Kitabı oku: «Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4», sayfa 8
Der demografische Wandel beginnt
Nach Jahren mit einem beständigen Bevölkerungszuwachs kam diese Entwicklung im Jahr 1964 zum Stillstand. Es begannen Entwicklungen, die auch heute noch anhalten, wie die kontinuierliche Abnahme der Einwohnerzahl und ein deutlicher Rückgang bei den Geburtenzahlen ab Mitte der 1960er Jahre. In keinem Jahr wurden in Oberhausen so viele Kinder geboren wie 1959, nämlich fast 5.000. Im Jahr 1970 waren es dagegen nur noch 3.000 Mädchen und Jungen, die in Oberhausen das Licht der Welt erblickten. Die Abnahme um jährlich etwa 200 Geburten bis in die Mitte der 1970er Jahre auf dann nur noch 2.200 Geburten wird häufig mit dem Schlagwort vom „Pillenknick“ erklärt. Ursächlich für diese Entwicklung waren neben der Verfügbarkeit der Antibabypille aber auch die Bevölkerungs- und Geburtenausfälle des 1. und 2. Weltkrieges und ein Wandel gesellschaftlicher Einstellungen.
Das Jahr 1959 markiert einen bis in die späten 1980er Jahre anhaltenden Trend in der Bevölkerungsentwicklung. Erstmals nach dem Kriegsende 1945 zogen in diesem Jahr mehr Menschen von Oberhausen fort als es Zuzüge nach Oberhausen gab. 1968, im Jahr der Schließung der Zeche Concordia, erreichte die Abwanderung mit über 13.000 Personen einen historischen Höchstwert. Allein aus der Differenz zwischen Zu- und Fortzügen ergab sich in diesem Jahr ein Bevölkerungsverlust von fast 6.000 Einwohnern11.
Tabelle 3: Bevölkerung nach Altersgruppen
* Rückschreibung auf Grund der Volkszählung vom 6. Juni 1961.
** Fortschreibung auf der Basis der Volkszählung vom 27. Mai 1970.
Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich 4 - 5 Statistik und Wahlen
Städtische Planungen gingen zu Beginn der 1960er Jahre von einem Ansteigen der Einwohnerzahl auf 320.000 bis 340.000 bis zum Jahr 1990 aus. Tatsächlich nahm die Bevölkerung im Gegensatz zur Prognose vom Höchststand Anfang 1964 bis zum Jahresende 1969 um mehr als 10.000 Personen auf nur noch 249.000 ab. In Erwartung einer massiven Bevölkerungszunahme wurden zwischen 1961 und 1964 für den Sterkrader Norden Bebauungspläne aufgestellt, die in der Walsumermark, in Schmachtendorf und Königshardt zusätzlichen Wohnraum für mehr als 20.000 Menschen schaffen sollten. Die teilweise vorgesehene Bebauung mit bis zu acht Geschossen wurde aus heutiger Sicht glücklicher Weise nur an wenigen Stellen, wie z. B. an der Oranienstraße oder das „Blaue Haus“ in Königshardt, realisiert.
Tabelle 4: Wohnungsbestand nach Stadtbezirken 1970 bis 2010
Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich 4 - 5 Statistik und Wahlen
Der gesamtstädtische Bevölkerungsrückgang und die rege Bautätigkeit im Norden der Stadt führten im Zeitraum von 1961 bis 1970 in Alt-Oberhausen (minus 11.700) und Osterfeld (minus 4.700) zu deutlichen Einwohnerverlusten, während die Bevölkerungszahl in Sterkrade um 6.400 Personen zunahm. Eine Entwicklung, die sich noch bis in die Mitte der 1980er Jahre in ähnlichem Umfang fortsetzen sollte: Von 1970 bis 1985 sank die Bevölkerungszahl in Alt-Oberhausen um weitere 16.100 Personen und in Osterfeld um 8.400 Einwohner, während sie sich in Sterkrade um 3.400 Einwohner erhöhte.
