Kitabı oku: «Sozialraumorientierung 4.0», sayfa 7

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Literatur

Böhnisch, Lothar/Schröer, Wolfgang/Thiersch, Hans (2005): Sozialpädagogisches Denken – Wege zu einer Neubestimmung. Weinheim

Dieckbreder, Frank/Haase, Bartold (In Print 2020): Management des Sozialen – inspiriert diakonisch handeln. Göttingen

Fürst, Roland/Hinte, Wolfgang (Hg.) (2014): Sozialraumorientierung: Ein Studienbuch zu fachlichen, institutionellen und finanziellen Aspekten. Wien

Hinte, Wolfgang (2014): Das Fachkonzept „Sozialraumorientierung“. In: Fürst/Hinte (2014), S. 9-28

Luhmann, Niklas (1987): Soziale Systeme – Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt/Main

Müller, Heiner (1993): Mommsens Block, Drucksache 1, Berliner Ensemble, S. 3. Berlin

Sartre, Jean-Paul (1981): Was ist Literatur? Reinbek bei Hamburg

Tillich, Paul (1992): Begegnungen, Gesammelte Werke XII. Berlin

Internetquellen:

https://www.behindertenbeauftragte.de/SharedDocs/Publikationen/UN_Konvention_deutsch.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Zugriff: 04.07.2019)

https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/gesetz/reformstufen/ (Zugriff: 04.07.2019)

http://www.safewards.net/de/ (Zugriff 04.07.2019)

Literatur zum BTHG:

Grundsätzlich ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass die Entwicklungen zum Gesetz einer permanenten Beobachtung bedürfen. Zum einen werden noch immer Anpassungen vorgenommen, zum anderen handelt es sich zwar um ein Bundesgesetz, das jedoch in den Bundesländern bis hin zu den Kommunen nicht einheitlich umgesetzt wird. Bücher sind daher nicht so gut geeignet wie bestimmte Internetquellen. Einige von dem/der Autor/in geprüfte Quellen werden hier, alle zum Zugriffsdatum des 04.07.2019, eingefügt.

https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Meldungen/2016/bundesteilhabegesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=7 (Der Gesetzestext)

https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/gesetz/reformstufen/ (Sehr zuverlässige Quelle, die immer auf dem neusten Stand gehalten wird.)

https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Inklusion/bundesteilhabegesetz.html

https://www.bmas.de/DE/Leichte-Sprache/einzelheiten-zum-bundesteilhabegesetz/einzelheiten-zum-bundesteilhabegesetz-artikel.html (Leichte Sprache)

https://www.betanet.de/bundesteilhabegesetz.html

Fußnoten

1 Deutsches Bundesteilhabegesetz.

2 Singular nicht im Original.

3 Anmerkung: Es ist ein Kern des Fachkonzepts Sozialraumorientierung, dass es eine Matrix darstellt, innerhalb derer sich unterschiedlicher Methoden bedient wird, um Ziele zu erreichen. Deshalb wird an dieser Stelle nicht darauf eingegangen, wie der Aushandlungsprozess gestaltet wird; das obliegt dann der Anwendung weiterer sozialarbeiterischer Methodenkompetenz.

4 Zur Erinnerung und um Verwechslungen zu vermeiden: Der erste Schritt in der Arbeit mit dem ersten Prinzip ist das Finden des Willens des/der Klienten/Klientin.

5 Vgl. hierzu: Luhmann, Niklas (1987): Soziale Systeme – Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt/Main.

6 Zu diesem Phänomen vgl. Dieckbreder, Frank und Haase, Bartolt (In Print 2020): Management des Sozialen – Inspiriert diakonisch handeln. Göttingen.

7 Letztlich ist dies auch genau das, wogegen Wolfgang Hinte seit Jahren mit den Prinzipien an arbeitet.

8 Vgl. z. B. https://www.behindertenbeauftragte.de/SharedDocs/Publikationen/UN_Konvention_deutsch.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Zugriff: 14.06.2019).

