Kitabı oku: «Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht», sayfa 31
(a) Verbraucherschaden als Tatbestandsmerkmal
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Nach einer klaren programmatischen Aussage, die den Empfehlungen der EAGCP oder dem oben wiedergegebenen Statement von Neelie Kroes entsprechen würde, sucht man in den Kommissionsleitlinien vergeblich. Immerhin finden sich in den Fusionsleitlinien 2004 Ausführungen zu möglichen Effizienzgewinnen bzw. -nachteilen, die bei der Beurteilung von horizontalen Unternehmenszusammenschlüssen berücksichtigt werden sollen. Die Grundlage dafür ist die Neuformulierung des in Art. 2 Abs. 2 und 3 der FKVO 139/2004[123] verwendeten Kontrollmaßstabs („erhebliche Behinderung des Wettbewerbs, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung“) sowie der darauf bezogene Erwägungsgrund 29 der Verordnung („Berücksichtigung begründeter und wahrscheinlicher Effizienzvorteile“). In den Fusionsleitlinien 2004 heißt es dementsprechend unter anderem, dass die Kommission bei ihrer Gesamtbewertung eines Zusammenschlusses alle nachgewiesenen Effizienzvorteile berücksichtige.[124] Die Effizienzvorteile müssten allerdings den Verbrauchern zugutekommen[125] bzw. sie würden daran gemessen, dass die Verbraucher durch den Zusammenschluss nicht benachteiligt werden.[126] Hier wird also in der Tat der prognostizierte Verbrauchernachteil zum Tatbestandsmerkmal des Art. 2 Abs. 2 und 2 FKVO erhoben, wenn auch nur im Gewand einer „Effizienzeinrede“. Von einer verallgemeinerungsfähigen programmatischen Aussage im Sinne eines für das gesamte Wettbewerbsrecht der EU maßgeblichen Kriteriums des Verbraucherschadens sind die Fusionsleitlinien 2004 aber weit entfernt. Eine allgemein verständliche Darlegung, dass die Kommission unter dem „stärker wirtschaftlichen Ansatz“ die generelle Ausrichtung des Wettbewerbsrechts an der Konsumentenwohlfahrt versteht, sähe anders aus.
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Entsprechendes gilt auch für die Missbrauchsleitlinien 2009,[127] in denen die Kommission zwar betont, sie werde sich bei der Anwendung von Artikel 82 EG [jetzt: Art. 102 AEUV] auf Behinderungsmissbräuche von Unternehmen in marktbeherrschender Stellung auf diejenigen missbräuchlichen Verhaltensweisen konzentrieren, die den Verbrauchern am meisten schaden. Die Kommission weist jedoch sogleich darauf hin, sie werde bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts darauf achten, dass die Märkte reibungslos funktionieren und die Verbraucher von der Effizienz und Produktivität profitieren, die ein wirksamer Wettbewerb zwischen Unternehmen hervorbringt.[128] Der zunächst hervorgerufene Eindruck, ein Behinderungsmissbrauch hinge vom Nachweis eines Verbraucherschadens ab, wird also dadurch wieder korrigiert, dass die Verbrauchervorteile letztlich dann doch zutreffend dem „wirksamen Wettbewerb“ zugeschrieben werden, dessen Funktionsfähigkeit die Kommission zu gewährleisten beabsichtigt.
