Kitabı oku: «Mehrsprachigkeit und das Politische», sayfa 11
Reading Punte, it seems the poet speaks following a developmental logic of events, conversations or associations, but then suddenly changes course, remaining under the disguise of language: what comes to the foreground is a linguistic interplay, transfers, breaks, sound repetitions, rhythmRhythmus/rhythm and metre. It is as if the poetry emerges from the story and language (or vice versa) in front of our eyes, thanks to its special, textually tangible form, a form that can express itself in tonality.6
Die ZweisprachigkeitZweisprachigkeit und das Zusammenspiel der Sprachen werden auch durch das Design des Bandes Вплавь/Peldus von Semjon ChaninChanin, Semjon betont. Magnete wurden eingesetzt, um so die Anziehung zwischen dem Band mit russischenRusslandrussisch Originalen und dem Band mit ÜbersetzungenÜbersetzung/translation ins LettischeLettland/LatviaLettisch/Latvian eindrucksvoll zu veranschaulichen. Die ÜbersetzungenÜbersetzung/translation wurden von Dichtern wie Kārlis Vērdiņš Vērdiņš, Kārlis, Pēteris DragunsDraguns, Pēteris, Liana LangaLanga, Liana, Jānis Rokpelnis Rokpelnis, Jānis, Marts Pujāts Pujāts, Marts, Jānis ElsbergsElsbergs, Jānis u.a. vorgenommen. Gedichte einiger von ihnen sowie von Eduards AivarsAivars, Eduards, Edvīns RaupsRaups, Edvīns, Māris SalējsSalējs, Māris übersetzt Semjon Chanin aus dem LettischenLettland/LatviaLettisch/Latvian ins RussischeRusslandRussisch/Russian. Ferner überträgt er auch aus dem EnglischenEnglisch/English, etwa den amerikanischenAmerika/USAamerikanisch Dichter russischerRusslandrussisch Herkunft Eugene OstashevskyOstashevsky, Eugene.7
Die Gegenwartsliteratur LettlandsLettland/Latvia – unabhängig ob in lettischerLettland/Latvialettisch oder in russischerRusslandrussisch Sprache – entsteht vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen ZweisprachigkeitZweisprachigkeit. Dies führt zur Herausbildung verschiedener Formen der literarischen MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit. Diese existieren sowohl in textexternen als auch textinternen Bereichen. Neben literarischen ÜbersetzungenÜbersetzung/translation, die für die textexterne MehrsprachigkeitMehrsprachigkeittextexterne Mehrsprachigkeit lettischerLettland/Latvialettisch Gegenwartsautorinnen und -autoren kennzeichnend ist, scheint zunehmend die textinterne MehrsprachigkeitMehrsprachigkeittextinterne Mehrsprachigkeit eine wichtige Rolle zu spielen. Dabei ist zu beobachten, dass nicht so sehr manifeste als vielmehr latentelatent Mehrsprachigkeit diese Texte kennzeichnet. InterferenzInterferenz der Sprachen (z.B. russischeRusslandrussisch Syntax in der lettischenLettland/Latvialettisch Sprache), LehnübersetzungenÜbersetzung/translationLehnübersetzung, SprachlatenzSprachlatenz und interlingualesinterlinguales Wortspiel scheinen die häufigsten Formen der latenten MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitlatente Mehrsprachigkeit (Blum-Barth 2020) in der lettischenLettland/Latvialettisch Gegenwartsliteratur zu sein. In diese Richtung geht auch die Bewertung der beabsichtigten Sichtbarkeit und der Wechselwirkung des RussischenRusslandRussisch/Russian und LettischenLettland/LatviaLettisch/Latvian in zweisprachigenZweisprachigkeitzweisprachig Ausgaben der „OrbitaOrbita“ durch den Dichters und Kritiker Kirill Kortchagin als „utopischesutopisch Projekt der gemeinsamen lettisch-russischenRusslandrussisch poetischenPoetik/poeticspoetisch Sprache“ (Kortchagin 2015).8
4 ÜbersetzungenÜbersetzung/translation im Kontext literarischer MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit
Sieht man von traditionellen VolksliedernVolkVolkslied und -märchen ab, so entstand die Literatur LitauensLitauen wie auch LettlandsLettland/Latvia Anfang des 19. Jahrhunderts vor einem mehrsprachigenMehrsprachigkeitmehrsprachig Hintergrund. Historischhistorisch bedingt übte der Einfluss der polnischenPolenpolnisch Sprache und Literatur in LitauenLitauen sowie der deutschenDeutschlanddeutsch in LettlandLettland/Latvia einen großen Einfluss auf die Autorinnen und Autoren des jeweiligen Landes aus. Viele unternahmen ihre ersten literarischen Schreibversuche nicht in der MutterspracheMuttersprache/mother tongue, sondern auf PolnischPolenPolnisch/Polish bzw. auf DeutschDeutschlandDeutsch, die Schulunterrichtssprache im jeweiligen Land waren. Gleichzeitig spielten Orientierung an westeuropäischer, skandinavischerskandinavisch und russischerRusslandrussisch Literatur, die sich nicht zuletzt in der ÜbersetzungÜbersetzung/translation manifestierte, eine wichtige Rolle bei der Entstehung der nationalenNationnational Literatur LitauensLitauen und LettlandsLettland/Latvia.
