Kitabı oku: «Was nun?», sayfa 2
Es gibt eine sehr alte Geschichte … In einem Wald nahe einer Stadt lebten einst zwei Bettler. Natürlich waren sie einander spinnefeind – wie alle Freiberufler, ob Ärzte, Professoren oder Heilige. Der eine war blind und der andere lahm, und sie waren erbitterte Konkurrenten. Den ganzen Tag machten sie sich in der Stadt gegenseitig Konkurrenz. Doch eines Nachts fingen ihre Hütten Feuer; der ganze Wald stand in Flammen. Der Blinde hätte weglaufen können, aber er konnte nicht sehen wohin; er konnte nicht sehen, wo sich das Feuer noch nicht ausgebreitet hatte. Der Lahme konnte sehen, dass es noch möglich war, sich aus dem Feuer zu retten, aber er konnte nicht weglaufen. Das Feuer näherte sich rasend schnell, und der Lahme sah nur noch seinen nahenden Tod.
Da erkannten beide, dass sie aufeinander angewiesen waren. Der Lahme hatte plötzlich die Erkenntnis: „Der andere, der Blinde, kann ja laufen, und ich kann sehen!“ Sie vergaßen ihre Rivalität. In diesem kritischen Moment, als sie beide mit dem Tod konfrontiert waren, vergaßen sie ihre dumme Feindseligkeit.
Sie fanden zu einer großen Synthese. Sie einigten sich, dass der Blinde den Lahmen auf die Schultern nehmen sollte. So konnten sie als Einheit funktionieren: Der Lahme konnte sehen, und der Blinde konnte laufen. Das rettete ihnen das Leben. Und weil sie sich gegenseitig das Leben verdankten, wurden sie Freunde. Zum ersten Mal gaben sie ihre Feindschaft auf.
Sorbas ist blind – er kann nicht sehen, aber er kann tanzen, er kann singen, er kann genießen. Buddha kann sehen, aber nur sehen. Er ist ganz Auge, absoluter Durchblick und Klarheit – aber er kann nicht tanzen. Er ist verkrüppelt; er kann nicht singen und er kann nicht genießen.
Es ist höchste Zeit: Die Welt steht in Flammen, und unser aller Leben ist in Gefahr. Nur die Verbindung von Sorbas und Buddha kann die Menschheit retten. Ihr Zusammenkommen ist unsere einzige Hoffnung. Der Buddha kann seine Bewusstheit einbringen, seine Klarheit, seine Augen, die über das Diesseitige hinaus sehen und das nahezu Unsichtbare wahrnehmen können. Und der Sorbas kann zur Vision des Buddhas sein ganzes lebendiges Wesen beitragen und dafür sorgen, dass es keine trockene Vision bleibt, sondern zu einem Tanz voller Lebensfreude und ekstatischem Leben wird.
Ist diese Verbindung von Sorbas und Buddha eine reale Möglichkeit? Und wenn ja, warum sind nicht andere religiöse Führer schon darauf gekommen?
Zuerst muss man eines verstehen: Ich bin kein religiöser Führer. Ein religiöser Führer ist nicht imstande, über die Dinge so zu denken und die Dinge so zu sehen, wie ich es tue. Dazu hat er zu viel in seine Religion investiert. Das habe ich nicht.
Alle Religionen, ohne Ausnahme, spalten den Menschen und erzeugen einen Zwiespalt im menschlichen Geist. Das ist ihre Methode, wie sie euch ausbeuten. Wäret ihr heil und ganz, dann hätten sie keine Kontrolle über euch. In Bruchstücke gespalten, seid ihr all eurer Stärke beraubt. So nehmen sie euch all eure Kraft und Würde. Nur so ist es möglich, dass ihr Christen oder Hindus oder Muslime seid. Wenn ihr so sein dürftet, wie die Natur euch gemacht hat – ursprünglich und unberührt vom Einfluss eurer sogenannten religiösen Führer –, dann besäßet ihr große Freiheit, Unabhängigkeit, Integrität. Dann könnte niemand euch versklaven. Sämtliche alten Religionen tun aber nichts anderes, als euch zu versklaven.
