Kitabı oku: «Fritz und Alfred Rotter», sayfa 6
„SICH AMÜSIEREN“ – THEATER WIE IM KINO
Das Publikum strömt in hellen Scharen zum Trianon- und zum Residenz-Theater der Rotters – diese wählen ihre Stoffe wie für den Film, und nichts scheint rückwirkend so bedauerlich wie die Tatsache, dass sie den Sprung zum Kino nicht geschafft haben. „Sie […] bringen die amerikanische Note in das Direktoren-Konzert hinein. Man gibt ihnen gern noch Unterhaltungstheater, weil sie die einzigen sind, die für die großen Preise im Nehmen und Geben Verständnis haben.“23
Wie sehr sich die Stimmung in Berlin wandelt, zeigt auch ein Kabaretttext aus dem Jahre 1921, den der Schauspieler Curt Bois, glänzender Vertreter des komischen Rollenfachs, in seinem Buch Zu wahr, um schön zu sein zitiert: „Das ist ein Abend, was? Friedliche Zeiten. Der Krieg kommt so schnell nicht wieder. Die Revolution hat keinem geschadet – außer den Revolutionären. Jeder will sich amüsieren. Wer klug ist, steckt sein Geld in die Vergnügungsindustrie.“24
Als Fritz Rotter nach längerer Pause wieder als Regisseur auftritt, mit Käthe Dorsch in der Hauptrolle, wählt er das Sturm- und-Drang-Stück Evchen Humbrecht von Leopold Wagner, das im Original Die Kindermörderin heißt. Die Premiere findet am 29. November 1919 unter gespannter Erwartung der Kritik im Residenz-Theater statt.25
Der früh verstorbene Straßburger Goethe-Zeitgenosse Heinrich Leopold Wagner (1747–1779) hat sein Stück 1776 als ein Trauerspiel verfasst, das im Bordell beginnt und mit der Tötung des unehelichen Kindes durch Evchen endet. Dann schrieb er es um – die Bordell-Szene strich er und ersetzte den Kindsmord durch die Reue des Verführers und eine Hochzeit. Fritz Rotter verknüpft beide Fassungen und behält trotz der Verführungsszene – Evchen wird ins Bordell gelockt – das Happy End. Das Berliner Tageblatt meint ironisch, „die Regie“ mache „wunderliche Dinge: eine Ausstattung, die höchst elegant und höchst undenkbar ist; eine freche Kellnerin [gespielt von Olga Limburg] mit dem lieben Namen Mariannel wird in eine Kostümballkokotte verkleidet, natürlich halbnackt. […] Kät[h]e Dorsch, das arme Evchen, gibt dem brüchigen Abend den Zusammenhalt. […] Der Beifall, zuerst nur von der Claque besorgt, wurde dann stark.“26
Jedenfalls bringt die Aufführung Käthe Dorsch den Durchbruch als Schauspielerin. Vorher ist sie in Operetten aufgetreten. Auch im Porträt von Käthe Dorsch aus dem Jahr 1949 im Magazin Der Spiegel heißt es: „Ihr Schauspiel-Debüt als tragisches Evchen Humbrecht wurde ein Riesenerfolg“.27
Zunächst aber läuft ein Teil der damaligen Presse Sturm. Teils wegen Olga Limburg in ihrer Kellnerinnen-Rolle – vielleicht das früheste Beispiel für die Übertragung von Varieté und Cabaret aufs Theater in Berlin –, teils weil inzwischen bekannt ist, dass die Rotters anstreben, mit dem Lessing-Theater ein drittes Haus zu bespielen. Die Vossische Zeitung gibt sich entrüstet:
„Schlimm ist, was die Regie ihrem Dichter raubt. Unerhört aber, was sie hinzufügt. Denn zur Aufmunterung lässt der Trust Rotter Brothers an pikanten Stellen ganze Dialoge im Berliner Schieberjargon einfügen! […] Eine Direktion, die nur mit dem Scheckbuch Regie zu führen weiß, kann gewiss gute Kräfte engagieren: […] Kät[h]e Dorsch als ein anmutiges Evchen ohne falsche Töne. […] Die Reklamepauke knallt über Berlin hin […]. Bereits das dritte Theater ist vom Trust bedroht. Die Brandgefahr ist ernst. So lasst uns zur Feuerspritze greifen!“28
Die zwei Versionen von Wagner „vermanschen“ zu wollen, beschert den Rotters auch in der Weltbühne bitteren Spott. Herausgeber Siegfried Jacobsohn schreibt: „Heinrich Leopold Wagner wird von den beiden Bindelbands [den Rotters] auf ihr Residenz-Theater gebracht. Die erste Fassung seiner Kindermörderin beginnt in einem Bordell, die zweite endet vergnüglich. Wie gut muss erst Rollmops mit Schokoladensauce sein!“29