Die sowjetischeSowjetunionsowjetisch Epoche stellte beide Länder vor vergleichbare Herausforderungen – RussifizierungRussifizierung und Ideologisierung –, die in LitauenLitauen und LettlandLettland/Latvia im Vergleich zu anderen sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet Republiken noch moderat ausfielen. Im Unterschied zu Autorinnen und Autoren anderer sowjetischerSowjetunionsowjetisch/Soviet Republiken waren bei litauischenLitauenlitauisch und lettischenLettland/Latvialettisch Autorinnen und Autoren weder SprachwechselSprachwechsel noch ZweisprachigkeitZweisprachigkeit, die häufig politischPolitik/politicspolitisch/political-ideologischIdeologieideologisch motiviert sind, geläufige Phänomene. In der literarischen MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit dominiert ihre textübergreifende/textexterne Form.
Für die Erforschung der literarischen MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit, insbesondere der ÜbersetzungÜbersetzung/translation als eines der Formate der textexternen MehrsprachigkeitMehrsprachigkeittextexterne Mehrsprachigkeit lassen sich sowohl in LitauenLitauen als auch in LettlandLettland/Latvia während der sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet Epoche zwei interessante Aspekte beobachten: 1. Die Gründe für ÜbersetzungenÜbersetzung/translation und 2. die konsultierende Funktion der russischenRusslandrussisch Sprache.
1. Literarische ÜbersetzungÜbersetzung/translation war eine Option, literarisch tätig zu sein, wenn Autorinnen und Autoren ein Schreib- und Veröffentlichungsverbot erhielten, ideologischeIdeologieideologisch Instrumentalisierung ihrer Werke verweigerten oder mit ihrer literarischen Tätigkeit den Lebensunterhalt bestreiten wollten.
2. Bemerkenswert ist dabei, dass auffallend viele Autorinnen und Autoren aus sehr vielen verschiedenen Sprachen übersetzten. Ohne ihre Fremdsprachenkenntnisse schmälern oder hinterfragen zu wollen, muss vermutet werden, dass die russischeRusslandrussisch Sprache im ÜbersetzungsprozessÜbersetzung/translation eine Vermittlungsrolle spielte. Anders gesagt: dem RussischenRusslandRussisch/Russian kam die sogenannte konsultierende Funktion zu. Auf RussischRusslandRussisch/Russian lagen mehrere ÜbersetzungenÜbersetzung/translation der Klassiker der WeltliteraturWeltliteratur vor und übertrafen sich gegenseitig in ihrer hohen künstlerischen Qualität, so dass ihre Hinzuziehung bei der ÜbersetzungÜbersetzung/translation in eine andere Sprache eine vergleichende Vorgehensweise ermöglichte und viele Übersetzungsentscheidungen erleichterte. Diesen Status behält RussischRusslandRussisch/Russian immer noch im Prozess der literarischen ÜbersetzungÜbersetzung/translation in die Sprachen der ehemaligen Sowjetrepubliken und der Ostblockstaaten bei. Ähnlich konsultierend können auch EnglischEnglisch/English, SpanischSpanienSpanisch, FranzösischFrankreichFranzösisch u.a. herangezogen werden, um eine Übersetzungsentscheidung zu treffen. Dadurch wird deutlich, dass Sprachen an textexterner literarischer MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit sowohl aktiv als auch passiv beteiligt sein können. Besonders brisant sind diese Aspekte bei der ÜbersetzungÜbersetzung/translation der lyrischen Texte. Da die ÜbersetzungÜbersetzung/translation von Lyrik durch einen Übersetzer, der selbst Lyriker ist, eine Art Nimbus verliehen bekommt und ein höheres Ansehen genießt,1 kommt es öfter vor, dass Dichter auch aus Sprachen übersetzen, die sie nur begrenzt sprechen. Man arbeitet dann mit Interlinearübersetzungen, eine dem Ausgangstext strukturgetreue Wort-für-Wort-ÜbersetzungÜbersetzung/translationWort-für-Wort-Übersetzung, die auch verschiedene Entsprechungen einzelner Wörter angibt.