Um einen Menschen zu versklaven, muss man nur einen Konflikt in seinem Inneren erzeugen. Dann fängt er an, gegen sich selbst zu kämpfen. Sobald du gegen dich selbst kämpfst, geschehen zwangsläufig zwei Dinge: Erstens, du bist unglücklich, weil kein Teil von dir je gewinnen kann. Du bist immer der Verlierer. Zweitens, es erzeugt Schuldgefühle in dir – das Gefühl, wertlos zu sein, kein echter, authentischer, integrer Mensch. Aber genau das wollen die religiösen Führer. Ein tiefes Gefühl von Wertlosigkeit in euch macht sie zu euren Führern. Ihr habt kein Selbstvertrauen, weil ihr wisst, dass ihr ohnmächtig seid. Ihr könnt nicht tun, was eure Natur von euch verlangt, weil die Religionen es euch verbieten. Ihr könnt aber auch nicht tun, was eure Religionen von euch verlangen, weil es gegen eure Natur geht. Dadurch befindet ihr euch in einer Situation, dass ihr gar nichts mehr tun könnt. Ihr braucht jemanden, der euch die Verantwortung abnimmt.
Euer physisches Alter nimmt zu, aber in eurem psychischen Alter seid ihr zurückgeblieben, etwa bei dreizehn Jahren. Zurückgebliebene Menschen haben ein großes Bedürfnis nach einem Führer, der ihnen sagt, wo es lang geht und wie sie das Ziel des Lebens, den Sinn des Lebens erreichen können. Allein sind sie dazu nicht fähig.
An die Verbindung von Sorbas und Buddha hätten die religiösen Führer niemals denken können, denn das würde das Ende ihrer Führung bedeuten, das Ende ihrer sogenannten Religionen. Sorbas der Buddha bedeutet das Ende aller Religionen. Es ist der Anfang einer neuen Art von Religiosität, die keiner Attribute bedarf – weder christlich noch jüdisch noch buddhistisch …
Du genießt einfach dein Dasein und erfreust dich an diesem unendlichen Universum. Du tanzt mit den Bäumen, spielst mit den Wellen am Strand, sammelst Muscheln – einfach aus reiner Freude daran. Die salzige Luft, der kühle Sand, die aufgehende Sonne, ein schneller Lauf – was willst du mehr? Das ist für mich Religion – die Luft zu genießen, das Meer, den Sand, die Sonne. Weil es keinen anderen Gott gibt als die Schöpfung selbst.
Einerseits bedeutet Sorbas der Buddha das Ende des alten Menschen – der alten Religionen, der Politik, der Nationen, der Rassendiskriminierung und aller möglichen unsinnigen Dinge. Andererseits bedeutet Sorbas der Buddha den Anfang eines neuen Menschen – absolut frei, er selbst zu sein und seine wahre Natur zum Blühen zu bringen. Zwischen Sorbas und Buddha gibt es keinen Konflikt. Der Konflikt wurde nur von den sogenannten Religionen geschaffen. Gibt es etwa einen Konflikt zwischen deinem Körper und deiner Seele? Gibt es einen Konflikt zwischen deinem Leben und deinem Bewusstsein? Gibt es einen Konflikt zwischen deiner rechten und deiner linken Hand? Sie sind alle eins, eine organische Einheit.
Dein Körper ist nicht etwas, das verdammt werden müsste, sondern etwas, für das du dankbar sein kannst – er ist die großartigste Sache in dieser Schöpfung, das größte Wunder. Seine Funktionsweise ist einfach unglaublich. Sämtliche Teile deines Körpers spielen zusammen, wie ein Orchester. Deine Augen, deine Hände, deine Beine – alles funktioniert in einem inneren Einklang. Es ist nicht so, dass deine Augen nach Osten gehen wollen und deine Beine nach Westen laufen. Oder du bist hungrig, und dein Mund lehnt es ab zu essen: „Der Hunger kommt vom Magen. Was hat das denn mit mir zu tun?“, und der Mund streikt – nein. Der Körper kennt keine Konflikte. Er folgt einer inneren Synchronizität; alles ist immer zusammen. Und deine Seele ist deinem Körper nicht Feind. Der Körper ist das Haus und die Seele der Gast. Es ist unnötig, dass Gast und Gastgeber ständig im Streit miteinander liegen. Aber ohne diesen inneren Konflikt im Menschen könnten die Religionen nicht existieren.
Meine Betonung eurer organischen Ganzheit, in der Materialismus und Spiritualität sich nicht gegenseitig ausschließen, hat zum Ziel, alle organisierten Religionen dieser Welt zum Verschwinden zu bringen. Wenn Körper und Seele in Harmonie kommen und miteinander zu tanzen beginnen, wirst du Sorbas der Buddha. Dann kannst du das ganze Leben genießen – alles was es an äußeren und inneren Freuden bringt.
