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2 Sprach(en)politik und literarische MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitliterarische Mehrsprachigkeit in LitauenLitauen

Kennt man die Geschichte LitauensLitauen, so erschließt sich von selbst, dass in diesem von Nachbarländern geteilten und beherrschten Land mehrere EthnienEthnie und Sprachen zu Hause waren. Mit der Dritten PolnischenPolenPolnisch/Polish Teilung 1795 bildeten der Südosten LitauensLitauen und das nordwestliche Grenzgebiet WeißrusslandsWeißrussland das Gouvernement Wilna, in dem RussischRusslandRussisch/Russian, LitauischLitauenLitauisch, PolnischPolenPolnisch/Polish, WeißrussischWeißrusslandweißrussisch sowie HebräischHebräisch und JiddischJiddisch gesprochen wurden. Außerdem gab es ethnische MinderheitenMinderheit wie DeutscheDeutschlandDeutsche und Tataren, die im Alltag ihre MuttersprachenMuttersprache/mother tongue verwendeten. Wie in den meisten multiethnischen und vielsprachigen Gebieten zu beobachten ist, gab es auch in LitauenLitauen eine Hierarchie der Sprachen (vgl. Kostiucenko 2016), die auf die Literatur des Landes abfärbte. Die Sprache der literarischen Texte wurde nicht zuletzt durch die Sprache des Schulunterrichts vorgegeben. Denn die Prägung durch literarische Texte im Schulunterricht und die literarische Vorbildung sind meistens bestimmend für die ersten literarischen Versuche junger Autorinnen und Autoren. Erst im Verlauf ihrer literarischen Tätigkeit stellt sich die Frage nach der Wahl bzw. nach der Entscheidung für die eine oder andere Sprache für ihre kreative Tätigkeit. Die litauischeLitauenlitauisch Literatur des 19. Jahrhunderts liefert hierzu zahlreiche Beispiele.

Ende des 19. Jahrhunderts galt LitauischLitauenLitauisch als „Bauernsprache“, so dass Kleinadel und gebildete Schichten PolnischPolenPolnisch/Polish verwendeten. Auch in der Literatur dominierte PolnischPolenPolnisch/Polish. Der Dichter Antanas BaranauskasBaranauskas, Antanas (1835–1902) wechselte beispielsweise vom PolnischenPolenPolnisch/Polish zum LitauischenLitauenLitauisch unter dem Einfluss von Karolina Praniauskaitė Praniauskaitė, Karolina (1828–1859), die selbst ihre – heute größtenteils vergessenen – Gedichte fast ausschließlich auf PolnischPolenPolnisch/Polish schrieb (Stoberski 1974: 55f.). Wäre nicht der frühe Tod der Dichterin gewesen, hätte sie vermutlich auch zum LitauischenLitauenLitauisch gewechselt, denn ihre ÜbersetzungenÜbersetzung/translation der litauischenLitauenlitauisch Volksdichtung ins PolnischePolenPolnisch/Polish offenbaren nicht nur ihr Interesse an der litauischenLitauenlitauisch Literatur, sondern auch ihre Kenntnis der litauischenLitauenlitauisch Sprache. Neben Karolina Praniauskaitė beeinflusste auch Juliusz SłowackiSłowacki, Juliusz, einer der Nationaldichter PolensPolen, das Interesse Antanas Baranauskas für die Folklore LitauensLitauen.1 Es war die Epoche der Romantik, die sich Märchen, Balladen, VolksliedernVolkVolkslied und der VolksspracheVolkVolkssprache zuwandte. Baranauskas beschäftigte sich linguistisch mit litauischenLitauenlitauisch DialektenDialekt/Mundart, übersetzte die Bibel ins LitauischeLitauenLitauisch und schrieb eigene Gedichte in litauischerLitauenlitauisch Sprache. Als Meilenstein in der litauischenLitauenlitauisch Literatur wird sein Gedicht „Anykščių šilelis“ bezeichnet. Es wurde 1861, knapp zwei Jahre nach seiner Entstehung, erstveröffentlicht und besingt die Schönheit der litauischenLitauenlitauisch Wälder und die Verbundenheit der Menschen mit der Natur.