Die Rotters schicken die Aufführung später auf eine monatelange Tournee, auch nach Hannover, wo sie im Mellini-Theater gastiert.30
Es sei die „brutale Geschichte von einem jungen, verliebten Bürgerkinde, das […] nach einem Ball von einem gewissenlosen Elegant ins Bordell verschleppt wird, ein Kind empfängt“, heißt es in der hannoverschen Kritik. Fritz Rotter habe unter dem Pseudonym Eugen Rinteln das Stück bearbeitet, der Name Rinteln sei auf dem Theaterzettel „dicker gedruckt“ als der von Leopold Wagner: „Ihr Klassiker, merkt’s euch! Rette sich, wer kann!“, setzt man in Klammern hinzu.31
Am 28. Januar 1920 inszeniert Fritz Rotter im Trianon-Theater das Stück Femina. Ein psychoanalytisches Lustspiel von den zwei niederländischen Autoren C. P. van Rossem und J. F. Soesman. Wenig bereit, sich auf Femina und herrschende Geschlechtermuster einzulassen, zeigt sich das Berliner Tageblatt. „Die Geschichte ist von A bis Z unwahr, und jede Szene ist ein Schlag mit gepuderter Hand ins Gesicht der Wirklichkeit. Es sind nur die alten Rollenkleiderstöcke, mit neuem, scheinbar neuem Flitter behängt. Der schüchterne Liebhaber: ein Professor; der Bonvivant: ein zuletzt enttäuschter Lebemann; zwischen beiden, äußerst aktiv, die Salondame, die höchst promenadenlustspielhaft, d. h. höchst unmöglicherweise den Tölpel von Professor liebt.“32 Eine andere Zeitung spricht von einer „höchst harmlosen Verspottung, die weder Freud noch seinen Schülern schlaflose Nächte bereiten wird!“.33 Nur die BZ am Mittag lobt diese Komödie über eine „Simulantin“: „der Dialog“ fließe „so natürlich dahin, gibt soviel lustige, nicht allzu scharf gespickte Pointen, verbreitet eine so gesunde Behaglichkeit, dass man ihn sich höchstens im letzten Akt gelegentlich kürzer wünscht“.
Der Kritiker des Berliner Börsen-Couriers, Herbert Jhering, der sich fortan an den Rotters festbeißt, weil er ein strenges zeitgenössisches Theater fordert (und später Bertolt Brecht unterstützt), spricht erstmals vom umgehenden „Rottergeist“. „Den Situationswitz bestreitet ein Nervenarzt, der die Frau wissenschaftlich, aber nicht praktisch kennt“, so Jhering.
Die Differenz in der Wahrnehmung von Frauen und Männern erscheint als das ständig wiederkehrende Thema Fritz Rotters. Doch Jhering sieht in dem Stück nur ein Beispiel für „feixenden, satten, trägen Humor“: „Fritz Rotter erweckte als Regisseur dieselbe Sehnsucht nach Alfred, die man nach Fritz hat, wenn Alfred Regie führt. Die Aufführung schmeckte nach saccharinsüßem Leim. Frl. Arnstädt macht Grüßchen und Mündchen. Sie schlug Lachroller und flötete. Sie warf Äugelchen und Händchen. (Man erwartete immer, dass Babychen das Fingerchen in den Mund stecken würde.) Auch Eugen Burg ist schon verrottert. Seine Sätze sind geölt, seine Bewegungen geschmiert.34
Dann ist Alfred wieder am Zug. Im Residenz-Theater inszeniert er am 4. März 1920 Die Raschoffs von Hermann Sudermann, ein Stück, das erst am 18. Oktober 1919 in Königsberg uraufgeführt worden ist. „Rotters lieben nicht die tragischen Ausklänge“, schrieb der Theaterkritiker der BZ nach der Premiere. Auf ihre dringende Bitte hin hat der Autor das blutige Ende des Vater-Sohn-Konflikts weggelassen – stattdessen zieht sich die von beiden geliebte Frau zurück, um die sich der Streit drehte und über die es in jener Kritik heißt: „Trägt sündhaft elegante Toiletten; zeigt die Beine, ist überhaupt das personifizierte Berliner Sündenbabel […]“. „Es war eine Glanzpremiere; direkt ‚gesellschaftlich‘; Parkett 1a; Ministerloge […]. Beifallsstürme. Was sag’ ich, Stürme? Orkane.“ So derselbe Kritiker.