Der mit Ausnahme weniger Jahre nahezu beständige Rückgang der Einwohnerzahl seit 1964 wäre ohne die Zuwanderung von Ausländern noch deutlich höher ausgefallen. Das am 20. Dezember 1955 unterzeichnete Abkommen mit Italien über die Anwerbung und Vermittlung italienischer Arbeitskräfte nach Deutschland markiert den Beginn einer grundlegenden Veränderung der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und auch in Oberhausen. In den Jahren des fortdauernden wirtschaftlichen Aufschwungs und der Vollbeschäftigung etwa seit 1957 fehlten insbesondere im Bergbau und in der Industrie qualifizierte Arbeitskräfte. Diese Situation wurde durch die Abwanderung jüngerer Menschen in den Süden Deutschlands noch verstärkt. In Oberhausen erhöhte sich nach dem Abschluss weiterer Anwerbeabkommen mit den Ländern Griechenland, Spanien, Türkei und Jugoslawien die Zahl der hier lebenden Ausländer von 2.800 im Jahr 1955 auf 11.200 (1970). Zu dieser Entwicklung trug der in den 1960er Jahren beginnende Familiennachzug erheblich bei. Die auffälligste Entwicklung nahm die türkische Bevölkerungsgruppe, die sich von 22 (1960) auf über 2.600 Menschen in 1970 erhöhte12 (nähere Angaben siehe Tabelle 2 im Beitrag Langer).
Tabelle 5: Ausländer 1960 bis 2010 nach Stadtbezirken
3. Die 1970er Jahre: Zechenschließungen, Stahlkrise und neue Gewerbegebiete
Die Veränderungen der Oberhausener Wirtschaftsstruktur gehen in den 1970er Jahren unvermindert weiter. Rationalisierungsmaßnahmen im Bergbau führen zu weiteren Zechenschließungen. Die Stahlkrise, ausgelöst durch die massive Steigerung der Produktionskapazitäten im Ausland, insbesondere in Japan, trifft die Stadt mit unerwarteter Härte. Die Ölkrise von 1973 und die Schwäche des amerikanischen Dollars als Folge des durch den Vietnamkrieg ausgelösten hohen Zahlungsbilanzdefizits der US. lösen eine Weltwirtschaftskrise aus, von der auch exportorientierte Unternehmen in Oberhausen wie Babcock und die GHH Sterkrade betroffen sind. Gleichzeitig stärken neue Gewerbegebiete die wirtschaftliche Basis der Stadt. Die Zahl arbeitsloser Menschen steigt von 700 im Juni 1970 beständig auf über 5.500 im Jahr 1978, denen lediglich 1.000 offene Stellen angeboten werden können. Die Probleme des Oberhausener Arbeitsmarktes benennt der damalige Leiter des Arbeitsamtes, Rotscheroth, in aller Deutlichkeit: „Bemerkenswert vor allem die stetige Zunahme der älteren, im Rahmen von Sozialplänen entlassenen Arbeitnehmer“. Und weiter: „Es wird immer deutlicher, dass sich die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit ausweitet, ein harter Kern von nicht zu vermittelnden Arbeitslosen“ (WAZ, 5. Januar 1978). In den frühen 1970er Jahren herrschte dagegen noch Arbeitskräftemangel. S. sahen sich nach einem Bericht in der WAZ vom 11. Juli 1973 Klein- und Mittelbetriebe im Handel, im Handwerk, in der Gastronomie und im Bauhauptgewerbe aufgrund der angespannten Personalsituation gezwungen, Betriebsferien einzuführen.
Ende der 1960er Jahre wurden in den damals dominierenden Wirtschaftsbereichen Kohle und Stahl unternehmerische Entscheidungen getroffen, deren negative Wirkungen auf die Wirtschaftskraft der Stadt bald auch für die Menschen als Wandel ihrer Lebens- und Arbeitssituation spürbar werden sollten. In einem Gutachten der Sozialforschungsstelle Dortmund heißt es dazu:
„Dieser Strukturbruch beginnt im Bewusstsein der Oberhausener Bevölkerung an der Wende der 1960er zu den 1970er Jahren. Viele unserer Befragten nannten spontan 1970 oder 1971 als das ‚Schaltjahr‘. Hintergrund für diese Bewertung ist die Schließung der Zeche Concordia, verbunden mit Massenentlassungen, und die beginnende Auflösung der Hüttenwerke Oberhausen AG nach der Übernahme durch Thyssen“13.
