Kitabı oku: «Die Seelen der Indianer», sayfa 2

Yazı tipi:

»Also besitze ich ein Haus in Amerika?« Ich räusperte mich einige Male, damit der Kloß in meinem Hals verschwand. Trotzdem zitterten meine Knie und die Angst–oder war es Neugierde? , hing mir im Nacken.

2

Kansas, Juli 1868

»Sadie, warte auf mich!«, rief Rachel und sprang von ihrem Pferd ab.

»Komm schon, es ist herrlich.« Sadie sprang in ihrem Unterhemd ins Wasser. Rachel dagegen streifte sich vorsichtig den Rock ab und watete wie ein langbeiniger Vogel in den glasklaren Fluss.

»Warte! Ich bin noch nicht so weit.«

»Ist es nicht traumhaft?« Sadie schlug ein paar Wellen und spritzte Rachel nass.

»Ah, Hilfe.« Rachel hob die Arme, als ob sie das vor dem Wasser schützen könnte. Sadie lächelte.

»Warum hast du nicht auf mich gewartet? Du weißt doch, dass Peggy nicht so schnell laufen kann.«

»Ich konnte einfach nicht widerstehen.«

»Denkst du, jemand ist uns gefolgt?«

»Ich denke nicht. Sonst hätten wir es sicher bemerkt. Hab keine Angst, es wird alles gut gehen. Wir schwimmen doch nur.«

»Weiß dein Vater, dass wir hier sind?« Rachel blickte sich ängstlich um.

»Nein, er ist nicht daheim. Ich habe meiner Mutter eine Notiz hinterlassen, dass wir einen längeren Ausritt unternehmen.« Sadie schwamm auf Rachel zu. »Wovor hast du solche Angst?«

Der morgendliche Dunst legte sich entlang des Arkansas River und umhüllte die Freundinnen wie eine unsichtbare Hand.

Der reißende Fluss entsprang in den Bergen, hinab in die Great Plains, wo er sich zu einem ruhigen Strom entwickelte.

»Um diese Zeit kommt hier niemand vorbei.«

»Na ja, aber es könnte doch sein.«

»Rachel, nun mach dir keinen Kopf. Es wird schon alles gut gehen. Wir wollen doch nur ein bisschen Spaß haben. Oder hast du Lust, schon wieder im Tümpel zu baden? Dort, wo uns die Jungen immer beobachten? Außerdem brauchst du keine Angst zu haben, die Sträucher am Ufer schützen uns vor den Blicken anderer.«

Rachel schlug Sadie eine Ladung Wasser ins Gesicht, die erschrocken untertauchte. Sadie liebte das Wasser und wünschte sich in einem anderen Leben ein Fisch zu sein, obwohl das absurd war. Schließlich würde sie als Fisch nicht lange überleben.

Ein Rascheln ließ Rachel zusammenzucken. »Sadie, ich glaube, da ist jemand.«, flüsterte sie und rüttelte an der Schulter ihrer Freundin.

Sadie tauchte auf und blickte ihre Freundin an.

»Ich glaube, da ist jemand«, wiederholte Rachel und legte sich die Hände vor die Brust.

»Ich sehe niemanden.« Sadie blickte sich suchend um.

»Dort drüben, im Gebüsch.« Rachel deutete mit dem Kopf in die andere Richtung.

Sadie drehte sich um. »Ich sehe niemanden, Rachel. Bestimmt war es nur der Wind«, beruhigte sie sie.

»Und wenn es einer von ihnen ist? Ich habe Angst.« Rachel wollte schon wieder aus dem Wasser, doch Sadie ergriff ihre Hand.

»Rachel, meine Liebe. Du bist doch meine beste Freundin, oder?«

Rachel nickte.

»Denkst du, ich würde mit dir irgendwo hingehen, wenn ich wüsste, dass es gefährlich ist?«

»Nein.« Rachel senkte den Blick.

»Also, ich habe dich lieb.« Sadie küsste Rachel auf die Stirn. »Und nun lass uns schwimmen. Der Tag ist viel zu kurz, um sich Sorgen zu machen.« Sie ließ sich ins Wasser fallen und schwamm auf dem Rücken weiter hinaus. Die ersten Sonnenstrahlen tanzten auf ihren Wangen. Sie atmete seelenruhig ein und aus.

»Rachel, du weißt doch, dass du hier nicht schwimmen darfst«, rief jemand vom Ufer aus.

Erschrocken drehten sich die Mädchen um und konnten Matthew sehen.

»Und warum bist du dann hier?« Rachel blickte ihn wütend an. Sie liebte ihren kleinen Bruder abgöttisch, doch mochte sie nicht von ihm beobachtet werden.