Tatsächlich wirken das Innere und das Äußere in völlig verschiedenen Dimensionen; sie kommen gar nicht miteinander in Konflikt. Nur diese jahrtausendealte Konditionierung, die besagt, dass man dem Äußeren entsagen muss, wenn man das Innere erlangen will … Diese Konditionierung ist so tief in euch verwurzelt. Dabei ist dieser Gedanke wirklich absurd. Wenn ihr das Innere genießen dürft, wo liegt das Problem, auch das Äußere zu genießen? Die Freude des Genießens ist die gleiche. Diese Freude ist das Bindeglied zwischen dem Inneren und dem Äußeren.
Wenn du schöne Musik hörst, ein wunderbares Gemälde betrachtest oder einem Tänzer wie Nijinsky zuschaust – das ist alles außerhalb von dir, aber es schränkt deine innere Freude in keiner Weise ein! Im Gegenteil, es ist eine große Hilfe. Der Tanz eines Nijinsky vermag eine Qualität deiner Seele in dir zu erwecken, die sie zum Tanzen bringt. Die Musik eines Ravi Shankar vermag die Saiten deines Herzens in dir zum Schwingen zu bringen. Außen und innen sind nicht getrennt. Es ist eine Energie – die zwei Aspekte ein und derselben Existenz.
Ein Sorbas kann leichter zu einem Buddha werden als jeder Papst. Ein Papst hat keine Chance, eure sogenannten Heiligen haben keine Chance, wirklich spirituell zu werden. Da sie nicht einmal die Freuden des Körpers kennen, wie sollten sie jemals die subtilen Freuden der Seele kennen? Der Körper ist die Schule, in der du lernst, im seichten Wasser zu schwimmen. Wenn du erst einmal schwimmen gelernt hast, spielt es keine Rolle, wie tief das Wasser ist. Dann kannst du es auch an der tiefsten Stelle des Sees; es macht keinen Unterschied.
Ich will euch Buddhas Leben in Erinnerung rufen: Bis zu seinem neunundzwanzigsten Lebensjahr war er ein reiner Sorbas. Ihm lagen die schönsten jungen Mädchen seines Königreiches zu Füßen, zu Dutzenden. Seinen ganzen Palast erfüllten Musik und Tanz. Er genoss das beste Essen, kleidete sich in die besten Gewänder, wohnte in den schönsten Palästen, den wundervollsten Gärten. Er lebte viel intensiver als Sorbas der Grieche, der ein armer Mann war. Sorbas der Grieche hatte nur eine einzige Freundin – eine etwas verblichene, alternde Prostituierte, der all ihre Freier davongelaufen waren. Sie hatte falsche Zähne und falsche Haare. Sorbas war ihr Liebhaber, weil er sich einfach keine andere Frau leisten konnte. Sorbas gilt als Materialist, als Hedonist. Es wird aber völlig übersehen, wie Buddha seine ersten neunundzwanzig Jahre verbrachte, in welchem Reichtum. Tagein, tagaus lebte dieser Prinz namens Siddhartha in größtem Luxus, von allem umgeben, was sein Herz begehrte. Er lebte im Schlaraffenland. Und genau diese Erfahrung war es, die ihn schließlich zu einem Buddha machte!
Normalerweise ist das nicht auf diese Art analysiert worden. Den ersten Teil seines Lebens hat man geflissentlich übersehen – aber das war die Grundlage: Siddhartha war seines Lebens überdrüssig geworden. Er hatte sämtliche Genüsse der äußeren Welt kennen gelernt. Er sehnte sich nach etwas Größerem, Tieferem, was in der Außenwelt nicht zu finden war. Um zur Tiefe zu gelangen, muss man den Sprung nach innen wagen. Mit neunundzwanzig Jahren verließ Siddhartha mitten in der Nacht seinen Palast und machte sich auf die Suche nach dem Inneren. Er war ein Sorbas, als er anfing, den Buddha zu suchen.
Aus Sorbas dem Griechen wurde nie ein Buddha, weil sein Dasein als Sorbas nie zur Vollendung gelangte. Er war ein wunderbarer Mann voller Lebenslust, aber arm. Er hätte das Leben gerne in seiner ganzen Intensität gelebt, doch dazu fehlten ihm die Möglichkeiten. Er tanzte, er sang, doch die erhabeneren Nuancen der Musik waren ihm nicht zugänglich. Er wusste nicht, dass der Tänzer im Tanz völlig aufgehen und verschwinden kann.