(b) Marktstrukturwirkungen als Beurteilungsmaßstab
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Die Kommission spricht überhaupt nur an zwei Stellen ausdrücklich von einem „ökonomischen Ansatz“, nämlich in den Freistellungsleitlinien 2004.[129] Dort erläutert sie diesen Ansatz im Sinne einer Orientierung an den Marktauswirkungen. Das Kartellverbot des Art. 81 Abs. 1 EG [jetzt: Art. 101 Abs. 1 AEUV] sei nicht anwendbar, wenn die festgestellten wettbewerbswidrigen Auswirkungen unbedeutend sind. Darin komme der wirtschaftliche Ansatz zum Ausdruck.[130] Damit wird der auch vom ehemaligen Kommissar Monti betonte „Wirkungsansatz“ (effects-based approach) angedeutet, der allerdings so lange nichtssagend ist, wie nicht klargestellt wird, welche Auswirkungen worauf entscheidend sein sollen. Insofern heißt es in den Freistellungsleitlinien 2004 der Kommission konkreter, es komme auf die Auswirkungen auf dem betreffenden Markt an, wobei die Kommission negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsparameter (Preise, Produktionsmenge, Innovation oder Vielfalt und Qualität der Waren und Dienstleistungen) in den Vordergrund stellt.[131] In diesem Zusammenhang betont die Kommission aber auch, dass solche Auswirkungen von einer Verminderung des Wettbewerbsdrucks zwischen den Parteien einer Vereinbarung oder zwischen ihnen und Dritten ausgehen können.[132] Derartige Beschränkungen hätten eine Fehlallokation der Ressourcen zur Folge und sie führten auch zu einem Rückgang des Wohlstands der Verbraucher, weil diese höhere Preise für die betreffenden Waren und Dienstleistungen bezahlen müssten.[133]
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Aus diesen Formulierungen wird deutlich, dass die Kommission einen Wirkungszusammenhang sieht zwischen
– | einer Verminderung des „Wettbewerbsdrucks“ (die nur aus einer Beeinträchtigung des Rivalisierens von Konkurrenten resultieren kann, dh aus einer Verschlechterung der Marktstruktur), |
– | den negativen Auswirkungen auf Preise, Mengen, Qualitäten, Vielfalt und Innovation als den wesentlichen Wettbewerbsparametern, sowie |
– | der Fehlallokation von Ressourcen, dh der Beeinträchtigung der Effizienz und des Wohlstands der Verbraucher (Konsumentenwohlfahrt). |
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Dass ein solcher Wirkungszusammenhang in abstracto besteht, gehört zu den gesicherten Erkenntnissen der Ökonomik, die niemand bestreitet. Ob sich dieser Zusammenhang allerdings auch in concreto derart nachweisen lässt, dass einem ganz bestimmten unternehmerischen Verhalten unmittelbar ganz bestimmte Wohlfahrtswirkungen zugeordnet werden können, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das ist bereits weiter oben prinzipiell in Frage gestellt worden (siehe oben Rn. 350 ff.). Der klassische Ansatz bei der Marktstruktur hat nicht zuletzt seinen guten Grund darin, dass schon die Auswirkungen auf die Wettbewerbsparameter nicht umfassend und zuverlässig gemessen werden können, geschweige denn die Veränderungen der Konsumentenwohlfahrt. Nach den programmatischen Formulierungen der Kommission ist ohnehin völlig offen, welchen Aspekt des abstrakten Zusammenhangs zwischen Wettbewerb, Wettbewerbsparametern und Wohlfahrtswirkungen sie letztlich als wettbewerbsrechtlichen Maßstab für die Beurteilung eines konkreten unternehmerischen Marktverhaltens für relevant hält. Ist es die Minderung des „Wettbewerbsdrucks“ unter den Marktteilnehmern, dh die Verschlechterung der Marktstruktur? Sind es die negativen Auswirkungen auf Preise, Mengen, Qualitäten etc.? Oder sind es die Effizienzwirkungen, insbesondere die Auswirkungen auf die Konsumentenwohlfahrt? Die Kommission legt sich in keiner Weise fest. Jedenfalls ist den Kommissionsleitlinien nicht zu entnehmen, dass der „stärker ökonomische Ansatz“, soweit er sich an den „Marktwirkungen“ des jeweils zu beurteilenden Verhaltens orientieren soll, eindeutig und maßgeblich auf die Konsumentenwohlfahrt (den Verbraucherschaden) als Beurteilungskriterium abstellt.