»Mama sagt, ich soll auf dich aufpassen.« Seine goldenen Locken klebten auf seiner Stirn.

»Geh nach Hause, Matthew!«, sagte Rachel. Sie hatte sich so weit ins Wasser getraut, dass nur noch ihr Kopf zu sehen war. Schließlich war es ihr auch unangenehm, dass ihr Bruder ihre Freundin und sie halbnackt beim Baden erwischt hatte.

»Nein, tut mir sehr leid.« Wie altklug er immer tat. »Ich hab Mama versprochen auf dich aufzupassen.«

»Bitte, Matthew, geh jetzt zurück. Es ist viel zu gefährlich hier.«

Matthew lächelte, nahm die am Ufer liegenden Kleider der Freundinnen und setzte sich auf sein Großpony. »Auf Wiedersehen, ihr beiden.«

»Oh, Matthew, komm sofort zurück!«, befahl sie wütend und ballte ihre Hände zu Fäusten.

Sadie schwamm zu ihrer Freundin zurück. »Sieht wohl so aus, als würden wir im Unterkleid nach Hause reiten«, scherzte sie.

»Ich finde das gar nicht witzig.« Rachel schmollte.

Sadie konnte sich das Lachen nicht verkneifen.

Als hinter ihnen Wasser spritzte, drehten sich die Freundinnen wütend um, um Matthew erneut zu tadeln. Doch sie erschraken. Mit klopfenden Herzen fassten die beiden sich an den Händen und blickten einer am Flussufer stehenden Gestalt mit nacktem Oberkörper entgegen.

Durchdringend schaute er Sadie mit seinen saphirblauen Augen an. Ihr Herz setzte aus. Auch wenn sie die Meinung ihres Vaters nicht teilte, schnürte sich ihre Taille beim Anblick eines waschechten Indianers wie ein geschlossenes Korsett zu. Er kam einen Schritt näher, woraufhin die beiden Freundinnen sich noch fester an den Händen hielten. Sein kantiges Gesicht, die pechschwarze Kriegsbemalung ließen seine Augen noch ausdrucksvoller wirken. Sadie beobachtete ihn genau.

Ihr Vater, Jason O’ Connor war Soldat in der siebten Kavallerie und ein Feind der Indianer. Immer wieder hatte er mit seiner Frau Caroline und ihr Verhaltensübungen für den Ernstfall durchgeführt. Doch jetzt war die Liste, die sich in ihr Gehirn gebrannt hatte, wie ausgelöscht. Es war als hätte sie nie existiert.

Vorsichtig hob er seine Hand, in der er eine zischelnde Schlange hielt, die aus seinem festen Griff nicht entkommen konnte.

Sadie und Rachel umarmten sich. Was würde der Indianer vor ihnen jetzt tun?

Mit zusammengekniffenen Augen warteten sie.

Ein Knacken ließ Sadie zusammenzucken. Als sie ihre Augen öffnete, lag die Schlange tot im Wasser und der Indianer war fort. Das Gebüsch hatte ihn verschluckt.

Im Nachhinein schämte sie sich für ihr Verhalten. Nur durch die Vorurteile anderer hatten sich die beiden so undankbar verhalten.

Sadie und Rachel wrangen am Ufer ihre Unterwäsche aus, bevor sie sich auf den Rückweg machten. Ihre Herzen klopften immer noch wie wild.

»Das bleibt aber unser Geheimnis, ja?«, sagte Rachel, nachdem sie sich auf Peggy gesetzt hatte. Ihre kleine Haflingerstute schnaubte zufrieden.

»Aber natürlich. Ich möchte nicht von meiner Mutter deswegen getadelt werden.« Ebenfalls stieg Sadie auf ihren Appaloosawallach, Beauty. »Jetzt reiten wir erst einmal zu mir. Meine Mutter ist in der Siedlung, so dass wir uns dort anziehen können. Ich habe sicher noch passende Kleider für dich.«

Der Weg war beschwerlich. Die feuchte Kleidung klebte an ihren Körpern und hinterließ eine Gänsehaut. Sie wollten so schnell wie möglich in ihre gewohnte Umgebung nach Hause zurück.

Doch ihr Plan scheiterte, als Sadie den Einspänner vor dem Haus entdeckte.

Caroline O’Connor trat mit verschränkten Armen vor der Brust auf die Veranda. Die Mädchen hielten an und stiegen ab.

»Oh, je. Deine Mutter sieht aber nicht besonders gut gesinnt aus.« Rachel warf ihr blondes Haar über die Schulter.

