Kitabı oku: «Es darf gelacht werden Von Männern ohne Nerven und Vätern der Klamotte», sayfa 6
Althoffs «Filmidyll»
In der ersten Jahreshälfte 1937 verwirklichte Althoff seinen Wunsch, sesshaft zu werden. Er erwarb eine Gaststätte östlich von Berlin am Flakensee nahe Woltersdorf bei Erkner. Die nannte er «Filmidyll» und kurbelte mit ihr den Ausflugsverkehr in dieser Region an. Im «Filmidyll» führte er fortan seine Filmprogramme rund um den «Kintopp von Dunnemals» vor. Damit wurde seine Gaststätte ein beliebtes Ziel unter anderem für Betriebsausflüge. Für das Wochenende 25. und 26. Juni 1938 hatte Althoff sich etwas Besonderes vorgenommen. Er veranstaltete in seiner Gaststätte ein Strandfest mit Wasserkorso, Volkslieder-Singen, Sportveranstaltungen und Musik einer Regimentskapelle. Die Hauptattraktion war jedoch das Freiluft-Kino. Seine alten Streifen waren nach Einbruch der Dunkelheit auf einer großen, strahlend weißen Kinoleinwand zu sehen, die er im Flakensee hatte aufstellen lassen. Sie hob sich vom dunklen Himmel ab. Dichtgedrängt im Garten der Gaststätte und an der Uferpromenade, oder in Booten auf dem See verfolgten Hunderte Schaulustiger die alten Filmstreifen, die sich im Wasser spiegelten und vom Ufer aus mit Musik untermalt wurden. Althoff führte als Film-Erklärer durch seine 1935/36 zusammengestellten Programme FERDINAND ALTHOFFS ZEITSCHAU IN PERLEN VON DUNNEMALS mit Otto Lilienthal und LACHEN VON DUNNEMALS. Mit seinen süffisanten Kommentaren führte er durch Streifen wie NERO UND DIE KAISERIN OKTAVIA, NATUR IN FARBEN, HUNDE ALS SCHMUGGLER und DAS ROTE GESPENST – ein Film-Potpourri aus der Zeit von 1903 bis 1908. Den Abschluss bildete bei bestem Wetter ein funkelndes Feuerwerk. Danach saßen die Gäste noch lange bis nach Mitternacht im Garten der Gaststätte, bis sie sich mit dem Gruß «Allez Hopp» nach Althoffs gleichnamigem Filmtitel vom Kino- und Zirkusmann verabschiedeten (FK Nr. 145 und 147 vom 24.und 27. Juni 1938). Sein «Filmidyll» betrieb Althoff bis zu seinem Tod am 21. Dezember 1944 weiter (Film-Nachrichten Nr. 2 vom 13. Januar 1945).
Zensurentscheidungen zu Althoffs Programmen sind im Anhang 6 zusammengefasst.
Jervens GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE
Unterdessen war Jerven nicht untätig geblieben. Am 29. März 1935 trat er mit seinem neuen Programm GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE in der Berliner Kamera auf. Neben den ersten Nebelbildern der Gebrüder Skladanowsky von 1895 und Wochenschauen von 1900 bis 1914 waren im Spielfilmteil Asta Nielsen als HAMLET zu sehen und Filmstars wie Otto Gebühr, Emil Jannings und Anni Ondra. Damit hatte Jerven einmal mehr die Lacher auf seiner Seite. Anfang Dezember 1935 war er in der Berliner Kurbel zu Gast und nannte sein Programm FLEGELJAHRE DES FILMS, das er mit Filmstars wie Marlene Dietrich, Martha Eggerth, Willy Forst, Rudolf Forster und Adele Sandrock bevölkerte (FK Nr. 76 vom 30. März und Nr. 288 vom 10. Dezember 1935), die allerdings erst in späteren Jahren mit ihren Streifen berühmt geworden waren. Wahrscheinlich waren FLEGELJAHRE DES FILMS und GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE ein und dasselbe Programm. Handzetteln zufolge gehören die genannten Schauspieler zum Kreis von insgesamt 18 Stars, und der dokumentarische Rückblick umfasste denselben Zeitraum von 1900 bis 1914. Nun legte Jerven der FPS GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE zur Zensur vor, die das 1 281 m lange Programm am 1. Februar 1936 mit Jugendverbot zuließ.