Das Zechensterben geht weiter
Am 27. November 1968 wurde die Ruhrkohle AG als Konsolidierungsunternehmen der deutschen Steinkohleförderung gegründet. Alle noch in Oberhausen existierenden Bergbaubetriebe wurden in die neue Gesellschaft überführt. Der Hüttenvertrag von 1969 zwischen der Ruhrkohle AG und den deutschen Hüttenbetrieben bildete die Geschäftsgrundlage des Unternehmens.
Wer Hoffnungen gehegt hatte, dass weitere Zechenschließungen verhindert werden könnten, sah sich schnell enttäuscht. Im Rahmen des Anpassungsprogramms der Ruhrkohle AG wurde bereits im Sommer 1971 ein Auslaufen der Förderung auf der Hausbrandzeche Alstaden bis 1975 beschlossen. Aber schon am 15. Dezember 1972 wurde nach 115 Jahren die Förderung auf der von vielen Bergleuten und Bewohnern in Alstaden „Familienpütt“ genannten Zeche eingestellt. Die Mehrzahl der zuletzt gut 500 Belegschaftsmitglieder fand auf den Schachtanlagen Osterfeld und Jacobi oder auf Prosper und Franz Haniel in Bottrop einen neuen Arbeitsplatz. Für einige Kumpel war es der Beginn des vorgezogenen verdienten Ruhestandes. Mit der Zechenschließung entfiel auch die Bereitstellung der Sole an das Solbad Raffelberg in Mülheim-Speldorf, so dass dieses ebenfalls seinen Betrieb einstellen musste (WAZ, 1. Juli 1971 und 16. Dezember 1972). Erst 1979 wurde das Bad wieder mit Sole aus einem Schacht der Zeche Concordia versorgt.
Im Jahr 1973 folgten weitere gravierende Veränderungen für den Bergbau in Oberhausen, denn die Ruhrkohle AG forderte eine Konzentration des Abbaus auf die besten Lagerstätten sowie eine optimale Ausnutzung der Übertageanlagen. Um diesem Auftrag zu entsprechen, wurde die Schließung der Zeche Jacobi beschlossen und im Zuge der Nordwanderung des Kohleabbaus der an der Straße Zum Ravenhorst vorhandene Nordschacht der Zeche Osterfeld zu einer modernen Seilfahrt ausgebaut. Am 1. April 1974 erfolgte dann die Stilllegung der Zeche Jacobi. Der größte Teil der Belegschaft, am Jahresende 1973 waren dies fast 3.900, konnte auf der Zeche Osterfeld einen neuen Arbeitsplatz finden. Hier wie auch bei der Schließung der Zeche Alstaden zeigte sich in der Übernahme der Belegschaften ein positiver Aspekt des Zusammenschlusses der deutschen Steinkohleunternehmen in der Ruhrkohle AG (WAZ, 10. Februar 1973).
Die Zeche Osterfeld wurde neben der Erhöhung der Tagesförderung auch durch die Inbetriebnahme der modernsten Kokerei in Europa am 1. März 1973 zu einer modernen Großschachtanlage. Oberbürgermeisterin Luise Albertz nahm die feierliche Inbetriebnahme vor. Die mit einem Investitionsvolumen von über 120 Millionen DM, davon allein 15 Millionen für den Umweltschutz, von der Osterfelder Baugesellschaft Theodor Küppers gebaute, damals größte Kokerei Europas mit ihren über 90 Meter hohen Kaminen trug, wenn auch mit einigen Anlaufproblemen, zu einer erheblichen Reduzierung der Staub- und Geruchsbelästigung für die Bevölkerung bei (WAZ, 1. März 1973).
Ende 1973 gab es für kurze Zeit die Hoffnung, dass die Schließung von Jacobi doch vermieden werden könnte. Der ▶ Jom-Kippur-Krieg veranlasste die Organisation der Erdölexportierenden Staaten (OPEC) am 17. Oktober 1973 die Ölförderung um fünf Prozent zu drosseln, was zu einer unmittelbaren Steigerung des Ölpreises um 70 Prozent führte. Von dieser sogenannten „Ersten Ölkrise“ waren alle wichtigen Industrienationen betroffen. In Deutschland markierte sie das Ende der wirtschaftlichen Stabilität der Nachkriegszeit und konfrontierte die Menschen in zunehmender Stärke mit den Themen Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und steigenden Sozialausgaben.