»Komm, wir bringen die Pferde in den Paddock.« Die Mädchen führten ihre Pferde ins Gatter hinein. Von dort aus konnte man in die angrenzende Scheune gehen, wo es Hafer und Heu gab.

Insgesamt besaßen die O’ Connors drei Kühe, drei Pferde, einige Hühner und einen Hahn.

»Hallo, Mutter. Warst du heute gar nicht in der Siedlung?«

»Aber ja, sicher war ich das.« Sadie spürte den tadelnden Blick ihrer Mutter, den sie nur hatte, wenn sie wirklich erbost war. »Hallo Rachel.«

»Hallo, Mrs. O’ Connor.«

»Grüße doch bitte deine Mutter von mir, wenn du nachher nach Hause reitest.«

Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Caroline, die viel zu schön für eine Mutter war. Mit ihrem langen dunklen Haar, welches locker zu einem Zopf gebunden war und ihrer schmalen Taille, die nicht verriet, dass sie jemals ein Kind geboren hatte.

»Es tut mir sehr leid, Mutter. Wir haben die Zeit vergessen und sind zu spät.«

»Habt ihr eure Kleider in der Prärie verloren?« Sie zog eine Augenbraue hoch.

»Nein, Mrs. O’ Connor.« Rachel legte die Hände auf den Rücken und blickte beschämt zu Boden.

»Am besten kommt ihr erst einmal mit ins Haus. Ihr holt euch noch eine Erkältung.« Caroline verschwand im Haus, gefolgt von den beiden Freundinnen.

Von einem schmalen Flur konnte man durch einen Torbogen links in die Küche und rechts in den Wohnbereich schauen. Ein großes Erkerfenster spendete viel Tageslicht, so dass man abends mit einem Buch lange am Fenster sitzen konnte. Da die O’ Connors sehr wohlhabend waren, gab es einen Zuber im Haus, drei Kamine und einen neuen gusseisernen Kohleherd, worum ihre Freundinnen Caroline beneideten.

Sadie und Rachel setzten sich auf die Bank in der Küche und warteten, bis Caroline das Wasser aufgesetzt hatte.

»Nun, was habt ihr mir zu erzählen? Und wagt es ja nicht, mir etwas zu verschweigen.« Sie hob drohend den Zeigefinger.

»Wir waren im Fluss schwimmen.« Sadie wagte es nicht, ihre Mutter anzublicken.

»Grundgütiger. Du weißt, wenn dein Vater das erfährt, wird es Hausarrest geben.«

»Ja, ich weiß.«

»Wie oft haben wir dir gesagt, dass ihr euch nicht alleine vom Grundstück entfernen sollt? Und schon gar nicht im Arkansas River baden?«

»Oft genug.«

Durch das Pfeifen des Wasserkessels war Caroline für einige Minuten abgelenkt und Sadie atmete wieder gleichmäßig. »Können wir uns was Trockenes anziehen?« Sadie rutschte von der Bank. Die durchweichte Unterwäsche klebte an ihrer Haut und ließ sie frösteln.

»Ja.« Caroline nickte. »Ihr kommt danach aber wieder zu mir.«

»Danke, Mrs. O’ Connor.« Rachel stand auf und folgte Sadie ins obere Stockwerk.

Ihr Zimmer war das erste auf der rechten Seite. Von hier aus hatte man einen atemberaubenden Blick über das kleine Wäldchen bis hin zur Grassteppe. Und wenn man ganz genau hinsah, konnte man in der Ferne die Anfänge der Rocky Mountains erkennen.

»Hier, ich habe noch ein Kleid für dich.« Sadie reichte ihrer Freundin ein marineblaues Kleid mit hohem Kragen. »Und dann habe ich hier noch einen Unterrock, den schenke ich dir. Deine nasse Unterwäsche hängen wir in der Sonne auf, dann kannst du sie beim nächsten Besuch mitnehmen.« Sadie zog sich vorsichtig die Unterwäsche aus, was Rachel sehr unangenehm war. Sie drehte sich zur Wand und schlüpfte erst in den Unterrock, bevor sie die Unterwäsche abstreifte. Nun wollte sie natürlich schnell nach Hause, um sich frische Unterwäsche anzuziehen. Wahrscheinlich warteten ihre Eltern schon mit Strafarbeiten auf sie.

In einem rubinroten Kleid trat Sadie in die Küche, wo die Teetassen bereits auf dem Tisch standen.

»Nun trinkt erst mal den Tee.«

»Das ist sehr nett Mrs. O’ Connor, doch ich muss nach Hause. Meine Eltern machen sich sicher schon Sorgen.« Rachel verschränkte die Hände hinterm Rücken.

