Kitabı oku: «Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht», sayfa 36

Yazı tipi:

3. Einschränkung und Selbstbeschränkung

472

Die extraterritoriale Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln betrifft zwar unmittelbar nur das Marktverhalten von Unternehmen. Sie kann damit aber auch die an der Ordnung der Wirtschaft orientierten Regelungsinteressen des ausländischen Staates berühren, in dem die nach EU-Recht verbotene Wettbewerbsbeschränkung veranlasst worden ist. Möglich sind somit internationale Interessenkonflikte zwischen der EU und Drittstaaten. Wenn im Einzelfall die materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine extraterritoriale Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln gegeben sind, stellt sich daher anschließend die Frage nach etwaigen völkerrechtlichen Schranken, die nicht nur der Durchsetzung im Wege von Vollstreckungshandlungen, sondern möglicherweise auch schon einer „exorbitanten“ extraterritorialen Rechtsanwendung selbst entgegenstehen. Dass die EU ihre Wettbewerbsregeln nicht mittels hoheitlicher Maßnahmen gegen Unternehmen auf dem Territorium von Drittstaaten durchsetzen darf, ist ein allgemein anerkannter Ausfluss der auf das eigene Territorium beschränkten Hoheitsgewalt von Staaten.[38] Der hoheitliche Übergriff auf das Territorium anderer Staaten wäre eine völkerrechtswidrige Verletzung fremder Souveränität. Inwieweit aber bereits die extraterritoriale Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln auf im Ausland veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen ein völkerrechtswidriger Eingriff in den Zuständigkeitsbereich von Drittstaaten bedeuten kann, ist fraglich. Wirklich problematisch wird diese Frage allerdings nur dann, wenn zwischen den wettbewerblichen Regelungsinteressen der EU und den davon abweichenden Regelungsinteressen eines betroffenen ausländischen Staates ein echter Jurisdiktionskonflikt besteht.[39] Das kommt von vornherein nur in Betracht, wenn die mangelnde Sanktionierung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch den ausländischen Staat als Ausdruck seines positiven ordnungspolitischen Gestaltungswillens betrachtet werden kann, dh wenn dieser Staat rechtsverbindlich die Beschränkung des Wettbewerbs als in seinem öffentlichen Interesse liegend qualifiziert hat. Die Überlegung, dass die Unternehmen möglicherweise mit asymmetrischen Marktverhaltensanforderungen konfrontiert sind, ist nicht ohne weiteres rechtlich relevant. Zum einen können sich Unternehmen der Anwendung sanktionsbewehrter Wettbewerbsregeln schlicht durch Verzicht auf die Beschränkung des Wettbewerbs entziehen (sofern die Wettbewerbsbeschränkung nicht ausnahmsweise einmal vom ausländischen Staat ausdrücklich vorgeschrieben ist); sie geraten also nicht etwa selbst in einen Loyalitätskonflikt bezüglich der divergierenden rechtlichen Regelungen. Zum anderen kann der fehlende Wettbewerbsschutz im einen Staat für den anderen Staat kein Anlass sein, ebenfalls auf einen solchen Schutz zu verzichten.