Jervens filmhistorische Programme hatten auch die Aufmerksamkeit des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels erregt. Als so genannter Filmminister hatte er erkannt, dass sich spezielle filmhistorische Forschungsergebnisse propagandistisch nutzen ließen. Nachdem GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE erfolgreich angelaufen war, gab es offenbar erste Kontakte aus dem Kreis von Goebbels und Hitler einerseits und Jerven andererseits. Denn am 16. Juni 1936 gab Hitlers Adjutant Albert Bormann dessen Befehl an die Reichskanzlei weiter, Jerven zum weiteren Ausbau seines Archivs 10 000 RM zu überweisen (Bundesarchiv, Lichterfelde, R 43 II 389). Jerven steigerte seine Aktivitäten, indem er viele weitere alte Filme für sein Archiv erwarb und seine Präsenz in der Öffentlichkeit vorantrieb. Im März 1937 trat er mit GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE in der Schweiz und in Schweden auf. In einer Veranstaltung des Stockholmer Studentenfilmstudios vor geladenen Gästen und Vertretern der deutschen Gesandtschaft wurde sein Programm mit viel Gelächter und Applaus aufgenommen. Deswegen zeigte er es auch in Lund und Uppsala, bevor er nach Deutschland zurückkehrte. Hier spielte das Programm zum Beispiel fünf Wochen im Hamburger Kino Urania. Allgemein staunte das Publikum über den Einfallsreichtum insbesondere der Kurzfilme des Programms. Anschließend lief GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE zehn Wochen in der Berliner Kamera, woran sich vier Sondervorstellungen in den dortigen Kammer-Lichtspielen anschlossen. Im Sommer 1937 übte Jervens Mitarbeiter Friedrich Martin die Rolle des Film-Erklärers der «großen Raritätenschau mit 18 berühmten Stars» aus. «Sie werden Tränen lachen», hieß es, weil er «während des gesamten Films in seiner witzigen, unnachahmlichen Art» sprechen werde (Handzettel für die Aufführungen in den Goslarer Kammer-Lichtspielen). Danach zog Jerven im September 1937 mit GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE als Programm «über die Baby-Zeit des Films» weiter nach Karlsruhe. Angesichts dieser Erfolge nach der Rückkehr aus Schweden dürfte Jerven seine Pläne, im Mai 1936 eine Tournee durch Großbritannien zu unternehmen, aufgegeben oder zumindest zurückgestellt haben. Über eine solche hat der FK auch nicht berichtet. Ende 1937 bereitete Jerven eine neue Deutschland-Tournee vor und gastierte im Frühjahr 1938 jedenfalls in Oslo. Dort war der dänische Schriftsteller Kai Allen in der Landessprache der Film-Erklärer (Manuskript im Bestand des Deutschen Filminstituts und Filmmuseums, Frankfurt a. M.). Bei dieser Gelegenheit gehörte MAX ALS BOXER (MAX BOXEUR PAR AMOUR, 1912) mit Max Linder zum Programm (zu allem: FK Nr. 78 und 82 vom 5. und 9. April, Nr. 210 vom 9. September und Nr. 285 vom 8. Dezember 1937 sowie Nr. 116 vom 19. Mai 1938). Jerven schmiedete das Eisen weiter und legte im Januar 1939 mit ALS ES 1900 WURDE ein weiteres abendfüllendes Programm vor (Länge: 1 388 m). Die Uraufführung fand mit dem Pianisten Adolf Wolff in der Berliner Kurbel statt. Dafür sei er von einer mehrjährigen Reise durch das Ausland zurückgekehrt, wie es hieß. Wieder standen deutsche Filmstars im Mittelpunkt, man sah auch Otto Reutter, den Maler Friedrich Zille und Badenixen am Strand des Wannsees (FK Nr. 24 vom 28. Januar 1939).
GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE kehrte regelmäßig in die Kinos zurück. Von Anfang 1939 bis Ende 1940 war Martin landauf und landab wieder der Film-Erklärer. Angaben aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zufolge soll er Regisseur oder Ingenieur gewesen sein. Man freute sich über köstliche und eindringliche Filmabende mit Martins Ansagen. Sie vermieden «Geistreicheleien oder witzelnde Albernheiten» und steckten voller Witz und Temperament (Stadt- und Landbote Trebnitz vom 5. Januar 1939). In Mannheim war man sich einig, dass der Spaß ohne Martins «unnachahmliche fröhliche Schnodderigkeit» nur halb so groß gewesen wäre (Neue Mannheimer Tageszeitung vom 27. Februar 1939). Nach weiteren Stationen kreuz und quer durch Deutschland meldete die Fuldaer Zeitung am 29. Oktober 1940, dass die Zuschauer nach einem «ergötzlichen Abend Tränen gelacht» hätten über GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE.

