Kitabı oku: «Die neuesten Streiche der Schuldbürger», sayfa 5
29. Januar
Aus dem Zitatenkästlein des Michel Onfray: »Sprenger und Institoris (die Verfasser des ›Hexenhammer‹ – M.K.) kommt innerhalb der Theologie der Inquisition der Rang zu, den etwa Deleuze und Guattari für die Philosophie der 1970er Jahre haben.«
Gestern lud die Deutsche Atlantische Gesellschaft zum Vortrags- und Diskussionsabend ins Adlon. Als der Hauptredner, Géza von Geyr, Ministerialdirektor im Verteidigungsministerium, den islamischen Terrorismus kurzerhand in »transnationalen Terrorismus« umtaufte bzw. umdefinierte, war ich einigermaßen irritiert; als er erklärte, aus heutiger Sicht gebe es für den Brexit keine nachvollziehbaren Gründe mehr, stand ich kurz davor zu gehen; als er versicherte, das Ziel der deutschen Sicherheitspolitik sei »eine demokratische, tolerante Gesellschaft«, bin ich gegangen.
Ein guter Bekannter bringt die Kategorie des Rangs ins Gespräch. Sie sei für seinen Umgang mit anderen Menschen zentral. Jedem Menschen sei sein Rang gleichsam eingeprägt. Man müsse sich stets bewusst sein, ob man im Range über oder unter seinem Gegenüber stehe. Wenn jeder seinen Platz kenne, erleichtere das den Umgang miteinander ungemein.
Da schluckt der kleine Modernski: Was sind denn das für alte Zöpfe? Schließlich hat jeder Berliner Abiturient schon bei Schiller gelesen: »Dieses Possenspiel des Ranges/ Sei künftighin aus unserm Bund verwiesen!« (Don Carlos, 1. Akt, 9. Auftritt). Rang ist so was von altmodisch und out! Das kann jeder beim Teammeeting, Grünen-Parteitag oder Yogakurs, ja sogar bei der Dienstausgabe in der Bundeswehr studieren. Die Zukunft gehört flachen Hierarchien.
Dieser Rang – der offizielle Dienstrang – ist aber nicht gemeint. Der Rang bezeichnet die Persönlichkeit eines Menschen, seinen Charakter, seine Fähigkeiten, seinen Geist, seinen Stolz, seine Standhaftigkeit, seine – um ein Lieblingswort der aktuellen Mollusken zu verwenden – Haltung. Kurzum: seinen Wert. Carlos spricht zwar von einem »Bund«, doch er weiß, dass Posa in jenem anderen, unsichtbaren Rang über ihm steht. Wenn Sie sich Kurt Schumacher anschauen und dessen späten Genossen Heiko Maas, dann besteht trotz des höheren Dienstranges von Heiko, der Regierungsmitglied und Außenminister ist, während Schumacher bloß Oppositionsführer war, nicht die Spur eines Zweifels über die Rangordnung.
Zwischen zwei Männern existiert immer ein Gefälle, immer eine spontane Rangordnung, und wenn sie von den Betreffenden nicht selbst wahrgenommen wird, erledigt es die Umwelt. Das gilt auch und sogar für gute Freunde. Bei Marx und Engels war das Gefälle so klar wie bei Strauss und Hofmannsthal oder bei Goethe und Schiller. Niemand begegnet einem anderen wirklich auf Augenhöhe. Dass die meisten es nicht bemerken, weil sie für solche Nuancen kein Sensorium besitzen und die Gesellschaft ihnen einredet, Gleiche unter Gleichen zu sein, tut nichts zur Sache, schmälert aber halbwegs verlässlich ihren eigenen Rang.
30. Januar
Die europäische Menschenrechtskonvention ist mit der Scharia unvereinbar: »The Court has ruled that Sharia law is incompatible with the European Convention on Human Rights, but obviously this does not mean that there is absolute incompatibility between the Convention and Islam«, hat der Europarat statuiert. Der Schiedsspruch wurde notwendig, weil drei Mitgliedsstaaten – Albanien, Aserbaidschan und die Türkei – sowohl die europäische Konvention als auch die »Kairoer Erklärung der Menschenrechte« unterzeichnet haben, welch letztere bekanntlich alle Paragraphen unter den Scharia-Vorbehalt stellt. »This distinction between Sharia and Islam to consider the former as incompatible with the ECHR contrary to the second is not obvious«, heißt es weiter. Dies nur vor dem Hintergrund, dass der Verfassungsschutz in seiner Best-of-Sammlung von AfD-Zitaten der Schwefelpartei vorwirft, die Scharia bzw. den Scharia-Islam (Umfragen geben Anlass zu der Vermutung, dass der auch unter hierzulande lebenden Muslimen mehrheitsfähig ist) als unvereinbar mit dem Grundgesetz darzustellen.
