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3 Material und Methoden
Das digitale Baumkataster (BK) ist das zentrale Steuerungsinstrument des Hamburger Stadtbaummanagements und unterstützt die vorgeschriebenen Baumkontrollen zur Verkehrssicherheit und die gerichtsfeste Dokumentation. Neben dem Einsatz in der Baumkontrolle und Baumpflege ermöglicht das Baumkataster die statistische Auswertung der großen Datenmenge des Hamburger Baumbestandes (DOOBE 2008).
Untersuchungsgegenstand sind in diesem Fall die im Baumkataster als Einzelbaum erfassten Rosskastanien. Werden an ihnen während der bezirklichen Baumkontrolle Symptome der Pseudomonas-Rindenkrankheit erkannt, trägt der Kontrolleur das Kürzel ‚pseudo‘ mit fortlaufender Jahresangabe, beginnend beim Erstverdacht, in das Bemerkungsfeld des Baumkatasters ein. Diese qualitativ und quantitativ erfassten Baumkataster-Einträge sind die Grundlage der Untersuchung. Ausgewertet wurden alle Datensätze ab 2007. Um die Befallsdynamik der Pseudomonas-Rindenkrankheit über das gesamte Stadtgebiet Hamburgs abzubilden, wurden zudem verschiedene Sach- und Geodaten aufbereitet und verknüpft. Der Datenbestand der sieben Hamburger Bezirke wird jährlich in der Fachbehörde zusammengeführt. Zudem melden die Bezirksdienststellen aktuelle Verdachtsbäume und Fällungen. Diese Daten werden mit den Einträgen im Baumkataster abgeglichen und ggf. ergänzt. Die Ergebnisse der zurückliegenden Reihenuntersuchungen der Jahre 2007, 2014 und 2018 wurden ebenfalls berücksichtigt. Die Geodatenbank mit den Raum- und Sachdaten zur Pseudomonas-Rindenkrankheit enthält rund 40 Attributspalten mit den Stammdaten des Baumes, Bemerkungsfeldeinträgen, Ausfluss, Auftreten von Pilzen, Rissen, Erstverdacht, Fällung etc.
Abbildung 3: Pilzfruchtkörper des Samtfußrüblings (Flammulina velutipes) und des Rötenden Runzel-Schichtpilzes (Stereum rugosum) an einer Rotblühenden Rosskastanie (A. carnea)
Die Auswertung der großen Datenmenge, bis zu 9.300 Rosskastanien pro Jahresdatensatz, erfolgte über SQL-Abfragen (Structure Query Language) in einem Geoinformationssystem (GIS) (EHLERS & SCHIEWE 2012). Die Weiterverarbeitung und visuelle Informationsgenerierung der statistischen Inhalte erfolgte über räumliche Analysemethoden im GIS (ZIMMERMANN-JANSCHNITZ 2014). Die Ergebnisse werden in thematischen Karten durch Interpolationen (Inverse Distance Weighted (IDW)/Kriging), Hot-Spot-Analysen (Getis-Ord Gi*-Statistik) und Kerndichteberechnungen (Kernel-Density) dargestellt.
Die Probeentnahme der untersuchten Rosskastanien 2018 wurde wie bei KEHR et al. (2010) beschrieben durchgeführt. Die Entnahme des Probenmaterials erfolgte lediglich im oberen Phloem und es wurde nicht bis zum Splintholz vorgedrungen, um die natürliche Selbstheilung zu unterstützen (DUJESIEFKEN & LIESE 2008). Die Gesamt-DNA-Extraktion erfolgte aus dem Übergangsbereich zwischen gesundem und befallenem Rindengewebe, bei dem die Aktivität der Erreger am höchsten ist (KEHR 2010; WERRES 2011). Die DNA-Isolation wurde mittels DNeasy Plant Mini Kit (Qiagen) durchgeführt. Der molekularbiologische Nachweis von Pseudomonas syringae pv. aesculi erfolgte durch Amplifikation der partiellen Gyrase B Sequenz mit den Primerpaaren G1/G2 (SCHMIDT et al. 2008) und G5/G6 (SCHMIDT et al. 2009).