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In ihren neueren Leitlinien tendiert die Kommission denn auch deutlicher zum Schutz „des Wettbewerbs“. So heißt es in den Vertikalleitlinien 2010, das Kartellverbot des Art. 101 AEUV solle sicherstellen, dass Unternehmen bestimmte Vereinbarungen nicht „zur Einschränkung des Wettbewerbs“ und damit „zum Nachteil der Verbraucher“ einsetzen.[134] Ganz ähnlich heißt es in den Horizontalleitlinien 2011, dass Vereinbarungen wettbewerbswidrige Auswirkungen haben, wenn sie „den Wettbewerb zwischen den Parteien der Vereinbarung oder zwischen einer der Parteien und Dritten verringern“ bzw. wenn sie die Parteien „in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken“.[135]
(c) Marktmacht als Wettbewerbskriterium
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In einer Reihe von Leitlinien erläutert die Kommission durchaus, dass es ihr bei der Beurteilung der Marktwirkungen eines bestimmten unternehmerischen Verhaltens um marktstrukturelle Erwägungen gehe. Das sagt sie teils ausdrücklich, teils lässt es sich daraus ableiten, dass die Kommission dem Kriterium der Markmacht entscheidende Bedeutung beimisst. Dafür stehen zunächst die Horizontalleitlinien 2011, in denen die Kommission darlegt, dass die Marktmacht der Beteiligten und andere Merkmale der Marktstruktur ein wesentlicher Bestandteil bei der Ermittlung der von einer Koordinierung des Marktverhaltens zu erwartenden Auswirkungen und damit für eine Bewertung gem. Art. 101 AEUV sei.[136] Marktmacht sei die Möglichkeit, den Markt hinsichtlich Preisen, Produktion, Innovation oder Vielfalt sowie Qualität der Waren und Dienstleistungen negativ zu beeinflussen.[137] Und ganz ähnlich heißt es in den Freistellungsleitlinien 2004, dass negative Auswirkungen auf den Wettbewerb im relevanten Markt häufig dann entstünden, wenn die Parteien einzeln oder gemeinsam ein gewisses Maß an Marktmacht hätten oder erlangten und die Kartellvereinbarung zur Begründung, Erhaltung oder Stärkung dieser Marktmacht beitrüge, oder es den Parteien ermögliche, diese Marktmacht auszunutzen.[138]
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In diesem Zusammenhang charakterisiert die Kommission Wettbewerbsbeschränkungen bemerkenswerter Weise auch dadurch, dass sie „negative Auswirkungen auf den Wettbewerb“ haben und konkretisiert diese negativen Auswirkungen wiederum durch den Aspekt der Marktmacht. Es ist dann die durch eine Beschränkung des Wettbewerbs erlangte oder verstärkte Marktmacht, welche die negativen Auswirkungen auf Preise, Mengen, Qualitäten etc. zur Folge hat. Daran ist bemerkenswert, dass diese Auswirkungen nicht mehr direkt an das zu beurteilende unternehmerische Verhalten angeknüpft werden, sondern an die aus diesem Verhalten resultierende Veränderung der Marktstruktur. Marktmacht ist stets ein Indikator für deren Verengung. Die genannten Auswirkungen sind also vermittelt durch die Marktstruktur, deren Verengung das Ergebnis des wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens ist. Die marktstrukturellen Wirkungen sind hiernach das eigentlich maßgebliche Kriterium für die wettbewerbliche Beurteilung eines konkreten Verhaltens von Unternehmen.
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Das ergibt sich auch aus den Fusionsleitlinien 2004, wo die Kommission betont, dass ein wirksamer Wettbewerb den Verbrauchern Vorteile bringe, zum Beispiel in Form niedriger Preise, hochwertiger Produkte, einer großen Auswahl an Waren und Dienstleistungen und Innovation. Mit der Fusionskontrolle verhindere die Kommission Zusammenschlüsse, die geeignet wären, den Verbrauchern diese Vorteile vorzuenthalten, indem die Marktmacht der Unternehmen spürbar erhöht würde.[139] Damit greift die Kommission zum Zweck der Konkretisierung dessen, was sie unter wirksamem Wettbewerb versteht, erneut auf den Gesichtspunkt der Marktstruktur zurück, indem sie die Begründung oder Verstärkung der Marktmacht der beteiligten Unternehmen zum entscheidenden Maßstab erhebt. Es bedarf keiner Betonung, dass dies etwas anderes ist als eine klare und direkte Orientierung am Kriterium der Konsumentenwohlfahrt. Es geht insoweit vielmehr um die Aufrechterhaltung einer für die Wirksamkeit des Wettbewerbs hinreichend offenen Marktstruktur.