473

Um einen echten Jurisdiktionskonflikt anzunehmen, kann es daher nicht genügen, dass der ausländische Staat auf den Schutz des Wettbewerbs durch Verbote von Wettbewerbsbeschränkungen verzichtet. So hat es der EuGH im Fall Zellstoff[40] abgelehnt, einen Widerspruch zwischen dem Kartellverbot des Unionsrechts und dem US-amerikanischen Webb-Pomerene Act anzunehmen, der zwar Exportkartelle vom amerikanischen Kartellverbot ausnimmt, ohne sie aber vorzuschreiben. Ganz ähnlich hat das EuG im Fall Gencor[41] die Annahme eines echten Konflikts zwischen der unionsrechtlichen Untersagung eines sich im Binnenmarkt wettbewerbswidrig auswirkenden ausländischen Unternehmenszusammenschlusses und der Unbedenklichkeitserklärung der ausländischen Regierung abgelehnt. Entscheidend ist allein, ob die Rechtsfolgen einer Verletzung der EU-Wettbewerbsregeln mit denen der fraglichen ausländischen Regelungen oder Maßnahmen kollidieren.[42] Dass solche echten Jurisdiktionskonflikte im Bereich des Wettbewerbsrechts denkbar sind, hat exemplarisch der berühmte Laker-Fall[43] gezeigt, in dem es um kollidierende Regelungen des US-amerikanischen und des britischen Rechts in Bezug auf ein gegen Laker gerichtetes Preisunterbietungskartell ging, an dem führende internationale Fluggesellschaften beteiligt waren. Gegen die US-amerikanische Antitrust-Gesetzgebung brachte das Vereinigte Königreich sogar eine spezifische Abwehrgesetzgebung[44] in Stellung, mit der die Durchsetzung des US-amerikanischen Kartellverbots gegen nicht-amerikanische Fluggesellschaften im Vereinigten Königreich verhindert werden sollte. Solche expliziten staatlichen Interessenbekundungen in Form von Abwehrgesetzen (blocking statutes) hat es immer wieder auch in anderen Staaten gegeben. Im Hinblick auf die Wettbewerbsregeln der EU ist an die von der Kommission in Anspruch genommene Kompetenz zur Anwendung der FKVO auf den Zusammenschluss der beiden US-amerikanischen Flugzeughersteller Boeing und McDonnell Douglas zu erinnern, der von den US-amerikanischen Behörden genehmigt worden war, bei der Kommission jedoch zunächst auf erhebliche Bedenken stieß, die erst nach erheblichen Auseinandersetzungen ausgeräumt wurden.[45] Ähnlich war es im Fall der Übernahme von Honeywell durch General Electric in den USA.[46] In Fällen solcher Jurisdiktionskonflikte ist es nicht selten sogar zu eskalierenden politischen Konfrontationen und am Ende zu außergerichtlichen internationalen Verhandlungslösungen auf Regierungsebene gekommen.

474

Ein allgemeines Prinzip der Konfliktvermeidung, hinter dem der Anwendungsanspruch der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln zurücktreten müsste, gibt es nicht. Für die Lösung echter Jurisdiktionskonflikte wird jedoch vor allem das völkerrechtliche Interventionsverbot herangezogen. Es folgt aus dem Grundsatz der „souveränen Gleichheit“ der Staaten (Art. 2 Nr. 1 UN-Charta), der allen Staaten gleichermaßen die Freiheit einräumt, ihre eigene politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Ordnung autonom zu gestalten. Daraus ergibt sich zum einen, dass die EU zunächst einmal berechtigt ist, ihr System unverfälschten Wettbewerbs auch gegen die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen zu schützen, die von Unternehmen im Ausland veranlasst worden sind. Zum anderen darf die EU dabei jedoch nicht in die Freiheit anderer Staaten eingreifen, ihre Wirtschaft nach anderen Grundsätzen zu gestalten. Derart weitgehende Wirkungen wird aber die extraterritoriale Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln kaum jemals haben. Sofern es im Einzelfall zu einem Konflikt zwischen den Regelungsinteressen der EU und denen dritter Staaten kommt, wird aus dem Interventionsverbot zuweilen immerhin ein Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (comity) bzw. der Interessenabwägung abgeleitet.[47] Dieses Gebot hat auch in der Entscheidungspraxis der Unionsorgane gelegentlich eine Rolle gespielt. So hatte sich im Fall IBM/Kommission[48] die Klägerin – allerdings erfolglos – auf das Interventionsverbot berufen, um die Nichtigkeit der Einleitung eines Kartellverfahrens gegen ein US-amerikanisches Unternehmen zu begründen; der EuGH verneinte jedoch schon die Zulässigkeit der Klage.[49] Auch im Zellstoff-Fall[50] hatten sich die Klägerinnen – ebenfalls erfolglos – auf das Interventionsverbotsverbot und den Grundsatz der Völkercourtoisie (comitas gentium) berufen mit der Begründung, das fragliche Kartell stelle ein aus der Sicht der USA nach dem Webb-Pomerene Act erlaubtes Exportkartell dar; und im Fall Gencor[51] war gegen die Anwendung der FKVO auf einen ausländischen Unternehmenszusammenschluss geltend gemacht worden, der ausländische Staat habe ausdrücklich die wettbewerbliche Unbedenklichkeit der Fusion festgestellt. In allen Fällen wurde auf das Fehlen eines echten Interessenkonflikts zwischen der EU und dem jeweiligen Drittstaat abgestellt und daher die Existenz eines völkerrechtlich verbindlichen Interventionsverbots offen gelassen.[52] In der US-amerikanischen Rechtsprechung ist dagegen zeitweise ein sogenannter balancing test propagiert worden,[53] gegen den der Court of Appeals, District of Columbia, im Fall Laker jedoch durchschlagende grundsätzliche Bedenken erhoben hat.[54] Nachdem der US Supreme Court eine Interessenabwägung ohnehin in Fällen abgelehnt hat, in denen kein echter Jurisdiktionskonflikt im oben erwähnten Sinne vorlag,[55] ist dieser Ansatz kaum noch von größerer praktischer Bedeutung.[56]