Um Öl einzusparen wurde in der Bundesrepublik vom 25. November bis zum 16. Dezember 1973 ein allgemeines Sonntagsfahrverbot eingeführt. Der wirtschaftliche Effekt dieser Maßnahme war gering, für die Menschen damals war es allerdings ein prägendes Erlebnis. Die Zeche Jacobi konnte von der Ölkrise nicht profitieren, die Förderung wurde wie beschlossen eingestellt und aus dem bisherigen Verbundbergwerk Haniel/Jacobi wurde das Verbundbergwerk Prosper/Haniel14.
Der lange Weg zum Ende der Roheisenerzeugung
Auch im Bereich der Eisen- und Stahlerzeugung wurde 1968 mit der Übernahme der Aktienmehrheit an der Hüttenwerke Oberhausen AG (HOAG) durch die August Thyssen-Hütte AG (ATH) eine Entscheidung mit großer Tragweite für den Stahlstandort Oberhausen getroffen.
Bereits im September 1967 mischte sich in die Jubelmeldungen über die Leistung des Hochofens A der HOAG, der als leistungsfähigster Hochofen der Welt im August 1967 über 86.000 Tonnen Roheisen erzeugte, Besorgnis über die Konsequenzen des geplanten Zusammenschlusses von HOAG und ATH (WAZ, 7. September 1967). Schon wenige Wochen später wurden erste Stilllegungen von Betrieben für das Jahr 1968 angekündigt.
Die Fusion der HOAG mit der ATH wird einerseits als „gewinnbringende Transaktion“15 für die HOAG-Aktionäre, zu denen insbesondere die Familie Haniel gehörte, beschrieben. Aus Sicht der HOAG-Mitarbeiter war es andererseits der Beginn eines Jahrzehnte lang andauernden und oft vergeblichen Kampfes um ihre Arbeitsplätze. Für die 400 Mitarbeiter in der Eisenhütte Oberhausen I (EO I) signalisierte bereits am 26. Februar 1969 die am Hochofen 9 wehende schwarze Fahne das endgültige Aus für diese Abteilung. Entlassungen waren mit dieser Maßnahme, ebenso wie bei früheren Stilllegungen von Betrieben, nicht verbunden, die Mehrzahl der Mitarbeiter wurde innerhalb der HOAG umgesetzt (WAZ, 27. Februar 1969).
Die über viele Jahre gegebene Möglichkeit, den von Rationalisierungen und Stilllegungen betroffenen Belegschaftsmitgliedern innerhalb des Unternehmens einen neuen Arbeitsplatz zu bieten, erklärt die erstaunliche Tatsache, dass der Abbau von 4.000 Arbeitsplätzen im Zeitraum von 1961 bis 1971 in der Stadtöffentlichkeit nur geringe Beachtung fand.
1971 sollte sich dies dramatisch ändern: Durch Zusammenschluss der HOAG mit der Thyssentochter Niederrheinische Hütte AG entstand die Thyssen Niederrhein GmbH (TN), auch als Thyssen Niederrhein Oberhausen (TNO) bekannt, als hundertprozentige Tochter der ATH.
Der Aufsichtsratsvorsitzende der TN, Dr. Hans-Günther Sohl, äußerte bei der letzten Hauptversammlung der HOAG am 19. April 1971 die Erwartung, dass dieser Zusammenschluss für die HOAG „eine glücklichere Zukunft bedeute“ sowie „für beide Unternehmen eine Stärkung und damit die Sicherung der Arbeitsplätze“ (WAZ, 20. April 1971). Nur wenige Wochen später wurden Planungen für weitere Stilllegungsmaßnahmen bekannt, von denen rund 700 Mitarbeiter betroffen gewesen wären. Am 21. Mai 1971 legten daraufhin über 5.000 HOAG-Mitarbeiter die Arbeit nieder und protestierten in einem mehrstündigen Demonstrationszug, mit dem Bundestagsabgeordneten Erich Meinike und dem IG-Metall-Bevollmächtigten Heinz Schleußer an der Spitze, gegen diesen erneuten Arbeitsplatzabbau. Der Protest hatte zumindest teilweise Erfolg, denn am 26. Juni 1971 beschloss der HOAG-Aufsichtsrat, das Siemens-Martin-Werk IIb nicht stillzulegen, die weiteren geplanten Stilllegungen erst zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen, eine Mindestproduktion von 55.000 Tonnen Rohstahl zu garantieren und die „metallurgische Basis (d. h. die Eisen- und Stahlerzeugung, M. D.) in Oberhausen zu erhalten“ (WAZ, 28. Juni 1971).