(d) Der Wettbewerbsprozess als Schutzziel
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Am weitesten entfernt sich die Kommission vom Kriterium der Konsumentenwohlfahrt dort, wo sie ausdrücklich davon spricht, dass es ihr um den Schutz des Wettbewerbs bzw. des Wettbewerbsprozesses als solchen geht. So formuliert sie in den Freistellungsleitlinien 2004, Art. 81 EG [jetzt: Art. 101 AEUV] solle den Wettbewerb im Markt schützen, um den Wohlstand der Verbraucher zu fördern und eine effiziente Ressourcenallokation zu gewährleisten. Wettbewerb und Marktintegration dienten diesen Zielen, da die Schaffung und Erhaltung eines offenen Binnenmarkts eine effiziente Ressourcenallokation in der gesamten Gemeinschaft zum Wohle der Verbraucher fördere.[140] Die Kommission setzt hier also den Wettbewerb im Markt einerseits und die Konsumentenwohlfahrt sowie die Allokationseffizienz andererseits derart zueinander in Bezug, dass die Wohlfahrts- bzw. Effizienzwirkungen als Folgen des Wettbewerbs erscheinen. Diese Wirkungen werden dadurch gewährleistet, dass der Wettbewerb geschützt wird, und nicht dadurch, dass man ineffizientes Verhalten von Unternehmen untersagt.
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Deutlich wird dies auch aus den Missbrauchsleitlinien 2009, wo die Kommission ausdrücklich darlegt, sie wolle mit ihrem Vorgehen im Falle von Behinderungsmissbrauch in erster Linie den Wettbewerbsprozess im Binnenmarkt schützen und sicherstellen, dass Unternehmen in marktbeherrschender Stellung ihre Wettbewerber nicht durch andere Mittel als die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte bzw. Dienstleistungen vom Markt ausschließen. Dabei gehe es der Kommission vor allem darum, den Wettbewerbsprozess und nicht einfach die Wettbewerber zu schützen.[141] Bei dieser Wortwahl musste sich die Kommission darüber im Klaren gewesen sein, dass sich mit dem Begriff „Wettbewerbsprozess“ eindeutig die Vorstellung verbindet, der Wettbewerb sei ein Entdeckungsverfahren, dessen konkrete Ergebnisse sich weder vorhersagen, noch einzelnen unternehmerischen Handlungen zurechnen lassen. Diese Konzeption steht aber in diametralem Gegensatz zu einem „stärker wirtschaftlichen Ansatz“ im Sinne der eingangs wiedergegebenen Empfehlungen der EAGCP.[142] Dass der Schutz des Wettbewerbsprozesses im Sinne der Aufrechterhaltung einer hinreichend offenen Marktstruktur indirekt auch die Wettbewerber in ihren Marktchancen schützt, versteht sich von selbst. Es gibt keinen Wettbewerb ohne Wettbewerber. Daraus einen Gegensatz zu konstruieren ist verfehlt. Im „System unverfälschten Wettbewerbs“ sind die Wettbewerber, die dem Leistungswettbewerb standhalten, „systemrelevant“.
(e) Reaktion des EuGH
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Kommissionsleitlinien können keine normative Verbindlichkeit für sich in Anspruch nehmen. Sie sind keine Rechtsakte, die das primäre oder das sekundäre Unionsrecht ändern können. Sie bringen zwar die von der Kommission für richtig gehaltene Interpretation der Wettbewerbsregeln zum Ausdruck, sie können aber die allein verbindliche Auslegung durch den EuGH nicht präjudizieren. Dies bedeutet aber umgekehrt, dass die Rechtsprechung des Gerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union von der Kommission zu beachten ist. Es ist daher nicht ohne Bedeutung, dass der EuGH in letzter Zeit wiederholt seinen bereits im Fall Continental Can formulierten Standpunkt bekräftigt hat, die Wettbewerbsregeln seien nicht nur auf Verhaltensweisen zu beziehen,
