Kitabı oku: «L'affaire de l'amour», sayfa 3

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Schlagartig ist es still. Während die Kollegen auf die Scheiben starren, klopft Mark seiner Stellvertreterin fröhlich auf die Schulter. „Feuertaufe bestanden, würde ich sagen.“

Schon seit den frühen Morgenstunden sitzt Gerd Bach, der Projektleiter der Staller Industrie Werke, in seinem Büro. Durch die schweren Verletzungen, die er sich vor noch nicht allzu langer Zeit zugezogen hat, wurde er nicht nur von dem behandelnden Arzt, sondern vor allem von Karola Staller zu Bürotätigkeit verdonnert.

Er weiß, dass er die Geduld der siebenundvierzigjährigen Unternehmers-Gattin bis ins Letzte ausgereizt hat. Auch wenn der 1,86 Meter große gutaussehende Mann mit den dichten braunen Haaren, den honigbraunen Augen und dem charmanten Lächeln so ziemlich jede Frau um den kleinen Finger wickeln kann, beißt er bei Karo diesmal auf Granit. Selbst wenn sie die nächsten zehn Tage einige tausend Kilometer entfernt ist, entgeht ihr garantiert nicht, ob er sich an sein Versprechen ihr gegenüber hält. Also fügt er sich in das Unvermeidbare.

Vor über sechzehn Jahren traf Gerd in der Schule auf Andreas, freundete sich mit ihm an und stand zu ihm, als dieser Hilfe brauchte. Mittlerweile ist aus ihrer Freundschaft eine tiefe Verbundenheit geworden, die Andreas für ihn zu einem Bruder macht. Zu dieser Zeit lernte Gerd auch die Eltern seines Freundes kennen, bei denen er seither ein und aus geht. Peter und Karola Staller sind nicht nur Andreas’ Eltern, sondern mittlerweile auch so etwas wie seine Eltern, die ihn bei sich aufgenommen haben und ihm ein Zuhause boten. Obwohl er im Jugendheim aufwuchs fühlte er sich bei dieser Familie immer willkommen und geborgen. Gemeinsam mit Andreas stellte er sich dem Kriegsverbrecher Otto Gruber und seinen Söhnen in den Weg, um deren kriminellen Machenschaften Einhalt zu gebieten. Ann-Marie Lichtenstein, die Schwiegertochter des Verbrechers, sann auf Rache und ließ nichts unversucht, um den beiden Freunden einen möglichst grausamen Tod zu verschaffen. Auch hier konnten Andreas und Gerd, die den Kampf gegen die Schergen dieser Frau aufnahmen, den Sieg davontragen, was sie nicht zuletzt der Hilfe ihrer Freunde, Kollegen und Familie verdanken. Allerdings zogen sich die beiden jungen Männer einiges an Verletzungen zu, wodurch sie für ihre vollständige Genesung noch längere Zeit zur Untätigkeit verdammt wurden.

In dem riesigen Unternehmen, das der Konzernchef nach und nach aufgebaut hat, ist Gerd inzwischen der zweite Mann. Seite an Seite mit Peter Staller meistert er den Alltag der Firma mit seinen rund achthundert Mitarbeitern.

Mürrisch liest er sich die Berichte seiner Teamkollegen durch. Viel lieber würde er vor Ort mitmischen. Seit einigen Wochen installieren seine Kollegen in dem Freizeitpark Weltenbummler in der Eiffel ein neues Sicherheitssystem. Nachdem der Betreiber Sven Kirschbaum mit massiven Schwierigkeiten in der Elektronik und den technischen Anlagen zu kämpfen hatte, holte er das Team der Staller Werke mit ins Boot. Bis zur Saisoneröffnung im nächsten April wollen sie mit der Anlage fertig sein.

Die Erinnerung daran, dass er sich heute Morgen die Zeit nehmen konnte, mit Emma in aller Gemütsruhe zu frühstücken, zaubert ein Lächeln auf sein Gesicht.

Erst vor zwei Wochen ist seine Freundin bei ihm eingezogen, doch er spürt genau, dass es für sie beide die richtige Entscheidung war. Seit Freitag arbeitet sie beim Landeskriminalamt in Düsseldorf an ihrer neuen Arbeitsstelle, welche sie nur seinetwegen angenommen hat. Dass die hervorragende Beamtin ihren Job beim Bundesnachrichtendienst in Berlin beendete, darüber war ihr Boss Wolfgang Keller nicht gerade begeistert.