Trotz des gleichen sowjetischenSowjetunionsowjetisch/Soviet Erbes entschieden sich LitauenLitauen und LettlandLettland/Latvia nach der Erlangung ihrer Unabhängigkeit für eine sehr unterschiedliche Sprach(en)politik. Ohne noch weiter auf ihre Unterschiede einzugehen, sei hier ihre Gemeinsamkeit hervorgehoben: eine rege literarische Übersetzungstätigkeit. Dabei dominiert die Bemühung, litauischeLitauenlitauisch bzw. lettischeLettland/Latvialettisch Autorinnen und Autoren durch ÜbersetzungenÜbersetzung/translation zu popularisieren. Während litauischeLitauenlitauisch Gegenwartsautorinnen und -autoren ins EnglischeEnglisch/English übersetzt werden (etwa in der Online-Zeitschrift Vilnius Review), widmet sich in LettlandLettland/Latvia die Textgruppe „OrbitaOrbita“ der Herausgabe der zweisprachigenZweisprachigkeitzweisprachig russischRusslandrussisch-lettischen Werkausgaben ihrer Gruppenmitglieder. Da solche Projekte ohne finanzielle Förderung langfristig nicht überlebensfähig sind, lassen sich an den staatlichen Geldgebern sprachpolitischeSprachpolitiksprachpolitisch Ziele und Interessen ablesen.
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Über die Mehrsprachigkeit in den Romanen von Gohar Markosjan-Käsper
Aigi Heero
Abstract: Der vorliegende Beitrag analysiert das Phänomen der MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit in den Romanen von Gohar Markosjan-KäsperMarkosjan-Käsper, Gohar (1949–2015). Es handelt sich um eine Autorin, die aus ArmenienArmenien stammte, jedoch ihre Werke auf RussischRusslandRussisch/Russian verfasste und einen großen Teil ihres Lebens in EstlandEstland/Estonia verbrachte. Ihre Werke sind dementsprechend im Kontaktfeld verschiedener Sprachen und Kulturen entstanden. Dieser Artikel stellt ihre Romane Helena und Penelopa als Beispiele transkulturellenTranskulturalitättranskulturell Schreibens heraus und analysiert Erscheinungsformen und Funktion der Mehrsprachigkeit in diesen Werken. Des Weiteren wird über das Leben und Schaffen Markosjan-Käspers im sozialpolitischen Kontext der ehemaligen SowjetunionSowjetunion berichtet (in Bezug auf die Sprach- und KulturpolitikPolitik/politicsKulturpolitik sowie MigrationMigrant/inMigration). Die Untersuchung zeigt, dass etliche Themen und Motive, die auch in der deutschsprachigenDeutschlanddeutschsprachig transkulturellenTranskulturalitättranskulturell Literatur vorhanden sind, ebenso im Schaffen Markosjan-Käspers sichtbar werden (z.B. kulturelle Vergleiche, Selbstfindung in einer fremdenFremdheitfremd Kultur). Die Mehrsprachigkeit zeigt sich in diesen Romanen sowohl explizit als auch implizit: Neben dem RussischenRusslandRussisch/Russian werden auch andere Sprachen wie ArmenischArmenienarmenisch, EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian, EnglischEnglisch/English, LateinLatein direkt eingesetzt und es finden sich zahlreiche indirekte Hinweise auf diese Sprachen. Des Weiteren werden verschiedene Bezüge auf weltbekannte Romane wie Ulysses und Meister und Margarita analysiert.