Der Sorbas in Gautama Buddha kannte die höchsten Gipfel und die tiefsten Täler der äußeren Welt. Und als er alles kennen gelernt hatte, war er bereit für die innere Suche. Diese Welt war großartig, aber nicht großartig genug – er wollte noch mehr. Sie hatte ihm vorübergehende, flüchtige Glücksmomente beschert, aber Buddha wollte etwas finden, das ewig währt. Allen weltlichen Genüssen würde der Tod ein Ende bereiten, aber er wollte etwas erfahren, das mit dem Tode nicht zu Ende war.
Wenn ich Buddhas Lebensgeschichte schreiben sollte, würde ich mit dem Sorbas beginnen. Als ihm die äußere Welt und alles, was sie ihm liefern konnte, völlig vertraut war und er noch immer keinen Sinn darin gefunden hatte, machte er sich auf die Suche nach dem Inneren – denn das war die einzige Richtung, die er noch nicht erforscht hatte. Er schaute nie zurück. Es gab keinen Grund zurückzuschauen, er hatte alles gelebt! Er war keiner von jenen „religiösen Suchern“, die die äußere Welt gar nicht richtig kennen gelernt haben. Er war ein Sorbas. Und er wandte sich der inneren Welt mit der gleichen Lebenslust und Intensität, mit der gleichen Stärke und Kraft zu. Und nur deshalb fand er in seinem Allerinnersten die Zufriedenheit, die Erfüllung, den Sinn, die Seligkeit, nach denen er gesucht hatte.
Es ist möglich, dass du ein Sorbas bist und dabei stehen bleibst. Es ist auch möglich, dass du kein Sorbas bist und anfängst, den Buddha zu suchen – du wirst ihn aber nicht finden. Nur ein Sorbas kann den Buddha finden. Ein anderer hat nicht die Kraft dazu; er hat nicht in der äußeren Welt gelebt, hat sie vermieden, hat sich ihr entzogen – er ist ein Weltflüchtiger.
Für mich steht Sorbas am Beginn der Reise, und Buddha ist an ihrem Ziel angekommen. Und das kann ein und demselben Menschen geschehen. Tatsächlich kann es nur ein und demselben Menschen geschehen. Darum betone ich immer wieder: Erzeuge keine Spaltung in deinem Leben. Verurteile nichts, was zum Körper gehört. Lebe es, nicht widerstrebend, lebe es total und intensiv. Indem du es lebst, wirst du reif für die Suche in einer neuen Dimension. Du musst kein Asket werden, musst deine Frau, deinen Mann, deine Kinder nicht verlassen. Diesen ganzen Unsinn hat man jahrhundertelang gepredigt. Aber wie viele Menschen – unter den Millionen von Mönchen und Nonnen – wie viele Menschen sind tatsächlich zur Blüte gelangt? Nicht ein einziger.
Lebe dein Leben ohne Spaltung. Und zuerst kommt der Körper, zuerst kommt die äußere Welt. Wenn ein Kind geboren wird und zum ersten Mal die Augen öffnet, sieht es als Erstes das ganze Panorama des Daseins um sich herum. Das Kind nimmt alles wahr – außer sich selbst. Das geschieht erst, wenn der Mensch viele Erfahrungen gesammelt hat. Das geschieht erst, wenn er in der Außenwelt alles gesehen und alles erlebt hat und davon frei geworden ist.
Die Freiheit von der äußeren Welt kann sich nicht einstellen, wenn man sie meidet. Die Freiheit von der äußeren Welt stellt sich ein, wenn man total gelebt hat. Dann gibt es im Außen nichts mehr zu erreichen. Dann bleibt nur noch eine Dimension unerforscht. Dann liegt es nahe, auch diese letzte Dimension zu erforschen. Und dort wartet deine Buddhaschaft, deine Erleuchtung.
Du hast gefragt: „Ist die Verbindung von Sorbas und Buddha möglich?“ Es ist die einzige Möglichkeit. Ohne Sorbas gibt es keinen Buddha. Selbstverständlich ist Sorbas nicht das Ziel – er ist die Vorbereitung für den Buddha. Sorbas ist die Wurzel, Buddha ist die Blüte. Mache nicht die Wurzeln kaputt, sonst kann es keine Blüten geben. Die Wurzeln liefern ständig den Saft für die Blüten. Die ganze Farbenpracht der Blüten kommt aus den Wurzeln, der ganze Duft der Blüten kommt aus den Wurzeln. Der ganze Tanz der Blüten im Wind kommt aus den Wurzeln.