Im Augenblick kämpfen sie beide sich durch den gemeinsamen Alltag und die wechselnden Arbeitszeiten, um ihren Rhythmus zu finden. Das gemeinsame Frühstück an den Arbeitstagen zählt zu den Gegebenheiten, die sie sich nicht nehmen lassen. Allerdings kommt es eher selten vor, dass sie es so ausgiebig zelebrieren können wie heute Morgen.

Das Klingeln seines Handys holt den Siebenundzwanzigjährigen in die Gegenwart zurück. Als er anhand der angezeigten Nummer den Anrufer erkennt, blitzen seine Augen vergnügt auf, wobei sich ein Lächeln in seinem Gesicht ausbreitet. „Guten Morgen, Andy. Bist du sie endlich los?“ Nur Gerd hat die Erlaubnis, Andreas mit seinem Kosenamen anzureden.

Der Doktorand lacht bei der Frage seines Freundes fröhlich auf. „Ja. Endlich! Das ist das richtige Wort. Ich weiß nicht, was in Mutter gefahren ist. Sie muss doch beruflich so viel reisen, dass sie langsam eine gewisse Routine entwickelt haben sollte. Aber wenn es in den Urlaub geht, ist sie vollständig aus dem Häuschen. Vater war so genervt, dass er ihr gestern Nachmittag erklärt hat, wenn sie ihren Koffer noch ein einziges Mal öffnet, sorgt er dafür, dass sie ohne Gepäck fliegt.“

Auch Gerd muss lachen. „Emma und ich waren froh, als wir uns nach dem Mittagessen verabschieden konnten. Dass dein Vater genervt war, konnte man spüren, aber gegen Karola war das gar nichts. Sie war ‚hochexplosiv‘.“

Die Freunde amüsieren sich gemeinsam über die Urlaubsvorbereitungen der Unternehmers-Gattin.

„Seit Vater die Firma übernommen hat ist es das erste Mal, dass er in Urlaub fährt. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich das je erlebe. Dazu hat er sich nur entschlossen, weil du für ihn in der Firma die Stellung hältst. Was meinst du? Ich gebe ihm maximal fünf Tage. Spätestens am Freitag ruft er dich an, um den aktuellen Stand zu erfahren.“

„Ich traue mich nicht, dir zu widersprechen“, stimmt Gerd seinem Freund belustigt zu. „Wie sieht es aus? Bleibst du die Woche über in der Uni?“

Um sich die lange Anfahrt zu ersparen, verweilt Andreas unter der Woche in seiner angemieteten sechzig Quadratmeter großen Wohnung auf dem Universitätsgelände. „Ja, bis Freitag“, bestätigt der Doktorand. „Dann komme ich nach Hause. Sollen wir etwas zusammen unternehmen oder bist du schon verplant?“

„Ich habe zwar noch keine Ahnung, wie Emmas Dienstplan aussieht, aber für einen Männerabend findet sich immer Zeit. Einverstanden?“

„Sicher. Dann sprechen wir uns diese Woche noch ab, wenn du mehr weißt. Ich muss jetzt los. Mach’s gut.“

„Du auch. Und keine gewagten Abenteuer. Klar?“

Andreas reagiert empört: „Hey, wer von uns ist denn derjenige, der sich nie zurückhalten kann?“

Lachend beendet Gerd das Gespräch. Da sich mittlerweile auch seine Sekretärin Anna Zerlinski im Büro eingefunden hat, beginnen sie mit dem Firmenalltag.

Fast zehntausend Kilometer von den beiden Freunden entfernt treffen Karola und ihre Mutter auf dem Weg zum Abendessen im Flur vor den Zimmern erstmalig wieder aufeinander.

„Wo hast du denn deinen Mann gelassen? Hat er keinen Hunger?“, erkundigt sich Dorothea bei ihrer Tochter.

„Doch, ich denke schon. Aber er wollte sich noch ein wenig bewegen. Da der Pool recht leer war, nutzt er die Gelegenheit, um noch ein paar Bahnen zu schwimmen.“

„An seinem Wunsch bin ich wohl nicht ganz unschuldig“, gesteht die Ärztin. „Bei meinem Schneckentempo konnte er sich im Park wohl nicht ausleben.“

„Mach dir da keine Sorgen“, beruhigt Karo ihre Mutter. „Wenn er das braucht, findet Peter schon ein Ventil um sich auszutoben. Darauf brauchen wir aber keine Rücksicht zu nehmen. Er sagt, dass er nachkommt, wir brauchen nicht auf ihn zu warten.“

„Das wäre ja noch schöner! Dafür bin ich viel zu neugierig“, erklärt Dorothea resolut.