Der Nachweis einer Phytophthora spp.-Infektion erfolgte mit dem Primerpaar YPh1F/YPh2R aus dem rasbezogenen Proteingen (Exon 3 und Exon 6), entwickelt für die Detektion von ca. 15 gehölzgefährdenden Phytophthora-Arten (SCHENA et al. 2007). Die PCR wurde für beide Krankheitserreger nach dem gleichen Schema durchgeführt, wobei lediglich das Annealing geändert und die finale Elongation um fünf Minuten erhöht wurde. Die Baumstandorte wurden über das Stadtgebiet verteilt aus der Verdachtsbaumdatenbank ausgewählt und beide Krankheitserreger aus einer Probenteilmenge detektiert (MELZER et al. 2019).
4 Ergebnisse und Diskussion
4.1 Der Hamburger Rosskastanienbestand
Der Hamburger Rosskastanienbestand wird durch die Arten A. hippocastanum (rd. 80 %) und A. carnea (rd. 18 %) bestimmt. Die übrigen Arten machen, in Relation zum erfassten Gesamtbestand, nur einen geringen Anteil aus. Die Sorte A. carnea ‚Briotii‘ umfasst ca. 35 % der rotblühenden Art und die weißblühende Rosskastanie ist mit ca. 90 % durch die gemeine Rosskastanie A. hippocastanum vertreten. Die gefülltblühende Sorte ‘Baumannii’ macht knapp 10 % aus. Die Rosskastanien verteilen sich im gesamten Stadtgebiet, aber zentrieren sich quantitativ im Zentrum der Stadt.
Als Hilfsmittel für die Festlegung der Kontrollintervalle werden von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) Bäume hinsichtlich ihrer Standzeit in drei Entwicklungsphasen unterteilt. Die Jugendphase beginnt mit der Pflanzung am Standort und erstreckt sich über 15 Jahre. Die Reifephase endet je nach Baumart nach 50 bis 80 Jahren Standzeit und geht anschließend in die Alterungsphase über (FLL 2010). Die Altersklassifizierung der erfassten Rosskastanien erfolgte nach diesem Modell. Die Bäume wurden in die Jugendphase, die erste Reifephase (bis 40 Jahre Standzeit), die zweite Reifephase (bis 80 Jahre Standzeit) und in die Alterungsphase (> 80 Jahre Standzeit) eingeteilt.
Ca. 10 % der Hamburger Rosskastanien befinden sich in der Jugendphase und ca. 50 % in der Reifephase, wobei 24 % auf die erste Reifephase entfallen. Die Alterungsphase umfasst weitere 30 %. Bei den fehlenden 10 % ist kein Eintrag zum Pflanzjahr dokumentiert. Diese Rosskastanien sind zum Großteil im Kataster erfasste Privatbäume (Grenzbäume) oder stehen in Grünanlagen. Die schwarzen Punkte auf der Hauptkarte (Abbildung 4) zeigen die genauen Baumstandorte. Die Interpolation der Standzeit ist in acht Klassen unterteilt. An Straßen mit einem erhöhten Altbaumbestand stehen in der Regel auch junge Rosskastanien oder umgekehrt. Diese haben aufgrund der geringeren Anzahl bei der Interpolation eine geringere Gewichtung. Die räumliche Interpolation der Standzeit ist daher keine exakte Darstellung der Realität, sondern bildet diese nur angenähert ab und ist, wie bei Modellen üblich, eine idealisierende Abstraktion der Realität, die von den Merkmalen der Attribute abhängt (BÖHNER 2011). Die drei Karten in der Abbildung 4 zeigen Standorte mit besonders vielen jungen oder alten Rosskastanien, in welchen Stadtteilen große Stückzahlen vorkommen sowie an welchen Standorten sich die Bäume in den sieben Bezirken zentrieren.