„durch die den Verbrauchern ein unmittelbarer Schaden erwachsen kann, sondern auch auf solche, die ihnen durch einen Eingriff in die Struktur des tatsächlichen Wettbewerbs, von dem Art. 3 Buchst. f EWGV [jetzt: Art. 3 Abs. 3 UAbs. I S. 1 EU iVm Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb] des Vertrages handelt, Schaden zufügen“.[143]
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Soweit der EuGH an dieser Stelle Verhaltensweisen erwähnt, deren Wettbewerbswidrigkeit auf einer unmittelbaren Schädigung der Verbraucher beruht, handelt es sich ausschließlich um die Fälle des Ausbeutungsmissbrauchs marktbeherrschender Unternehmen im Sinne von Art. 102 AEUV. Daraus lässt sich also keineswegs verallgemeinernd der Schluss ziehen, auch in allen anderen von den Wettbewerbsregeln erfassten Fällen hinge die Wettbewerbswidrigkeit von einer Schädigung der Verbraucher (dh einer Minderung der Konsumentenwohlfahrt) ab. In den Missbrauchsleitlinien 2009 anerkennt die Kommission das implizit selbst.[144]
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Nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH geht es also im Europäischen Wettbewerbsrecht in der Regel gerade nicht um direkten Verbraucherschutz, sondern um den Schutz eines „wirksamen Wettbewerbs“ (dh des Wettbewerbsprozesses und einer wettbewerblichen Marktstruktur). Die erwarteten positiven gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtswirkungen sind hiernach das Ergebnis des Wettbewerbs und nicht das Ergebnis einzelner individualisierbarer unternehmerischer Handlungen, deren gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtswirkungen erst durch den Wettbewerb vermittelt werden. Soweit die Kommission in den letzten Jahren demgegenüber den Eindruck vermittelt hat, die von ihr beabsichtigte „Modernisierung“ der Wettbewerbsregeln bestehe gerade darin, dass das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes generell von negativen Effizienzwirkungen (insbesondere in Gestalt eines Verbraucherschadens) abhängig gemacht werden solle, verlässt sie die normativen Grundlagen der unionsrechtlichen Wettbewerbspolitik.
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Das hat inzwischen der EuGH mit seinem Urteil im Rechtsstreit GlaxoSmithKline/Kommission über die Wettbewerbswidrigkeit von Parallelhandelsbeschränkungen im Arzneimittelbereich[145] bestätigt. Er hat – entgegen dem EuG,[146] jedoch in Übereinstimmung mit den Schlussanträgen der Generalanwältin[147] – entschieden, dass die Verbraucherbenachteiligung kein Tatbestandsmerkmal des Kartellverbots des Art. 81 Abs. 1 EG [jetzt: Art. 101 Abs. 1 AEUV] ist und damit keine Voraussetzung für die Feststellung einer Wettbewerbsbeschränkung.[148] Und in seinem Urteil T-Mobile Netherlands[149] hat der EuGH mit aller wünschenswerten Klarheit konstatiert, dass
„die … Wettbewerbsregeln des Vertrags nicht nur dazu bestimmt [sind], die unmittelbaren Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher zu schützen, sondern die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb.“
(f) Forensische Ökonomie
Literatur:
Ewald Ökonomie im Kartellrecht: Vom more economic approach zu sachgerechten Standards forensischer Ökonomie, ZWeR 2011, 15; Zimmer Law and Economics im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, in: FS Canenbley (2012) 525.
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Anders als es nach den Aussagen der Kommission und der allgemeinen Diskussion häufig den Anschein hat, bedeutet die „stärker wirtschaftliche Betrachtungsweise“ (der more economic approach) in Wahrheit keine ökonomische Neuausrichtung der wettbewerbsrechtlichen Bewertungsmaßstäbe, die an ein unternehmerisches Verhalten angelegt werden. Vielmehr betrifft dieser Ansatz genau genommen (nur) die ökonomische Analyse der Sachverhalte und ihrer Subsumtion unter die rechtlich definierten Maßstäbe in den konkreten Einzelfällen. Die Ökonomisierung der Wettbewerbsregeln ist also bei zutreffender Würdigung keine theoretische Frage der Schutzziele, sondern eine Frage der praktischen Rechtsanwendung:
Diese Unterscheidung tritt in dem bereits erwähnten Fall GlaxoSmithKline/Kommission,[150] in dem es um die Wettbewerbswidrigkeit von Parallelhandelsbeschränkungen im Arzneimittelbereich ging, deutlich hervor: Zunächst wurde in diesem Fall die normative Frage aufgeworfen, ob das ökonomische Konzept der Verbraucherbenachteiligung ein für die Beurteilung solcher Beschränkungen maßgebliches Tatbestandsmerkmal des Kartellverbots des Art. 81 Abs. 1 EG [jetzt: Art. 101 Abs. 1 AEUV] sei und damit eine Voraussetzung für die Feststellung einer Wettbewerbsbeschränkung. Das hat der EuGH wie gesagt – entgegen dem EuG,[151] jedoch in Übereinstimmung mit den Schlussanträgen der Generalanwältin[152] – abgelehnt.[153] Für den Fall einer positiven Antwort auf diese Frage hätte sich dann – in Übereinstimmung mit dem EuG – das Problem des tatsächlichen Nachweises der durch Parallelhandel entstehenden Verbrauchervorteile bzw. der durch Beschränkungen dieses Handels entstehenden Verbrauchernachteile gestellt. Zur Lösung dieses Problems wäre auf ökonomische Erfahrungssätze abzustellen gewesen.[154]
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Es besteht Einigkeit darüber, dass die Nutzung ökonomischer und ökonometrischer Erkenntnisfortschritte für die Sachverhaltsaufklärung und -würdigung unerlässlich ist. Man hat dafür treffend den kennzeichnenden Begriff der forensischen Ökonomie geprägt.[155] Sie ist keineswegs ein neues Phänomen, wenngleich sie in den letzten Jahren schrittweise verstärkt genutzt worden ist, und zwar sowohl bei der Anwendung des Kartellverbots als auch des Verbots des Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung und der Zusammenschlusskontrolle:[156]
Hinzuweisen ist im Rahmen der Anwendung des Kartellverbots beispielsweise auf das Problem des Nachweises einer Abstimmung des Marktverhaltens, wenn es an expliziten Absprachen fehlt. Die Frage ist dann, inwieweit sich aus den beobachtbaren Indizien auf ein Kartell schließen lässt. Im berühmten Teerfarbenfall[157] hatten die großen europäischen Farbenhersteller aus verschiedenen Ländern, die zahlreich genug waren, um noch nicht als (enges) Oligopol mit starker Reaktionsverbundenheit angesehen zu werden, mehrfach in vergleichsweise kurzen Abständen nahezu gleichzeitig – jeweils nach vorheriger Ankündigung – die Preise für ein umfangreiches und durchaus heterogenes Warensortiment angehoben. Aufgrund des Erfahrungssatzes, dass nur Mitglieder eines engen Oligopols, die bei weitgehend identischen Kostenstrukturen homogene Güter herstellen, aufgrund ihrer Reaktionsverbundenheit (Interdependenz) auch ohne wechselseitige Abstimmung zu parallelem Marktverhalten neigen, war die Kommission hier zu dem gegenteiligen Schluss gekommen, dass sich die parallelen Preiserhöhungen gar nicht anders als durch eine horizontale Verhaltensabstimmung erklären ließen. Weder hatte es sich um ein hinreichend enges Oligopol gehandelt, um von einer zwingenden Reaktionsverbundenheit sprechen zu können, noch konnte von übereinstimmenden Kostenstrukturen und von homogenen Gütern die Rede sein. Darüber hinaus hatten die jeweiligen Ankündigungen der beabsichtigten Preiserhöhungen seitens einiger Marktteilnehmer den Konkurrenten die Unsicherheit hinsichtlich der wechselseitigen Reaktionen genommen, die für den Wettbewerb kennzeichnend ist. Dieser Sachverhaltswürdigung der Kommission und dem ihr zugrundeliegenden Erfahrungssatz ist der EuGH gefolgt.