1896, sechs Jahre vor dem Tod Antanas BaranauskasBaranauskas, Antanas, wurde bei Wilna, das heutige Vilnius, der weißrussischWeißrusslandweißrussisch-litauischeLitauenlitauisch Dichter Moische KulbakKulbak, Moische, geboren, der spätestens 2017, als LitauenLitauen das Gastland der Leipziger Buchmesse war, wiederentdeckt wurde (vgl. Kulbak 2017). Kulbak zählt zu den größten Dichtern jiddischerJiddisch Sprache seiner Zeit. Anfang der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war Wilna ein Zentrum der jiddischenJiddisch Kultur. Dass Kulbak, der ursprünglich auf HebräischHebräisch schrieb und neben RussischRusslandRussisch/Russian, LitauischLitauenLitauisch und PolnischPolenPolnisch/Polish auch DeutschDeutschlandDeutsch sprach, sich für JiddischJiddisch als LiteraturspracheLiteratursprache entschied, hatte ideologischeIdeologieideologisch Gründe.

Das bis 1904 anhaltende Verbot der zaristischen Behörden, Bücher in litauischerLitauenlitauisch Sprache zu drucken, führte zur PopularisierungPopularisierung des LitauischenLitauenLitauisch als LiteraturspracheLiteratursprache und Entstehung der nationalenNationnational Romantik. Zu den bekanntesten Autoren litauischerLitauenlitauisch Literatur der Zwischenkriegszeit zählen Balys SruogaSruoga, Balys (1896–1947), Salomėja NėrisNėris, Salomėja (1905–1945), Bernardas BrazdžionisBrazdžionis, Bernardas (1907–2002). Wie der letztere gingen auch andere Schriftsteller – Henrikas RadauskasRadauskas, Henrikas, Jonas AistisAistis, Jonas, Alfonsas Nyka-NiliūnasNyka-Niliūnas, Alfonsas – nach der deutschenDeutschlanddeutsch und sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet Besatzung LitauensLitauen ins ExilExil. Nach kürzeren Aufenthalten in DeutschlandDeutschland, FrankreichFrankreich und der SchweizSchweiz zogen sie in die USA. Dort blieben sie der litauischenLitauenlitauisch Sprache treu. Da sie fast alle Lyrik schrieben, war der SprachwechselSprachwechsel ja sehr unwahrscheinlich. Im Exil beteiligten sie sich als Literaturkritiker und literarische Übersetzer. In der HeimatHeimat wurden sie diffamiert und tabuisiert, ihr Werk blieb bis zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit LitauensLitauen weitgehend unbekannt.

Einer der bemerkenswertesten Autoren LitauensLitauen ist Jurgis BaltrušaitisBaltrušaitis, Jurgis (1873–1944), der ebenfalls ins ExilExil ging, nach FrankreichFrankreich, und dort vom RussischenRusslandRussisch/Russian zum LitauischenLitauenLitauisch wechselte. Baltrušaitis wurde in einem kleinen Dorf im Nordwesten LitauensLitauen, der damals zum RussischenRusslandRussisch/Russian Reich gehörte, geboren. Während seines Physik- und Mathematikstudiums an der Universität Moskau lernte er die zentralen Figuren des russischenRusslandrussisch Symbolismus kennen: Konstantin BalmontBalmont, Konstantin, Waleri BrjussowBrjussow, Waleri und Wjatcheslaw IwanowIwanow, Wjatcheslaw. Er debütierte als Lyriker 1899 und schrieb knapp 300 Gedichte in russischerRusslandrussisch Sprache. Sein erstes auf LitauischLitauenLitauisch verfasstes Gedicht erschien 1927. Sein SprachwechselSprachwechsel war weniger politischPolitik/politicspolitisch/political motiviert, er trug vielmehr einen experimentellen Charakter. Für einen Dichter ist es attraktiv und herausfordernd, einen neuen Trend oder Kunstgriff losgelöst von seinem Ursprung auszuprobieren. Der Hang des russischenRusslandrussisch Symbolismus zum Mystizismus führte zur Herausbildung von Symbolen, deren häufige Verwendung mit der Zeit zum Verlust ihres Gehalts und ihrer Wirkung führte. Anders war es in der litauischenLitauenlitauisch Sprache, die diese Kunstrichtung noch nicht kannte und unverbrauchtes SprachmaterialSprachmaterial bot, das ein Dichter frei von Vorbildern und abseits der Muster gestalten konnte. Natürlich kannte Baltrušaitis diese Vorbilder und Muster im RussischenRusslandRussisch/Russian, aber sie dienten ihm im LitauischenLitauenLitauisch als Empfehlung und nicht als Regel, die es zu befolgen galt. Dadurch entstand Freiraum zum Modifizieren, Ausprobieren, eben zum Experimentieren. Gerade dieses Moment ist ein Vehikel für den Sprachwechsel bei vielen Autoren, denn dadurch werden Kreativität und Inspiration generiert. Gleichzeitig findet Transfer von neuen literarischen Formen, Trends, Kunstrichtungen und Stilen aus einer Literatur in die andere statt. Wie fruchtbar der Sprachwechsel für Baltrušaitis war, zeigen seine drei Gedichtbände,2 die in FrankreichFrankreich, fern vom litauischenLitauenlitauisch Sprachraum, entstanden. Auch wenn sein erster Gedichtband in litauischerLitauenlitauisch Sprache erst 1942, kurz vor seinem Tod, erschien, ging Baltrušaitis nicht nur als Symbolist, sondern als Erneuerer der litauischenLitauenlitauisch Literatur in ihre Geschichte ein.