475

Im Ergebnis ist festzustellen, dass eine Beschränkung der auf dem (qualifizierten) Auswirkungsprinzip beruhenden extraterritorialen Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts durch gegenseitige Rücksichtnahme im Völkerrecht keine gesicherte Grundlage hat. Insbesondere hat bisher weder das Interventionsverbot in der Rechtsprechung Unterstützung gefunden, noch auch die daraus abgeleitete Pflicht zur Interessenabwägung. Dessen ungeachtet mag im Fall eines echten und gravierenden Konflikts eine gewisse Mäßigung der Rechtsdurchsetzung auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips (rule of reason) geboten sein. Einer solchen Selbstbeschränkung entspricht die Kommissionspraxis immerhin insoweit als sie sich der Möglichkeit einer Kooperation und Interessenabstimmung mit ausländischen Kartellbehörden bedient (siehe dazu Rn. 478 ff.). Zu bedenken ist dabei aber immer, dass das Wettbewerbsrecht nicht nur die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbssystems als Institution schützt, sondern indirekt auch die Wettbewerbschancen Einzelner. Ihr Schutz kann nicht ohne weiteres hinter ausländischen Staatsinteressen zurücktreten.

4. Grenzen der Durchsetzungskompetenz

476

Angesichts des allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatzes, dass die Hoheitsgewalt eines Staates an seinen territorialen Grenzen endet und kein Staat berechtigt ist, Hoheitsakte auf fremdem Territorium zu vollziehen,[57] sind auch der EU entsprechende Grenzen für die Durchsetzung ihrer Wettbewerbsregeln gegenüber Unternehmen im Ausland gesetzt.[58] Davon sind alle hoheitlichen Zwangsmaßnahmen der Unionsorgane betroffen, die im Rahmen der einschlägigen Kartell- bzw. Fusionskontrollverfahren zur Durchsetzung der Wettbewerbsregeln gegen Unternehmen in Betracht kommen: insbesondere die Verfahrenseröffnung durch die Kommission, die Sicherung von Beweismaterial, vor allem im Wege der Informationsgewinnung durch Auskunftsverlangen, Befragung von Personen, Beschlagnahme von Dokumenten oder Durchsuchungen, ferner die im Falle der Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes mögliche Verfügung zur Abstellung von Zuwiderhandlungen bzw. die Untersagung eines Unternehmenszusammenschlusses sowie die Verhängung von Zwangsgeldern oder Geldbußen und deren Vollstreckung. Entsprechendes gilt für Verfügungen, Beschlüsse, Entscheidungen und Urteile der Europäischen Gerichte im Rahmen von Verfahren zur Überprüfung der Kommissionsentscheidungen.

477

Zulässig sind solche Maßnahmen gegenüber ausländischen Unternehmen grundsätzlich nur, wenn die entsprechenden Verfügungen, Entscheidungen, Beschlüsse, Urteile etc. der Kommission bzw. der Unionsgerichte den Adressaten innerhalb des Territoriums der EU zugestellt werden können. Dazu ist zumindest deren teilweise Präsenz in der EU erforderlich aber auch ausreichend. So hat der EuGH auch in diesem Zusammenhang aufgrund des Konzepts der wirtschaftlichen Einheit die Anwesenheit auch nur eines Teils einer multinationalen Unternehmensgruppe innerhalb der EU genügen lassen.[59] Die bloße Inpflichtnahme ausländischer Unternehmen durch die Zustellung entsprechender Verfügungen reicht aber nicht aus, soweit die Durchsetzung der EU Wettbewerbsregeln zwingend die Vornahme von Handlungen auf ausländischem Territorium impliziert, wie etwa im Falle der Beschlagnahme von im Ausland befindlichen Gegenständen, die Vorlage von dort deponierten Dokumenten oder die Durchsuchung von Geschäftsräumen im Ausland. Solche Handlungen setzen grundsätzlich die Erlaubnis bzw. Amtshilfe des betroffenen ausländischen Staates voraus. Ob es rechtlich zulässig ist, ohne solche Erlaubnis bzw. Hilfe auf Basis der unionsrechtlichen Verfahrensbestimmungen Verfügungen an im Ausland ansässige Unternehmen zu richten und sie beispielsweise auf dem Postweg zuzustellen, ist ebensowenig geklärt wie die Frage, ob Beweismaterial, das unter Umgehung der völkerrechtlichen Durchsetzungsgrenzen – durch Druck auf die ausländische Unternehmen – erlangt worden ist, verwertet werden darf. Allerdings hat sich der EuGH im Interesse eines wirksamen Wettbewerbsschutzes häufig über die engen völkerrechtlichen Voraussetzungen hinweggesetzt und es etwa für die zur Verfahrenseröffnung erforderliche Mitteilung von Beschwerdepunkten genügen lassen, dass das adressierte Unternehmen die Möglichkeit der Kenntnisnahme und damit der Verteidigung gegen die erhobenen Vorwürfe hatte.[60]