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Andererseits hat das EuG in jüngeren Entscheidungen mehrfach gerügt, dass die Kommission ihrer Beweisführung keinen tragfähigen Erfahrungssatz zugrundegelegt bzw. dessen Anwendung nicht hinreichend mit Tatsachen untermauert habe:
So hatte in einem Fall vertikaler Re-Exportverbote (Parallelhandelsbeschränkungen) im Arzneimittelbereich, die von einem Produzenten seinen Händlern in anderen Mitgliedstaaten auferlegt worden waren, um zu verhindern, dass die Händler seine eigenen Absatzchancen in einem höherpreisigen Drittstaat durch Re-Exporte minimierten, der Produzent diese Handelsbeschränkungen im Sinne ihrer Freistellungsfähigkeit nach Art. 81 Abs. 3 EG [jetzt: Art. 101 Abs. 3 AEUV] damit rechtfertigen wollen, dass sich die durch die fraglichen Beschränkungen bedingten Erlösverbesserungen positiv auf seine Innovationsfähigkeit auswirken würden.[158] Die Kommission hatte aufgrund eines entsprechenden Erfahrungssatzes angenommen, dass ein solcher Zusammenhang nicht zwingend sei, weil ein Unternehmen seine Gewinne zu beliebigen Zwecken einsetzen könne. Demgegenüber hat das EuG darin einen Begründungsmangel erblickt.[159] Die Kommission habe so konkret wie möglich prüfen müssen, ob der Eintritt der behaupteten Vorteile wahrscheinlicher sei als deren Nichteintritt.[160]
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Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang drei vom EuG wegen fehlerhafter Begründungen aufgehobene Entscheidungen der Kommission, mit denen sie verschiedene Unternehmenszusammenschlüsse gem. Art. 2 Abs. 2 und 3 FKVO 4064/89 für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt hatte. Nach dem damaligen Wortlaut kam es entscheidend auf die Feststellung an, ob der fragliche Zusammenschluss „eine beherrschende Stellung“ begründen oder verstärken würde:
Im Fall Airtours[161] hatte die Kommission die Übernahme des britischen Reiseveranstalters First Choice durch seinen größten Konkurrenten Airtours mit der Begründung untersagt, dass sich die Anzahl der großen britischen Reiseveranstalter dadurch von vier (Airtours, First Choice, Thomson Travel, Thomas Cook) auf drei reduzieren würde. Damit werde der Wettbewerb auf dem relevanten Markt beseitigt und es komme zur kollektiven Markbeherrschung des verbleibenden Oligopols. Angesichts der extrem hohen Transparenz auf dem relevanten Markt, sei ein von den jeweils anderen Konkurrenten unabhängiges Marktverhalten der Oligopolisten unmöglich, weil jeder Wettbewerbsvorstoß in Gestalt einer Ausdehnung des Angebots umgehend entsprechende Anpassungsreaktionen der übrigen Oligopolisten provoziere und daher nicht profitabel sei. Daraus folge eine Tendenz zur Angebotsverknappung aufgrund einer stillschweigenden Koordinierung des Marktverhaltens der Oligopolisten. Während die Kommission also aufgrund eines entsprechenden Erfahrungssatzes von der marktstrukturell bedingten Reaktionsverbundenheit der Oligopolisten auf ein wettbewerbswidriges Parallelverhalten geschlossen hatte, sah das EuG dies nicht als ausreichende Begründung an. Anders als die Kommission, verlangte das EuG den Nachweis, dass die Oligopolisten auch über „ausreichende Abschreckungsmittel“ im Verhältnis zueinander verfügten, um jeden von ihnen von einem Ausscheren aus dem gemeinsamen Marktverhalten abzuhalten.[162] Für diesen Nachweis genüge es nicht ohne weiteres darauf hinzuweisen, dass ein Ausscheren das sofortige Nachziehen der Konkurrenten zur Folge hat. Obwohl das Gericht der Kommission im Grundsatz ein gewisses Ermessen bei der Beurteilung des Sachverhalts einräumte,[163] hat es in diesem Fall die Beweisführung der Kommission detailliert auf ihre ökonomische Überzeugungskraft überprüft. Das Ergebnis war negativ und die Kommissionsentscheidung wurde aufgehoben.[164]
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Aus alledem wird deutlich wo die „stärker ökonomische Betrachtungsweise“ ihren legitimen Platz hat: Nicht auf der Eben der Schutzzwecke der Wettbewerbsregeln, sondern im Sinne einer forensischen Ökonomie auf der Ebene der Sachverhaltsaufklärung und -würdigung. Dass die zutreffende ökonomische Erfassung von wettbewerblich relevanten Sachverhalten auch Rückwirkungen auf die Ebene Normsetzung (etwa die Gestaltung von Verordnungen) haben kann,[165] ist dabei keineswegs ausgeschlossen. Der Begriff „forensisch“ darf daher nicht so verstanden werden, dass er die Verwertung ökonomischer Erkenntnisse allein den Kartellbehörden und Gerichten vorbehält.