9 In Tabellenform umgewandelte Quelle: https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/gesetz/reformstufen/.

10 Im BTHG wird das sogenannte „stationäre Wohnen“ durch den Begriff der „besonderen Wohnform“ ersetzt.

11 Ausgenommen sind sogenannte „Selbstzahler“, die z. B. eine Rente erhalten. Diese kann über dem Betrag der Grundsicherung liegen, sodass auch mehr Geld zur Verfügung steht.

12 Der Ansatz der Klärung der „gegenseitigen Erwartungen“ ist dem Safewards-Modell entnommen. Dieses stammt aus der Akutpsychiatrie und dient der Vermeidung von Konflikten. Da der durch das BTHG ausgelöste Systemwechsel nicht ohne Konflikte vollzogen werden kann, wurde das Safewards-Modell zeitgleich mit der Umsetzung des BTHG adaptiert und eingeführt. Alle wichtigen Informationen zum Thema Safewards sind im Internet unter http://www.safewards.net/de/ (Zugriff 04.07.2019) abrufbar.

Andrea Stonis/Thomas Steinberg/Karen Haubenreisser
Personelle und sozialräumliche Ressourcen kreativ verbinden
1.Neue Wege in der Hamburger Eingliederungshilfe

Seit den 1980er Jahren engagiert sich die Evangelische Stiftung Alsterdorf für die Auflösung von Sonderwelten in der Eingliederungshilfe (EGH). Die ESA hat in den letzten 35 Jahren alle zentralen stationären Heimstrukturen abgebaut und den Sozialraum als „Ermöglicher“ („enabler“) von Lebensqualität in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen gestellt (Haas et al. 2010).

Stadtteilintegrierte Leistungen erweiterten die Möglichkeiten sozialer Teilhabe für Menschen mit Behinderung deutlich: mit personenzentrierten Assistenzangeboten, mit inklusiven Wohn- und Beschäftigungsmöglichkeiten auch außerhalb von Werkstätten. Von 2005 bis 2010 entstanden im Rahmen der Umwandlung zu ambulanten Strukturen u. a. regionale Treffpunkte, die als Brücken in die jeweiligen Stadtteile hinein wirkten. Im Jahre 2010 vereinbarten mehrere Sozialdienstleister der Eingliederungshilfe (EGH) mit dem Leistungsträger, der Hamburgischen Sozialbehörde, einen sogenannten Sozialraumzuschlag auf alle erbrachten EGH-Leistungen. Die ESA setzte diesen für das stiftungsübergreifende Sozialraumprojekt „Q8 – Quartiere bewegen“ ein (s. dazu den Beitrag von Stiefvater/Haubenreisser/Oertel in diesem Band sowie Stiefvater/Haubenreisser/Oertel 2018).

Seit 2016 haben die Tochtergesellschaften der ESA – alsterdorf assistenz west und alsterdorf assistenz ost – die „Ressourcenorientierte Assistenzplanung“ eingeführt, und zwar mit der Grundhaltung: Es geht nicht nur darum, Menschen dabei zu unterstützen, ein praktisches Netzwerk für den individuellen Bedarf zu knüpfen, sondern immer auch um deren „Willen“, der Ausgangspunkt aller Aktivitäten ist. Was aber ist „der Wille“ eines Menschen? Wie kann man ihn herausfinden, wenn z. B. Menschen aufgrund einer Behinderung nicht in der Lage sind, sich sprachlich zu äußern?

In der Fachdiskussion ist umstritten, ob es einen „Willen“ a priori und per se geben könne oder ob dieser nicht erst dialogisch zu entwickeln sei. In diesem Sinne versteht die ESA den „Willen“ als artikulierte Interessen, die in einer kommunikativen Situation herausgearbeitet werden und zu deren Realisierung die Betroffenen einen Beitrag leisten wollen. In der praktischen Arbeit bedeutet dies, dass „Unterstützungsarrangements […] insbesondere dann wirksam [sind], wenn sie an den Interessen und Fähigkeiten der betroffenen Menschen orientiert sind […].“ (Hinte/Fehren 2013, S. 15).