Der Börsen-Courier bemerkt mit vergiftetem Lob, es lasse sich „immerhin bewundern“, „wie so ein Nudelteig, der jede Sekunde abzureißen droht, sich trotzdem in die Länge ziehen lässt“.35 Jhering kommt Monate später nochmals auf die Inszenierung zurück und moniert, „mit welch knalliger Aufdringlichkeit“ Olga Limburg in Sudermanns Raschoffs „eine Dirne spielte“.36
In der Regie von Fritz Rotter folgt im Trianon-Theater ein weiteres Stück über schwierige Liebe: das aus dem Jahr 1906 stammende Drama Myrrha von Eduard Stucken – über eine Frau, die in eine „Nervenanstalt“ kommt und in dieser Zeit von ihrem Ehemann betrogen wird; bei ihrer Rückkehr lebt er mit seiner Cousine, die von Käthe Dorsch gespielt wird, und die beiden haben ein Kind.37 Das Schauspiel ist Fritz vertraut, er hat es bereits als Student auf der Akademischen Bühne gegeben.38
Herbert Jhering geißelt das Stück. Es „beginnt als bürgerliches Ehedrama, wird dann zum symbolisch gesteigerten Mysterium und endet als Kolportageroman“: der Dramatiker Eduard Stucken habe „mit jeder Person ein neues Drama“ begonnen, „er wechselt auch die Ebenen, auf denen sich die Konflikte austragen“. „Ein anderer Regisseur als Fritz Rotter hätte hier versagen müssen. Dieser beherrschte den Zuschauerraum (…).“ Das ist ein ironisches Lob bei Jhering, wegen der Claquetruppe für den Applaus bei den Rotter-Premieren. Doch Käthe Dorsch „überzeugte“, findet er.39
Auch andere Zeitungen heben Käthe Dorsch hervor: „Kät[h]e Dorsch wird morgen wieder Operette trällern. Hier, als Cousine, ist sie von ernstester Bescheidenheit, theaterfern, kunstnah, von dem heiligen Wesen schlichter Gestaltung erfüllt. Eine Zukunft, wenn sie selbst sie nicht zerstört.“40 Und der Lokal-Anzeiger lobt: „Über diesem Abend schwebte – wundersam es zu melden – der Geist Otto Brahms. In vergangene, vom heutigen raschlebigen Geschlecht wohl zum Teil bereits entschwundene Zeiten durfte man sich manchmal zurückversetzt wähnen. Leise, gedämpfte Stimmungen, verhaltene Töne, in zartem Grau verfließende Schattierungen, nur im letzten Akt gab es, sorglich vorbereitet, und in weisen Steigerungen herbeigeführt, einen furchtbaren Ausbruch menschlicher Gefühlsverirrung, eine tief ins Herz treffende Katastrophe.“41
Am 1. Mai 1920 wird Alfred Rotter als Regisseur ins Metropol-Theater an der Behrenstraße geholt. Dessen Direktor Fritz Friedmann-Frederich beauftragt ihn, für eine Benefizgala das 1897 uraufgeführte Lustspiel Im Weißen Rößl von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg neu zu inszenieren. Erst 1930 machte Erik Charell daraus im Großen Schauspielhaus eine Operette, zur Musik von Ralph Benatzky. Doch auch Alfred lässt 1920 bereits singen, und zwar die Wirtin, mit einem „Schnadahüpferl“.42
Kurt Tucholsky ist in der Premiere und vermisst im Stück „Charaktere“, „ethische Wahrheiten“, „Witz“ und „Humor“ – „aber Rollen hat es. Rollen, dass den Komikern das Wasser im Munde zusammenlief. Rollen mit Abgängen und Auftritten und richtigen Knallwitzen. […] Wenn alles gut geht: die erste Fehlspekulation der beiden Bindelbands.“43 Tucholsky dichtet später in der Weltbühne: „Und die Nacht, wenn bei Rotters sie toben, / dem Claqueur der Handschuh zerplatzt –/ […].“44 Auch Herbert Jhering liefert Sarkastisches über die Claqueure:
„Meisterhaft, mit wie sicherem Instinkt der Regisseur den neuen Entfernungen Rechnung getragen hatte. Außerordentlich, wie die Mitglieder der Claque oben, auf den Rängen, hinten im Parkett verteilt waren, wie der Beifall von dort nach den Seiten lief, konzentrisch gegen die Mitte vorstieß, sie umschloss und zur Kapitulation zwang. Nur eins möchte ich Herrn Rotter zu bedenken geben: die am weitesten zurücksitzenden Mitglieder seines Claqueensembles, denen das Stichwort zum Klatschen anvertraut ist, müssen bei großen Entfernungen zur Bühne mit Operngläsern und Hörrohren versehen sein. Ohr- und Augennervositäten, hervorgerufen durch die Anstrengung des Hinsehens und Hinhorchens, ließen den Beifall schon lospoltern, bevor die in die Hose gestopften Frackschöße des Herrn [Alexander] Ekert [des Zahlkellners] sich ganz dem Publikum zukehren konnten […]. Im Ernst: hier liegt eine schwere Gefahr für das Rotter’sche Claqueensemble. Auch der Claqueur muss psychologisch behandelt, d. h. ihm muss die Arbeitsatmosphäre geschaffen werden“, sonst gehe „die Präzision des klatschenden Zusammenspiels, geht die Leichtigkeit des Handschlags verloren.“45