Handzettel GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE, 1937
Jervens Filmgeschichte der Fliegerei
Der Zuschuss der Reichskanzlei von 10 000 RM hatte unter anderem dazu gedient, Jervens Archiv um dokumentarische Filme zur Luftfahrt-Geschichte zu ergänzen. Mit ihr wollte das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda die Überlegenheit der deutschen Luftfahrt demonstrieren. Als erstes Ergebnis schnitt Jerven einen Kurzfilm von 352 m Länge, der sich mit dem Zeppelin beschäftigte, vom Prototyp bis zum letzten Luftgefährt LZ 129 dieser Art. LZ 129 war das Schwesterschiff der «Hindenburg» und vor dem Zweiten Weltkrieg in Betrieb genommen worden. Den Streifen nannte Jerven VON ZEPPELIN 1 BIS LZ130. Nach der jugendfreien Zulassung Ende Oktober 1937 wurde der Kurzfilm am 17. November 1937 uraufgeführt (FK Nr. 268 vom 18. November 1937). Dies war der Vorbote eines ungleich größeren Projektes, das Ende März 1940 angekündigt wurde: «Die Tobis-Degeto bringt unter dem Titel HIMMELSTÜRMER einen abendfüllenden Kulturfilm heraus, dessen Regie Walter Jerven hatte. Der Film umfasst die gesamte Entwicklung der Fliegerei von Otto Lilienthal bis zur Gegenwart und bringt ausschließlich Originalaufnahmen. Die Musik zu diesem Film schrieb Hans-Horst Sieber.» (FK Nr. 75 vom 28. März 1940). Zum Zeitpunkt der Meldung scheint der Film aber noch nicht fertig gestellt gewesen zu sein. Ende Januar 1941 meldete der FK, der Film sei «mit Unterstützung des Reichsfilmarchivs beim Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda aus über einer Million Meter Originalaufnahmen aufgebaut [worden], die [Jerven] aus aller Welt zusammengebracht hat. Außer einem kurzen historischen Vorspann von 200 Metern, der nach Modellen gestaltet ist, wurden nur dokumentarische Streifen von der Zeit selbst verwandt.» Aber erst am 19. September 1941 durchlief das 2 730 m lange Werk HIMMELSTÜRMER. GEBURT UND GESCHICHTE DES FLIEGENS die Filmzensur und durfte danach auch Jugendlichen gezeigt werden. Daraufhin folgte die Premiere Ende September 1941 anlässlich der Münchner Kulturfilmwoche in der bayerischen Hauptstadt (FK Nr. 225 vom 25. September 1941). Und weil es sich aus ministerieller Sicht eben nicht nur um einen Kulturfilm handelte, wurde HIMMELSTÜRMER den hohen Offizieren des Wiener Luftgaukommandos XVII im November des Jahres in einer Sondervorführung gezeigt. Sie verfolgten es mit großem Interesse (FK Nr. 265 vom 11. November 1941).
HIMMELSTÜRMER bedeutete Rückenwind für Jerven. Zunächst baute er GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE erheblich aus. Nun gab es zwei Teile, die 1 452 und 892 m lang waren. Für beide hatte er ein Vortragsmanuskript bei der FPS eingereicht. Im ersten Teil präsentierte Jerven Wochenschauen und Dokumentarfilme, im zweiten Dramen, über die das Publikum, angefeuert durch die Kommentare, lachen mussten. Damit war er im November 1941 wieder einmal in der Berliner Kurbel zu Gast. Es gelang ihm einmal mehr, den Bogen von guter Unterhaltung zu zeitgeschichtlicher Betrachtung zu schlagen (FK Nr. 278 vom 26. November 1941). Ende 1942/Anfang 1943 veranstaltete Jerven sogar eine ganze FILMHISTORISCHE WOCHE mit Streifen in einer Gesamtlänge von 18 166 m oder rund elf Stunden. Dazu hatte er ein Manuskript mit Kommentaren verfasst, das die FPS am 11. Dezember 1942 jugendfrei zugelassen hatte. Im Auftrag der Deutschen Wochenschau GmbH in Berlin schnitt er außerdem unter dem Obertitel DIE WELT VON EINST 1943 und 1944 zusammen zwölf kurze Streifen zwischen 169 und 283 m Länge. Darunter befanden sich EINE GROSSE KÜNSTLERIN (über Asta Nielsen), TRAGÖDIEN MIT VIEL VERGNÜGEN, wieder einmal die CHAMPAGNER-ELSE, KOMISCHE SZENEN – und DER ERSTE FILMKOMIKER DER WELT, MAX LINDER. Bis auf TRAGÖDIEN MIT VIEL VERGNÜGEN ist keine dieser Zensurkarten überliefert, sodass sich über den Inhalt des Linder-Films nichts sagen lässt.