2. Februar
Die Zeit alarmiert: »In ihrer Selbstdarstellung auf YouTube und Instagram orientieren sich junge Frauen und Mädchen weitgehend an veraltet anmutenden Rollenbildern. Das ist das Ergebnis mehrerer repräsentativer Studien zu Geschlechterdarstellungen in den sozialen Medien, die die von Schauspielerin Maria Furtwängler und ihrer Tochter Elisabeth gegründete Stiftung MaLisa in Auftrag gegeben hat. Die Geschlechterdarstellungen in den erfolgreichsten YouTube-Kanälen basieren den Studien zufolge zudem auf althergebrachten Stereotypen.«
Reichlich veraltet anmutende weibliche Rollenbilder sind seit einigen Jahren in Deutschland tatsächlich en vogue, das stimmt. Einwanderer aus einer speziellen Weltgegend betrachten Frauen als ihr Eigentum, auch diejenigen, die sie eben erst in der Disco oder auf dem Schulhof geschossen haben; die maskuline Polygamie wird Schritt für Schritt legalisiert, und der deutsche Steuerzahler darf die mit einer gewissen Folgerichtigkeit daraus entstehenden fidelen Großfamilien alimentieren; immer mehr weibliche Köpfe verschwinden unter Kopftüchern oder kompletteren Verhüllungen; minderjährige Mädchen werden neuerdings auch hierzulande zwangsverheiratet; hunderte Zwangsbeschneidungen von Mädchen finden inzwischen jährlich im einstigen Stammland der Aufklärung statt. Außerdem diskriminieren politische Hinterwäldlerinnen wie Justizministerin Barley und SPD-Chefin Nahles andere Frauen, indem sie unterstellen, sie seien zu dämlich, um ohne Quoten an gute Jobs zu kommen.
Aber das meint die feministisch bewegte Milliardärsgattin Furtwängler natürlich nicht, sie stößt sich vielmehr daran, dass hier »das Frauenbild der Fünfzigerjahre gefördert« werde, also der deutschen Fünfzigerjahre, der Spätausläufer des sexistischen europäischen Mittelalters, eine bleierne Zeit, als man noch an Geschlechtsunterschiede bzw. Geschlechterrollen glaubte statt an die freie Wahl seines Geschlechts und juvenile Blondinen sich reiche bzw. einflussreiche ältere Männer angeln mussten, um eine Filmkarriere hinlegen zu können.
»Auch in Musikvideos, die heute überwiegend über YouTube konsumiert werden, werden Frauen den Angaben nach noch immer mehrheitlich sexy und passiv inszeniert«, ächzt die Zeit-Autorin, zu deren Gunsten wir mal annehmen, dass sie sich allzeit aktiv unsexy inszeniert.
»Wenn man sieht, dass die Frauen auch in den Medien, die hauptsächlich von Jugendlichen konsumiert werden, nur ein Drittel der Protagonistinnen und Protagonisten stellen, muss man sich fragen, was mit den Strukturen nicht stimmt«, meint wiederum Frau Furtwängler, schreibt die Zeit. Dass mit den Strukturen etwas nicht stimme, wenn irgendwo zu wenige Frauen vertreten sind, wo sich etwas abgreifen lässt: Dieses Mantra kennt man inzwischen zur Genüge, und zumindest die »Tatort«-Mädels haben es geschafft, ihre numerische Gleichstellung durchzusetzen, auch wenn in der tristen Realität Kommissarinnen eher die Ausnahme sind. Nochmals: Die Maid mit dem erlauchten Namenspedigree spricht von YouTube und Instagram – »nach Angaben der Stiftung MaLisa wurden für die Studie der Universität Rostock und der Filmuniversität Babelsberg 1 000 YouTube-Kanäle analysiert, 2 000 Videos untersucht und 14 YouTuberinnen in Interviews zu ihrer Sicht auf die Branche befragt« –, also von zwei Online-Plattformen, deren angeblich »nicht stimmende« Struktur darin besteht, dass jeder dort freien Zugang hat, wo also die völlige Freiheit der Selbstdarstellung herrscht. Und das passt Quotenforderern und Regulierern bekanntlich nicht, nie sind solche Figuren mit der Freiheit zufrieden, weil die immer zu falschen Ergebnissen führt. Gibt man Frauen und Männern die Möglichkeit, sich einfach so zu präsentieren, wie sie mögen, dann kehren auf einmal die sogenannten Geschlechterstereotype wieder, gegen die auf allen Kanälen und in allen Redaktionen rund um die Uhr vergeblich agitiert wird. Allerdings handelt es sich dabei nicht um die »Geschlechterrollen der Fünfziger«, sondern um jene der Conditio humana. Dann stellen sich, ein paar teils liebenswürdige, teils bedauernswerte Freaks ausgenommen, Frauen eben weiblich und Männer eben männlich dar – und es gibt kein Mittel dagegen außer Quotenforderungen, Diskriminierungsgeplärr, Manipulation und staatlichem Druck.