»Ja, aber sicher doch.«

Sadie verabschiedete ihre Freundin an der Tür.

»Es tut mir alles so leid«, murmelte sie. »Wahrscheinlich bekommst du jetzt wegen mir Ärger.«

»Nein, ich hätte ja nicht mitkommen müssen.«

Die Freundinnen umarmten einander.

In der Küche fühlte sich Sadie auf einmal verloren. Rachel hatte ihr stets den Rücken gestärkt.

Sie setzte sich und legte die Hände um den warmen Becher.

»Deine Freundin hat einen sehr aufmerksamen Bruder.« Caroline stemmte die Hände in die Hüften.

»Kann schon sein. Wann hast du ihn denn gesehen?«, fragte Sadie beiläufig, die Augen in den Becher gerichtet.

»Heute. Er kam zu mir und brachte mir deine Kleidung. Danach erzählte er mir, wo ihr wart.«

»Aber wir haben wirklich nichts Unzüchtiges gemacht. Wir haben uns abgekühlt. Der Fluss ist so schön, anders als das Wasserloch nahe der Siedlung.«

»Mag sein. Es geht trotzdem nicht. Ich kann dir nicht etwas erlauben, was dein Vater dir ausdrücklich untersagt hat.«

»Er muss es doch gar nicht wissen. Bitte, Mama. Bitte, sag ihm nichts.« Sadie legte all ihre Hoffnungen in den Satz, wobei sie ein kleines Stoßgebet zum Himmel schickte. »Ich werde es bestimmt auch nicht wieder tun, versprochen.« Sadie biss sich auf die Lippe, denn sie wusste nicht, ob sie Letzteres einhalten konnte. »Wenn wir im Wasserloch gebadet hätten, wäre vielleicht eine Kutsche vorbeigekommen und die Herrschaften hätten uns in Unterwäsche gesehen.« Natürlich behielt sie das Treffen mit dem Indianer für sich.

»Ach, Sadie. Wir waren alle mal jung. Ich habe damals auch viele Streiche mitgemacht, doch du musst erkennen, was gefährlich ist und was nicht.« Sie hielt aufzählend den Daumen und Zeigefinger fest. »Und ich bitte dich, halte dich an die häuslichen Regeln. Es geht nicht, dass du dich, wenn dein Vater fort ist, benimmst, als wäre ich nicht da. Ich bin immer noch deine Mutter.« Caroline setzte sich ihrer Tochter gegenüber und nahm Rachels unberührten Becher.

3

In der darauffolgenden Nacht konnte Sadie einfach nicht einschlafen. Sie drehte sich erst auf die eine und dann auf die andere Seite. Sie versuchte sogar die altbekannte Form des Schäfchenzählens, doch der Schlaf kam nicht. Immer wieder dachte sie an den gestrigen Tag. Er fing so schön an, dachte sie, außerdem ging ihr der Indianer nicht aus dem Kopf. Er hatte keine Miene verzogen, Sadie nur tief in die Augen gesehen und sie beobachtet. Aber warum hatte er sie nicht angegriffen, so wie Vater es ihr gesagt hatte? Warum hat dieser Indianer den Freundinnen das Leben gerettet, indem er diese giftige Schlange getötet hatte?

Fragen, die in dieser Nacht unbeantwortet blieben, denn in den frühen Morgenstunden schlief Sadie ein und betrat das Reich der Träume.

»Guten Morgen, mein Kind«, begrüßte Caroline ihre Tochter. Sie zog die Gardine zur Seite und öffnete das Fenster. »Es ist ein schöner Tag. Ich hoffe, du hast dich gestern noch ausgeruht.« Caroline hatte Sadie gestern noch aufgetragen, was sie die nächsten Wochen für Strafarbeiten zu tun hatte. Sadie hatte gestöhnt, doch war ihr bewusst, dass es keine Widerrede gab, denn sonst erführe es ihr Vater. Danach würde sie die Sonne nie mehr zu Gesicht bekommen. Was Verbote anging, war Jason O’ Connor sehr eisern.

»Komm doch nachher mit in die Siedlung. Adam würde sich sicher freuen.« Caroline schüttelte die Bettdecke aus. Sadie gähnte und stand auf. »Vorher fange ich erst mit meinen Arbeiten an.« Schlaftrunken führte sie der Weg zu der neben dem Haus stehenden Latrine. Wenn sie nur daran dachte, das Häuschen zu säubern, wurde ihr schon unwohl, doch war diese Tätigkeit Bestandteil der Liste. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinab.