Am Jahresende 1971 stand erneut die mögliche Aufgabe des Hochofens A, und damit der Verlust von bis zu 1.200 Arbeitsplätzen, im Raum. Da Umsetzungen innerhalb der ATH nicht mehr möglich waren, hätte dies Massenentlassungen zur Folge gehabt. Der Bau des neuen Großhochofens der ATH in Schwelgern sorgte für weitere Beunruhigung. Gleichzeitig bestätigte der Thyssen-Vorstand aber auch Gespräche über den möglichen Bau eines Elektrostahlwerkes in Oberhausen am Standort Neu-Oberhausen an der Osterfelder Straße (WAZ, 13. Dezember 1971). Auf die unsichere Beschäftigungslage reagierten viele Belegschaftsmitglieder mit freiwilliger Abwanderung, insbesondere nach Süddeutschland (WAZ, 10. Dezember 1971).
Das Auf und Ab der Stahlindustrie in den frühen 1970er Jahren bestimmte die Belegschaftsentwicklung bei TN. Nachdem die Mitarbeiterzahl bis 1972 auf unter 9.000 abgesunken war, stieg sie im Boomjahr der Stahlindustrie 1974 auf über 9.600 Beschäftigte an. Doch schon im nächsten Jahr änderten sich die Marktverhältnisse drastisch. „Das Geschäftsjahr 1975/76 brachte das schlechteste Ergebnis seit Bestehen von Thyssen Niederrhein“ so der Vorstandsvorsitzende Dr. Karl-Heinz Kürten (WAZ, 2. Dezember 1976). Als Folge dieser Geschäftsentwicklung wurden nicht nur Arbeitsplätze abgebaut, sondern auch die Kurzarbeit deutlich ausgeweitet.
Im Frühjahr 1977 verdichteten sich erneut die Befürchtungen über die Schließung des Siemens-Martin-Stahlwerkes und den damit verbundenen Verlust von 2.000 Arbeitsplätzen. Die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerseite beurteilten verständlicherweise die Notwendigkeit einer möglichen Stilllegung völlig unterschiedlich:„Das SM-Stahlwerk unserer Tochtergesellschaft Thyssen Niederrhein in Oberhausen ist durch Veränderung des Marktes und der Technik zu einer Quelle untragbarer Verluste geworden“, so der Vorstandsvorsitzende der ATH Dieter Spethmann 197716. Der TN-Betriebsratsvorsitzende Herbert Mösle und der Oberhausener Landtagsabgeordnete Heinz Schleußer erinnerten andererseits in einer Belegschaftsversammlung am 27. März 1977 an die 1971 gegebene Zusage des ATH-Vorstandes zur Erhaltung der Stahlbasis in Oberhausen. Und weiter schreibt die WAZ am 28. März 1977 über diese Versammlung: „Zum Schluss warf Schleußer dem ATH-Vorstand vor, dass TNO seit der Zeit der Übernahme in den Thyssen-Konzern nach und nach ausgeplündert werde“.
Am 20. Juni 1977 titelte die WAZ dann „Arbeitsplätze vorerst gesichert“, eine Meldung, die leider nicht alle Beschäftigten erfreuen konnte. In intensiven Verhandlungen war es der Arbeitnehmerseite gelungen, einen Grundlagenvertrag auszuhandeln, der die Stahlbasis in Oberhausen sicherte. Dies forderte allerdings auch einen hohen Preis: 1.200 Arbeitsplätze sollten zukünftig durch Fluktuation abgebaut werden, das Siemens-Martin-Werk mit der Brammenstraße schrittweise stillgelegt und durch ein Elektrostahlwerk ersetzt werden. Thyssen Niederrhein wurde in eine Betriebs- und Geschäftsführungsgesellschaft umgewandelt und die TN-Betriebe an die Thyssen AG verpachtet. Ferner wurden nicht produktionsbezogene kaufmännische und technische Bereiche an die Thyssen AG übertragen. Die rund 1.000 Mitarbeiter dieser Bereiche behielten ihren Arbeitsplatz in Oberhausen (WAZ, 20. Juni 1977).