5. Internationale Kooperation

478

Die soeben erwähnten Durchsetzungsgrenzen lassen sich nur durch internationale Kooperation der EU mit ausländischen Staaten, insbesondere mit ihren Kartellbehörden und Gerichten überwinden. Dafür gibt es immerhin Ansätze, teils in Gestalt entsprechender Empfehlungen internationaler Organisationen wie der OECD, teils in Gestalt bilateraler Abkommen der EU.

479

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development, OECD) hat seit 1967 wiederholt (zuletzt 2014) revidierte Empfehlungen zur internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Durchsetzung von Wettbewerbsregeln veröffentlicht.[61] Die Empfehlungen beziehen sich auf die gegenseitige Notifizierung von Verfahren zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, die aufgrund ihrer extraterritorialen Auswirkungen wichtige Interessen anderer Staaten berühren, sowie auf den Informationsaustausch, die gegenseitige Konsultation und die Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten im Hinblick auf solche Verfahren. Der Verfahrensstaat behält dabei seine uneingeschränkte Herrschaft über das Kartellverfahren; er kann nach wie vor die Entscheidungen treffen, die gemäß seinen eigenen Wettbewerbsregeln vorgesehen sind. Ausländischen Staaten bzw. Kartellbehörden wird also kein Mitwirkungsrecht eingeräumt. Ihnen wird aber immerhin die Möglichkeit eröffnet, ihre Auffassung zur Geltung zu bringen, während der Verfahrensstaat Zugriff auf Informationen erhält, die ihm sonst nicht ohne weiteres zugänglich wären. Allerdings soll dadurch die Vertraulichkeit bestimmter Informationen nicht angetastet werden. Mangels Rechtsverbindlichkeit sind die Empfehlungen auf die freiwillige Befolgung durch die Staaten angewiesen. Insgesamt ändern die Empfehlung zwar nichts an der prinzipiell einseitigen (autonomen) Durchsetzung der Wettbewerbsregeln; sie öffnen aber immerhin die nationalen (hier: EU) Kartellverfahren für die potentielle Berücksichtigung der Interessen ausländischer Staaten.

480

Prototyp eines Abkommens über gegenseitige Unterstützung bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln ist das Kooperationsabkommen zwischen der EU und den USA von 1991/1995 und 1998.[62] Zwar sind die in diesem Abkommen enthaltenen Kooperationspflichten trotz ihrer völkerrechtlichen Verbindlichkeit weder sanktionsbewehrt noch enthält das Abkommen Durchsetzungs- bzw. Streitschlichtungsmechanismen. Dennoch hat das Abkommen in der Praxis erhebliche Bedeutung erlangt.[63] Die Kooperationspflicht umfasst zunächst einmal die gegenseitige Notifizierung von Durchsetzungsmaßnahmen, die wichtige Interessen der jeweils anderen Seite berühren können. Sie umfasst ferner den Informationsaustausch zwischen den Kartellbehörden. Dabei geht es sowohl um den Austausch von Informationen über Durchsetzungsstrategien im Allgemeinen (im Rahmen regelmäßiger Treffen hoher Beamter), als auch um den Austausch von Informationen, die für die Verfolgung konkreter Wettbewerbsverstöße relevant sind. Weitergegeben werden müssen aber nur Informationen, über die eine Kartellbehörde ohnehin verfügt; es gibt keine Pflicht zur Informationsbeschaffung durch eigene Ermittlungen. Es geht also nicht um echte Amtshilfe. Der Informationsaustausch kann im Einzelfall wegen gesetzlicher Verbote oder der Wahrung wichtiger Interessen verweigert werden. Im Übrigen soll die etwaige Vertraulichkeit von Informationen gewahrt bleiben.