Mache keine Trennung. Wurzeln und Blüten sind zwei Aspekte desselben Phänomens.
Die beiden Aspekte des Lebens miteinander zu verbinden, erscheint so schwierig. Es widerspricht unserer ganzen Konditionierung. Wo sollen wir anfangen?
Sei bei allem, was du tust, mit ganzem Herzen dabei, mit der größtmöglichen Intensität, zu der du fähig bist. Alles, was du halbherzig tust, bringt dir keine Freude im Leben. Es bringt dir nur Stress, Kummer, Sorgen, Unzufriedenheit und Angst. Wenn du etwas halbherzig tust, spaltest du dich in zwei Teile. Und das ist das größte Unglück, das über die Menschen gekommen ist – sie sind alle gespalten. Kein Wunder, dass auf dieser Welt so viel Unglück herrscht. Es ist das natürliche Ergebnis eines halbherzigen Lebens. Das ist die Folge, wenn man alles nur mit einem Bruchteil seines Wesens tut, während der Rest sich verweigert, sich zurückhält und Widerstand leistet.
Alles, was du nur mit halbem Herzen tust, bringt dir Reue, Unzufriedenheit und Zweifel: Vielleicht hatte der andere Teil Recht, dass er nicht kooperieren wollte? Vielleicht bist du nur deshalb in diesem unglücklichen Zustand, weil du auf den anderen Teil gehört hast? Aber ich sage dir: Hättest du auf den anderen Teil gehört, wäre das Ergebnis genau das gleiche gewesen. Es geht nicht darum, auf welchen Teil du hörst. Es geht nur darum, inwieweit du etwas total machst oder nicht. In deinen Handlungen total zu sein – das bringt Freude. Selbst eine ganz gewöhnliche, unbedeutende Handlung, die mit totaler Intensität getan wird, bringt ein Strahlen in dein Dasein, ein Gefühl von Vollständigkeit und Erfüllung, eine tiefe Zufriedenheit. Doch alles, was du halbherzig tust, wie gut es auch sein mag, bringt dir Leiden.
Weder die Ursache des Leidens noch die Ursache der Freude kommt aus dem, was du tust. Die Freude kommt, wenn du total bist. Die Handlung an sich spielt keine Rolle. Wenn du nur lauwarm dabei bist, ist das Ergebnis Leiden. Wenn du ein halbherziges Leben führst, kreierst du dir in jedem Augenblick selbst die Hölle – und diese Hölle wird immer größer. Die Leute fragen: „Gibt es irgendwo die Hölle? Gibt es irgendwo den Himmel?“ – denn sämtliche Religionen haben von Hölle und Himmel geredet, als wären sie ein Teil der Geografie des Universums. Es sind aber keine geografischen Orte; es sind psychische Zustände. Wenn sich dein Kopf und dein Herz und dein ganzes Sein gleichzeitig in verschiedene Richtungen gezogen fühlen, hast du dir die Hölle kreiert. Sobald du jedoch total bist, eine organische Einheit … In dieser Ganzheit beginnen die Blumen des Himmels in dir aufzublühen.
Die Menschen machen sich immer Gedanken über ihre Taten: Welche Tat ist richtig und welche Tat ist falsch? Was ist gut und was ist schlecht? So wie ich es verstehe, geht es nicht um eine bestimmte Handlung. Es geht um deine psychische Einstellung. Sei total, dann ist es gut! Wenn du gespalten bist, ist es schlecht. Wenn du gespalten bist, leidest du. Wenn du im Einklang mit dir selbst bist, wirst du tanzen, singen und feiern.
Kannst du mehr über die Kunst sagen, diese Gegensätze in die Balance zu bringen? Mein Leben pendelt häufig zwischen Extremen, und der Weg der Mitte lässt sich offenbar über längere Zeit nur schwer aufrechterhalten.
Das Leben besteht aus Extremen. Leben ist die Spannung zwischen den Gegensätzen. Ständig genau in der Mitte zu sein wäre der Tod. Die Mitte ist nur eine theoretische Möglichkeit. Nur ab und zu befindest du dich in der Mitte, als vorübergehende Phase. Es ist wie Seiltanzen: Du kannst nicht lange genau in der Mitte sein. Wenn du das versuchst, stürzt du ab.