Als Folge weiterer Rationalisierungsmaßnahmen beschloss die Thyssen AG den Hochofen A am 13. August 1979 stillzulegen und beendete damit die traditionsreiche Roheisenerzeugung in Oberhausen. Das gesamte Werksgelände südlich der Essener Straße wurde für die Ansiedlung von Gewerbe- und Industriebetrieben zur Verfügung gestellt. Dies war für die Wirtschaftsförderung der Stadt eine außerordentlich wichtige Entscheidung, denn das Festhalten der Unternehmen an nicht genutzten Industrieflächen war das entscheidende Hindernis bei den Bemühungen um die Neuansiedlung von Betrieben wie für die Verlagerung von Oberhausener Firmen, insbesondere bei Erweiterungsabsichten.
Erhalten blieb dagegen die Stahlbasis in Oberhausen durch den Bau eines Elektrostahlwerks mit einer monatlichen Kapazität von 50.000 Tonnen, das mit Investitionen in Höhe von 135 Millionen Mark, darunter allein 25 Millionen für Umweltschutzmaßnahmen, errichtet wurde (WAZ, 4. August 1979).
Der Beschäftigungsabbau im Bereich der Eisen- und Stahlerzeugung in Oberhausen hatte sich, nach dem Verlust von 3.500 Arbeitsplätzen in den 1960er Jahren, auch in den 1970er Jahren mit dem Abbau von weiteren 3.200 Arbeitsplätzen fortgesetzt. In nur zwei Jahrzehnten hatte sich damit die Belegschaftszahl halbiert.
Die GHH Sterkrade AG verliert ihre Selbständigkeit
Nachhaltig wirkende organisatorische Entscheidungen betrafen in den späten 1960er Jahren auch die GHH Sterkrade AG.
„Am 1. Juli 1969 straffte die GHH den maschinenbauenden Konzernbereich, die GHH Sterkrade AG kam als hundertprozentige Tochter zur M.A.N. AG. Die von Hermann Reusch, von 1947 bis 1966 Vorstandsvorsitzender der GHH, erbittert bekämpfte Entflechtung des GHH-Konzerns nach dem Zweiten Weltkrieg erwies sich im nachhinein eher als glückliche Fügung. Sie konzentrierte die gesamten Konzernkräfte auf den zukunftsträchtigen Sektor Weiterverarbeitung und ersparte der GHH langjährige Ertragsbelastungen durch Strukturkrisen in den Grundstoffbereichen, wie dem Zechensterben und der Stahlflaute“17.
Eine ganz offensichtlich zutreffende Einschätzung, denn schon im Januar 1972 konnte der Vorstandsvorsitzende Dr. Heinz Krämer von einer stark verbesserten Finanzsituation der GHH Sterkrade berichten. In dieser Zeit wurden verstärkt Komponenten für Kernkraftwerke gebaut, aber auch das größte Hochofengebläse Europas oder Anlagen zum Schachtausbau in einer britischen Kaligrube (WAZ, 14. Januar 1972).
Wie eng manchmal positive und negative Unternehmensentwicklungen zusammenhängen, zeigt folgendes Beispiel: Während die HOAG-Mitarbeiter um die Fortführung des Hochofens A bangten, freute man sich in der nur wenige Kilometer entfernten GHH Sterkrade über den Auftrag der ATH zum Bau des größten Hochofens der Welt in Schwelgern (WAZ, 18. März 1972). Nur sieben Jahre später, 1979, wurde der Hochofen A in Oberhausen stillgelegt und die Roheisenproduktion eingestellt.