Abbildung 4: Kerndichteberechnung der Einzelbaumstandorte, Auszählung der Rosskastanien pro Stadtteil und Interpolation zum Alter des Rosskastanienbestandes der Freien und Hansestadt Hamburg
4.2 Befallsdynamik
Abbildung 5 zeigt die räumliche Analyse zur Verbreitung der Pseudomonas-Rindenkrankheit anhand der aktuellen Verdachtsbäume und der bisher gefällten Rosskastanien. Die Karte ist somit keine Momentaufnahme der aktuellen Situation, sondern zeigt sämtliche Rosskastanienstandorte, die mit der Pseudomonas-Rindenkrankheit in Zusammenhang gebracht werden. Einige Standorte sind oder waren besonders betroffen. Die Berechnung der Punktdichte hebt diese Standorte mit einem hohen Befallsdruck (rot) hervor. Je mehr kranke Bäume sich in dieser Region zentrieren, desto stärker ist die Ausprägung auf der Karte.
Abbildung 5: Verbreitungskarte der Pseudomonas-Rindenkrankheit
Abbildung 6a und 6b zeigen exemplarisch einen Hotspot in Hamburg-Bergedorf. Die zwei Straßenabschnitte liegen ca. 550 Meter voneinander entfernt. In der Ernst-Henning-Straße sind bisher 29 Rosskastanien von der Komplexkrankheit betroffen, 12 weitere Bäume sind mit Pae infiziert und vier Bäume sind bisher symptomfrei. Unter den symptomfreien Bäumen befinden sich zwei Rosskastanien der Art A. hippocastanum. Alle anderen Rosskastanien in der Ernst-Henning-Straße waren oder sind rotblühend. In der Justus-Brinkmann-Straße standen ausschließlich Rosskastanien der Art A. carnea. Von den ehemals 29 Bäumen mussten bisher 28 Rosskastanien gefällt werden, weil die Bruchsicherheit durch die Weißfäule-Erreger gefährdet war. Das plötzliche Auftreten unterschiedlicher holzzerstörender Pilze erhöht den Kontrollaufwand in der Baumkontrolle deutlich und Beobachtungen von Verdachtsbäumen sind aufgrund dieses Schadbildes in verkehrswichtigen Räumen un-umgänglich (DUJESIEFKEN & GAISER 2014; FISCHER 2014).
Abbildung 6a, b: Hotspot der Rosskastanien-Komplexkrankheit in Hamburg-Bergedorf
Der Großteil der Fällungen betrifft in Hamburg bisher die rotblühende Art. Es werden zwar quantitativ mehr Weißblühende Rosskastanien verdächtigt, mit P. syringae pv. aesculi infiziert zu sein, aber die Zahlen bestätigen, dass die Rotblühende Rosskastanie stärker von der Komplexkrankheit betroffen ist und der Schadensablauf eine höhere Dynamik hat. Erkrankt eine Rotblühende Rosskastanie, muss sie in der Regel wenige Jahre später gefällt werden. Dies verdeutlicht auch den mitunter sehr schnellen Übergang zwischen den ersten Anzeichen der Bakteriose und dem Schadbild der Komplexkrankheit. Fruktifizieren zahlreiche Pilzfruchtkörper an einer mit Pae infizierten Rosskastanie, ist die Bruchsicherheit bereits deutlich gefährdet (DUJESIEFKEN 2018).
4.3 Folgen für den Hamburger Rosskastanienbestand
Abbildung 7 zeigt die gefällten Rosskastanien und Neupflanzungen im Stadtgebiet seit dem Jahr 2000. In dieser Statistik werden die Fällgründe nicht nach Baumaßnahmen, Vandalismus oder biotischen Schäden wie der Komplexkrankheit differenziert. Die Grafik verdeutlicht jedoch den exponentiellen Anstieg der Fällungen seit 2013 und zeigt anhand der ausbleibenden Ersatzpflanzungen den Negativtrend und damit das Gefährdungspotenzial für den zukünftigen Gesamtbestand der Hamburger Rosskastanien. Die stark zurückgehenden Pflanzzahlen von 2000 bis 2006 sind dabei die Konsequenz einer massiven Ausbreitung der Rosskastanienminiermotte und in den Folgejahren dann der Komplexerkrankung geschuldet. Zum Pflanzpeak 2007 wurden besonders viele Rotblühende Rosskastanien als Alternative zur Weißblühenden gepflanzt, weil sich die Larven der Miniermotte in den Blättern von A. carnea nicht entwickeln (DOOBE & ZUNKE 2007). Doch der Hoffnungsträger wurde mit der Bakteriose und der folgenden Komplexkrankheit wenige Jahre später zum Problembaum. Fällungen in Grünanlagen werden separat anhand der grünen Linie dargestellt, um zu verdeutlichen, dass die Fällungen hier seit 2010 ebenfalls angestiegen sind.