„Beifall und Beifall ist ja nicht dasselbe“, meint auch Fritz Engel im Berliner Tageblatt bei allem Lob: „Es gibt einen Freundesbeifall, vom Claquenbeifall gar nicht zu reden, denn die Herren Rotter hassen nichts so sehr wie ihn, und dieser Beifall ist oft nur der Trommelschlag, der bei einer Hinrichtung erklingt.“ Das Weiße Rößl sei „immer ein Gewinnlos gewesen“, „vom Theater aus gesehen“, „und wenn nicht alles mehr darin ‚stimmt‘, wenn manches heute noch clichéhafter als ehedem“ erscheine, „so blickt durch die Hülle von Staub die gute alte Zeit, die wir jetzt nachträglich zärtlich lieben und aus der Welt des Vergangenen nicht minder gern heraufführen möchten. […] Fast klang es wie Stöhnen und Heimweh aus dem Beifall heraus. Damit war die Spekulation erst recht geglückt, und det Jeschäft war richtiger denn je.“
Von einer unerfüllt bleibenden lesbischen Liebe handelt Die Freundin von Hermann Sudermann46– ein bemerkenswertes und doch für die Rotterbühnen der frühen Zwanzigerjahre typisches Schauspiel. Uraufführung ist am 2. September 1920 im Residenz-Theater, unter der Regie von Alfred Rotter. Die junge Witwe Alice von Hilgenfeld erhält Besuch von ihrer unverheiratet gebliebenen Jugendfreundin Juliane. Wie eine Jean-Genet-Figur dringt sie in die an Tschechow erinnernde Landgutlethargie. Das weitere Personal besteht aus einem scheu in die Herrin verliebten Hauslehrer, einer ebenso unerfüllt-hoffnungslos von diesem Hauslehrer träumenden Buchhalterin sowie dem Onkel von Alice, der zugleich Pastor ist. Als Einziger weiß er, dass der verstorbene Mann von Alice sich selbst getötet hat. Das Geheimnis vertraut er der neuangekommenen Juliane an, die zwar als Nihilistin auftritt, aber den Eindruck erweckt, als könnte sie Alice zurück ins Leben führen, was am Schluss des Stücks auch tatsächlich der Fall ist – wenngleich völlig anders als erwartet und mit einem weiteren Toten.
Der Rezensent Emil Faktor gesteht im Börsen-Courier: „Jedenfalls komme ich mir durch die Aufführung viel verdorbener vor. Ich schaue nunmehr in Abgründe der Menschenseele, hinter denen alle bleichen Gräfinnen der Jugendschundlektüre weit zurückbleiben. […] Tilla Durieux gab jene ruchlose Juliane, die nicht bloß Frauen zu verführen, sondern auch Sätze zu sprechen hat wie jenen von der Menschheit, die ein ‚bösartiges Gewimmel von Herren- und Sklaventieren ist‘. […] So gnadenlos gefährlich hat sich der Dichter das Mannsweib vielleicht selber nicht gedacht.“47 Norbert Falk in der BZ am Mittag bemerkt mit gleichem Sarkasmus: „Rotters, oder vielmehr Alfred Rotter, der sich seinen Sudermann nicht nehmen lässt, hat sich für die Teufelin Juliane Frau Tilla Durieux geholt. Mit kurzem Haar, in enganschließender knallroter Joppe betritt sie, halb Mephisto halb Dompteuse, das Rittergut im Osten. […] Die außerordentliche Sicherheit dieser geistig schärfsten Schauspielerin Berlins führt das Stück über die kitzlichsten Punkte; nur wenn die Luft gar zu schwül wird, rührt sich doch im Parkett ein leises Kichern.“48 Und mit angemessenem zeitlichem Abstand würdigt Elsa Herzog in ihrer Kolumne „Die Mode auf der Bühne“ nochmals die Juliane im „Musentempel der Gebrüder Rotter“: „Bei einem Gartenfest erscheint sie in einer weißen Spitzentoilette – Spitzen sind die Lieblinge der Mode […] – mit Türkenrock, über den Spitzenzipfel fallen. Als farbigen Akzent […] hat sie sich einen breiten giftgrünen Bajaderengürtel um die Hüften geschlungen. Von starkem Farbenreiz ist später ein absinthfarbiges Kreppgeorgettekleid mit einem drolligen Zipfelrock, der kobaltblau abgegürtet ist. Dazu ein blaues Lapislazuligehänge.“49
Auch wenn die Rotters nicht selbst inszenieren, meint die Kritik sie – etwa bei der Aufführung Roman einer Frau von Lothar Schmidt im Trianon-Theater50 in einer Inszenierung des Regisseurs Eugen Burg. Das Stück wird als „Ehebruchsfarce“ bezeichnet: „Man spielt dergleichen bei den Rotters natürlich sehr gut.“51 Bei einem weiteren Lustspiel im Trianon-Theater52, Kammermusik von Heinrich Jlgenstein, ist ebenfalls Eugen Burg für die Regie verantwortlich, doch der Rezensent Norbert Falk lässt sich zum Ausruf verleiten: „Rotters haben es wieder geschafft: sie geben eine Komödie mit ‚pikanten‘ Unterstreichungen und mittendrin noch ein Konzert. Amerika in der Georgenstraße.“53 Auch Hans Albers spielt mit, den sie schon 1915, noch mitten im Weltkrieg, für sich entdeckt haben.