Als letzter Beitrag der Reihe von Wochenschaufilmen durchliefen DAS HUHN MIT DEN GOLDENEN EIERN und KLEOPATRA DIE HERRIN DES NILS Anfang und Ende November 1944 die Zensur. Jerven hatte also zu den Filmemachern gehört, die noch produzierten, während das Dritte Reich um sie herum zusammenbrach. Am 3. Februar 1945 kam er beim Bombenangriff der US Airforce auf Berlin ums Leben, und mit ihm ging sein Filmarchiv in Flammen auf.
Die Zensurentscheidungen zu Jervens Programmen von 1929 bis 1944 sind im Anhang 6 zusammengefasst.
Aufbruch nach dem Zusammenbruch
Friedrich Martin
Nach Jervens Tod schien die Epoche filmhistorischer Rückschauen mit Film-Erklärern zum Erliegen gekommen zu sein. Friedrich Martin hatte jedoch ein Jerven-Programm nach seiner Darstellung «durch glückliche Umstände», über die nichts näher bekannt ist, retten können. Es war gut 70 Minuten lang. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bereiste der in Oldenburg/Holstein wohnende Martin damit ab Anfang 1946 die Kinos der britischen Zone in Deutschland mit Genehmigung der dortigen Militärregierung. Im März des Jahres pries er in einem kleinformatigen vierseitigen Heftchen das Programm unter dem Titel RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE an. Er behauptete, es gemeinsam mit Jerven zusammengestellt zu haben, dessen letztes Projekt vor seinem Tod es gewesen sei. Mit RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE waren Jerven und Martin allerdings nicht aufgetreten. 1933 gastierte Jerven mit dem 917 m langen Programm AUS MEINEM RARITÄTEN-KABINETT in den Kinos. Die früheste feststellbare Zusammenarbeit der beiden datiert aus dem Jahr 1937, und sie betraf GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE. Davon hatte allerdings zumindest nach außen stets Jerven verantwortlich gezeichnet. Abgesehen von der FILMHISTORISCHEN WOCHE (1942/43) und den Streifen für die Deutsche Wochenschau (1943/44) gehörten die erweiterten Teile von GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE aus dem Jahr 1941 durchaus in den letzten Teil von Jervens Filmprojekten. In seinem Programm-Heftchen nennt Martin auch Filmstars, dokumentarische Filme, Dramen und Max Linders Groteske MAX ALS BOXER, die auf dem Handzettel für GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE aus dem Jahr 1937 aufgeführt sind.
Martin hatte das Programm für seine RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE anders strukturiert und präsentierte es in drei Teilen. Im ersten Teil stellte er Filmstars vor, während der zweite Teil den dokumentarischen Filmen vorbehalten blieb. Für den abschließenden dritten Teil hatte er eine bunte Mischung aus Tanz- und Sittenfilmen, Dramen wie DER AVIATIKER UND DIE FRAU DES JOURNALISTEN mit Valdemar Psilander und eben den Linder-Streifen aufgespart. Im Heftchen hob er Jervens Pionierleistung hervor. Er versprach, dass das Publikum Tränen lachen werde über solche Kuriositäten wie Männer, die im Stehkragen Sport treiben, und Mädchen, die in langen Strümpfen und von Kopf bis Fuß in Stoffe eingehüllt ins Seebad steigen. 1948 war Martin unter dem Motto «Die bunte Bühne» in der gesamten Trizone unterwegs und konnte auf ausgezeichnete Kritiken zum Beispiel aus Frankfurt a. M., Karlsruhe und München verweisen.