Danach blickte sie zu dem Paddock, wo Beauty ihr den Kopf entgegenstreckte. Als sie hinüberging, schnaubte dieser und stupste sie mit seiner weichen Nase an. »Guten Morgen, mein Junge. Hast du wenigstens gut geschlafen?« Sadie tätschelte dem Wallach den Hals und ging wieder hinein.

Eine halbe Stunde später stand Sadie in Knickerbocker, einer wadenlange Hose mit weiten Beinen, und einer beigefarbenen Bluse in der Küche.

»War Matthew heute schon da?«

»Nein.« Caroline bereitete Frühstück zu.

»Dann wird er wohl gleich kommen.« Sadie setzte sich.

»Nein, tut mir leid.« Caroline leckte sich die Fingerspitzen ab. »Er war da, aber ich habe ihm gesagt, dass du ab sofort seine Arbeiten für die nächste Zeit erledigen wirst. Die Ställe säubern, Eier sammeln, Kühe auf die Weide bringen.«

»Aber er braucht doch das Geld.« Sadie war sprachlos.

Caroline verzog keine Miene. »Keine Sorge, er bekommt sein Geld, nur du wirst seine Arbeiten erledigen.«

Sadie wollte gerade etwas erwidern, doch sie schluckte die Worte hinunter. Schweigend nahm sie sich eine Scheibe Brot und aß sie mit etwas Marmelade, die Caroline in der Siedlung erworben hatte.

Letztes Jahr hatte sie noch selbst Marmelade und Honig hergestellt, doch sie war dazu einfach nicht gemacht. Caroline hatte immer den Luxus genossen, andere für sich arbeiten zu lassen. Was ihr hier im Westen anfangs schwergefallen war.

Seit im Jahre 1863 das Bundesgesetz Homestead Act beschlossen wurde, strömten Menschenmassen in den Westen, um ein neues Leben zu beginnen. Dort suchten sie sich ein Stück unbesiedeltes Land, bauten ein Haus, meistens zuerst ein Grassodenhaus, und begannen das Farmland zu bewirtschaften.

Nach fünf Jahren wurden die Siedler zu Eigentümern, manchmal auch eher, vorausgesetzt, man hatte das Geld dazu. Auch Caroline kam mit Sadie in den Westen. Sie hielt es an der Ostküste nicht mehr ohne ihren geliebten Ehemann aus, wollte ihm so nah sein wie möglich. Da er seit geraumer Zeit mit der Kavallerie durch die Great Plaints zog, besuchte er sie immer mal wieder spontan. Er beauftragte Handwerker, um seiner Familie ein wunderschönes Haus mit mehreren Kaminen zu bauen, eine Stallung und Zäune für die Tiere. Dazu eine Köchin, die hin und wieder seiner Frau unter die Arme greifen sollte.

Caroline wollte nicht mit den anderen Frauen in der Siedlung oder im Umkreis verglichen werden. Sie wollte gesehen werden, wollte von den Männern angeschmachtet werden, trug mit Stolz ihre edlen Kleider und war ein gern gesehener Gast beim Kaffeekränzchen oder bei Veranstaltungen.

»Wann fährst du in die Siedlung?«

»Nach dem Frühstück. Du wärst dann bitte so lieb und spannst Blacky vor den Wagen.«

»Aber natürlich.« Sadie aß ihr Brot auf, trank ihre Milch und stand auf.

»Ich brauche noch einen Moment. Mach du deine Arbeiten im Stall fertig und dann fahren wir zusammen.«

Sadie freute sich. Schnell spannte sie Blacky, das Pferd ihrer Mutter, vor den Einspänner, mistete die Ställe aus und führte die Kühe auf die Wiese. Caroline war immer noch nicht zu sehen, deshalb sattelte Sadie Beauty schon einmal. Caroline war ein ungeduldiger Mensch und vermochte es nicht zu warten. Warten tue ich schon mein halbes Leben auf deinen Vater, pflegte sie zu sagen.

»Mutter, bist du fertig?« Sadie ging ins Haus und lugte in Küche und Wohnzimmer. Niemand war zu sehen.

»Ich komme.« Caroline trat aus dem Schlafzimmer. Ihre weißen Handschuhe und der grazile Hut erinnerten an die Frauen aus dem Osten. Die feinen Ladys, wie die Frauen in der Siedlung sie immer nannten.

»Und wie findest du dieses Kleid?« Caroline drehte unten im Flur eine Pirouette.