In der Mitte zu sein ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamisches Phänomen. Balance ist kein Hauptwort, sondern ein Zeitwort – eigentlich ist es ein Balancieren. Der Seiltänzer bewegt sich ständig von links nach rechts, von rechts nach links. Wenn er spürt, dass er sich zu sehr nach einer Seite gelehnt hat und Gefahr läuft abzustürzen, gleicht er es sofort aus und lehnt sich nach der anderen Seite. Beim Übergang von links nach rechts, von rechts nach links, genau in diesem Augenblick, ist der Seiltänzer in der Mitte. Wenn er sich aber zu sehr nach einer Seite gelehnt hat und Angst haben muss, zu fallen und das Gleichgewicht zu verlieren, verlagert er sein Gewicht nach der anderen Seite, und dabei ist er wieder für einen kurzen Augenblick in der Mitte.
Das ist gemeint, wenn ich sage, Balance ist kein Hauptwort, sondern ein Zeitwort. Es geht um ein Balancieren, einen dynamischen Prozess. Du kannst nicht exakt in der Mitte bleiben. Du bewegst dich ständig von links nach rechts und von rechts nach links – das ist die einzige Möglichkeit, in der Mitte zu bleiben.
Vermeide nicht die Extreme. Und wähle keines der Extreme. Bleibe offen für beide Pole – darin besteht die Kunst, das Geheimnis des Balancierens. Ja, manchmal bist du total glücklich, und manchmal bist du total traurig – und beides hat seine Schönheit.
Der Verstand wählt ständig. Dadurch entsteht das Problem. Bleibe wahlfrei. Egal was geschieht, egal wo du bist – rechts oder links, in der Mitte oder nicht in der Mitte: Genieße diesen Augenblick in seiner Totalität. Wenn du glücklich bist und tanzt und singst und Musik machst – sei einfach glücklich! Und wenn die Traurigkeit kommt – und sie wird kommen und muss kommen, das ist unvermeidlich, das kannst du nicht verhindern … Sobald du versuchst, es zu verhindern, machst du damit die ganze Möglichkeit zunichte, glücklich zu sein.
Der Tag kann nicht ohne die Nacht existieren, der Sommer kann nicht ohne den Winter existieren. Das Leben kann nicht ohne den Tod sein. Nimm diese Tatsache der Polarität tief in dein Wesen auf. Es gibt keine Möglichkeit, ihr zu entgehen. Die einzige Möglichkeit wäre, sich immer mehr abzutöten – nur ein Toter kann in einer statischen Mitte sein. Ein lebendiger Mensch ist stets in Bewegung – vom Zorn zum Mitgefühl, vom Mitgefühl zum Zorn … Und er akzeptiert beides, er identifiziert sich weder mit dem einen noch mit dem anderen. Er bleibt distanziert, aber dennoch involviert, nicht identifiziert und dennoch engagiert. Ein lebendiger Mensch genießt alles und verweilt darin wie eine Lotusblüte – im Wasser lebend, aber vom Wasser dennoch unberührt.
Dein Bemühen, in der Mitte zu sein und für immer und ewig in der Mitte zu bleiben, erzeugt dir nur unnötigen Stress. Eigentlich ist dieser Wunsch, immer in der Mitte zu sein, ebenfalls ein Extrem, das schlimmste überhaupt, weil es in die Kategorie des Unmöglichen fällt. Es lässt sich einfach nicht bewerkstelligen. Stell dir mal eine dieser Großvateruhren vor: Wenn du das Pendel genau in der Mitte festhältst, bleibt sie stehen. Eine solche Uhr funktioniert nur, wenn sich das Pendel ständig von links nach rechts und von rechts nach links bewegen kann. Natürlich geht es dabei jedes Mal durch die Mitte, und für einen Augenblick ist es völlig zentriert, aber nur für einen kurzen Augenblick.
Und das ist schön so! Beim Übergang vom Glücklichsein zum Traurigsein, vom Traurigsein zum Glücklichsein gibt es einen Augenblick der absoluten Ruhe – genau in der Mitte. Das kannst du genießen. Das Leben muss in all seinen Dimensionen gelebt werden, nur dann wird es ein reiches Leben sein. Wer nur auf der linken Seite bleibt, ist arm, wer nur auf der rechten Seite bleibt, ist arm, und wer sich nur in der Mitte aufhält, ist tot! Ein lebendiger Mensch ist weder ein Linker noch ein Rechter, noch ist er ein Anhänger des Zentrums. Er bleibt ständig in Bewegung, er ist im Fluss.