Zu Lady Windermeres Fächer von Oscar Wilde im Residenz-Theater54, wieder in der Regie von Alfred Rotter, meint Alfred Kerr im Berliner Tageblatt über die Rotters, ironisch in Klammern gesetzt: „Sie werden sagen: ‚Kitsch? – immerhin von Wilde!‘ Gott, lass ihnen die Ausred’!“55
Das Residenz-Theater haben die beiden Brüder inzwischen erwerben können. Es hat nur etwas über 600 Plätze – und sie verkaufen es später weiter. 1938 wird es abgerissen, da es wegen Baufälligkeit lange leer steht.56
Fritz und Alfred zielen nun Ende 1920 auch auf das Kleine Theater, eine in der Tat nicht sehr große Bühne: Sie bietet nur 380 Personen Platz, befindet sich aber in prominenter Lage, in der ersten Etage Unter den Linden 44. Direktor und Konzessionsinhaber ist Georg Altmann. Er bleibt Direktor und wird einer der wichtigsten Regisseure der Rotter-Brüder.
Ihr Vormarsch als Direktoren und ihre Salonstücke werden von der Kritik weiter angefochten. Siegfried Jacobsohn, Herausgeber der Weltbühne, deutet an, dass Fritz und Alfred Rotter das Kleine Theater nur an sich gebracht hätten, „indem sie die Anteile oder Aktien“ aufkauften. Altmann habe, so Jacobsohns hartes Urteil, „seine unscharfe geistige Physiognomie und sein bisschen künstlerisches Gewissen“ an die Rotters „verhökert“. Jacobsohn behauptet weiter: „Wie Schwamm und Schimmel breiten die beiden Bindelbands [Rotters] sich über die Bühnen Berlins.“ Und er fordert, das Staatstheater müsse sich der „Charakterlosigkeit“ entgegenstellen – „sonst ist der Siegeszug der Rotterei unaufhaltsam“.57
Die Familie: Fritz und Alfred, davor sitzend Lucie (die ältere Schwester), Gertrud (Alfreds Frau) und Ella (die jüngere Schwester), Ort und Datum unbek.
Jacobsohn kämpft seit frühesten Jahren gegen die Brüder Rotter. Als Jacobsohn ungefähr zwei Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs über eine Egmont-Inszenierung Fritz Rotters im kurzlebigen Deutschen Schauspielhaus an der Friedrichstraße einen Verriss geschrieben hat, hätten ihm die Rotters „das Haus verboten“, wie die Weltbühne über zwei Jahrzehnte später, am 24. Januar 1933, berichtet: „Mit allen Mitteln der Beeinflussung versuchten die Rotters, sich durchzusetzen.“
Die Vossische Zeitung sieht den Expansionsvorgang weniger dramatisch und erklärt unter dem Titel Die Pläne der Gebrüder Rotter: „Danach tritt Dr. Georg Altmann, der Direktor und Konzessionär des Kleinen Theaters, in die Firma ‚Gebr. Rotter‘ als gleichberechtigter Teilhaber ein. Herr Altmann wehrt sich im übrigen gegen die an anderer Stelle ausgesprochene Vermutung, als werde er zu den Brüdern Rotter in ein ähnliches Abhängigkeitsverhältnis treten, wie es seinerzeit Herrn Dr. [Eugen] Robert, dem nominellen Leiter des Residenztheaters, aufgezwungen worden ist. Die in Gang gebrachte Verschmelzung werde seine (Altmanns) Rechte eher erweitern als schmälern.“ Gerüchte schließlich über einen „wiederholt behaupteten Verkauf des Theaters des Westens an den Rotter-Konzern“, so die Zeitung, würden vom langjährigen Pächter dementiert.58
DIE BEIDEN BINDELBANDS
1921 bis 1923 sind paradoxerweise günstige Jahre für die Theater, trotz verbreiteter Arbeitslosigkeit und Armut – gerade wegen der Geldentwertung, die seit Sommer 1921 zu immer neuen Teuerungswellen und im Sommer/Herbst 1923 zur Hyperinflation mit Billiarden-Mark-Scheinen führt: „Das Geld, das man heute in der Hand hatte, besaß morgen keinen Wert mehr“, erinnert sich Rotter-Regisseur Georg Altmann 1931. „Und so beeilte man sich, es heute noch auszugeben, um möglichst viele Genüsse dafür einzutauschen. Man fand diese Genüsse in den Theatern.“59
Georg Altmann, der nunmehr das Kleine Theater Unter den Linden für die Rotters führt, verlässt Deutschland 1933. An Goethes Todestag, dem 22. März 1933, wird er zum letzten Mal ein Stück inszenieren: Iphigenie in Hannover.