Die bundesweit erste Assistenzplanung für Menschen mit herausforderndem Verhalten wurde 1997 im damaligen Bereich hamburgstadt der ESA entwickelt. Hierbei kamen erstmals Berater/innen zum Einsatz, die zusammen mit den Klient/innen die Bedarfe erhoben haben.

2005 wurde die Assistenzplanung in den Assistenzgesellschaften ost und west der Metzler Systematik1 angepasst (vgl. QUERI et al. 2017). Dabei werden in sieben Lebensbereichen 34 „items“ erhoben, um die Lebenssituation und Bedarfe der Klient/innen abzubilden. Dieses Format trug dem Anliegen des Hamburger Fachamtes Rechnung und war auf die Steuerung der Kostenzusage ausgerichtet. Diese Individuelle Assistenzplanung war Grundlage des Sozialverlaufsberichts, der wiederum Basis der Weiterbewilligung von Leistungen durch den Kostenträger war.

2016 wurde die überarbeitete „Ressourcenorientierte Assistenzplanung“ eingeführt. Dabei arbeiten die persönlichen Assistent/innen mit einem personenzentrierten, planvollen Vorgehen, um die Stärken und Fähigkeiten eines Menschen (seine Ressourcen) zu entdecken bzw. zu aktivieren und seinen Willen zu erkennen und respektierend herauszuarbeiten. Dies setzt eine empathische, zugewandte Haltung voraus, die die Nutzung der Ressourcen eines Menschen sowie seines Umfelds aus Verwandten, Freund/innen und aus seinem Quartier mitberücksichtigt. Dabei geht es jedoch nicht nur darum, die Selbsthilfekräfte zu fördern und die Ressourcen von Umfeld und Quartier zu nutzen, sondern auch alle Beteiligten miteinander zu vernetzen. Darüber hinaus erbringt die/der persönliche Assistent/in die vereinbarten professionellen Leistungen.

Mit dem Modellprojekt Qplus setzten die Assistenzgesellschaften ost und west 2014 an den Entwicklungen der „Ressourcenorientierten Assistenzplanung“ an. Dieser Ansatz konnte gleichsam in einer Laborsituation beschleunigt und frei von den alltäglichen Begrenzungen innerhalb der Assistenzgesellschaften ausprobiert und geschärft werden. Die Prinzipien des Fachkonzepts Sozialraumorientierung dienten dabei als Leitlinie. Im Mittelpunkt stehen die Fragen: Wie will ich leben, und was ist mir wichtig? Wie soll mein Alltag aussehen, und was benötige ich dafür?

2.Es wird flexibler: Hamburger Rahmenvereinbarung ermöglicht Innovation

Das Modellprojekt Qplus ist Teil einer fünfjährigen Gesamtvereinbarung der Hamburgischen Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) und der ESA. Durch einen festgelegten Geldbetrag, das sogenannte Trägerbudget, wurde eine wesentliche Rahmenbedingung geschaffen, die diese Arbeitsweise überhaupt finanzierbar und organisierbar gemacht hat. Wesentlicher Sinn und Zweck der Vereinbarung zum Trägerbudget ist es, die sozialraumorientierte Eingliederungshilfe weiterzuentwickeln. Die ESA und die BASFI verstehen sich als Partnerinnen bei der Entwicklung und Umsetzung neuer, innovativer Formen und Strukturen sozialer Dienste für Menschen mit Behinderungen in der Freien und Hansestadt Hamburg, die den personenzentrierten und sozialraumorientierten Ansatz zusammenführen.