Auf Instagram, jammert es weiter, seien insbesondere Frauen erfolgreich, die einem normierten Schönheitsideal entsprächen, und die seien »dünn und langhaarig« – nicht etwa fett und mindestens auf einer Seite des Schädels kahlrasiert, wie es in Berliner Szenebezirken guter Standard ist. Außerdem hätten die für die Studie befragten Youtuberinnen »von Hürden gesprochen, die es erschwerten, aus dem Thema Schönheit auszubrechen und sich neue Genres wie Comedy oder Politik zu erschließen«. Eine der Vierzehn gab zu Protokoll: »Eine starke eigene Meinung schmälert deinen finanziellen Wert, weil sich dann bestimmte Firmen nicht mehr mit dir zeigen wollen.« Zum Beispiel, wenn man die starke eigene Meinung vertritt, dass Frauen sich weiblich und Männer sich männlich präsentieren sollten. Oder die starke eigene Meinung, dass Frauenquoten begabte Frauen erniedrigen und unbegabte fördern. Oder auch nur, wenn man seine starke eigene Meinung auf Plattformen wie achgut oder eigentümlich frei publiziert. Oder wenn man die starke Meinung am Ende gar, hui-buh!, in der Schwefelpartei vertritt …
Die Vorzeile des Zeit-Artikels lautet übrigens: »Junge Frauen inszenieren sich einer Studie zufolge auf Instagram und YouTube nach althergebrachten Stereotypen. Ihr Credo: Hauptsache, keine eigene Meinung vertreten.« Dass man bloß von einer Probandin thesenorientiert auf alle anderen schließen muss, um zur erwünschten Aussage eines Artikels zu gelangen, das haben sie im Hamburger Weltblatt seit Langem verstanden, zum Höcke! Von den Vertreterinnen der deutschen Wahrheits- und Qualitätsmedien könnten die sich im Netz spreizenden langhaarigen und schlanken Dummchen, so sie denn wollten, immerhin lernen, welche Meinungen bei ihnen als »eigene« durchgehen würden. Deren Zahl ist gottlob überschaubar.
7. Februar
Merkwürdig: Nachdem die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel den Publizisten Henryk M. Broder öffentlich umarmt hatte, also die Rechtspopulistin ihre Sympathie für einen Juden zum Ausdruck brachte, hat kein Journalist, kein Autor, kein politischer Konkurrent erklärt, nun zeige die AfD »endlich ihr wahres Gesicht«.
Das »wahre Gesicht« der AfD präsentiert nämlich, wenn Björn Höcke mal ausfällt und Richter Maier nicht twittert, der fraktionslose Stuttgarter Abgeordnete Wolfgang Gedeon (wobei der angesichts von Weidels Umarmung tatsächlich gedacht haben mag: Jetzt zeigen sie an der Parteispitze ihr wahres Gesicht …)
Die Geopolitik kehrt wieder, und sie hat nichts zu tun mit Brüsseler Spitzen, UN-Gremien, »multilateralen Lösungen« oder Antidiskriminerungsverordnungen. Die Meldung des Tages ist Macrons Absage für die Münchner Sicherheitskonferenz vor dem Hintergrund des Streits um die »Nord Stream 2«-Pipeline (auch wenn angeblich mal wieder nix mit nix zu tun hat). Die Franzosen stellen sich gegen die Gastrasse (Gas-Trasse, geehrter Herr ***, nicht Gast-Rasse!) und auf die Seite der Amerikaner; sie beteuern, die Interessen der Osteuropäer zu vertreten. Das amerikanische Argument gegen russisches Gas für Deutschland lautet, es mache uns durch den Kreml erpressbar, und wir müssen uns schon entscheiden, ob wir aus dem Kreml oder dem Weißen Haus erpresst werden wollen. Wie es aussieht, bahnt sich zwischen Russland und den USA ein Revival des Kalten Krieges an, in das die Europäer naturgemäß involviert sind. Es geht um die Ukraine, der schon bei Zbigniew Brzeziński die Rolle des strategischen Zankapfels zugewiesen wird – US-Botschafter Richard Grenell warnt, durch das Gas-Projekt würde die Gefahr einer russischen Intervention in der Ukraine steigen –, und Deutschland hat sich aus der Sicht des wankenden Hegemons in Übersee gegen Russland zu positionieren. Der Aufstieg Chinas im Rücken der Russen verleiht der ganzen Sache eine besondere Pikanterie. Das deutsche Problem lautet: Was tun? Den Amis sowie unserem lieben Freund Macron nachgeben und die Pipeline canceln?