Lachend machen sich die beiden Frauen auf in Richtung Speisesaal, wo sie bereits am Eingang fürsorglich von dem Personal in Empfang genommen und zu ihren Plätzen geführt werden. Nachdem die beiden Gäste der Bedienung bestätigen, dass alles ihren Wünschen entspricht, zieht sich die junge Frau mit einer Verbeugung zurück.

„Ich muss schon sagen, sehr zuvorkommend.“ Dorothea schaut sich im Saal um. „Angenehmes Ambiente, stilvoll eingerichtet.“

„Ja, stimmt. Der Raum bietet auch eine gewisse Privatsphäre. Durch die überall aufgestellten tropischen Pflanzen sind die Tische voneinander getrennt, ohne dass es bedrückend wirkt, und das Büffet ist so aufgebaut, dass man sich nicht ins Gehege kommt.“

„Genau. Auf jeden Fall werde ich mir jetzt eine Vorspeise besorgen. Kommst du mit?“

„Aber sicher.“

Zusammen begeben sie sich zu den langen Reihen ausgewählter Speisen, um ihre erste Auswahl zu treffen.

Karola dreht sich, mit ihrem Teller in der einen Hand, einem gefüllten Glas in der anderen, zu ihrem Tisch um. Die Handtasche, die mit ihrem Träger über ihrer rechten Schulter hängt, rutscht ihr dabei bis auf den Unterarm herunter. Mit einem erschrockenen Aufschrei versucht die Unternehmers-Gattin Teller und Glas waagerecht zu halten. Doch ganz gelingt ihr das nicht. Ihre grauen Augen weiten sich entsetzt, als sie einen großen Teil von ihrem Saft auf dem Anzug des Mannes verteilt, der gerade neben ihr steht.

„Verdammt! Was soll das?“ Aufgebracht wendet sich der Mann Karola zu, wobei er sich drohend zu seiner vollen Größe aufrichtet. Obwohl seine Arme locker herunterhängen, sind die Fäuste geballt und seine ganze Körperhaltung drückt Gewaltbereitschaft aus.

„Meine Güte. Entschuldigen Sie bitte, das tut mir wirklich leid. Ich habe nicht aufgepasst.“ Die Unternehmers-Gattin sieht den Mann reumütig an, doch als sie seine Augen wahrnimmt, läuft ihr ein Schauer über den Rücken. ‚Sie wirken kalt wie Eis und absolut gefühllos‘, denkt Karola.

„Das ist nicht zu übersehen“, giftet Gabriel Kanthak die schlanke Frau vor sich so heftig an, dass diese unweigerlich zusammenzuckt. „Haben Sie keine Augen im Kopf?“

„Was ist denn hier los?“ Peter Staller taucht neben seiner Frau auf.

Karo war noch nie so froh darüber, ihren Mann an ihrer Seite zu haben wie in diesem Moment.

„Das geht Sie nichts an“, faucht Gabriel den Konzernchef an. „Diese Dame und ich haben nur eine Kleinigkeit zu klären. Kein Grund, den edlen Ritter zu spielen.“

Beschützend stellt sich Peter vor Karola, da auch er die Kälte spürt, die von diesem Mann ausgeht. Mit ruhiger, aber entschiedener Stimme antwortet er dem fremden Mann: „Wenn Sie ein Problem mit meiner Frau haben, geht mich das sehr wohl etwas an.“

„Ihre Frau? Dann sollten Sie vielleicht besser darauf achten, dass sie nicht allein in der Gegend herumläuft. Bringen Sie ihr lieber bei, wie man sich in der Öffentlichkeit zu benehmen hat!“

Langsam fängt auch Peter an zu kochen, sodass seine braunen Augen bei der Bemerkung des Mannes gefährlich aufblitzen. „Diese Entscheidung sollten Sie besser mir überlassen!“

„Wie dem auch sei. Ich lasse Ihnen die Rechnung zukommen.“ Damit dreht sich Gabriel wütend um und verschwindet.

„Den haben sie als Kind wohl zu heiß gebadet“, mutmaßt Dorothea, die froh darüber ist, dass Peter ihr die Einmischung abgenommen hat.

„Danke.“ Niedergeschlagen mustert Karola die Lache, die von einem der Bediensteten gerade aufgewischt wird.