Friedrich Martin, 1946
Später war Martin nach Frankfurt a. M. umgezogen und hatte unter dem Titel RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE eine neue Folge von Stummfilm-Ausschnitten zusammengestellt. Entweder hatte er aus Jervens Archiv doch mehr Streifen als GLANZ UND ELEND DER FLIMMERKISTE gerettet, oder aber er hatte sein eigenes Archiv nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges durch Neuerwerbungen erweitern können. Über die neue Fassung «in zeitgerechter Aufmachung», mit der Martin durch Westdeutschland reiste, berichteten weder die Film-Branchenblätter noch der katholische Film-Dienst (FD). Der Evangelische Film-Beobachter (EFB) hingegen meldete 1953 (Folge 42 vom 15. Oktober 1953, Nr. 687): «Während es auf der Leinwand regnet und flimmert und sich die Personen ruckartig fortbewegen, gibt ein Erklärer mit öliger Jahrmarktstimme seinen Kommentar wie anno dazumal, und das ‹Pianoforte› untermalt die ‹unvergleichlichen Eindrücke der Cinematographenindustrie› melodramatisch. Man erlebt Chaplin, Marlene Dietrich, Greta Garbo, Hans Albers, Rudolf Forster und andere in ihren Jugendjahren. Ihre Gefühle vermitteln sie durch maßlose Übertreibungen. Man sieht dokumentarische Bilder und ‹diverse nervenzerfetzende Kriminaldramen› von rührender Einfalt. Das herzliche Gelächter über diese unfreiwillige und geistreich kommentierte Komik kann jedem empfohlen werden. Und hinterher möge man ein bisschen darüber nachdenken, was wir heute, 50 Jahre später, im Film eigentlich gewonnen – oder verloren haben.»
Womöglich war Martins Fortsetzung von Jervens Live-Präsentationen der Auslöser von Kinoprogrammen, die ebenfalls auf frühe Filme verschiedener Genres und einen Film-Erklärer setzten. In die Kategorie fielen thematisch die deutsche Produktion HERRLICHE ZEITEN (1950) mit dem Kabarettisten Günter Neumann als Erklärer und HALLO, DIE GROSSE WELTREVUE (1951) französischer Herkunft mit einem Off-Sprecher. Die Kombination von frühen Filmen, aus dem Off von einem Sprecher kommentiert, wurde sehr bald das Modell für Kinoprogramme aus dem Slapstickbereich. Dies waren vor allem Programme mit Filmen von und mit Charlie Chaplin, Karl Valentin sowie mit Pat und Patachon. Dazu gehören auch Robert Youngsons Kompilationsfilme ab THE GOLDEN AGE OF COMEDY (1958). Youngsons Streifen kamen alle in die bundesdeutschen Kinos, die ersten beiden auch in die Lichtspielhäuser der DDR. Jerven, Althoff und Martin dürften allerdings nicht die Vorbilder des US-Amerikaners Youngson gewesen sein.
Im vorliegenden Buch werden nur die Linien von live auftretenden Erklärern bis hin zu den ersten deutschen TV-Serien mit Slapstickfilmen verfolgt. Daher sind Kinoproduktionen mit Erklärern, vor der Kamera oder im Off, ein Thema, das zu gegebener Zeit in einem eigenen Buch betrachtet werden soll. Zwei Ausnahmen sind dennoch angebracht. Sie sind unmittelbar mit RARITÄTEN AUS DER FLIMMERKISTE und mit Werner Schwier verbunden.
Werner Schwier
Schwier kam am 28. Mai 1921 in Stadthagen als Sohn des späteren Sparkassendirektors August Schwier und seiner Ehefrau Auguste geborene Schwarze zur Welt. Früh musste er lernen, mit einer Körperbehinderung zu leben. Er war als Kind an Kinderlähmung erkrankt und konnte seither seinen linken Arm nicht mehr bewegen. Deswegen wurde er nicht zum Kriegsdienst eingezogen und konnte nach seinem Abitur ein Jurastudium in Marburg beginnen. Dort blieb er mindestens bis 1944. Nach Kriegsende wechselte er nach Göttingen, wo er auch anfing, Zeitungswissenschaften zu studieren (Interview mit Marlies Kirchner vom 6. Juli 2016 und Post an Schwier als «cand. iur.» in Marburg von 1941 bis 1944). Beide Studien schloss er nicht ab. Seine Interessen galten besonders dem Film und auch der Kultur, und das bestimmte seinen weiteren Lebensweg. «Mich hat alles interessiert, was mit dem Film zusammenhing – vor oder hinter der Kamera.» (General-Anzeiger für Stadthagen und den Landkreis Schaumburg vom 5. Januar 1979, Interview von Karlheinz Poll). Die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur von Aufbruch, Kulturhunger, Wiederaufbau und Wirtschaftswunder geprägt, und dazu passte Schwiers nonkonformistische Karriere als freier Journalist, Schauspieler, Kabarettist, Publizist, Filmenthusiast, Drehbuchautor, Filmverleiher, Filmeinkäufer, Synchron-Fachmann und Slapstickspezialist.