Als SprachwechslerSprachwechselSprachwechsler und zweisprachigerZweisprachigkeitzweisprachig Autor ist BaltrušaitisBaltrušaitis, Jurgis ein Paradebeispiel für textexterne MehrsprachigkeitMehrsprachigkeittextexterne Mehrsprachigkeit. Seine literarischen ÜbersetzungenÜbersetzung/translation aus zahlreichen Sprachen ins RussischeRusslandRussisch/Russian und LitauischeLitauenLitauisch offenbaren, wie breit und vielfältig das Spektrum seiner textexternen MehrsprachigkeitMehrsprachigkeittextexterne Mehrsprachigkeit ist. In seiner russischenRusslandrussisch Phase übersetzte er zahlreiche Dichter und Dramatiker ins RussischeRusslandRussisch/Russian: George Gordon ByronByron, George Gordon, Henrik IbsenIbsen, Henrik, Knut HamsunHamsun, Knut, Gerhart HauptmannHauptmann, Gerhart, Gabriele D’Annunzio, Oscar WildeWilde, Oscar, Johan August StrindbergStrindberg, Johan August, Søren KierkegaardKierkegaard, Søren sowie Rabindranath TagoreTagore, Rabindranath u.a. Baltrušaitis’ Leistung als literarischer Entdecker und Vermittler wird mit einem Preis honoriert, der seinen Namen trägt und seit 2006 verliehen wird.

Der erste Preisträger dieser Auszeichnung ist Georgi EfremowEfremow, Georgi, ein russischerRusslandrussisch Dichter, Publizist und Übersetzer. Den BaltrušaitisBaltrušaitis, Jurgis-Preis erhielt Efremow für seine ÜbersetzungenÜbersetzung/translation der litauischenLitauenlitauisch Autoren ins RussischeRusslandRussisch/Russian. Seit 1975, als seine erste ÜbersetzungÜbersetzung/translation von Eduardas MieželaitisMieželaitis, Eduardas erschien, übertrug Efremow praktisch die gesamte zeitgenössische litauischeLitauenlitauisch Lyrik ins RussischeRusslandRussisch/Russian: Algimantas BaltakisBaltakis, Algimantas, Bernardas BrazdžionisBrazdžionis, Bernardas, Albinas BernotasBernotas, Albinas, Vladas BraziūnasBraziūnas, Vladas, Sigitas Zigmas Geda, Marcelijus Teodoras MartinaitisMartinaitis, Marcelijus Teodoras, Justinas MarcinkevičiusMarcinkevičius, Justinas, Aidas MarčėnasMarčėnas, Aidas, Jonas StrielkūnasStrielkūnas, Jonas, Aivaras VeiknysVeiknys, Aivaras u.a.3 Fast jeder der genannten Lyrikerinnen und Lyriker übersetzt auch selbst Lyrik aus anderen Sprachen ins LitauischeLitauenLitauisch. Damit wird deutlich, wie verbreitet textexterne MehrsprachigkeitMehrsprachigkeittextexterne Mehrsprachigkeit gerade unter den Lyrikern ist. Es ist ein Phänomen, das über LitauenLitauen und das BaltikumBaltikum hinausgeht und als typisch für Lyriker gelten kann. Das Akustische einer anderen Sprache – MelodieMelodie, RhythmusRhythmus/rhythm, KlangKlang – reizt und inspiriert eigene Spracharbeit, schult das Ohr, sensibilisiert für die Musikalität und bietet sich als Übungsraum an.

Auch wenn Georgi EfremowEfremow, Georgi mit dem BaltrušaitisBaltrušaitis, Jurgis-Preis vordergründig für seine PopularisierungPopularisierung der litauischenLitauenlitauisch Literatur ausgezeichnet wurde, darf nicht vergessen werden, dass er selbst ein Dichter ist, einer der bekanntesten Dichter LitauensLitauen, die auf RussischRusslandRussisch/Russian schreiben. Den litauischenLitauenlitauisch Lesern ist er jedoch bestens bekannt, da seine Lyrik von den von ihm übersetzten litauischenLitauenlitauisch Dichtern aus dem RussischenRusslandRussisch/Russian ins LitauischeLitauenLitauisch übertragen wird.