481

Bemerkenswert ist die darüber hinaus gehende Verpflichtung, bei der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln im Rahmen des rechtliche Möglichen die Interessen der jeweils anderen Abkommenspartei zu berücksichtigen, soweit diese Interessen ihren Niederschlag in rechtlichen Vorschriften, Entscheidungen oder politischen Erklärungen gefunden haben. Dieser Grundsatz der sogenannten „negative comity“ öffnet die Tür für eine immerhin begrenzte Interessenabwägung. Dem entspricht insbesondere auch die Möglichkeit der Koordination von Kartellverfahren in ein und demselben Fall. Erforderlichenfalls sind Konsultationen vorgesehen mit dem Ziel, ein beiderseitig zufrieden stellendes Ergebnis zu erzielen.

482

Des Weiteren verpflichten sich die Kooperationspartner auch zur gegenseitigen Unterstützung bei Durchsetzungsmaßnahmen, soweit dies mit ihren jeweiligen Gesetzen und Interessen vereinbar ist. Jede Partei kann die jeweils andere ersuchen, Maßnahmen gegen wettbewerbswidriges Verhalten auf deren Territorium zu ergreifen, sofern dieses Verhalten wesentliche Interessen der ersuchenden Partei beeinträchtigt. Da hier nicht nur Rücksichtnahme auf die ausländische Interessen verlangt wird, sondern ein positives Tätigwerden im Interesse der anderen Abkommenspartei, handelt es sich um die Verwirklichung des Grundsatzes der „positive comity“. In dem Zusatzabkommen von 1998[64] werden Konsequenzen dieses Grundsatzes für die Koordination der Kartellverfahren beider Parteien nähe präzisiert. Die ersuchte Behörde ist aber frei zu entscheiden, ob und welche Maßnahmen sie ergreifen will. Sie bleibt in jedem Fall an die eigenen Wettbewerbsregeln gebunden. Es kann daher auch keinesfalls von der ersuchten Behörde verlangt werden, Wettbewerbsbeschränkungen zu verfolgen, die auf dem Territorium ihres eigenen Staates keinerlei Auswirkungen haben und für die gar keine internationale Rechtsanwendungszuständigkeit besteht. Wettbewerbsbeschränkungen, die zwar – wie insbesondere Exportkartelle – vom Territorium des ersuchten Staates ausgehen, deren Wirkungen sich aber auf den ersuchenden Staat beschränken, lassen sich daher auch mit den Grundsatz der positive comity nicht bekämpfen. Amtshilfe in Bezug auf Zustellungen und Vollstreckungsmaßnahmen ist nicht vorgesehen. Somit bringen bilaterale Kooperationsabkommen wie die zwischen der EU und den USA vereinbarte Übereinkunft zwar Erleichterungen für den einseitigen (autonomen) Wettbewerbsschutz und eine Verminderung des Konfliktpotentials, die Grenzen der internationalen Kartellrechtsdurchsetzung können damit aber nicht vollständig überwunden werden.

II. Völkerrechtliche Verträge

Literatur:

Baudenbacher Drittstaatsverträge, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampf, Kartellrecht, Bd. 1, Europäisches Recht, 2005; Weiß Vertragliche Handelspolitik der EU, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 10, 515; Semertzi The preclusion of direct effect in the recently concluded EU Free Trade Agreements, CMLR 2014, 1125; Stoll Internationale Abkommen und Kooperationen sowie Abkommen der EU mit Drittstaaten, in: MüKoEuWettbR (2. Aufl. 2015), Einl. L. 624 ff.

483

Die völkerrechtlichen Abkommen, die der abgestuften Marktöffnung der EU gegenüber Drittstaaten dienen (siehe dazu oben Rn. 184 ff.), beschränken sich nicht auf die Beseitigung von Hindernissen für den Marktzutritt. Sie enthalten vielmehr durchweg auch Bestimmungen, die den Schutz des Wettbewerbs auf den „geöffneten“ Märkten im Auge haben. Sie sollen insbesondere verhindern, dass die Marktöffnung durch das privatautonome Verhalten der Unternehmen unterlaufen wird. Dabei besteht durchaus eine gewisse Entsprechung des Ausmaßes der jeweiligen Marktöffnung und der Intensität des Wettbewerbsschutzes durch Regeln, die den unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln mehr oder weniger vergleichbar sind. Im Einzelnen ist allerdings zu differenzieren.[65]