Der lächelt sie freundlich an. „Alles gut. Lassen Sie sich nicht den Appetit verderben.“

Sie genießen zwar in aller Ruhe ihr Abendessen, doch der Vorfall bleibt ihnen noch eine ganze Weile in Erinnerung. Selbst bei der ausgiebigen Shopping-Tour, zu der sie anschließend aufbrechen, kann Karola die Gedanken an den fremden Mann nicht abschütteln. Obwohl sie ihren Einkauf in den bunt gestalteten Geschäften genießt, sieht sie immer wieder seine kalten Augen vor sich. ‚Normalerweise kann ich mich gut allein behaupten‘, grübelt sie. ‚Aber diesmal war ich unglaublich froh, dass Peter da war.‘ Am liebsten würde sie diesem Mann nie wieder begegnen und nimmt sich vor, ihm im Hotel aus dem Weg zu gehen.

Unterdessen laufen im Dezernat 11 des Landeskriminalamtes die Leitungen heiß. Mark Sievers legt den Telefonhörer in dem Moment auf, als Emma am Mittwochmorgen kurz vor Dienstanfang das Büro betritt.

„Gut, dass du schon da bist“, empfängt sie der Vorgesetzte, winkt sie mit sich zu den anderen Kollegen der Abteilung, wo er sich Gehör verschafft: „Hey, Leute, schenkt mir doch bitte einmal eure Aufmerksamkeit.“ Nachdem er sich vergewissert hat, dass ihm wirklich alle aus seinem Team zuhören, gibt er weiter, was er durch das Telefonat erfahren hat. „Gerade bat mich der Leiter vom Kriminalkommissariat 12 der Kriminalinspektion 1 aus Duisburg um Unterstützung. Vorige Woche hat er einen offiziellen Antrag auf Amtshilfe gestellt, dem stattgegeben wurde. Wir sollen ihm dabei helfen, die Mitglieder einer gut getarnten Verbrecherorganisation hochzunehmen.“

„Worum geht es denn dabei? Drogen?“, erkundigt sich Ludwig Gessner.

„Nein“, widerspricht sein Vorgesetzter dem Kollegen. „Es geht um Menschenhandel.“

„Weißt du schon Genaueres?“, verhört Emma bei ihn.

„Bis jetzt konnten die Kollegen aus Duisburg keine Spur dazu finden, wie die jungen Frauen ins Land gebracht werden. Auch nicht, wo sie unterkommen. Fakt ist, dass an den einschlägigen Plätzen immer wieder neue Gesichter auftauchen. Vorwiegend junge Frauen unter fünfundzwanzig aus Thailand, Kambodscha und Laos. Auch von den Philippinen und Malaysia. Der Kollege teilte mir mit, dass sie vor zwei Wochen sieben Müllsäcke mit grausigem Inhalt auf der Mülldeponie gefunden haben. Die Mädchen waren zwischen fünfzehn und achtzehn Jahre alt. Die Verletzungen weisen darauf hin, dass sie systematisch zu Tode geprügelt wurden.“

Emmas Augen blitzen wütend auf. „Das ist eine der schlimmsten Arten von Unmenschlichkeit. Diese Mädchen, meistens sind es noch Mädchen, keine Frauen, werden verschleppt, unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und verprügelt. So lange, bis sie ohne Widerstand tun, was von ihnen verlangt wird. Die Menschen, die diese Gewalttaten verursachen, sehen in ihnen nur eine Ware. Da ist es doch egal, wenn ab und zu einmal eine auf dem Müll landet!“

„Leider liegst du damit hundertprozentig richtig. Das ist wohl nicht der erste Fund dieser Art und es wird auch nicht der letzte sein. Dagegen sollten wir schnellstens etwas unternehmen. Also lasst uns bitte nach Duisburg fahren.“

Da seine Kollegen der gleichen Meinung sind, machen sie sich zu sechst in zwei Dienstwagen auf den Weg nach Duisburg.

2 Kois (Mz.); Koi = Der Nishikigoi kurz auch Koi genannt, ist eine Zuchtform des Karpfens.

4


Udon Thani ist die Hauptstadt des gleichnamigen Landkreises und der gleichnamigen Provinz, die in der Nordostregion Thailands, dem Isan, liegt. Die Stadt mit ihren rund einhundervierzigtausend Einwohnern befindet sich circa sechzig Kilometer südlich der laotischen Grenze sowie fünfhundertsechzig Kilometer nordöstlich von Bangkok an einem der Zuflüsse des Mekong.

Das Udon Thani Hospital, das allgemeine, öffentliche Krankenhaus, in dem die Behandlung und Pflege aller Patienten durchgeführt wird, liegt auf der Westseite des Nong Prajak Parks.

Ein Taxi bringt Dorothea Waldner und das Ehepaar Staller am nächsten Morgen bis vor das Hauptportal des Krankenhauses, wobei sie auf ihrer Strecke über die Phran Phrao Road an dem Platz des Wat-Thung-Si-Muang vorbeifahren.