Die Tradition der literarischen ÜbersetzungÜbersetzung/translation, insbesondere der Lyrikübersetzung, erhielt in RusslandRussland von den Dichtern des Silbernen Zeitalters4 vielfältige Impulse und wurde in der sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet Zeit fortgesetzt. In russischerRusslandrussisch Sprache wurden Anthologien der Literatur fast aller sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet Republiken herausgegeben. Gewiss waren diese Ausgaben politischPolitik/politicspolitisch/political und ideologischIdeologieideologisch motiviert. Wie sonst erklärt man die zahlreichen Ausgaben der litauischenLitauenlitauisch Literatur während des Zweiten WeltkriegesWeltkriegZweiter Weltkrieg.5 Mit ihren Werken sollten die Autorinnen und Autoren die kommunistischen Ideen und sozialistischen Werte popularisieren. Auch nach dem Zweiten WeltkriegWeltkriegZweiter Weltkrieg erschien eine Reihe von Anthologien litauischerLitauenlitauisch Literatur in russischenRusslandrussisch ÜbersetzungenÜbersetzung/translation: „Поэты Литвы“ (Dichter LitauensLitauen), 1947; „Поэты Советской Литвы“ (Dichter des sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet LitauensLitauen), 1948; „Литовские новеллы“ (LitauischeLitauenLitauisch Novellen), 1948; „Поэзия Литвы. Антология“ (Dichtung LitauensLitauen. Anthologie), 1950; „Проза Советской Литвы“ (Prosa des sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet LitauensLitauen), 1950, u.a.

Einer der meistübersetzten und bekanntesten Autoren des sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet LitauensLitauen war Eduardas MieželaitisMieželaitis, Eduardas.6 Der 1919 in Kareiviškis geborene Dichter war nicht nur in seiner Jugend ein aktiver Anhänger der kommunistischen Ideen, sondern blieb Parteimitglied auch nach der Wende. Dabei wurde er 1946 „für die Ideenlosigkeit“ seiner Dichtung von Literaturfunktionären scharf kritisiert. Vermutlich um weniger Oden an die kommunistische Partei schreiben zu müssen, begann Mieželaitis für Kinder und Jugendliche zu dichten und übersetzte Werke anderer Autoren ins LitauischeLitauenLitauisch. Neben PuschkinPuschkin, Alexander und LermontovLermontov, Michail übersetzte er auch Leonid MartynovMartynov, Leonid aus dem RussischenRusslandRussisch/Russian, der seinerseits Mieželaitis Werke ins RussischeRusslandRussisch/Russian übertrug. Für seine literarische Tätigkeit wurde er 1962 mit dem Leninorden der SowjetunionSowjetunion ausgezeichnet. Im unabhängigen LitauenLitauen wurde er für seine politischePolitik/politicspolitisch/political Haltung zwar angefeindet, aber gleichzeitig gilt er bis heute als einer der größten litauischenLitauenlitauisch Dichter des 20. Jahrhunderts. Seine Lyrik zeichnet sich durch Pathos, Liedhaftigkeit und philosophische Lebensbetrachtung aus.

Das gegenseitige Übersetzen ist unter den Lyrikern durchaus verbreitet. Der 1937 in Memel geborene Tomas VenclovaVenclova, Tomas, der seit 1977 als Dissident im US-amerikanischenAmerika/USAamerikanisch ExilExil lebt, übersetzte den polnischenPolenpolnisch Dichter Czesław MiłoszMiłosz, Czesław und den russischenRusslandrussisch Joseph BrodskyBrodsky, Joseph, während die beiden seine Lyrik aus dem LitauischenLitauenLitauisch übertrugen (vgl. Veser 2017: 14).7 In den USA schrieb Venclova nicht nur auf LitauischLitauenLitauisch, sondern auch auf RussischRusslandRussisch/Russian. Diese ZweisprachigkeitZweisprachigkeit war gewiss nicht politischPolitik/politicspolitisch/political motiviert, sondern ergab sich aus seiner literarischen und literaturwissenschaftlichen Tätigkeit.