Keywords: Gohar Markosjan-Käsper; Migration; Estland; Armenien; Sowjetunion; Mehrsprachigkeit; Transkulturalität
1 Einleitung
Im März 2002 erschien in Berlin der Roman Penelopa von Gohar Markosjan-KäsperMarkosjan-Käsper, Gohar in deutscherDeutschlanddeutsch ÜbersetzungÜbersetzung/translation (mit dem Titel Penelope, die Listenreiche). Im selben Jahr erschien dieser Roman in französischer und ein Jahr später in spanischer ÜbersetzungÜbersetzung/translation. Die Autorin Gohar Markosjan-Käsper (1949–2015) stammte aus einer armenischenArmenienarmenisch Künstlerfamilie in Jerewan: Ihre Mutter war Balletttänzerin, ihr Vater Opernsänger. Sie studierte Medizin und arbeitete etliche Jahre als Ärztin, doch schon seit ihrer Jugend schrieb sie Gedichte und versuchte sich auch an Prosatexten. 1990 heiratete sie den estnischenEstland/Estoniaestnisch Schriftsteller und Übersetzer Kalle Käsper, den sie in ArmenienArmenien kennengelernt hatte und übersiedelte nach EstlandEstland/Estonia. Danach widmete sie sich ganz der Literatur.
Obwohl sie armenischerArmenienarmenisch Herkunft war, verfasste Gohar Markosjan-KäsperMarkosjan-Käsper, Gohar ihre Texte auf RussischRusslandRussisch/Russian. Hierbei hat wohl die Tatsache, dass sie die russischeRusslandrussisch Sprache als Sprache des Selbstausdrucks betrachtete, die wichtigste Rolle gespielt. Als Kind hat sie in Jerewan eine russischsprachige Schule besucht und dadurch gründliche Kenntnisse dieser Sprache erworben. Des Weiteren wurde auch in ihrer Familie sehr viel russischeRusslandrussisch und WeltliteraturWeltliteratur in russischerRusslandrussisch ÜbersetzungÜbersetzung/translation gelesen und teilweise auf RussischRusslandRussisch/Russian kommuniziert. Auf diesen Aspekt wird später in dieser Studie noch näher eingegangen werden.
An dieser Stelle muss jedoch präzisiert werden, dass ihre Familie sowie ihre Sprachenwahl in dieser Hinsicht eine Ausnahme darstellen. Markosjan-KäsperMarkosjan-Käsper, Gohar hat selber erklärt, dass am Ende der 1970er Jahre in ArmenienArmenien eine russischsprachige Literatur initiiert wurde. Es habe aber ziemlich wenige solche Autoren gegeben, und deren Schaffen habe nicht besonders viel Aufmerksamkeit erhalten (Markosjan-Käsper 2006: 69). Der Grund dafür, so Markosjan-Käsper, lag wohl daran, dass die armenischeArmenienarmenisch literarische Tradition eine sehr lange Geschichte hat und die neue russischsprachige armenischeArmenienarmenisch Literatur einerseits als nicht qualitativ gleichwertig und andererseits als ein Anzeichen der SowjetisierungSowjetunionSowjetisierung betrachtet wurde (ebd.). Obwohl die SowjetmachtSowjetunionSowjetmacht versuchte, RussischRusslandRussisch/Russian in Armenien als offizielle Sprache einzuführen (etwa mit dem entsprechenden Vorschlag zur Konstitutionsänderung im Jahr 1978), wurde dieses Ziel nicht erreicht. Gegen diesen Vorschlag wurde in Armenien heftig protestiert und sogar öffentlich demonstriert, was dazu führte, dass das Vorhaben rückgängig gemacht wurde. Dennoch wuchs die Rolle des RussischenRusslandRussisch/Russian im öffentlichen Leben:
A thorough knowledge of RussianRusslandRussisch/Russian was a virtual requirement for white collar jobs, and some parents preferred to send their children to RussianRusslandRussisch/Russian-language schools. A portion of Armenian citizens opted for higher education in RussianRusslandRussisch/Russian universities and technical schools. (Grenoble 2003: 123)
Dessen ungeachtet blieb die Anzahl der armenischenArmenienarmenisch Bürger, die RussischRusslandRussisch/Russian als ihre erste Sprache betrachteten, relativ gering. RussischRusslandRussisch/Russian als ZweitspracheZweitsprache dagegen war viel weiter verbreitet: 1989 gaben 60,6% der ArmenierArmenienArmenier RussischRusslandRussisch/Russian als ihre zweite Sprache an (ebd.: 135). Die starke literarische Tradition, die muttersprachliche Hochschulbildung und das starke Nationalbewusstsein der ArmenierArmenienArmenier trugen dazu bei, dass der Einfluss des RussischenRusslandRussisch/Russian auf die armenischeArmenienarmenisch Kultur geringfügig blieb und dass die russischeRusslandrussisch Sprache für ArmenierArmenienArmenier nicht ein Teil ihrer IdentitätIdentität/identity wurde (vgl. Rabanus/Barseghyan 2015: 24–25).