»Sehr hübsch.«

Es war ein hochgeschlossenes grün-schwarz kariertes Kleid mit einer Brosche am Hals, die ein Erbstück ihrer Großmutter war. Irgendwann würde Sadie die Brosche mit Stolz tragen müssen. »Blacky steht fertig vor dem Haus und Beauty ist gesattelt.«

»Wieso Beauty?« Sie sagte es mit so einer Verachtung in der Stimme, dass es Sadie in der Seele wehtat.

»Weil ich doch mit in die Siedlung komme.« Angestrengt überlegte Sadie, ob sie etwas falsch verstanden hatte.

»Ja, doch wirst du mit mir fahren. Beauty kannst du auf die Weide stellen.«

Sadie verschlug es den Atem. Sie hatte noch nie einen Tag mit dem Reiten ausgesetzt.

Caroline bedeutete ihr mit einem Nicken, dass sie zügig machen solle.

Traurig und wütend zugleich sattelte Sadie ihren Wallach ab und führte ihn zum Tor der Weide. Dort würde er sich einsam fühlen. »Ich bin bald wieder zurück. Nicht traurig sein.«

Caroline saß derweil schon auf dem Bock, die Zügel fest in der Hand.

»Nun komm schon. Wir wollen doch noch im Laden einkaufen. Adam ist bestimmt auch da.«

»Ja, sicher.« Sadie kletterte auf den Bock und setzte sich neben ihre Mutter.

Der Wagen fuhr vom Hof Richtung Siedlung. Caroline fuhr die Kutsche so schlecht, wie sie ritt.

Zum Glück war Blacky ein ruhiges und geduldiges Pferd, kannte die Strecke, brachte Caroline sicher zur Siedlung und wieder zurück. Deshalb war sie ganz durcheinander, wenn Jason daheim war. Er forderte die Stute, so dass diese schwitzend und schnaubend am Ziel ankam.

Auf der Fahrt redeten Caroline und Sadie kein Wort miteinander.

Sadie schloss die Augen und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Obwohl sie sich täglich draußen aufhielt, wurde sie nicht braun.

Der holprige Pfad weitete sich zu einem breiten sandigen Weg aus, der direkt zum Siedlungsplatz führte. Dort stand eine hundertjährige Eiche.

Am Anfang taten sich einige Menschen zusammen und fingen an, sich eine kleine Siedlung um den Baum, ihrem Wahrzeichen, zu bauen. Inzwischen hatte sich viel verändert.

Ein Jahr nach der Gründung kam ein Arzt, gefolgt von einer jungen Frau, die sich ein eigenes Leben aufbauen wollten.

Mittlerweile hatte sich der Arzt gut etabliert und die Frau hatte eine eigene Zeitung herausgebracht. Dort stand der neuste Klatsch der Nachbarschaft: Rezepte; wann die nächste Postkutsche kommen sollte und was man als Pionier im Westen sonst noch wissen musste.

Mittlerweile gab es auch einen Sheriff Joe und sein Sohn Chris, eine Poststation mit Telegrafenamt und ein Café.

Sie hielten vor dem Laden, wo Mr. Greene mit grimmiger Miene die Kunden begrüßte.

»Hallo, Mr. Greene«, sagte Caroline, als sie an Blackys Zügeln zog, so dass das Pferd abrupt stehen blieb.

»Guten Tag, Mrs. O’ Connor. Sie sehen heute wieder bezaubernd aus. Darf ich Ihnen behilflich sein.«

Er bot ihr seinen Arm an. Sein graues Haar hatte er streng zur Seite gekämmt und seine Augen wirkten müde, fast zu müde.

»Gerne, danke.« Sie hakte sich bei ihm unter und hob ihr Kleid etwas an.

Bei Regen war der Boden äußerst rutschig, so dass die Frauen sich auf der Veranda aufhielten, um ihre Kleider nicht zu beschmutzen. Doch Sadie mochte dieses Wetter ebenso wie die Trockenheit, wenn der Staub aufgewirbelt wurde, was den Damen ebenfalls nicht gefiel. Im Moment war eindeutig letzteres Wetter. Dieser Sommer war wieder sehr warm und trocken.

»Wie geht es Ihnen, Mrs. O’ Connor? Kommt Ihr Gatte bald nach Hause?«

»Ich hoffe doch. Sadie und ich vermissen ihn sehr.« Caroline folgte Mr. Greene in den Laden.