Warum willst du überhaupt in der Mitte sein? Weil du Angst hast vor den Schattenseiten des Lebens. Du willst nicht unglücklich, willst nicht verzweifelt sein. Aber das ist nur möglich, wenn du bereit bist, auch auf die Ekstase zu verzichten. Einige Menschen entscheiden sich dafür – es ist der Weg des Mönchs. Seit vielen Jahrhunderten ist das der Weg des Mönchs: Er ist bereit, jede Möglichkeit für Ekstase zu opfern, nur um der Seelenpein zu entgehen. Er ist bereit, sämtliche Rosen zu vernichten, nur um den Dornen zu entgehen. Aber das macht sein Leben schal und eintönig, ein ödes Dasein voller Stagnation und Langeweile. Er lebt nicht wirklich. Er hat Angst vor dem Leben.
Das Leben enthält beides: Es bringt großen Schmerz und es bringt auch große Lust. Schmerz und Lust sind die zwei Seiten einer Münze. Wenn du das eine ausschließt, musst du auch das andere ausschließen. Das war seit jeher eines der grundlegenden Missverständnisse: zu meinen, man könne den Schmerz loswerden und die Lust behalten, man könne der Hölle entgehen und den Himmel erlangen, man könne das Negative vermeiden und nur das Positive wählen. Das ist ein großer Irrtum. Es ist unmöglich. Es liegt nicht in der Natur der Sache. Das Positive und das Negative gehören zusammen, unvermeidlich und unteilbar zusammen. Es sind die beiden Aspekte ein und derselben Energie. Wir müssen beides akzeptieren. Schließe alles mit ein, sei alles. Wenn du auf der linken Seite bist, lass dir nichts entgehen – genieße es! Auf der linken Seite zu sein hat seine eigene Schönheit, und diese Schönheit entgeht dir, wenn du auf der rechten Seite bist. Dort sieht es ganz anders aus. Und in der Mitte zu sein hat eine Stille und einen Frieden, den du bei keinem der Extreme finden wirst. Darum genieße alles. Bereichere dadurch ständig dein Leben.
Kannst du nicht auch in der Traurigkeit eine Schönheit sehen? Meditiere darüber. Wenn du das nächste Mal traurig bist, kämpfe nicht dagegen an. Verschwende keine Zeit damit, dich dagegen zu wehren. Akzeptiere sie, heiße sie willkommen, lass sie ein willkommener Gast sein. Schau sie dir an, voller Liebe und Wohlwollen, in ihrer ganzen Tiefe. Sei ihr ein guter Gastgeber. Du wirst dich wundern! Du wirst eine unbegreifliche Überraschung erleben: Die Traurigkeit hat ein paar schöne Seiten, wie sie die Fröhlichkeit nie haben kann. Die Traurigkeit hat eine Tiefe – dagegen ist die Fröhlichkeit nur oberflächlich. Die Traurigkeit bringt Tränen, die viel tiefer gehen als jedes Lachen. Die Traurigkeit hat ihre eigene Stille, ihre eigene Melodie, die die Fröhlichkeit niemals haben kann. Die Fröhlichkeit hat auch ihre Musik, aber sie ist lauter, nicht so still.
Ich sage nicht, dass du die Traurigkeit wählen sollst. Ich sage nur, dass du auch sie genießen kannst. Wenn du fröhlich bist, genieße die Fröhlichkeit. Schwimme an der Oberfläche, aber manchmal tauche im Fluss ganz tief hinunter. Es ist derselbe Fluss! An der Oberfläche genießt du das Spiel der Wellen und die Schaumkronen, die Sonnenstrahlen und den Wind – sie haben ihre eigene Schönheit! Aber tief ins Wasser hinabzutauchen hat seine eigene Qualität, sein eigenes Abenteuer, seine eigenen Risiken.