„Schaut einmal dort, der Tempel“, weist Karola auf das Gebäude hin. „Ist er nicht wunderschön?“

„Das ist der Schrein Wat-Thung-Si-Muang, eines unserer Wahrzeichen“, erklärt ihnen der Taxifahrer auf Englisch. „Es beherbergt gleich zwei unserer Stadtpfeiler. Der Schrein dient als Weihestätte für die guten Stadtgeister, die Stadt und Bevölkerung beschützen sollen.“

„Vielen Dank für die Erklärung“, freut sich Karola.

„Dann habe ich die richtige Route gewählt“, lächelt der Taxifahrer, der ihr einen vergnügten Blick über den Rückspiegel schenkt.

Sie umrunden den See Prachak mit Blick auf den Nong Prajak Park, in dem sie gestern bereits ihre Runde gedreht haben, um kurz darauf vor dem Udon Thani Hospital zu halten, wo sie beim Aussteigen beobachten können, wie ein Krankentransporter mit medizinischem Versorgungsgut bestückt wird. Eine junge Frau in der Kleidung der Krankenschwestern schaut einen Moment zu ihnen herüber, dann ruft sie ihren Kollegen etwas zu, ehe sie den drei Besuchern entgegengeht. „Frau Doktor Waldner?“, erkundigt sie sich beim Näherkommen.

„Ja, ganz recht“, bestätigt ihr Dorothea.

„Es freut mich, Sie hier begrüßen zu dürfen. Wir alle waren hocherfreut, als uns Ihre Gesellschaft die nötige Unterstützung zusagte. Es gibt im ganzen Haus niemanden, der nicht gespannt darauf wartet zu hören, welche Verbesserungen vorgenommen werden.“

„Das glaube ich gern“, lächelt Dorothea. „Sie sprechen sehr gut Englisch. Wo haben Sie das gelernt?“

„Ich bin auf dem Militärstützpunkt der Royal Thai Air Force aufgewachsen. In meiner Familie gab es einige Männer, die ihren Dienst beim Militär verrichteten. Schon im Kindesalter wurde uns ein grundlegendes Konversationsenglisch gelehrt. Um hier arbeiten zu dürfen, musste ich mich dann sprachlich noch weiterbilden, aber ich hatte ein Ziel, für das es sich lohnt. Übrigens, ich heiße Malee. Das bedeutet in ihrer Sprache ‚Jasmin‘.“

Einer der Männer vom Krankentransporter gesellt sich zu ihnen. Er begrüßt die Gäste mit einem freundlichen Lächeln und Kopfnicken, bevor er sich an Malee wendet. Aus Höflichkeit den Besuchern gegenüber spricht auch er Englisch. „Wir sind fertig. Wann fahren wir los?“

„Das wird bestimmt noch eine Stunde dauern. Ich werde mich erst um Frau Doktor Waldner und ihre Begleiter kümmern. Bitte lasst den Wagen nicht aus den Augen. Wir haben den medizinischen Bedarf gerade erst neu aufgefüllt.“

„Ja, schon gut. Wir warten“, bestätigt der Mann und begibt sich zurück zu dem Fahrzeug.

„Sie haben es anscheinend eilig“, stellt Dorothea fest. „Gibt es denn niemand anderen, der sich um mich kümmern kann? Ich möchte ungern die Abläufe hier durcheinanderbringen.“

„Machen Sie sich keine Sorgen.“ Malee weist auf den Krankentransporter. „Das ist unsere mobile Klinik. Mehrmals im Monat fahren wir die Grenzregionen zwischen Thailand und Laos ab. In den vielen kleinen Dörfern, die dort angesiedelt sind, finden Sie häufig eine Bar nach der anderen. In diesen Spelunken werden den Männern junge Mädchen gegen Bezahlung für sexuelle Dienste angeboten. Dagegen können wir leider nicht viel machen, aber wir können dafür sorgen, dass sie wenigstens ein Mindestmaß an ärztlicher Versorgung erhalten.“

„Sind diese Mädchen freiwillig dort?“, erkundigt sich Karola bei der bildhübschen Thailänderin. Sie vermutet, dass die 1,64 Meter große Frau mit ihrem Aussehen sicherlich die Männerherzen schneller schlagen lässt. Die glatten schwarzen Haare fallen weich bis zu ihrer Taille herab und ihre dunklen Augen wirken geheimnisvoll.