Jetzt kommen kurioserweise die Grünen ins Spiel und Angela Merkel als eigentlich deren Kanzlerin. 2022 gehen die deutschen AKW vom Netz, parallel steigt Deutschland aus der Braunkohleverstromung aus, die deutschen Gaskraftwerksbetreiber sind über die Jahre verprellt und hintangestellt worden, sie haben hochmoderne Anlagen demontieren müssen und teilweise nach Amerika verschifft. Zugleich wachsen die subventionierten Windparks, deren entscheidende Eigenschaft darin besteht, dass sie mal Strom liefern und mal nicht, und es gibt kein Mittel dagegen. Wir haben heute schon große Probleme mit der Energieversorgung, »immer wieder kommt es zu brenzligen Situationen, wenn Solar- und Windkraftanlagen zu wenig Strom liefern. Dann müssen Industrieanlagen abgeschaltet werden. Die Netzschwankungen könnten aber noch schlimmer werden«, notiert die FAZ. Die »Instabilität des deutschen Stromnetzes« setzt die Linz AG unter Druck: »Weil der unregelmäßig erzeugte Windstrom aus Norddeutschland wegen mangelnder Leitungskapazitäten nur schwer zu den großen Abnehmern der Industrie im Süden transportiert werden kann, müssen südliche Stromerzeuger immer kurzfristiger ›dagegenhalten‹«, maulen die Oberösterreichischen Nachrichten. (Gleichzeitig zahlt Deutschland dafür, dass die Nachbarn die Stromüberproduktion abnehmen, wenn mal die Sonne richtig scheint und der Wind kräftig weht.) Wenn nun die Pläne mit dem russischen Gas scheitern, was dann? Frieren für Amerika? Monsieur Macron, erinnern wir uns, erklärte in seiner Jahrtausendrede zur »Neubegründung Europas« vor der Pariser Sorbonne »die kohlenstofffreie und kostengünstige Atomenergie« für »unerlässlich«; er hat heute beim Blick über den Rhein die Lacher auf seiner Seite.
Irgendwann wird es einen Blackout geben. Das wäre schlimm für diejenigen, die dann in steckengebliebenen Liften erfrieren oder verdursten, auf Intensivstationen sterben, weil die Notstromaggregate nicht ausreichen, bei Unruhen getötet werden oder was auch immer, aber am schlimmsten wäre es für die Grünen, denn die würden ihn politisch nicht überleben; der so unendlich brave, duldsame und wohlmeinende deutsche Michel würde dann doch schnallen, welcher Gaunerbrigade er (oder meistens wohl sie, die Micheline) sein Vertrauen geschenkt hat und wohin die Mentalitätsherrschaft dieser Spitzbuben das Land gebracht hat. Aber unterhalb einer echten Katastrophe wollen Deutschmichel und Deutschmichelinchen ja seit ca. hundert Jahren keine Lektion lernen.
Grundgesetzkunde mit Thomas Oppermann. Der Sozi teilt, einen Juraprofessor zurechtweisend, welcher schrieb: »Im Grundgesetz steht nicht ›Alle Menschen sind gleich‹, sondern ›Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich‹«, via Twitter mit: »Im GG steht auch: ›Alle Menschen sind gleich viel wert.‹ (Art. 1, Abs. 1).« Ich schrieb hier vor kurzem, dass diese Republik nie ein dümmeres politisches Personal gesehen hat als das derzeitige, und beantrage, dieses Beispiel auf die Beweisliste zu setzen.
8. Februar
Gute Partygesprächseröffnungsfragen, nächste Folge: »Und welchen Wohlstand haben Sie geschaffen?«
Das Mutterland der identity politics ist Ruanda.