Abbildung 7: Pflanzungen und Fällungen von Rosskastanien seit dem Jahr 2000 in Hamburg
Abbildung 8 zeigt die räumliche Verteilung der Arten und Sorten im Stadtgebiet. Es wird schnell deutlich, dass der Befall inzwischen flächendeckend auftritt. Zu Beginn des Monitorings entfiel noch der Großteil der Fällungen auf die rotblühende Art, obwohl quantitativ mehr Weißblühende Rosskastanien symptomatisch waren. Die Ausfälle bei A. hippocastanum häufen sich allerdings in der jüngsten Vergangenheit.
Abbildung 8: Räumliche Verteilung der gefällten Bäume und der Verdachtsbäume
Bei der Herbstauswertung 2019 war die Zahl der gefällten Rosskastanien erstmals höher als die der Pae-Verdachtsbäume. Die Daten der bezirklichen Baumkontrolle aus dem Jahr 2019 werden im ersten Quartal 2020 gefiltert. Es ist davon auszugehen, dass Neubefunde hinzukommen werden. Zudem fruktifizieren erfahrungsgemäß noch zahlreiche Pilzfruchtkörper zwischen November und Januar. Im Herbst/Winter 2019 wurden bereits 71 Weiß- und Rotblühende Rosskastanien mit Pilzfruchtkörpern erfasst. Besonders schwer ist eine historisch angelegte Rosskastanienallee im Waldbestand des Niendorfer Geheges betroffen. 17 Rosskastanien müssen hier gefällt werden. Auslöser ist ebenfalls das verstärkte gemeinsame Auftreten des Rötenden Runzel-Schichtpilzes, des Samtfußrüblings und des Austernseitlings – typische Schaderreger der Rosskastanien-Komplexkrankheit (GAISER et al. 2013).
4.4 Verbreitung im Stadtgebiet
Um die Verbreitungsdynamik der Pseudomonas-Rindenkrankheit beurteilen zu können, bedarf es einer detaillierten zeitlichen Erfassung. Die Einträge in den Bemerkungsfeldern des Baumkatasters lassen sich über die Historienverwaltung jährlich nachvollziehen. Zweifellos ist ein exponentieller Anstieg der Einträge zur Pseudomonas-Rindenkrankheit im Baumkataster seit 2013 festzustellen (Abbildung 9). Aus dem Jahr 2007 konnten lediglich die Ergebnisse der ersten Reihenuntersuchung und die zwei Befunde vom Institut für Baumpflege im Bezirk Altona zurückverfolgt werden. Auch aus den Jahren 2008 bis 2013 sind nur wenige Einträge im Baumkataster vorhanden, weshalb diese Jahre nicht dargestellt werden. Das unterstreicht die Bedeutung der Arbeit der Mitarbeiter*innen der Baumkontrolle, deren Aufgabe es ist, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und den Zustand der Bäume gerichtsfest zu dokumentieren (FLL 2010).
Im Gegensatz zur Komplexerkrankung führt die Symptomatik der bakteriellen Infektion nicht zwingend zu einem verkehrsgefährdenden Zustand der Bäume; zumindest solange nicht, wie der Baum vital ist und keine weiteren Schaderreger auftreten (DUJESIEFKEN et al. 2008). Da das Bakterium bereits 2007 weiträumig im Stadtgebiet nachgewiesen wurde, aber nicht zwingend Konsequenzen für die Baumkontrolle ergab, ist der exponentielle Anstieg der Einträge seit 2013 zwar ein mögliches Indiz für das plötzliche Auftreten in den unterschiedlichen Regionen und könnte mit der Ausbreitung des Bakteriums zusammenhängen, aber auch eine verspätete Wahrnehmung in der Baumkontrolle hätte diesen Effekt (BERGMANN & SOLDAN 2008). Erst das plötzliche Auftreten unterschiedlicher holzzerstörender Pilze hat den Kontrollaufwand in der Baumkontrolle deutlich verändert (DUJESIEFKEN & GAISER 2014). Aufgrund dieser Tatsache ist der plötzliche Anstieg der Einträge im Baumkataster seit 2013 auf das veränderte Krankheitsbild der Komplexerkrankung und das erhöhte Gefahrenpotenzial zurückzuführen.