Markosjan-KäsperMarkosjan-Käsper, Gohars literarische Texte entstanden vor allem in EstlandEstland/Estonia, wurden jedoch meistens in RusslandRussland erstmals publiziert. Der Grund dafür ist vermutlich rein pragmatisch gewesen: Die Möglichkeiten, in EstlandEstland/Estonia ein russischsprachiges Buch herauszugeben, waren in den 1990er und den 2000er Jahren eher gering und die Leserschaft der herausgegebenen Werke spärlich verglichen mit Russland. Igor KotjuhKotjuh, Igor hat gezeigt, dass estnischeEstland/Estoniaestnisch Autoren, die auf RussischRusslandRussisch/Russian schrieben, sich doch auf die eine oder andere Art an Russland und seiner Literatur orientierten, um eine wesentlich größere Leserschaft zu erreichen, etwa durch Publikationen in umfangreichen russischenRusslandrussisch Literaturzeitschriften oder durch öffentliche Auftritte (vgl. Kotjuh 2012: 139).
Penelopa war Markosjan-KäsperMarkosjan-Käsper, Gohars erster Roman, der 1998 in St. Petersburg erschien. Es folgten weitere Romane wie Helena (2000, auf EstnischEstland/EstoniaEstnisch/Estonian 2003; eine deutscheDeutschlanddeutsch ÜbersetzungÜbersetzung/translation liegt nicht vor), Karyatiden (2003), die Novellensammlung Der Traum (2006) und viele andere Werke. Ihre Romane sind meist aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers geschrieben, und sie beleuchten das Leben bzw. den Werdegang von Frauen, die zwar mit etlichen Schwierigkeiten im Leben konfrontiert werden, doch diese durch ihre Stärke, Klugheit und Anpassungsfähigkeit bewältigen können. Laut Irina Belobrovtseva ist die estnischeEstland/Estoniaestnisch russischsprachige Literatur dadurch um Romane, deren „weibliche Heldinnen klug, ironisch, verführend, mit einem Wort, richtige Frauen“ sind, reicher geworden (Belobrovtseva 2018: 118). Gegen Ende ihres Lebens begann Gohar Markosjan-Käsper, sich mit Science-FictionScience-Fiction zu befassen. 2012 erschien ihr letzter, autobiographischerBiographiebiographisch Roman Memento mori. Sie starb 2015 nach einer schweren Krankheit.
Die Leserschaft sowie die meisten Kritiker reagierten auf Markosjan-KäsperMarkosjan-Käsper, Gohars Werke positiv: Man charakterisierte ihre Schreibweise als mutig und meisterhaft, reich an Wortspielen und Assoziationen, sowie als einen Ausdruck des „magischenmagisch Realismus“ (Zirnask/Püve 2005). Tatsächlich vermischen sich in ihren Werken verschiedene Realitäten, Schauplätze und kulturelle Schichtungen. So erzählt Helena die Geschichte einer aus ArmenienArmenien nach EstlandEstland/Estonia übersiedelten Frau; gleichzeitig erfährt der Leser dieses Werkes viel über das sowjetischeSowjetunionsowjetisch Leben, sowie darüber, wie ein Mensch mit MigrationshintergrundMigrant/inMigrationshintergrund in EstlandEstland/Estonia den Zusammenbruch der SowjetunionSowjetunion erlebt und sich später in der Übergangsgesellschaft zurechtfindet. Der Roman spielt gleichzeitig in Jerewan, in Tallinn und im antiken Griechenland; es finden sich Anspielungen auf klassische griechischeGriechischgriechisch Literatur, auf armenischeArmenienarmenisch Kulturtexte, auf die Bibel und auf Werke der WeltliteraturWeltliteratur. Penelopa malt dem Leser einen Tag im postsowjetischenSowjetunionpostsowjetisch Jerewan durch die Augen der Heldin Penelope aus und nimmt ihn gleichzeitig mit auf eine Reise durch die armenischeArmenienarmenisch Geschichte, durch die armenischeArmenienarmenisch sowie die WeltliteraturWeltliteratur – und durch Penelopes Seelenlandschaften. Was diese zwei Werke dabei ganz besonders auszeichnet, ist die geschickte Verwendung und Vermischung von verschiedenen Sprachen: Die Originalsprache der Romane, RussischRusslandRussisch/Russian, geht je nach Bedarf fließend ins ArmenischeArmenienarmenisch, ins LateinischeLateinLateinisch, ins EnglischeEnglisch/English oder ins EstnischeEstland/EstoniaEstnisch/Estonian über. Aus diesen Gründen (Verflechtung von Schauplätzen und Kulturen sowie die Präsenz der MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit) wurde Markosjan-Käsper selbst mal als armenischeArmenienarmenisch, mal als russischeRusslandrussisch oder russischsprachige, oder mal als estnischeEstland/Estoniaestnisch russischsprachige Schriftstellerin bezeichnet (vgl. Kartau 2015).