Das Leben hat mich gelehrt, den Begriff Aufklärung nur mit ironischem Unterton zu gebrauchen – heute las ich, der Regensburger Philosophiehistoriker Karlfriedrich Herb habe über Kants Vernunftbegriff das (übrigens lupenrein rassistische) Geschmacksurteil gefällt, jener sei »zu weiß, um rein zu sein«; die postweiße Aufklärung wird nicht mehr vom hohen Ross, sondern direkt vom Baum verkündet –, doch angesichts der neoreligiösen Erweckungshysteriker, welche dieses Land in zunehmender Frequenz und immer schriller durchkreischen, bin ich geneigt, das Wort völlig außer Gebrauch zu stellen. Wenn eine 16-jährige offenbar seelisch labile Schulschwänzerin zum Nachwuchsheiland deklariert und von einer seelisch ebenfalls noch nicht ganz gefestigten Grünen-Bundestagsabgeordneten namens Lisa Badum für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wird – warum eigentlich nicht gleich für den Physiknobelpreis? –, sind wir den kollektiven Wahnvorstellungen des Mittelalters erfreulich nahe.
Dass der Libertäre Hans-Hermann Hoppe, der die Parteiendemokratie für einen »Wettbewerb der Gauner« hält (so der Titel seines letzten Buches), ein Schüler von Jürgen Habermas war – oder ist, irgendwie bleibt man’s ja –, dass er jedenfalls vom führenden deutschen Transzendentaldemokraten promoviert wurde, verwundert zunächst jeden, der in beider Werk auch nur geblättert hat. Bei näherer Betrachtung allerdings erschließt sich eine logische Konsequenz. Hoppe verlegt die Diskurstheorie des Gevatters Habermas, dessen Aberglaube an die Moderation aller Konflikte durch den »zwanglosen Zwang des besseren Arguments«, in die einzige mögliche Sphäre, wo ein zwangloser Zwang gesamtgesellschaftlich seine Wirkung zu entfalten vermöchte: den Markt. Der Ansatz von Habermas ist unmöglich, weil er der menschlichen Natur zuwiderläuft; die Nicht-Geltung kann jeder an sich selber studieren – wer lässt sich schon gegen seine Interessen von einem Argument überzeugen? –, und wem das nicht genügt, der mag sich an Günter Maschkes treffliche Bemerkung halten, dass die Habermassche Theorie schnell, bequem und täglich durch die Abendnachrichten erledigt wird. Doch wenn man aus der Kommunikationstheologie einen zwanglosen Zwang der besseren Ware resp. der besseren Dienstleistung destilliert, gewinnt die Sache auf einmal Plausibilität. Nicht der Kommunismus ist die große Utopie, nein, der freie Markt ist es.
14. Februar
Bundesinnenminister Thomas de Maizière räumt, wie ein Qualitätsjournalist schreiben würde, ein, dass die Bundesregierung sich in der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 »von Stimmungen leiten lassen« habe – so der Minister gegenüber der Bild-Zeitung –, statt »nüchterner« zu handeln. »Deutschland hätte Bilder von Wasserwerfern gegen Flüchtlinge nicht ausgehalten«, beteuerte de Maizière, der nicht den »Bluthund« (Gustav Noske) geben wollte. Die Regierung hätte rigide Maßnahmen unter dem Druck der Volksmilde schnell wieder zurücknehmen müssen, vermutet der Minister, was wiederum eine »Sogwirkung« erzeugt haben würde. Merkwürdigerweise gab es ja genau das, eine Sogwirkung, ohne rigide Maßnahmen, verursacht durch Bahnhofsklatscher, Kanzlerinnen-Selfies, übergeschnappte Leitartikler und andere symbolische Schenkelöffnungen, aber es würde auch eine Sogwirkung gegeben haben, hätte die Regierung der Flut wehren wollen; »Sog, überall Sog!« (so Hans Sachs im Sog-Monolog, Meistersinger, Dritter Aufzug). Damit bestätigt de Maizière die Kernaussage aus Robin Alexanders Buch Die Getriebenen: Die Merkeltruppe habe aus Gründen vermuteter Stimmungen im Lande und aus Angst vor »schlimmen Bildern« auf Grenzsicherung und Schutz der ihr via Amtseid anvertrauten Bevölkerung verzichtet und das im Nachhinein als ein Gebot höherer Ordnung, als Edelmut, Afrikarettung, Fachpersonalrekrutierung und notwenige Gesellschaftsverbuntung verkauft.