„Malee, das ist meine Tochter Karola und ihr Mann Peter Staller“, stellt Dorothea ihre Begleiter vor. „Mich dürfen Sie gern Dorothea oder Doro nennen.“

„Vielen Dank.“ Malee verbeugt sich leicht, um anschließend der Unternehmers-Gattin ihre gestellte Frage zu beantworten: „Die wenigsten dieser Mädchen sind freiwillig dort. Einige von ihnen wurden sicherlich verschleppt und zur Prostitution gezwungen. Doch solange sie sich nicht dagegen wehren, sich niemandem anvertrauen, solange kann auch unsere Regierung nicht eingreifen. Die meisten sind aus Laos. Sie werden gegen ihren Willen hierhergebracht, haben keinen Ausweis oder sonstige Legitimation, wodurch sie illegal in Thailand sind, und werden von den Behörden wieder in ihr Heimatland abgeschoben. Geholfen wird ihnen dadurch aber nicht. Wenn sie gute Arbeit geleistet haben, machen sich die Schlepper die Mühe, sie sich zurückzuholen. Schätzungsweise achtzig Prozent dieser Mädchen finden sie nach kurzer Zeit an der gleichen Stelle wieder. Hinzu kommen noch die Mädchen, die sich ihren Familien gegenüber verpflichtet fühlen. Sie alle sind arm wie Kirchenmäuse und glauben, nirgends eine vernünftige Arbeit zu bekommen. Die Zuhälter bieten ihnen gutes Geld an, also willigen sie ein. Sind sie erst einmal in den Händen dieser Männer, entkommen nur noch die wenigsten.“

„Das sind ja grausame Zustände“, bemerkt Karola schockiert.

„Ja, richtig. Aber solange es Menschen gibt, die bereit sind dafür zu bezahlen, solange wird es auch Menschen geben, die das für ihre Zwecke ausnutzen.“

„Da haben Sie leider Recht“, stimmt der Konzernchef der jungen Frau zu. „Angebot und Nachfrage. Diese Leute interessiert nicht das Leid der Menschen, sondern nur der Profit.“

„Bedauerlicherweise kann ich Ihnen nicht widersprechen. Mit unserer mobilen Klinik können wir den Frauen wenigstens helfen, die ihnen zugefügten Verletzungen und einiges an Krankheiten zu überstehen.“

„Haben Sie keine Angst, dass Sie dort ebenfalls überfallen werden?“ Peter bewundert den Mut dieser Frau.

„Nein, ganz im Gegenteil. Eigentlich achten die meisten Zuhälter darauf, dass uns nichts geschieht. Sie wissen, dass ihnen von uns keine Gefahr droht, deshalb nehmen sie unsere Anwesenheit billigend in Kauf. Immerhin können viele der Mädchen durch unsere Hilfe besser arbeiten.“

„Ja, ich verstehe.“

„Kommen Sie, ich zeige Ihnen erst einmal unsere Einrichtungen. Anschließend steht Ihnen unser Ärzteteam und die Krankenhausleitung zur Verfügung.“

Malee führt die Gäste durch das Haus. Immer wieder bleibt sie stehen, weist auf Besonderheiten hin oder lässt ihre Begleiter in die Räumlichkeiten schauen. Offen zeigt sie die Mängel auf, die sie hoffen mit Hilfe der deutschen Unterstützung beheben zu können. Die Krankenzimmer sind einfach, ohne großen Komfort, doch die ehemalige Ärztin kann sich von der fürsorglichen, korrekten Unterbringung der Patienten und der zuvorkommenden Behandlung durch das Pflegepersonal überzeugen.

Die blutjunge Pflegerin, die gerade einem Patienten die Kissen zurechtrückt, um ihm zu einer besseren Liegeposition zu verhelfen, schaut, die Besucher anlächelnd, kurz auf.

Verblüfft starrt Dorothea dem Mädchen ins Gesicht. „Also, auch wenn für uns Europäer ihre Landsleute alle eine gewisse Ähnlichkeit aufzeigen, würde ich doch behaupten, diese junge Frau gleicht Ihnen wie ein Spiegelbild“, wendet sie sich neugierig an ihre Führerin. „Habe ich Recht?“

Malee lacht fröhlich auf, stellt sich neben die Pflegerin und legt ihr einen Arm um die Schultern, sodass auch Peter und Karola die frappierende Ähnlichkeit erkennen.

„Darf ich Ihnen meine Schwester Tuptim vorstellen? Sie ist gerade erst fünfzehn geworden. Aber sie weiß schon genau, was sie einmal werden will.“ Malee lächelt ihre drei Jahre jüngere Schwester auffordernd an.