„Am nächsten Morgen teilten die Nazis dem Oberbürgermeister von Hannover [Dr. Arthur Menge] mit, dass sein Theaterdirektor Altmann des Abends im Gefängnis sein würde. Dr. Menge tat erstaunt. Warum? Was haben Sie gegen ihn? – Nichts! Wir kennen ihn ja gar nicht, wir wollen nur seine Stelle. – Dann genügt es doch, wenn ich ihn beurlaube! – Stimmt! Dann existiert er für uns nicht mehr. Am Mittag des Tages wurde diese Beurlaubung ausgesprochen, wobei ich den mir immer wohlwollenden Oberbürgermeister bedauerte, der gegen seinen Willen und wider besseres Wissen handeln musste.“60
Altmann emigriert nur wenige Tage später mit seiner Familie nach Brüssel, später nach Nizza und von dort 1938 nach San Francisco, wo er ab 1939 im Green Street Theatre Schauspielunterricht geben kann und als Erster überhaupt in den USA Brecht aufführt: Die Gewehre von Frau Carrar (1937) und den Einakter Der Spitzel (aus der später Furcht und Elend des Dritten Reiches genannten Sammlung). Altmann hat in Oxford studiert und kommt mit dem Sprachwechsel gut zurecht. Im Alter von achtundsiebzig Jahren stirbt er 1962 in Los Angeles.
Die Rotters gelten schnell als die Theatermacher der Inflationszeit. Zum einen wegen der Komödien und Lustspiele, die sie geben, sowie wegen der glänzenden Ausstattung der Stücke – die Lieferfirmen dürfen im Theaterprogramm für sich werben. Zum anderen liegt es an der Zusammensetzung ihres Publikums. Die Theaterkritiken der Zeit wirken wie Kulturspiegel – und am auffallendsten ist, wie sehr das Bruderpaar auf seinen Bühnen der Großstadt bereits jene Freizügigkeit vorführt, die danach erst zum weltbekannten Erkennungszeichen Berlins wird. Herbert Jhering jedoch attackiert diesen neuen Komödienstil als „Hoftheater für Revolutionsgewinnler“:
„Der Schauspieler als Exponent einer Schneiderfirma – er fehlte noch als Kunsterlebnis. Wenn in Wien früher der Darsteller (durch seine Haltung) die Mode schuf, so schafft die Mode in Berlin heute den Darsteller. Er steht bei den Rotters fettgedruckt auf dem Zettel. Aber da das Publikum durch denselben Zettel angehalten wird, ihn nach dem Modeatelier zu beurteilen, das ihm die Anzüge liefert, tritt an die Stelle des künstlerischen Ehrgeizes die Konkurrenz der Kleiderlieferanten. Die Kritik der Bügelfalte ersetzt die Kritik der Leistung. Der Schauspieler, scheinbar bei den Rotters zur höchsten Selbstständigkeit gekommen, wird in Wahrheit zum Ausstellungsgegenstand herabgesetzt.“61
Über die „Riesenpreise“ für einen Platz in einem der Theater der Brüder ärgert sich ausgerechnet der Berliner Börsen-Courier62, der die tieferen Ursachen für die Inflation doch bestens kennen müsste. Der Kollege Jherings beim Börsen-Courier, Theaterkritiker Emil Faktor, beobachtet im Kleinen Theater, dass „150 Mark für den Parkettsitz hingelegt wurden“: „Diese Preishochkonjunktur ist charakteristisch für die Momentanentwicklung der Theaterdinge – zurzeit eines der gefährlichsten Krankheitssymptome. Und wenn das neue Berlin eines Tages gesunden sollte, dann wird es auch wieder die Kraft gewinnen, die falschen Tempelhüter davonzujagen. So viel vorläufig über die Rotters.“63
Kurt Tucholsky rechtfertigt in der Weltbühne, dass Siegfried Jacobsohn in seinem Buch Jahr der Bühne die Rotters völlig übergeht: „Die Rotters: Nein. (Die Gebrüder Rotter sind kein Name, sondern ein Begriff.)“64 Noch deutlicher wird er in der Satire Rotters erste Reihe, die im Februar 1921 erscheint. Tucholsky, der ein Jahrzehnt später selbst zu Korpulenz neigt, zeichnet – ausgehungert und zornig – das Theaterpublikum der Rotters wie Gestalten in den Gemälden von Otto Dix:
„In den roten Sanftfotölchen schwimmen ungeheure Fettmassen; vorne oben schimmert matt etwas, das man allenfalls Gesicht nennen kann. […] Die Münder schlürfen den Brei, der da oben serviert wird. […] Ich achte gar nicht auf das, was da oben vorgeht: ich sehe immer nur die erste Reihe. Und die Gesichter fangen an, zu sprechen. Sie sagen: Wenn wir nur verdienen! Sie sagen: Jetzt sind wir dran. Sie sagen: Niederlage, militärische und geistige Katastrophen […] – wir sind der neue Kaufmannsstand. Alles, was wir je erträumt, ist robuste Wirklichkeit. Sie sagen: Na, haben wir nicht recht gehabt? […] Ist nicht alles gerechtfertigt, was wir je taten und träumten? Gottseidank: der Mensch ist schlecht. Und wir sitzen in der ersten Reihe. […] Die Herren, denen feiste Backen weit, weit über den Kragen auf das Smokinghemd hängen, rot durchblutete, gut rasierte Backen – die Herren atmen schwer, angestrengt eingesunken und ein wenig müde.“65
Zuvor schon, 1919, in einem anderen heftigen Text über die Rotters unter dem Titel Die beiden Bindelbands urteilt Tucholsky:
„Der Künstler ringt. […] Endlich ist die Zeit der sieben mageren Jahre um. Die fetten folgen. Fett für wen – ? Fett für die anderen. Fett für das Kino. Fett für die Bindelbands. […] Den, der jahre- und jahrelang bei seinem Entdecker und Förderer geschuftet hat in harter geistiger Arbeit […] – den nehmen sich die Bindelbänder und zeigen ihn dem erstaunten Publikum vor. Seht–! Da ist er –! Unser Wegener! Unser Moissi! Unser … Ihrer wars nicht. Es ist ein erpumpter Ruhm. […]. Wir erleben täglich, wie sich die ganze Rotte der Rotters vergeblich bemüht, auch nur ein Mal einen solchen Mann aus ihren Reihen erstehen zu lassen. Das kann man nicht, wenn man ins Publikum schielt.“66
„Fett“ ist damals ein Synonym für reich. Das war die früheste Kritik am Starsystem der Rotters, aber Kurt Tucholsky tut ihnen auch unrecht. Mit Hans Albers und Käthe Dorsch entdecken sie durchaus auch selbst große Talente. Das gesteht ihnen sogar Jhering zu: „Sie entdeckten tatsächlich Käthe Dorsch, und sofort war sie ihr Star“.67
Immerhin behält Tucholsky, anders als Jhering, eine kleine Zuneigung zu den Rotters, und die Bezeichnung „die beiden Bindelbands“ ist nie herzlos gemeint – nicht nur weil er sie für ebenso austauschbar wie unzertrennlich hält, sondern weil Tucholsky weiß, wie sehr sie vom populären jüdischen Theater in Berlin des Herrnfeld-Theaters an der Kommandantenstraße 57 beeinflusst sind (wie er selbst auch) – denn von jenem Brüderpaar Anton und Donat Herrnfeld, geboren 1866 und 1867 in Ungarn, stammt die legendär gewordene Verwechslungskomödie Die beiden Bindelbands aus dem Jahr 1908, auf die sich Tucholsky bezieht und deren Text als Zensurexemplar samt Gutachten im Landesarchiv Berlin erhalten geblieben ist.
Die beiden Bindelbands ist eine Burleske. Selbstverulkung ist bei den Brüdern Herrnfeld Programm. Im Gutachten, das die Theaterabteilung des Polizeipräsidiums Berlin jeweils bei externen Leuten bestellt, steht über das Stück: „Alwin Bomberger und sein Schwiegersohn Bondi Bindelband haben die gleiche Geliebte, und zwar die Barfußtänzerin Milli, die Braut des Verwandlungskünstlers Ganivet. Dieser tritt in der Maske seiner beiden Nebenbuhler auf, bringt diese dadurch in die größte Verlegenheit und ruft hierdurch allerhand komische Situationen hervor, bis sich schließlich alles in Wohlgefallen auflöst.“68 Mit ihren zwei jüngeren Schwestern Käthe und Ella treten die Herrnfeld-Brüder selbst in den Hauptrollen auf. Und sie sehen sich ähnlich genug, um sich als „Bindelbands“ zu doubeln. Der Zweiakter ist ein typisches Verwirrspiel mit vielen Türen im Bühnenbild, durch das die Figuren andauernd auf- und abtreten; alle schwindeln einander etwas vor; kaum jemand sagt in dem Schwank je die Wahrheit; dass die Geschichte dennoch aufgeht, ist sozusagen höhere Psychologie.
Tucholsky („Ich hatte mich im damaligen Herrnfeld-Theater krank und wieder gesund gelacht …“) ist insofern ein „Herrnfeld-Schüler“, als er 1913 in der Siegfried-Jacobsohn-Zeitschrift Schaubühne, später Weltbühne genannt, seinen ersten namentlich gezeichneten Text ausgerechnet über die Brüder Herrnfeld schreibt.