Die Reaktion der Rosskastanien auf das Pathogen kann keinem bestimmten wiederkehrenden Muster zugeordnet werden und der Krankheitsverlauf differiert zeitlich sehr. In Hamburg stehen Rosskastanien, die bereits seit mehr als zehn Jahren nachweislich krank sind und ihre Verkehrssicherheit dennoch behalten haben. Andere Bäume sterben nach kurzer Zeit ab und es scheint, als wenn sie keine Abwehrreaktionen zeigen würden. Einige Exemplare waren nach den ersten Anzeichen der bakteriellen Infektion bereits wenige Jahre später bruchgefährdet und mussten gefällt werden.
Abbildung 9: Pae-Verdachtsbäume, die im jeweiligen Jahr erfasst wurden.
Neben den beschriebenen Hotspots mit einem erhöhten Aufkommen sind aber auch Einzelbäume im gesamten Stadtgebiet betroffen. Als weiteres Phänomen stehen immer wieder gesunde und erkrankte Rosskastanien in unmittelbarer Nähe zueinander. Dies kann auf mögliche Resistenzen hindeuten und wurde ebenfalls von DUJESIEFKEN (2018) beobachtet und beschrieben. Fünf Rosskastanien wurden bereits 2007, 2014 und teilweise 2018 positiv auf das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi getestet und sind bis heute vital. An zwei dieser fünf Bäume waren 2018 vom Boden betrachtet keine Leckstellen zu erkennen und sie wurden daher nicht erneut beprobt. Eine Abschottung des befallenen Gewebes und die damit verbundene natürliche Schutzfunktion des Baumes könnte die Ausbreitung des Bakteriums im Baum verhindert haben. Keiner dieser Bäume stellt aktuell eine Gefahr für den öffentlichen Raum dar.
Bemerkenswert ist, dass alle fünf Bäume der Art A. hippocastanum angehören und mindestens 50 Jahre am Standort stehen. Diese sehr heterogenen Krankheitsbilder unterstreichen den hohen Forschungsbedarf beim Infektionsverlauf, da europaweite Untersuchungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen (STEELE et al. 2010; DE KEIJZER et al. 2012; SCHMIDT et al. 2014).
In Hamburg sind alle Altersklassen der weißblühenden und rotblühenden Art betroffen (Abbildung 10). Dies deckt sich mit anderen Untersuchungen (GAISER 2012; GAISER et al. 2013; FISCHER 2014; FRÖHLICH et al. 2016). Dennoch ist selbst bei Einbeziehung einer Dunkelziffer die Gesamtzahl erkrankter Rosskastanien in Hamburg weit von den 50–70 % entfernt, wie sie für andere Regionen in Nordwestdeutschland, den Niederlanden oder Großbritannien angegeben werden (DIJKSHORN-DEKKER 2005; Forestry Commission 2008; FRÖHLICH et al. 2016). Ein Grund dafür, warum in Hamburg bisher nur ca. 15 % – ausgehend vom Baumbestand 2013 – betroffen sind, könnte darin liegen, dass in Hamburg ein gewachsener weißblühender Rosskastanienbestand (A. hippocastanum) steht, bei dem fast die Hälfte der erfassten Bäume vor 1960 gepflanzt wurde.
4.5 Ergebnisse der Reihenuntersuchung 2018
Während der dritten Reihenuntersuchung 2018 wurden 104 Proben untersucht. Diese verteilen sich auf 94 Rosskastanien, von denen 74 Exemplare zu der weißblühenden Art (A. hippocastanum) und 20 zu der rotblühenden Art (A. carnea) gehören. Abzüglich der Bäume, die mehrfach beprobt wurden, konnte bei 82 Einzelbäumen Pae nachgewiesen werden. Die positiven Pae-Nachweise sind auf der Karte in Abbildung 8 als rote Punkte und die negativen als grüne dargestellt. Die aktuellen Verdachtsbäume, die mit der Pseudomonas-Rindenkrankheit assoziiert werden, sind blau gekennzeichnet. Weiße Punkte bilden den erfassten Einzelbaumbestand der Rosskastanien im Stadtgebiet ab. Ein Phytophthora-Befall konnte bei sieben Rosskastanien der Art A. hippocastanum nachgewiesen werden. Diese Rosskastanien sind als schwarze Punkte auf der Karte dargestellt (Abbildung 11).