Die Literatur des heutigen LitauensLitauen orientiert sich am globalen Buchmarkt, der englischsprachig ist. Die Online-Zeitschrift Vilnius Review bietet eine beeindruckende Zahl an literarischen Texten der litauischenLitauenlitauisch Gegenwartsliteratur und setzt sich deren PopularisierungPopularisierung zum Ziel.8 Dieses soll erreicht werden, indem literarische Texte in englischerEnglisch/English ÜbersetzungÜbersetzung/translation dem breiteren Leserkreis zugänglich gemacht werden. Um das anfallende Arbeitspensum zu bewerkstelligen, wird ein Übersetzerteam beschäftigt. Ohne finanzielle Unterstützung sind solche Projekte kaum realisierbar. Als Sponsoren von Vilnius Review werden folgende Stiftungen genannt: Lithuanian Council for CultureLithuanian Council for Culture, Association LATGAAssociation LATGA, City of VilniusCity of Vilnius, modernaus meno centrasmodernaus meno centras, SpaudosSpaudos, radijo ir televizijos rėmimo fondasradijo ir televizijos rėmimo fondas.9 Es handelt sich also um staatliche Strukturen, die im Einklang mit der (Kultur)Politik der litauischenLitauenlitauisch Regierung insbesondere seit 2010 vermehrt das EnglischeEnglisch/English als KommunikationsspracheKommunikation verwenden. Zum einen wird dadurch die Weltoffenheit LitauensLitauen deutlich, das sich im Zuge der Globalisierungsprozesse immer stärker in die europäischeEuropaeuropäisch und Weltgemeinschaft integriert. Zum anderen geht damit die Bedeutung und die Kenntnis des RussischenRusslandRussisch/Russian und des PolnischenPolenPolnisch/Polish verloren. Diese Sprachen sind ein wichtiger Teil der Geschichte LitauensLitauen, scheinen jedoch mehr der Vergangenheit anzugehören, als in der Zukunft eine wichtige Rolle zu spielen.

Dieser Pessimismus müsste allerdings angesichts der 2019 erschienenen dreibändigen Anthologie der russischenRusslandrussisch Dichtung LitauensLitauen (Антология русской поэзии Литвы) relativiert werden. Sie bringt Texte von knapp 350 Autorinnen und Autoren, die seit Jahrhunderten mit LitauenLitauen verbunden waren und auf RussischRusslandRussisch/Russian schrieben.10 Die Initiatoren dieser Anthologie sind Mitglieder von „LogosLogos“, des Vereins der russischsprachigen Dichter LitauensLitauen. Inspiriert wurden sie von der Anthologie RussischeRusslandRussisch/Russian Poesie LettlandsLettland/Latvia, die im Nachbarland erschien. Gleichzeitig setzt „Logos“ mit seiner dreibändigen Ausgabe ein Zeichen des Protests gegen die Sprach(en)politik im heutigen Litauen.

Seit seiner Unabhängigkeit ist LitauenLitauen bemüht, LitauischLitauenLitauisch vor Einflüssen des RussischenRusslandRussisch/Russian sowie vor AnglizismenAnglizismen und nicht litauischenLitauenlitauisch Wörtern zu schützen. Mit dieser Aufgabe sind zwei staatliche Behörden beauftragt, die Staatliche Kommission der litauischenLitauenlitauisch Sprache und die Staatliche Sprach-InspektionSprach-Inspektion, die nicht nur mit Argusaugen, sondern mit Tadel, Verwarnungen und Geldstrafen bis zu 434 Euro für die Reinheit der litauischenLitauenlitauisch Sprache sorgen sollen (Stašaitytė 2017). Als Richtlinie dient der „SprachpolizeiSprachpolizei“, wie diese Behörden im Volksmund genannt werden, ein 25-seitiger Katalog der „großen Fehler der litauischenLitauenlitauisch Sprache“, die insbesondere Autoren, Journalisten und öffentliche Funktionsträger nicht begehen dürfen. Die Leiterin der SprachkommissionSprachkommission, Daiva Vaišnienė, beteuert allerdings, dass für die Literatur „eine totale Freiheit“ gelte (Stašaitytė 2017). Der Roman Pietinia kronikas (2016) von Rimantas KmitasKmitas, Rimantas, der in der Umgangssprache geschrieben wurde und mit Schimpfwörtern gespickt ist, soll als Beweis für die Freiheit der Literatur im heutigen Litauen herhalten (Stašaitytė 2017). Allerdings ist bemerkenswert, dass eine solche SprachzensurSprachzensur wie in Litauen in den anderen postsowjetischenSowjetunionpostsowjetisch Staaten nicht praktiziert wird – mit Ausnahme von RusslandRussland. Die SprachpolitikSprachpolitik LitauensLitauen erklärt Heiko F. Marten zutreffend mit der postkolonialenKolonialismuspostkolonial Ausgangssituation: „Die durch die postkolonialeKolonialismuspostkolonial Ausgangssituation begründete Sprachpolitik führt zu einigen Praktiken, die im internationalen Vergleich ungewöhnlich sind.“ (Marten 2017: 217).