„Und alles, was sie – vielleicht ungewollt, nur im Hinblick auf die Kassenrapporte und das Lachen eines vollen Hauses – geben, ist dies Sicheinbohren und das Nie-auf-den-Grund-Kommen und das wundervolle Aneinanderreihen der Haupt- und Nebensachen. Alles andere ist unwesentlich […]. Ihre wahre Größe entfalten sie in den Konversationen. […] Sie spielen etwas, was es überhaupt nicht gibt. So bewegt sich niemand, so spricht kein Mensch, so etwas existiert nicht. […] Hier und da empfindet man wohl so etwas, schämt sich und steckt es weg. Diese sprechen es aus. […] Man brüllt. Über deplatzierte Wahrheiten.“69
Auch in Tucholskys bitterer Satire von 1920 Mitbürger/ Der Löw’ ist los! Wer ist daran schuld? Die Juden! Wählt die Deutsche Volkspartei! tauchen die Rotters als Bindelbands auf. Er schreibt unter dem Pseudonym Peter Panter:
„Das Leben in der Stadt war völlig umgekrempelt. Niemand wagte sich mehr aus dem Hause. […] Die Berliner Theaterdirektoren Bindelbands suchten verzweifelt den Löwen. Sie wollten ihn für den Shaw’schen Androklus engagieren. Sie fuhren von Straße zu Straße – kein Löwe. Feuerwehrautos klingelten durch die Gegend – kein Löwe. Der Löwe war fottefliegt. Der Löwe war gar nicht fort. Er war, des Wartens müde, aufgestanden, schlenderte nun durch die Straßen […]. Also das war Berlin! Dieser traurige Haufe von Steinkästen und schnurgeraden Straßen, die alle ein bisschen unsauber aussahen – das war das Weltdorf Berlin! Der Löwe schüttelte das Haupt. Da hatten ihm die Spatzen im Käfig wer weiß was erzählt […].“70
Tatsächlich inszenieren die Rotters damals, 1920, von George Bernard Shaw Androklus und der Löwe. Ein Märchen in drei Akten. Darin geht es um einen Dorn, den Androklus – bei Shaw ein christlicher Schneider – einem Löwen aus der schmerzenden Pfote entfernt, der ihn dafür zum Dank in der römischen Arena nicht frisst. Es rankt sich auch eine Anekdote um diese Inszenierung, die der Schauspieler Hubert von Meyerinck dem legendären Regisseur Max Reinhardt erzählt, als der 1924, eben zurück aus Amerika, Gast bei der Schauspielerin Else Eckersberg ist.71 Am Tisch werden Geschichten zum Besten gegeben, aber Hubert von Meyerinck will zunächst nichts einfallen. Da ruft Eckersberg ihm das Stichwort „Rotters!“ zu. Doch noch immer ist er unschlüssig. „Rotters?“, herrscht Reinhardt ihn daraufhin „fast böse“ an. „Sie wollen mir eine Geschichte von den Brüdern Rotter vorenthalten? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst.“ Da erst legt Hubert von Meyerinck los und erzählt, dass bei der Generalprobe von Androklus und der Löwe das Stück „glatt und ohne Unterbrechung heruntergespielt“ worden ist, bis man „plötzlich“ die Stimme von Alfred Rotter „vernahm“. (Der Hauptdarsteller, so meint Else Eckersberg in ihren Memoiren, sei Bassermann gewesen, aber es ist – bei jenen Proben – Karl Ettlinger, der, anders als Meyerinck es berichtet, hierauf sofort kündigt.) Alfred Rotter sagt angeblich: „‚Herr Bassermann, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Sie machten da soeben eine Bemerkung gegen die Schneider. Das geht nicht – es gibt so viele Schneider in Berlin. Sagen Sie lieber Sattler. Sattler sind nicht so zahlreich. Die Schneider könnten uns das übelnehmen. Bitte weiter.‘“ Gefragt, wie Bassermann darauf „reagierte“, fährt Hubert von Meyerinck fort: „Ach, der beachtete den genialen Hinweis seines Regisseurs gar nicht. Aber völlig aus der Stimmung gerissen, stampfte er ein paarmal mit dem Fuß auf und verhedderte sich mit seinem Text. Am Premierenabend saß ich dann in der hintersten Reihe direkt neben den Rotters. Sie waren so glücklich über die Stimmung im Hause, dass sie gar nicht bemerkten, wie Bassermann bei seinen Schneidern blieb. Und als am Schluss der Beifall einsetzte, riefen sie sich vor Begeisterung selber auf die Bühne.“ – „Was taten sie?“, fragt Reinhardt. – „Ja, sie klatschten wie wild in die Hände und schrien laut: ‚Bravo, Rotter – bravo Rotter!‘, und immer wieder: ‚Rotter!‘ Das Publikum verlangte natürlich nur nach Bassermann, aber Alfred Rotter war nach hinten gelaufen und erschien tatsächlich neben dem Hauptdarsteller auf der Bühne. Der ließ ihn dann allein hinausgehen. Doch Fritz Rotter brüllte wie besessen immer weiter: ‚Rotter! Rotter!‘, bis ich schließlich völlig hysterisch mit einstimmte und auch ‚Rotter‘ schrie.“ So weit die Legende.