Während seines Studiums in Göttingen lernte er die Kommilitonen Ernst Liesenhoff und Walter Kirchner kennen, die sich bald auch dem Film widmeten. Sie waren Mitglieder im Verein Studentische Filmfreunde – Filmclub Göttingen e. V., und sie verband ein unstillbarer Hunger nach qualitätsvollen ausländischen Filmen, die ihnen spätestens seit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges im Dritten Reich vorenthalten geblieben waren. Gemeinsam mit dem Film-Produzenten Hans Abich und dem Regisseur Rolf Thiele gehörten sie zu den «Harzer Rollern» (Interview mit Hanns Eckelkamp vom 13. März 1998). Seit Juni 1951 erschien die zunächst von Kirchner herausgegebene Filmclub-Zeitschrift Cinéaste. Schwier hatte zeitweilig die Schriftleitung inne, verfasste Artikel und war kurzzeitig auch Herausgeber. Nach einem ersten gemeinsamen Filmprojekt von Schwier und Liesenhoff für die Filmaufbau GmbH in Göttingen im Jahr 1951 gründete man im September 1952 gemeinsam den Filmverleih Neue Filmkunst. Dieser Verleih nahm zum Teil das Geschäftskonzept des 1960 gegründeten, zeitweise enorm erfolgreichen Atlas Filmverleihs von Hanns Eckelkamp vorweg. Liesenhoff und Schwier wirkten daran in unterschiedlichen Funktionen mit. Schwier war bis 1956 der künstlerische Leiter der Neuen Filmkunst und jedenfalls bis 1958 noch Mitinhaber. Dann betrieb Kirchner den Verleih allein. Für den Verleih untertitelte Schwier fremdsprachige Filme und sorgte gelegentlich auch für Synchronisationen. Das war lange, bevor er sich ab 1965 verstärkt der Filmsynchronisation widmete. Außerdem hatte Schwier bald nach Kriegsende gute Verbindungen zu dem Berliner Filmkaufmann und -sammler Albert Fidelius geknüpft. Dessen Archiv wurde nach seinem Tod im Frühjahr 1962 zusammen mit der Sammlung des Filmregisseurs Gerhard Lamprecht zum Gründungsgrundstock der am 1. Februar 1962 eröffneten Stiftung Deutsche Kinemathek e. V. (Film-Echo/Filmwoche Nr. 11/12 vom 9. Februar 1963). Fidelius’ Sammlung hatte bereits Anfang der 1950er-Jahre einen beträchtlichen Umfang. Er gab in Berlin Bestandslisten für Kinos heraus, die Sonderprogramme mit frühen Filmen aufführen wollten (Film-Echo Nr. 1 vom 5. Januar 1952).
Für die Entwicklung der Slapstickserien im deutschen Fernsehen ist der Schauspieler Schwier von Bedeutung (Aping, Dick und Doof, S. 344–347). Anfang der 1950er-Jahre veranstaltete der Filmclub Göttingen zur Faschingszeit ein Fest, auf dem Schwier gemeinsam mit dem am 25. Oktober 1919 in Essen geborenen Komponisten Konrad Elfers quasi als Gag einen Stummfilm aus Fidelius’ Archiv zeigte. Schwier kommentierte sie als Film-Erklärer im alten, aber parodierenden Stil wie Jerven und Martin, und Elfers spielte dazu Kintopp-Musik auf dem Klavier. Damit fielen Schwier und Elfers jedoch durch. Über die Gründe des Scheiterns berichtete Schwier der Journalistin Marlen Sinjen nach dem Erfolg von ES DARF GELACHT WERDEN (Das neue Blatt vom 20. Juli 1963: «Sein Rezept heißt: Es darf gelacht werden!»): «Es begann alles mit einem Faschingsscherz. Ich arbeitete damals als freier Journalist in Göttingen. Aus Jux wollten wir im Göttinger Filmclub mal richtig Kintopp machen. Mit Ansage und Klaviermusik. Aus einem Privatarchiv bekamen wir einen alten Film. Ich hatte ein wunderbares Manuskript geschrieben, über das ich mich totlachen konnte. Ich machte nach diesem Manuskript selbst die Ansage. Was soll ich Ihnen sagen: Kein Mensch lachte. Es wurde eine völlige Pleite. Da habe ich eingesehen, dass man so etwas nur improvisieren und niemals schreiben kann. Das geht nur ‹frei nach Schnauze›. Und so ist es bis heute geblieben. Ich habe nie ein Manuskript.»