3 Sprach(en)politik und literarische MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitliterarische Mehrsprachigkeit in LettlandLettland/Latvia

Eine „postkolonialeKolonialismuspostkolonial Ausgangsposition“ gilt auch für LettlandLettland/Latvia. Die Eroberung seiner Gebiete durch den DeutschenDeutschlanddeutsch Orden und die HanseHanse(bund), die schwedischeSchwedenschwedisch Herrschaft im 17. Jahrhundert, die Besetzung durch das RussischeRusslandRussisch/Russian Reich Anfang des 18. Jahrhunderts und die sowjetischeSowjetunionsowjetisch Besatzung im Juni 1940 sind Höhepunkte der postkolonialenKolonialismuspostkolonial Vergangenheit LettlandsLettland/Latvia. Im Spätmittelalter werden von der Bildungsschicht LateinLatein und DeutschDeutschlandDeutsch verwendet. Erst im 19. Jahrhundert, als der Einfluss des DeutschenDeutschlandDeutsch nachlässt, entsteht Literatur in lettischerLettland/Latvialettisch Sprache. Die Epoche der Romantik weckt das Interesse für VolksliederVolkVolkslied und Balladen, die gesammelt und studiert werden (Krišjānis Baron). Die in lettischerLettland/Latvialettisch Sprache verfassten Prosawerke jener Zeit entstehen unter dem Einfluss der westeuropäischen und insbesondere der deutschenDeutschlanddeutsch Literatur. Die lutheranischen Pastoren übersetzen zahlreiche Werke aus dem DeutschenDeutschlandDeutsch, um so eine AlternativeAlternative zu freiheitsliebenden lettischenLettland/Latvialettisch VolksliedernVolkVolkslied und Volksmärchen zu schaffen. Unter den lettisch-deutschenLettland/Latvialettisch-deutsch Schriftstellern ist u.a. Andrievs NiedraNiedra, Andrievs (1871–1942) zu nennen. Ferner sei auch auf Rūdolfs BlaumanisBlaumanis, Rūdolfs (1863–1908), einen der bekanntesten lettischenLettland/Latvialettisch Schriftsteller, hingewiesen. Nach dem Abschluss der deutschenDeutschlanddeutsch Handelsschule in Riga schrieb Blaumanis seine ersten Publikationen auf DeutschDeutschlandDeutsch. Seine Novellen und Kurzgeschichten verfasste er auf LettischLettland/LatviaLettisch/Latvian. Viele von ihnen, wie z.B. das Drama „Die Indrans“ (1904) übersetzte er dann ins DeutscheDeutschlandDeutsch (Kalnačs/Füllmann 2017). Später wurde er Mitglied der sozialdemokratischen Bewegung die „Neue StrömungNeue Strömung“. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts lässt sich eine immer größere lettischeLettland/Latvialettisch Bildungsschicht für Ideen des Sozialismus begeistern. Unter ihnen war auch das bekannteste literarische Paar LettlandsLettland/Latvia Aspazija (1865–1943) und RainisRainis (1865–1929). Ihre ersten Gedichte schrieb Aspazija auf DeutschDeutschlandDeutsch, wechselte aber bald zum LettischenLettland/LatviaLettisch/Latvian. Zusammen mit Rainis, dem wichtigsten Dichter LettlandsLettland/Latvia, übersetzte sie Goethes FaustFaust/Faustus ins LettischeLettland/LatviaLettisch/Latvian. Für seine sozialistische WeltanschauungWeltanschauung wurde Rainis 1897 nach Pskow und Slobodskoi verbannt. In den fünf Jahren seiner Verbannung schrieb er nicht nur Gedichte in lettischerLettland/Latvialettisch Sprache, sondern übersetzte SchillerSchiller, Friedrich, HeineHeine, Heinrich, ShakespeareShakespeare, William und PuschkinPuschkin, Alexander ins LettischeLettland/LatviaLettisch/Latvian. Der Einfluss der deutschenDeutschlanddeutsch Sprache und Literatur auf die lettischeLettland/Latvialettisch Literatur ist noch Anfang des 20. Jahrhunderts nicht abgeebbt.