Eine kleine Theke, verschiedene Regale, die unter der schweren Last der Ware ächzten, und viel zu viele Menschen erwarteten einen im Ladeninneren. Sadie schlich sich immer in ein zweites, noch schmaleres Zimmer. Eine Bibliothek, die nur eröffnet worden war, weil ein Fremder auf der Durchreise eine Kiste mit Büchern vergessen hatte, die sorgfältig von Sadie, Rachel und anderen Siedlern in die Regale von Mr. Greenes zweitem Raum gestellt worden waren. Dort sollten sie verweilen, bis der rechtmäßige Besitzer zurück in die Siedlung kam, um sie abzuholen. Doch er kam nie zurück und so blieben die Bücher.

Die Ruhe und der Duft der Bücher ließen Sadie aufatmen. Sie setzte sich in den abgewetzten, grünen Ohrensessel und schloss die Augen. Zu dieser Tageszeit kamen nicht oft Leser in die Bibliothek, sie drängelten sich in die Zeitungsräume von Ms. McKenzy, um eine Ausgabe der druckfrischen Gazette zu ergattern.

Für Caroline legte die Herausgeberin immer eine Ausgabe zurück, damit sie sich nicht in den Strom der drängelnden Siedler einreihen musste.

»Hallo, Sadie.«

Eine Stimme riss Sadie aus ihren Gedanken, die wieder um den Indianer kreisten.

»Oh, hallo. Entschuldige, ich habe ein wenig die Augen zugemacht.«

»Das ist mir nicht entgangen.« Adam erschien auf der Bildfläche und lächelte Sadie mit seiner großen Zahnlücke an.

»Ich habe letzte Nacht schlecht geschlafen. Wie lange bist du schon hier?«

»Eine Weile.« Seine grünen Augen leuchteten wie die Blätter der großen Eiche in der Sonne.

»Deine Mutter schickt mich, sie möchte gleich zu Mary-Jane.«

Oh, wie lange saß ich bloß hier und wie lange ist Adam schon hier?

Sadie rieb sich die Stirn. »In Ordnung, dann sollte ich wohl meine Mutter nicht warten lassen.« Sadie stand auf, strich sich ihre Knickerbocker glatt und nickte Adam zu.

Caroline stand auf der Veranda und beobachtete Dr. Andrews, der ihr die Einkäufe auf den Einspänner hievte. Meine Mutter konnte einfach jeden um den Finger wickeln. Sadie schüttelte verständnislos den Kopf.

»Ach, da bist du ja. Ich hatte Adam gebeten dich zu holen.«

»Ja, jetzt bin ich ja da.« Sadie strich sich das Haar aus der Stirn.

»Gut, Dr. Andrews war so freundlich, uns mit dem Einkauf zu helfen.«

Sadie musterte Dr. Robert Andrews, der eine Schwäche für Caroline zu haben schien, genau. Er trug seine dicke Hornbrille immer etwas schief auf der Nase und sein abgetragener Nadelstreifenanzug verriet nicht, dass er der Arzt war. Vielleicht war es beabsichtigt?

»Wollen wir zusammen speisen, Mrs. O’ Connor?«, fragte Dr. Andrews.

»Oh.« Caroline legte sich die Hand auf die Brust. »Ich weiß nicht. Weißt du nicht, dass ich verheiratet bin, Robert?« Ein charmantes Lächeln huschte über ihre Züge.

»Ja, doch. Selbstverständlich. Es tut mir leid.« Er hob seinen Hut an. »Schönen Tag, Mrs. O’ Connor, Sadie.« Dr. Andrews ging hinüber zur Klinik.

»Ist er nicht nett?« Caroline blickte ihn hinterher. »Komm, wir sollten gehen.«

»Ja, doch.« Sadie folgte ihrer Mutter über die Straße, hinter Ms. McKenzys Zeitungsgeschäft hinüber zu Mary-Janes Café. Hier bekam man täglich drei leckere Mahlzeiten, hausgemachten Kuchen und für besondere Anlässe war auch genug Platz.

Sadie mochte den Tisch an der Wiese. Dort hatte man einen wunderschönen Blick auf die kleine Kirche, versteckt am Waldanfang. Zwei aneinandergebaute Räume, die das Haus Gottes waren.

Caroline bestellte zwei Portionen von Mary-Janes berüchtigtem Schmorbraten mit Gemüse, doch bevor die Gerichte auf den Tisch kamen, brachte sie Caroline und Sadie zwei Becher Wasser.

»Guten Tag, ich hoffe, es geht euch gut.« Mary-Jane war eine mollige Frau mit einem Doppelkinn. »Kommt Jason zur Sonntagsmesse? Reverend Edwards hat etwas ganz Besonderes für unsere Soldaten geplant.« Sie kam etwas näher und legte sich die Hand an den Mund. »Es darf aber keiner wissen.« Und natürlich wusste sie es, denn Mary-Jane war der Mittelpunkt der Siedlung.