Abbildung 10: Verdachtsbäume und gefällte Rosskastanien nach Alter klassifiziert
Abbildung 11: Ergebnisse der Reihenuntersuchung 2018 in Hamburg
Die Sequenzierung ergab, dass es sich bei allen Proben um die Phytophthora-Art P. cactorum handelt. An drei der sieben Rosskastanien wurde eine Koinfektion mit Pae festgestellt. Der Nachweis erfolgte noch am selben Tag der Probenentnahme, sodass die Ergebnisse schon vor dem nächsten Durchgang vorlagen. Ergebnisse, die nicht zur Baumansprache passten, konnten daraufhin mit einer zweiten Probe überprüft werden. Die räumliche Verteilung zeigt deutlich, dass in fast allen Stadtteilen, in denen Rosskastanien stehen, nachweislich das Bakterium vorkommt. Der makroskopische Verdacht der Mitarbeiter*innen aus der Hamburger Baumkontrolle wurde in ca. 90 % aller Fälle bestätigt. Dies kann als Beleg gesehen werden, dass in Hamburg im Rahmen der Baumkontrolle bereits eine sehr sichere visuelle Einschätzung zum Pathogenverdacht erfolgt (MELZER et al. 2019).
5 Fazit und Ausblick
Der Auslöser für das Rosskastaniensterben im öffentlichen Grün der Freien und Hansestadt Hamburg ist das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi, das als Primärerreger der Komplexkrankheit angesehen wird (DUJESIEFKEN et al. 2016). Die tägliche Arbeit in der Baumkontrolle und die lückenlose Dokumentation im Baumkataster sind von größtem Wert, um die Befallssituation, die Verbreitungsdynamik und den Krankheitsverlauf von mehr als 8.000 Rosskastanien im Stadtgebiet zu verfolgen.
Im Rosskastanien-Monitoring befinden sich inzwischen fast 700 Rosskastanien, die mit der Pseudomonas-Rindenkrankheit assoziiert werden. In Hamburg sind Rosskastanien in allen Entwicklungsphasen betroffen, was die Ergebnisse aus Dresden (FRÖHLICH et al. 2016) bestätigt. Die Anzahl der Verdachtsbäume und der Totalausfälle nimmt in Hamburg stetig zu. Fällungen aufgrund der Komplexkrankheit sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Bereits im Oktober 2019 wurden zahlreiche Rosskastanien mit Pilzfruchtkörpern ausgemacht. Bis zum Jahresende waren es rund 70 Bäume und die Kontrollen werden im Januar und Februar fortgesetzt, sodass die aktuelle Prognose für die Fällsaison 2019/20 vermutlich erneut im dreistelligen Bereich liegen wird.
Die einheitliche systematische Einstufung der Schadensdynamik wurde 2018 im Rahmen der dritten Reihenuntersuchung an einem größeren Stichprobenumfang getestet. Das Einstufungssystem ist an die Arbeit von FISCHER (2014) angelehnt und soll während der bezirklichen Baumkontrolle angewendet werden. Das Ziel ist, ein einheitliches System zu etablieren, um den zeitlichen Verlauf der Krankheit im Baumkataster einheitlich zu dokumentieren. Neben der Identifikation von überlebenden Rosskastanien, der Dokumentation der Ausbreitungsdynamik und dem Ablauf der Erkrankung wird das Ziel verfolgt, Bekämpfungsmethoden, sobald diese verfügbar sind, gezielt einsetzen zu können. Weitere Pathogene wie Phytophthora spp. oder die Verticillium-Welke sind ebenfalls Gegenstand des Rosskastanien-Monitorings, spielen aber in Hamburg eine eher untergeordnete Rolle.