Tuptim verbeugt sich leicht vor den Gästen. „Ich möchte Ärztin werden. Deshalb mache ich hier eine Ausbildung. Ich weiß, ich muss noch viel lernen, aber für das Ziel lohnt es sich bestimmt.“

„Das kann ich nur gutheißen. Wissen Sie auch schon, in welche Fachrichtung Sie gehen wollen?“

„Ja. Ich möchte Chirurgin werden. Mir ist bewusst, dass das ein sehr hohes Ziel ist, aber ich bin eine gute Schülerin. Außerdem haben wir hier viel zu wenig Ärzte.“

„Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall viel Glück dabei. Vielleicht unterhalten wir uns in den nächsten Tagen noch einmal darüber. Möglicherweise kann ich Ihnen ein wenig helfen.“

Erstaunt reißt Tuptim die Augen auf. „Sie wollen mir helfen? Wieso?“

„Weil es mir auch sehr schwergefallen ist, mich durchzukämpfen, bis ich endlich Chirurgin war.“

Hocherfreut verabschiedet sich die strahlende Auszubildende von den Besuchern.

Anschließend begleitet Malee die drei Gäste zu dem Büro, in dem sich einige der Ärzte, sowie ein Ausschuss der hiesigen Krankenhausleitung zusammengefunden haben. Nachdem die Pflegerin alle miteinander bekannt gemacht hat, wendet sie sich zum Gehen. „Auf mich können Sie jetzt getrost verzichten. Wir sehen uns dann morgen wieder.“

„Malee, einen Augenblick bitte“, hält Karola die junge Frau zurück. „Ich würde Sie gern begleiten, wenn ich darf. Es interessiert mich wirklich zu sehen, welche Arbeit Sie machen und wie Sie vorgehen.“

„Sie wollen mich begleiten?“ Überrascht schaut die Thailänderin die Unternehmers-Gattin an.

„Ja, wenn ich darf.“

„Wir sind aber bestimmt acht bis zehn Stunden unterwegs. Außerdem könnte die Reise für Sie unter Umständen gefährlich werden. Sind Sie sicher, dass Sie das machen wollen?“

„Ja, bin ich.“

„Dann müsst ihr mich auch mitnehmen“, mischt sich Peter ein. „Ohne mich gehst du da nicht hin“, bekräftigt er an seine Frau gewandt.

„Dafür sollten wir Ihnen besser Bekleidung der Krankenpfleger organisieren. So werden Sie weniger auffallen.“ Malee ist sich nicht sicher, ob das Vorhaben des Ehepaars so gut ist, doch sie versteht den Wunsch der Frau. Ihr ist es von Anfang an genauso gegangen. An dem Krankentransporter treffen sie auf den Fahrer und die behandelnde Ärztin.

Die vierzigjährige humorvolle Sarinya Panyarachun gefällt dem Ehepaar auf Anhieb. Die erfahrene Ärztin freut sich über das Interesse und die Gesellschaft der beiden Gäste. „Wir werden lange unterwegs sein. Unsere Reise führt uns von hier aus nach Nong Khai. Das liegt in gerader Linie zur Grenze nach Laos. Von dort aus fahren wir Richtung Norden bis Pak Chom. In dem dortigen Hospital füllen wir unsere Vorräte wieder auf. Anschließend fahren wir die gleiche Route zurück. Während der Fahrt halten wir an verschiedenen Orten an und besuchen die Frauen in den einschlägigen Lokalen. Malee und ich werden dort geduldet. Die Besitzer selbst führen uns zu den Mädchen. Sie wissen, welche ihrer Arbeiterinnen einer Behandlung bedürfen, aber auch die anderen schauen wir uns an. Die einfache Fahrtzeit beträgt gute drei Stunden. Durch unsere Aufenthalte, selbst ohne größere Zwischenfälle, brauchen wir noch einmal zwei Stunden, wahrscheinlich sogar länger. Vor dem Abend sind wir nicht zurück. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie sich nicht zu viel von dieser Reise versprechen. Gerade fremden Männern gegenüber sind diese Frauen und Mädchen sehr verängstigt. Auch unser Fahrer hält sich bedeckt. Doch ich freue mich immer über Begleitung.“

Kurz darauf sitzen sie in dem Transporter auf dem Weg zur laotischen Grenze.