Jeder in der Stadt kam zu ihr, aß etwas, tauschte Neuigkeiten oder Geheimnisse aus.

Und sie hatte jede Menge gut gehüteter Geheimnisse.

Während Caroline sich mit Mary-Jane unterhielt, erblickte Sadie zwei Tische weiter Rachel mit ihrer Mutter. Rachel beobachtete Matthew, wie er um sie herumlief und sich einen Platz suchte. Sadie winkte, als Rachel aufblickte, doch Rachel winkte nicht zurück. Enttäuscht senkte Sadie den Arm und stand auf.

»Hallo, Sadie«, begrüßte Mrs. Douglas die Freundin ihrer Tochter.

»Hallo, Mrs. Douglas, Matthew, Rachel.«

Rachel blickte verträumt auf. »Oh, entschuldige. Ich habe gerade geträumt.« Ihr geflochtener Zopf hing ihr über der Schulter.

»Hab ich mir gedacht.« Sadie rieb sich den Arm. »Was machst du heute hier in der Stadt?«

»Ich helfe meiner Mutter beim Einkaufen. Jetzt machen wir eine kurze Pause, bevor wir wieder zurückfahren.«

»Das ist richtig. Im Moment muss Rachel mir mehr im Haushalt helfen«, sagte Mrs. Douglas und schaute Sadie mit einem prüfenden Blick an. Ihre breiten Hüften und großen Brüste verrieten, dass sie durch und durch Mutter war. Außerdem hatte sie einen gut trainierten Bizeps, der von ihrer täglichen fleißigen Arbeit kam. Deshalb wusste Sadie, dass Mrs. Douglas keine Hilfe benötigte, doch wie sie selbst musste auch Rachel Strafarbeiten verrichten.

»Und was führt dich hierher?« Mrs. Douglas drehte den Kopf.

»Ich helfe meiner Mutter ebenfalls.« Sadie deutete zu Caroline, die sich blendend mit Mary-Jane unterhielt und mal wieder von ihrer Umgebung nichts mitbekam.

Plötzlich polterte es und der zappelnde Matthew fiel mit dem Stuhl um.

»Mensch, Kind. Ich habe dir gesagt, du sollst dich benehmen.« Mrs. Douglas stand auf und half Matthew auf die Beine, der vor Schreck weinte. Schnell untersuchte sie ihn mit den Augen einer Mutter. Er hatte eine kleine Platzwunde am Kopf. »Ich gehe mit ihm zu Dr. Andrews, bitte bleib hier sitzen«, sagte sie an Rachel gewandt. Sie hob drohend ihren Finger.

»Matthew. Ich glaube ich sollte ein Buch über ihn schreiben«, scherzte Rachel und spielte an ihrem Zopf.

»Das würde sich sicher gut verkaufen. Sag mal, hast du deiner Mutter etwas über den Indianer erzählt?« Sadie setzte sich und verschränkte ihre Arme auf dem Tisch. Bevor sie das Wort „Indianer“ in den Mund nahm, blickte sie sich um, als würde sie jemand beobachten.

»Nein, natürlich nicht«, antwortete Rachel flüsternd. Ihren Zopf mittlerweile fest in der Hand. »Meine Mutter hat sich schon über das Baden im Fluss aufgeregt. Ich meine«, Rachel hielt kurz inne, »sie hat ja recht, die Strömung hätte uns mitreißen können. So gute Schwimmerinnen sind wir ja nicht.« Rachel biss sich auf die Lippe.

»Bereust du es immer noch, mitgekommen zu sein?«

»Nein, ich bin froh.« Sie lächelte, doch spürte Sadie diese Anspannung in der Stimme ihrer Freundin, die ihr Angst machte.

»Irgendwas bekümmert dich doch?« Sadie legte den Kopf schief.

»Ich habe sehr viel Ärger bekommen und darf mich im Moment nicht mehr mit dir treffen. Sie meinte, du hättest keinen guten Einfluss auf mich.«

Sadie stockte der Atem, doch wusste sie, dass dieser Satz Rachel schwer über die Lippen kam.

»Ich dürfte nicht mal mit dir hier sitzen. Meine Mutter tadelt mich sicher daheim.«

»Das tut mir sehr leid. Können wir uns trotzdem heimlich treffen?« Sadie konnte sich ein Leben ohne Rachel nicht vorstellen. Sie waren fast täglich zusammen.

»Im Moment ist es besser, ich höre auf meine Mutter.«

Dabei wollte Sadie Rachel so gerne von ihren Träumen erzählen, von dem Indianer und dass sie ihn wiedersehen musste.

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