Der Geschichte der literarischen MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit in LettlandLettland/Latvia widmet sich Alexander ZapolZapol, Alexander in der Einleitung zu der von ihm 2011 herausgegebenen Anthologie (Zapol 2011), die einen langen Abschnitt der lettischenLettland/Latvialettisch Lyrik von 1680 bis 2010 anhand der Texte von 40 Autorinnen und Autoren vorstellt. Zapol hebt u.a. hervor, dass Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts viele lettischeLettland/Latvialettisch Autorinnen und Autoren sich an Vorbildern der russischenRusslandrussisch, deutschenDeutschlanddeutsch, französischen und skandinavischenskandinavisch Literaturen orientierten, aus diesen Sprachen übersetzten und auch selbst ihre Texte auf DeutschDeutschlandDeutsch oder RussischRusslandRussisch/Russian schrieben. Dies hing sowohl mit den historischenhistorisch Rahmenbedingungen zusammen (Schulunterricht fand in deutscherDeutschlanddeutsch, später in russischerRusslandrussisch Sprache statt), als auch mit der Orientierung an neuen literarischen Tendenzen und Prozessen, die in diesen Literaturen entstanden. Es war kein Widerspruch, ein lettischerLettland/Latvialettisch Autor zu sein und in russischerRusslandrussisch oder deutscherDeutschlanddeutsch Sprache zu schreiben. Die in russischerRusslandrussisch Sprache verfassten Gedichte von Aleksandr ČakČak, Aleksandr entstanden beispielsweise nach seinem Treffen mit Wladimir MajakowskiMajakowski, Wladimir und ahmen den Stil des russischenRusslandrussisch Futurismus nach. Gleichzeitig knüpfen seine auf LettischLettland/LatviaLettisch/Latvian geschriebenen Gedichte an die Tradition der europäischenEuropaeuropäisch Großstadtlyrik an.

Mit dem Ausbruch des Zweiten WeltkriegsWeltkriegZweiter Weltkrieg wurde die Bevölkerungsstruktur LettlandsLettland/Latvia grundlegend verändert: Anfang Oktober 1939 wurde LettlandLettland/Latvia gezwungen, die Stationierung von 25 000 sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet Soldaten auf lettischem Gebiet zuzulassen. Kurz darauf ließ HitlerHitler, Adolf 50 000 DeutschbaltenDeutschbalten umsiedeln (vgl. Garleff 2002). Am 17. Juni 1940 rollten sowjetischeSowjetunionsowjetisch Panzer durch die Straßen Rigas, und ca. 100 000 Rotarmisten befanden sich auf lettischem Territorium. Zwischen 1940 und 1990 stieg der Anteil der Russen in der ethnischenEthnieethnisch Zusammensetzung der lettischenLettland/Latvialettisch Bevölkerung auf 34 %. Während der sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet Herrschaft „sank der Anteil ethnischer Lett/-innen an der lettischenLettland/Latvialettisch Bevölkerung bis 1989 auf 52 Prozent.“ ( Mierina 2020) Das in der SowjetzeitSowjetunionSowjetzeit russifizierte LettlandLettland/Latvia zeigt sich nach der Wende weniger bemüht um die Bekämpfung der russischenRusslandrussisch Sprache als dies z.B. in LitauenLitauen der Fall ist.

Anders als in LitauenLitauen schreiben in LettlandLettland/Latvia sehr viele Autoren auf RussischRusslandRussisch/Russian, allerdings sind dies hauptsächlich ethnische Russen. Ausschlaggebend für ihre Tätigkeit ist die 1999 gegründete Textgruppe „OrbitaOrbita“. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch das Experimentieren mit anderen MedienMedien aus (Photographie, Musik, Film, Graphik, Malerei). Von den zahlreichen Aktivitäten der Vereinigung wird die Herausgabe zweisprachigerZweisprachigkeitzweisprachig Lyrikbände besonders betont: „Orbita has […] produced a number of bilingualbilingual (RussianRusslandRussisch/Russian-LatvianLettland/LatviaLettisch/Latvian) poetry collections and publications; issued an anthology of contemporary RussianRusslandRussisch/Russian poetry in LatviaLettland/Latvia – a unique study of this phenomenon“.1 Die Mitglieder der Gruppe2 (Sergej TimofejewTimofejew, Sergej,3 Artur PuntePunte, Artur, Alexander ZapolZapol, Alexander, Semjon Chanin Chanin, Semjon, Zhorzh Uallik Uallik, Zhorzh u.a.) zeigen sich weltoffen und nehmen an Literatur-Events im In- und Ausland teil. Auch wenn RussischRusslandRussisch/Russian die Sprache ihres kreativen Schaffens ist, spielen LettischLettland/LatviaLettisch/Latvian und EnglischEnglisch/English eine wichtige Rolle in ihrem Schaffensprozess.