Gabriel Kanthak ist seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen. Mit dem gemieteten schwarzen Nissan X-Trail mit 130 kW Leistung macht er sich auf den Weg nach Phu Thok, wo er sich in dreieinhalb Stunden mit seinen Männern treffen will. Der 40-Tonner vom Typ MAN mit 324 kW hat einen Aufbau mit Ausleger für den umgebauten Container, der dem gut betuchten Antiquitätenhändler dazu dient, seine Waren unentdeckt und ohne Beschädigungen in sein Zwischenlager nach Bangkok zu befördern. Dass der 40-Fuß-Container einen eingearbeiteten doppelten Boden hat, kann man nicht erkennen, auch der schmale Zugang, der sich hinter der doppelten Trennwand im Rücken des Containers befindet, ist mit bloßem Auge nicht auszumachen. Dies ist die Grundlage für den Transport der illegal organisierten Mädchen und Frauen, die ihm zu seinem einträglichen Geschäft verhelfen.

Das Antiquitätengeschäft, das Gabriel in Essen betreibt, dient ihm als offizielle Einnahmequelle für die Gelder, mit denen er seinen gehobenen Lebensstandard bestreitet. Tatsächlich sind seine Fachkenntnisse auf diesem Gebiet ausgeprägt und weitreichend. Er hat keine Probleme, die in Thailand gekauften Möbel und Gebrauchsgegenstände, sowie Kunst und Schmuck in seinen Geschäften zu veräußern. Beim Zoll ist er immer gern gesehen, da alle Papiere in Ordnung sind. Gabriel meldet sämtliche Waren im Vorfeld an und begleicht seine Zollgebühren jedes Mal anstandslos. Mittlerweile wird er nur noch oberflächlich kontrolliert, was unter anderem an dem hohen ‚Trinkgeld‘ liegt, das in die Hände der Zöllner fließt. Dass hinter den doppelten Wänden junge Frauen durch die verabreichten Drogen tief schlafen, bemerkt keiner der Kontrolleure, die sich gar nicht erst die Mühe machen, groß danach zu suchen. Immerhin ist dieser Mann in höchsten Kreisen sehr angesehen.

Pünktlich trifft Gabriel in Phu Thok ein, wo seine Männer bereits auf ihn warten.

„Wie sieht es aus?“, will der Befehlshaber von seinen Leuten erfahren.

„Alles klar, Boss. Wir hatten keine Probleme. Die gekauften Antiquitäten wurden bis auf drei Stück gestern geliefert. Sie stehen abholbereit in der Lagerhalle. Die anderen Teile kommen heute im Laufe des Tages an. Bis wir zurück sind haben Pierre und Xavier alles vorbereitet.“

Die Lagerhalle in Bangkok ist offiziell von dem Antiquitätenhändler unter dem Exportgeschäft Kanthak angemietet. Die regelmäßigen Kontrollen von Zoll und Polizei, die größtenteils unangemeldet stattfinden, verlaufen ohne Zwischenfälle. Bisher brauchte er sich darum keine Sorgen machen. Durch die weitreichenden Kontakte, die der Schmuggler zu Mitarbeitern der Behörden unterhält, wird er früh genug informiert.

„Gut, legen wir los!“

Von Phu Thok aus fahren sie mit beiden Fahrzeugen nach Chiang Khan, im Anschluss geht es an der laotischen Grenze entlang in Richtung Pak Chom. Bis sie dort ankommen besucht Gabriel mit jeweils einem seiner drei Begleiter die einschlägigen Lokalitäten, die ihm mittlerweile bestens bekannt sind.

Sobald die beiden deutschen Männer die Räumlichkeiten betreten, erscheinen die Besitzer, um die Belange dieser besonderen Gäste zu erfüllen. Sie alle kennen Gabriel Kanthak, der in regelmäßigen Abständen bei ihnen erscheint, weshalb keiner von ihnen auf die Idee käme, einen solchen Mann warten zu lassen. Überschwänglich begrüßen sie Gabriel und seinen Begleiter, welche sie zeitnah in ein Separee führen, von denen für den gern gesehenen, aber auch gefürchteten Geschäftspartner immer eines zur Verfügung steht. Bedienstete des Hauses servieren in aller Eile gekühlte Getränke, ehe weiteres Personal eine Auswahl der erlesensten Speisen kredenzt. Der Hausherr persönlich sucht derweil die Mädchen aus, mit denen er seiner Meinung nach die höchsten Einnahmen erzielen wird und sorgt dafür, dass sie sich für die Begutachtung herrichten, damit er sie dem Käufer vorführen kann.

Den Betreibern der heruntergekommenen Spelunken winkt jedes Mal ein lukratives Geschäft. Sie wissen, dass hier nicht lange um die Ware gefeilscht wird, weil dieser Mann sofort erkennt, mit welchem Mädchen er wieviel Profit erwirtschaften kann.

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