Eine umfassendere Abhandlung über Markosjan-KäsperMarkosjan-Käsper, Gohars Werke gibt es bis jetzt leider nicht (abgesehen von kleineren Artikeln in der Tagespresse oder kurzen Erwähnungen in Überblicksartikeln). Die vorliegende Studie versucht deshalb, dieses Desiderat zu beheben und ihre Werke in den internationalen Kontext zu stellen. Als erstes werden ihre Romane als Beispiele des transkulturellenTranskulturalitättranskulturell Schreibens analysiert. Dafür sprechen etliche Gründe. Markosjan-Käsper verfasste ihre Werke auf RussischRusslandRussisch/Russian, jedoch verstand sie sich nicht als russischeRusslandrussisch Schriftstellerin, sondern positionierte sich als Autorin, deren Schaffen von vielfältigen kulturellen Einflüssen beeinflusst ist:
[…] doch wenn ich gefragt werde, dann antworte ich: ich empfinde die russischeRusslandrussisch Literatur mir nicht als besonders nah. RussischeRusslandRussisch/Russian Literatur unterschätzt den Stil, ich aber nehme den Stil sehr ernst. Des Weiteren erkennt die russischeRusslandrussisch Literatur kaum die Ironie an, die aber für mich ein sehr wichtiges Gestaltungsmittel ist. Und generell liegt meiner Seele die französische Literatur am nächsten, ich halte sie für die größte Literatur der Welt […]. Ich lese immer wieder die Werke von Balzac, Zola, Proust und von vielen anderen französischen Schriftstellern. Sicher, ich lese immer wieder auch Dostojevskij und BulgakovBulgakov, Michail. Und dennoch kann ich nicht sagen, dass alle diese Autoren mich inspiriert haben, denn die Inspiration kann man nur von der Perfektion bekommen, […]. (ebd.)
Also können wir festhalten, dass Gohar Markosjan-KäsperMarkosjan-Käsper, Gohar zweisprachigZweisprachigkeitzweisprachig aufgewachsen ist und durch ihre (mehrsprachigeMehrsprachigkeitmehrsprachig) Belesenheit vielfältige kulturelle Impulse erhalten hat. Gleichzeitig hat sie nie ihren armenischenArmenienarmenisch kulturellen Hintergrund aufgegeben, auch wenn sie einen sehr großen Teil ihres Lebens in EstlandEstland/Estonia verbracht hat. So sind in ihren Werken viele Themen und Züge erkennbar, die auch in Werken von deutschsprachigenDeutschlanddeutschsprachig transkulturellenTranskulturalitättranskulturell Autoren vorhanden sind. Diese Züge werden im Folgenden hervorgehoben und im Vergleich mit einigen transkulturellenTranskulturalitättranskulturell Autoren aus DeutschlandDeutschland dargestellt. Des Weiteren wird auf den Begriff der mehrsprachigenMehrsprachigkeitmehrsprachig Literatur eingegangen und Markosjan-Käspers Romane in diesem Kontext analysiert. Im Fokus dieser Studie stehen die Romane Penelope, die Listenreiche (2002) und Helena (2003).1