Die zweisprachigenZweisprachigkeitzweisprachig Gedichtausgaben, die „OrbitaOrbita“ initiiert, stellen das russischeRusslandrussisch Original und die lettischeLettland/Latvialettisch ÜbersetzungÜbersetzung/translation nicht einfach nebeneinander, sondern inszenieren beide Sprachen, indem sie ihren KlangKlang häufig ins Zentrum rücken. Beispiele dafür sind nicht nur zweisprachigeZweisprachigkeitzweisprachig Lesungen, PerformancesPerformanz/performance und multimediale Projekte, die häufig mit Sound experimentieren, sondern auch die Gestaltung von Buchcover, wie etwa des Gedichtbandes Stereo (2012) von Sergej TimofejewTimofejew, Sergej und die Fokussierung auf den Klang der beiden Sprachen, wie bereits im Titel der Gedichtbände Трансферы/Transfēri (2013) und Алчность/Alkatība (2019) von Jelena GlazovaGlazova, Jelena.4 Auch wenn es überzogen wäre anzunehmen, dass die auf RussischRusslandRussisch/Russian schreibenden Autoren LettlandsLettland/Latvia den performativenPerformanz/performanceperformativ Soundformaten dank ihrer textexternen ZweisprachigkeitZweisprachigkeit zu einem so hohen Stellenwert verholfen haben, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass das Moment der akustischen Gegenüberstellung bzw. des Zusammenspiels zwischen dem russischenRusslandrussisch Original und der lettischenLettland/Latvialettisch ÜbersetzungÜbersetzung/translation beabsichtigt ist.

Der Band Вижу слышу молчу/Redsu dzirdu kluseju (2013) von einem 1975 geborenen Autor, der unter dem Pseudonym Zhorzh Uallik Uallik, Zhorzh schreibt, präsentiert Texte, die nach akustischem bzw. phonetischem Prinzip konzipiert sind. Ihnen liegen Alliterationen, akustische Assoziationen, phonetische Verwandtschaft, Echo-Effekte sowie Spiegelungen und Doppelungen zugrunde.5 Stellenweise entfalten die Gedichte dieses Bandes eine psychodelische Wirkung, die durch die Überreizung der auditivenauditiv Wahrnehmung erzielt wird. Der Band ist als Doppelband erschienen und bringt die Übertragung dieser Gedichte ins LettischeLettland/LatviaLettisch/Latvian. Die beiden Bände lesen sich je von einer Seite, wobei sie mit dem gemeinsamen Rückcover verbunden sind. Diese aufwendige innovative Gestaltung des Buches deutet auf die herausragende Bedeutung der Sprachen und ihr Zusammenspiel sowohl bei der Entstehung der Gedichte als auch bei ihrer Übertragung ins LettischeLettland/LatviaLettisch/Latvian hin.

Die enge Zusammenarbeit zwischen den auf RussischRusslandRussisch/Russian schreibenden Autorinnen und Autoren und Übersetzerinnen und Übersetzern ins LettischeLettland/LatviaLettisch/Latvian, die ihrerseits selbst Dichter sind, die auf LettischLettland/LatviaLettisch/Latvian schreiben, generiert nicht nur Synergien und Kreativität, sondern auch Experimentierfreude. Artur PuntePunte, Artur, einer der Redakteure der zweisprachigenZweisprachigkeitzweisprachig Ausgaben, brachte 2014 seinen Gedichtband Поэтические посвящения/Poētiskie veltījumi heraus, in dem zwischen russischenRusslandrussisch Originalen und ihren ÜbersetzungenÜbersetzung/translation ins LettischeLettland/LatviaLettisch/Latvian auch Gedichte stehen, die Punte auf LettischLettland/LatviaLettisch/Latvian verfasste. Auch wenn dies noch lange nicht bedeutet, dass Punte in der zweiten Sprache seines kreativen Schaffens den gleichen literarischen Rang hat, zeigt sich jedoch, dass Versuche, in einer anderen Sprache Literatur zu schreiben, einen experimentellen Charakter haben, dem durchaus spielerische Momente und Kreativität generierende Absichten zugrunde liegen. Gleichzeitig wird deutlich, dass der literarische Text nicht frei vom Einfluss der textexternen MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit bleibt. Er manifestiert sich vordergründig in der auditivenauditiv Gestaltung der Sprache, in der akustischen Wahrnehmung des Textes sowie in sprachvergleichenden, sprachkonsolidierenden oder sprachkontrastierenden Elementen, sowie in den vielfältigen onomatopoetischen Stilmitteln, worauf auch Ilva Skulte verweist:

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