensakt verstanden, ist nach Luthers Ansicht der erste von drei liturgischen Missbräuchen. Der Auffassung, dass die Messe ein gutes Werk sei, wird mit der Aussage, dass der Nutzen der Messe nur bei dem liegt, der auch das Testament glaubend und trauend empfängt.98 Den Opfergedanken lässt der Reformator nur noch in einer einzigen Hinsicht gelten, nämlich als „Gabenopfer“ in caritativem Sinn, das er als menschlicher Zusatz von der Messe streng unterscheidet. Er will sich auf diese Weise gegen „eingeschlichene“ Begriffe in der Messe abgrenzen. Diese Begriffe bezeichnen, in der Auffassung des Reformators, lediglich natürliche Gaben, nicht aber den sakramentalen Christus, so dass die Schlussfolgerung getroffen ist, dass das Testament kein Opfer ist.99 Luther schwört seine Anhänger auf geistige Opfer ein, auf ein Lob- und Dankopfer für das Testament. Offensichtlich ist er der Ansicht, dass die katholische Messe die Menschen in die Rolle der Haupthandelnden rückt und Christus zum bloßen Objekt menschlichen Handelns herabgewürdigt.100

Im Oktober 1520 wendet sich Luther in der systematisch-theologischen Programmschrift zur Sakramentenlehre (De captivitate Baylonica Ekklesiae praeludium) an die Theologen. Er lässt jetzt allein Taufe, Buße und Abendmahl als Sakramente gelten und merkt an, dass sich das Sakrament des Brotes in einer dreifachen Gefangenschaft seitens der römischen Kirche befinde. Er übt Kritik an der Transsubstantiationslehre, der Verweigerung der zweiten Gestalt (Laienkelch) und dem Verständnis des Abendmahls als Opfer und eines gutes Werkes. Gerade dieser dritte Kritikpunkt ist für Luther die Quelle weiterer, tiefer einwurzelnder Übelstände.101 Die leidenschaftliche Ablehnung von vier Sakramenten und des Messopfers stellt wesentliche Glaubensinhalte in Frage und läuft damit auf eine Beseitigung des kultischen Herzstückes der Kirche und der Frömmigkeit des einzelnen Gläubigen hinaus.102 Ein zentraler Ausdruck Luthers lautet in der Schrift vom Oktober: Euangelium … non sinit Missam esse sacrificium103. Er konstatiert eine Verfälschung des Sakramentes durch die Priester, die es zu einem Opfer machten. So ergibt sich für Luther die Gleichung: „opus operatum“ („opus nostrum“ oder „opus bonum“) ist gleich Opfer. Seine Aussage stützt er durch die Kritik an den im Messkanon enthaltenen Opfertermini oder ein Opfer assoziierenden Termini. Die Messe für Verstorbene hält er für Unsinn, da nur der, der glaubt, das Testament persönlich empfange. Der Höhepunkt der Kritik ist die reformatorische Qualifizierung der Priester, Mönche und Bischöfe als Götzendiener.104

„‚Testamentum’ und ‚sacrificium’ schließen für Luther einander dem Begriff nach aus. Das eine (die ‚Messe’) wird empfangen, das andere (das ‚Opfer’) wird dargebracht.“105 Im November 1521 verfasst Luther De abroganda missa privata - Vom Missbrauch der Messe. Darin geht es nicht allein um die Privatmesse, sondern gegen das Messopfer überhaupt. Frühere Gedanken, wie etwa die Messe als Testament, als Vermächtnis, als Gabe an den Menschen, werden nochmals in sehr scharfer und kämpferisch kolorierter Form vorgetragen. Zudem betont er die Notwendigkeit der kommunizierenden Gemeinde, da eine alleinige Kommunion des zelebrierenden Priesters die Opfervorstellung nährt.106 Er trägt ein neues Argument aus dem Hebräerbrief (Hebr 9; vgl. auch 1 Petr 3) vor und setzt das ein für alle Mal allgenügsame Kreuzesopfer Christi gegen die Auffassung eines Opfercharakters der Messe.107 Luther ist ganz davon überzeugt, dass die Messe als Opfer ein Werk ist, und so die Einmaligkeit der Tat Jesu herabstuft und das Gottesbild eines zornigen und immer neu zu versöhnenden Gottes heraufbeschwört. Auf dem Höhepunkt seiner kämpferischen Schriften im Jahr 1521 wirf Luther gerade den Priestern vor, sie seien aus Gewinn- und Ansehenssucht die Erfinder des Meßopfergedankens und formuliert den Taufexorzismus auf den Messkanon um. Sein Neuansatz eines geistlichen Opferns der Gläubigen wird auf dem Fundament des Römerbriefes (Röm 12) zum Grundprinzip christlicher Grundhaltung postuliert.108

Als eine kleine Zwischenbilanz können wir hier mit A. Franzen bemerken, dass viele der lutherischen Angriffe auf die Kirchenlehre überflüssig gewesen wären, wenn die vorreformatorische, katholische Theologie eindeutiger positioniert gewesen wäre. Unter anderem trifft dies für die Frage des Messopfers und der Sakramentenauffassung zu. Zugleich ist zu bemerken, dass an dieser Eintrübung die nominalistische Theologie eine Hauptschuld trägt. Luther lebte in und aus ihr. Indem er alles durch die nominalistische Brille betrachtete, stellte sich ihm vieles als katholische Lehre dar, was in Wirklichkeit nominalistisch war.109

Luther kam in den ersten reformatorischen Jahren nicht umhin, einen Entwurf für die neue evangelische Liturgie zu entwerfen. Darin musste der Opferterminus unter allen Umständen beseitigt werden.110 Das führt zu seiner Kritik an Kanon und voraufgehendem Offertorium. Allein die Einsetzungsworte, als Worte Jesu von überragender Autorität, bleiben als Compendium Evangelii erhalten. Nachfolgend Luthers Beispiel entwickeln sich Abendmahlsliturgien in vielfältiger Weise.111

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