In den frühen 1970er Jahren, also vor der ersten Ölpreiskrise im Oktober 1973 und der damit verbundenen wirtschaftlichen Abschwächung der Konjunktur, beeindruckte die GHH Sterkrade mit positiven Berichten über das Unternehmen. Zum Bericht über das Geschäftsjahr 1972/73 äußerte sich der GHH-Konzern-Vorsitzende Dr. Friedrich Wilhelm von Menges zuversichtlich im Hinblick auf das Sterkrader Werk. Dieses habe „seine Rolle als führender Lieferant modernster Bergwerksanlagen ausbauen können“. Als weitere Produktionsschwerpunkte nannte er den „Auftrag von drei Dampferzeugern für ein Kraftwerk in der Schweiz“, „den Auftrag für den Neubau des Sauerstoff-Aufblas-Stahlwerks der Usimas in Brasilien“, die „Entwicklung der Heliumturbine mit geschlossenem Kreislauf für das neue Heizkraftwerk [der EVO, M. D.] in Sterkrade“ und wies auf den fast neunzigprozentigen Exportanteil des Turbo-Maschinenbaus hin (WAZ, 22. Januar 1974).
Während das Inlandsgeschäft in den folgenden Jahren weitgehend stagnierte, wurde das Exportgeschäft immer wichtiger. Aufträge aus China, der UdSS. und aus Jugoslawien, um nur einige zu nennen, sorgten für volle Auftragsbücher und steigerten den Exportanteil auf 56 Prozent (WAZ, 24. Juni 1974).
Die Konjunkturschwäche der deutschen Wirtschaft in der Mitte der 1970er Jahre beeinträchtigte auch die Geschäftsentwicklung der GHH Sterkrade. Am 23. März 1976 lautete die Überschrift in der NRZ über die Betriebsversammlung: „Spürbar weniger Aufträge zu Beginn dieses Jahres“. Der nachfolgende Hinweis „Bei noch befriedigender Auslastung in den Kernbereichen zeichnen sich insbesondere für Fertigungen, die vornehmlich von der Nachfrage inländischer Auftraggeber getragen werden, Beschäftigungslücken ab“, war mehr als nur ein Warnsignal für die Zukunft. Denn weitgehend unbemerkt in der Öffentlichkeit hatte die GHH Sterkrade allein im Zeitraum 1970 bis 1975 von 8.600 Arbeitsplätzen rund 1.100 abgebaut. Obwohl man sich verstärkt um Auslandsaufträge bemühte, konnten im Geschäftsjahr 1975/76 „die rückläufigen Bestellungen aus dem Inland nicht voll durch Auslandsaufträge ausgeglichen werden“. (WAZ, 15. Oktober 1976)
Schon ein Jahr später informierte das Vorstandsmitglied Franz Sieverding die Belegschaft, „daß bei der derzeitigen Auftragslage in den verschiedenen Betriebsbereichen mit Kurzarbeit und Stellenreduzierung gerechnet werden muß“. Dies galt auch für die GHH-Verwaltung, wo in den nächsten 18 Monaten 200 Arbeitsplätze abgebaut werden sollten, vornehmlich durch „normalen Abgang“. (NRZ, 29. März 1977)
Von der Belebung der Konjunktur in den Jahren 1978 und 1979 profitierte die GHH Sterkrade, wenn auch nicht im gleichen Umfang wie der GHH-Konzern. Im Oktober 1979 betonte der Vorstands-Vorsitzende des GHH-Konzerns, Dr. Manfred Lennings, in den neu gestalteten Innenräumen des Verwaltungsgebäudes an der Essener Straße gegenüber der Stadtspitze die Verbundenheit mit dem Standort Oberhausen mit den Worten: „Wir bleiben in Oberhausen engagiert“. (NRZ, 24. Oktober 1979)
Völlig überraschend entschied der MAN-Aufsichtsrat am 14. November 1979 die GHH Sterkrade vollständig in die MAN einzugliedern und ab 1. Januar 1980 als „MAN Unternehmensbereich GHH Sterkrade“ weiterzuführen. Als Betriebsabteilung der MAN hatte die GHH Sterkrade damit ihre unternehmerische Selbständigkeit verloren (NRZ, 17. November 1979).
Zu den berechtigten Sorgen der Mitarbeiter, denn das Unternehmen hatte allein im Zeitraum von 1970 bis Ende 1979 über 1.700 Arbeitsplätze abgebaut, äußerte der Vorstandsvorsitzende Dr. Thiele die Überzeugung, „dass die neue Struktur langfristig Arbeitsplätze stabilisiere“ (NRZ, 24. November 1979). Eine Einschätzung, die durch die Entwicklung im nächsten Jahrzehnt leider nicht bestätigt wurde.