Und halte nichts fest. Manche Menschen halten zu sehr an ihrer Traurigkeit fest. Die Psychologen kennen das und bezeichnen solche Leute als Masochisten: Sie kreieren sich ständig Situationen, in denen sie permanent unglücklich sein können. Unglücklich zu sein ist das Einzige, was sie genießen können. Sie haben Angst davor, glücklich zu sein. Im Unglück fühlen sie sich zu Hause. Viele Masochisten werden fromm, weil die Religion für ihre psychische Verfassung einen wunderbaren Deckmantel bereitstellt. Die Religion liefert eine großartige Rationalisierung für Masochismus.
Ohne religiöse Verbrämung fühlt sich ein Masochist schnell verurteilt und unbehaglich – ihm ist nicht wohl in seiner Haut, er fühlt sich krank. Irgendwie weiß er, dass er nicht normal ist. Er fühlt sich schuldig für die Art, wie er sein Leben lebt, und trachtet es zu verbergen. Wird ein Masochist aber religiös, so kann er seinen Masochismus stolz zur Schau stellen. Dann ist er kein Masochist mehr – er ist ein Asket! Er lebt ein frommes, enthaltsames Leben. Das nennt sich dann „Selbstdisziplin“, nicht Selbstquälerei. Geändert hat sich aber nur die Bezeichnung.
Einen solchen Menschen wird niemand als abnorm bezeichnen – er ist ja ein Heiliger! Niemand wird ihn als Psychopathen bezeichnen, denn er ist fromm geworden, ein Heiliger. Die Masochisten haben sich schon immer zur Religion hingezogen gefühlt. Für sie besitzt die Religion eine große Anziehungskraft. Tatsächlich sind im Lauf der Jahrtausende so viele Masochisten bei der Religion gelandet – was natürlich und verständlich ist –, dass alle Religionen schließlich nur noch von Masochisten beherrscht waren. Darum findet sich in den Religionen so viel Lebensverneinendes und Lebensverachtendes. Sie sind nicht für das Leben, für die Liebe, für die Freude. Sie betonen ständig, welch ein Jammertal dieses Leben sei! Aber durch diese ständige Behauptung, dass Leben Leiden bedeute, rationalisieren die Religionen nur ihr eigenes Festhalten am Leiden.
Ich habe eine schöne Geschichte gehört … Ob sie wahr ist, weiß ich nicht. Ich kann für nichts garantieren.
Eines Nachmittags im Paradies treffen sich an einem Tisch im bekanntesten Szenecafé Laotse, Konfuzius und Buddha zu einem Schwätzchen. Der Kellner bringt drei Gläser „Lebenssaft“ auf einem Tablett und offeriert jedem von ihnen ein Glas. Buddha schließt sofort die Augen und macht eine abwehrende Geste mit den Worten: „Leben ist Leiden.“
Konfuzius – wie man weiß, ein Anhänger der Mitte, der immer den goldenen Mittelweg predigte – betrachtet das Glas mit halb geöffneten Augen und bittet den Kellner, ihm ein Glas hinzustellen. Er möchte es gerne probieren – aber nur ein Schlückchen! Schließlich sollte man davon gekostet haben, bevor man sagen kann, ob das Leben Leiden ist oder nicht. Konfuzius war ein wissenschaftlicher Denker, nicht gerade ein Mystiker. Er hatte einen ganz pragmatischen, weltlichen Verstand – er muss der erste Verhaltensforscher der Welt gewesen sein, total logisch. Und was er sagt, macht Sinn: „Zuerst muss ich einen Schluck probieren, dann kann ich sagen, was ich davon halte.“ Er nimmt einen Schluck, und dann sagt er: „Buddha hat Recht. Leben ist Leiden.“
Laotse stellt alle drei Gläser vor sich hin und sagt: „Wie kann man irgendetwas sagen, ohne es völlig ausgekostet zu haben?“ Er leert alle drei Gläser in einem Zug und fängt an zu tanzen.
Buddha und Konfuzius fragen ihn: „Willst du nichts dazu sagen?“ Und Laotse sagt: „Tue ich doch schon. Spricht nicht mein Tanzen und Singen für mich?“ Wenn man es nicht völlig ausgekostet hat, kann man gar nichts sagen. Und wenn man es total ausgekostet hat, kann man erst recht nichts sagen – weil das, was man erfahren hat, sich nicht in Worte fassen lässt.
Buddha repräsentiert das eine Extrem, Konfuzius die Mitte. Laotse leert alle drei Gläser – das für Buddha bestimmte, das für Konfuzius bestimmte und sein eigenes Glas. Er trinkt alles bis zur Neige – er lebt das Leben in seiner Dreidimensionalität.