Von den ca. 1.390 Bäumen, die der Pseudomonas-Rindenkrankheit zugeordnet werden, wurden bisher rund 710 Rosskastanien gefällt, weil die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte. 2012 hatte sich das Krankheitsbild verändert und mit dem Einwirken unterschiedlicher Sekundärerreger erhöhte sich auch der Kontrollaufwand in der Baumkontrolle (GAISER et al. 2013). Besonders die rotblühende Art ist in Hamburg betroffen. Bis zum Herbst 2019 wurden bereits 413 Rotblühende Rosskastanien gefällt. Bei der Weißblühenden Rosskastanie sind es inzwischen deutlich mehr Verdachtsbäume, aber es wurden bis 2018 lediglich 150 Bäume gefällt. Erst 2018 und in der ersten Jahreshälfte 2019 stieg die Zahl rasant an und es mussten weitere 107 Weißblühende Rosskastanien aufgrund von Symptomen der Komplexkrankheit gefällt werden. Ob die trockene Witterung des Sommers 2018 bis in den Frühling 2019 oder eine verzögerte Schadensdynamik beim Infektionsverlauf der Grund für diesen raschen Anstieg sind, muss weiter untersucht werden.
Neben den direkten Folgen für die Bestandszahlen aufgrund von Fällungen und ausbleibenden Neupflanzungen von Rosskastanien ist in Hamburg auch der Aufwand für die Baumkontrolle gestiegen, denn verdächtige Bäume müssen im Sommer im belaubten Zustand und im Winter in Hinblick auf Pilzfruchtkörper kontrolliert werden.
Die Hamburger Untersuchungen unterstreichen zudem einen fließenden Übergang der Bakteriose zur Komplexerkrankung, was im Rahmen von Baumkontrollen nur schwer zu erkennen ist. Der Befallszeitpunkt der nachfolgenden Pilze variiert stark und kann Jahre nach der Bakteriose liegen. So liegen Labornachweise von Pseudomonas an Bäumen vor, die bis heute viele Jahre ohne Pilzbefall überlebt haben. Zudem treten erkrankte und gesunde bzw. symptomfreie Bäume an gleichen Straßenstandorten nebeneinander auf. DUJESIEFKEN et al. 2016 berichteten ebenfalls über die unterschiedliche Intensität des Befalls in zusammenhängenden Beständen sowie dass keine auffälligen Zusammenhänge hinsichtlich der Standortbedingungen oder anderer möglicher Einflussfaktoren erkannt wurden. Hinsichtlich der genetischen Disposition kamen PANKOVA et al. (2015) zu dem Ergebnis, dass ein Teil der Rosskastanien, die mit Pae inokuliert wurden, sehr empfindlich auf das Bakterium reagierten, andere tolerant waren und dass in einem Teil der untersuchten Probanden keine Anzeichen von Pae im Gewebe nachgewiesen werden konnten, was auf natürliche Resistenzen hindeutet.
Deshalb sehen wir frühzeitiges oder sogar vorbeugendes Fällen solange als problematisch an, bis weitere Zusammenhänge z. B. mit der genetischen Disposition, aber auch der unterschiedliche Krankheitsverlauf bei Rot- und Weißblühenden Rosskastanien genauer geklärt sind. Damit erhalten wir uns die Chance, vorhandene Potenziale der Bäume, eine Erkrankung zu überleben, herauszufinden und zukünftig zu nutzen.
Mit Blick auf die Verkehrssicherheit senkt dabei ein engmaschiges Monitoring das Risiko für die Stadt. Wie schon im Rahmen des Hamburger Ulmenprogramms (DOOBE 2020) ist das Monitoring auch ein fester Bestandteil des Hamburger Kastanienprogramms geworden und ergänzt die Regelkontrollen der Baumkontrolleure. Das Rosskastanien-Monitoring wird als Forschungsvorhaben der Behörde für Umwelt und Energie in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg und den Bezirksdienststellen ausgeführt.
Dank
Besonderer Dank gilt den Mitarbeiter*innen der Hamburger Baumkontrolle. Ihre Erkenntnisse aus der Praxis und die Dokumentation im Baumkataster sind von großem Wert, um mehr über diese noch junge Baumkrankheit zu lernen. Im Weiteren möchten wir uns bei Frau Dr. Elke Fischer vom Institut für Geographie bedanken.
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