Bemerkenswert ist an de Maizières Aussage, dass er den Deutschen eine Mitschuld daran gibt, wenn in ihren Straßen, Parks und öffentlichen Verkehrsmitteln nunmehr die Darwin Awards eröffnet sind, von denen ein fröhlicher Opportunist im Range eines Ministers naturgemäß nichts mitbekommt. Lag jener Engländer, der Deutschland einen »Hippie-Staat« nannte, am Ende gar nicht so verkehrt?
Vermutete Stimmungen in der Bevölkerung, das ist nun freilich ein sonderbares Kriterium für politisches Handeln, zumal solche Stimmungen ja sonst kaum ins Gewicht fallen. Tatsächlich hat die Regierung primär auf Stimmungen in der Öffentlichkeit reagiert, also in jenem Teil der Bevölkerung, der medial tatsächlich repräsentiert wird, dem »Überbau«, jener bunten, oftmals staatsalimentierten Gaukler-Welt aus Medien, Parteiapparaten, Stiftungen, Verlagen, Kulturinstitutionen, Kirchen, Universitäten, Gewerkschaften etc. pp., dem all jene »Wir sind mehr«- oder »Wir sind viele«-Krakeeler entstammen, denen heute die Luft dünn wird und bei denen die Angst wächst vor dem seinerseits wachsenden Erfolg der Rechtspopulisten, weil die ihnen die Subventionen streichen werden, sobald sie irgendwo regieren. Die Regierung handelte im selben witternden Modus wie beim Atomausstieg. Wenn die Stimmung eines durch und durch parasitären Milieus, dessen Anteil an der gesellschaftlichen Wertschöpfung ungefähr dem Merkelschen Anteil an der Veredelung der deutschen Sprache entspricht, die bislang katastrophalsten Entscheidungen einer Bundesregierung herbeizwingen konnte, illustriert das sehr plakativ, dass die Agenten der kulturellen Hegemonie und Invasoren des vorpolitischen Raumes von Gramsci bis Dutschke die richtige Strategie wählten. In medial gelenkten Gesellschaften herrscht derjenige, der über die Stimmung im öffentlichen Raum gebietet und die Regierenden zum Apportieren zwingen kann. Dass sie dabei am eigenen Ast sägen, ist Linken eigentümlich.
Dank der neuen Medien und dem Aufstieg der Populisten neigt sich diese Herrschaft europaweit ihrem Ende zu. Das erklärt die Wut und den Eifer, mit dem die Sachwalter des Status quo die neuen Konkurrenten bekämpfen und eine Verbotsdrohung nach der anderen präsentieren, ob nun das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, die Erklärung der einzigen Oppositionspartei zum Verfassungsschutz-«Prüffall« – wo Landesverrat Staatsräson ist, wird Rechtstreue zum Verfassungsbruch –, die immer neuen Denunziationsaufrufe, die immer neuen Anläufe, das Internet zu kontrollieren und Algorithmen zu entwickeln, die falsche Gesinnungen aufspüren und automatisch beseitigen sollen. Oder eben das »Framing«-Papier der ARD, über das Don Alphonso trefflich festhält:
»Ich verstehe, warum die Zwangsgebühren-ARD ihr Framingmachwerk nicht in der Öffentlichkeit sehen will. Es enthält mannigfaltige Hinweise, was diese Leute hier auf gar keinen Fall über sich lesen wollen. Im Kern ist es ein Leitfaden zum Trollen. Natürlich ist das Ding voller empörender Einlassungen, wie sich da eine Pfründenkaste den Bauch pinseln lässt. Aber ganz ehrlich, wer so etwas nötig hat, hat Angst. Die Angst tropft da aus allen Zeilen. Angst allein vor den Bezahlern, keine Angst vor der Politik.«
PS: Selbstverständlich ist es vor allem der Sog und weniger der Druck, der die sog. Flüchtlingsströme nach Europa lenkt; der Druck würde sich in die unmittelbaren Nachbarländer verteilen.
Höhepunkte der Willkommenskultur:
»Die Stadt Oslo schätzte vor ein paar Jahren, dass 50 bis 70 Prozent der Somalier die illegale Droge Khat konsumieren. Da sie bis morgens um vier oder fünf Khat kauen und danach den ganzen Tag schlafen, obliege die Versorgung der Familie den Frauen« (Neue Zürcher Zeitung). Und dafür sind sie extra nach Skandinavien geflohen. Ist das nicht rührend?