Dem lag die Annahme zugrunde, dass Weiterentwicklungen des Gesamtleistungssystems und neue Handlungskonzepte erforderlich sind, um die Teilhabe und Beteiligung von Menschen mit Behinderung im Sinne der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen zu verbessern, das heißt, um passgenauer, flexibler und wirksamer im Sinne inklusiver, sozialräumlicher Lösungen agieren zu können. Diese neue Budgetstruktur erforderte Mut und war für alle Beteiligten ein Wagnis. Mit der Vereinbarung des Trägerbudgets konnten entscheidende Weichen zur Entwicklung neuer Unterstüzungsformen und -settings gestellt werden. Diese Kernanliegen wurden für den gesamten Assistenz- und Werkstattbereich der ESA realisiert. Durch flexiblen Mitteleinsatz und stabile Rahmenbedingungen wurden Planungssicherheit und Freiräume geschaffen und zugleich klare Vorgaben gesetzt, in welcher Perspektive diese zu nutzen sind. Ökonomische Fehlanreize, wonach ein steigender Hilfebedarf und hohe Fallzahlen höhere Erträge und sinkende Hilfebedarfe geringere Erträge generieren, wurden aus dem System genommen und Investitionen in individuelle Befähigungen und übergreifende Strukturen der Selbstorganisation ermöglicht (Gitschmann/Stiefvater 2018).

Die gesetzlichen Ansprüche der Leistungsberechtigten wurden dabei in keiner Weise eingeschränkt. Die Aufmerksamkeit für die Belange der Menschen mit einem hohen Hilfebedarf hat sich durch eine eigens eingesetzte trägerübergreifende Arbeitsgruppe, in der die Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e.V. (LAG) die Interessen der Menschen mit Behinderung vertritt, erhöht. Insgesamt hat sich eine neue Kultur der behörden- und trägerübergreifenden Zusammenarbeit herausgebildet, die von Inhalten, Offenheit, Vertrauen und Verlässlichkeit geprägt ist2.

Die Evangelische Stiftung Alsterdorf (ESA) hat in der Eingliederungshilfe einen umfassenden Veränderungsprozess durchlaufen. Zentrale Grundlagen dafür bilden eine personenzentrierte Haltung und der Blick auf die Ressourcen von Menschen mit Assistenzbedarf.

Bislang lässt sich feststellen:

1.Die Assistenz von Menschen mit Unterstützungsbedarf hat sich von der Betreuung hin zu einem unterstützenden personen- und sozialraumorientierten Ansatz entwickelt.

2.Mit dem Trägerbudget konnte eine neue Steuerungslogik installiert werden. Die Gestaltungsräume für eine Implementierung von „Alltags-Coaching-Prozessen“ bzw. für eine flexible, an den Interessen der Menschen mit Assistenzbedarf orientierte Assistenzplanung haben sich dadurch erweitert.

3.Das Modellprojekt Qplus hat als Inkubator gewirkt: Mit der neuen Funktion der Quartierlots/innen (später: „Teilhabelotse/Teilhabelotsin“) wird die bisherige Struktur des Assistenzsystems konsequent weiterentwickelt.

3.Qplus: Ansatz und Ziele

Das Modellprojekt Qplus verfolgte ein Hauptziel: Menschen mit Assistenzbedarf sollten nach ihren Vorstellungen im Quartier leben können. Mit der neuen Funktion der Quartierlots/innen kann eine kommunikative Situation geschaffen werden, „in der die Beteiligten […] sich über ihre Interessen klar werden, sie mitteilen und darüber verhandeln.“ (Fehren/Hinte 2013, S. 14).

Aufgabe der Quartierlots/innen soll dabei sein, gemeinsam mit den Leistungsberechtigten ein möglichst wirkungsvolles „Unterstützungspaket“ zusammenzustellen, das die eigenen Ressourcen, die seiner/ihrer Verwandten, Nachbar/innen, Freund/innen und Bekannten, andere Ressourcen des Quartiers sowie die Leistungsansprüche aus den einzelnen Sozialgesetzbüchern übergreifend und umfassend berücksichtigt. Die Lots/innen stehen den Menschen mit Assistenzbedarf wie ein „Alltags-Coach“ zur Verfügung (vgl. Haubenreisser/Hinte/Oertel/Stiefvater 2018).

Darüber hinaus nehmen sie in den Blick, was der Mensch selbst in das Quartier einbringen will und kann. Auf diese Weise entstehen im Rahmen einer konsequent selbstgewählten Alltagsgestaltung individuelle Lösungswege. Zentral ist dabei, dass Selbsthilfe und Quartiermöglichkeiten als genuine Bestandteile des Unterstützungssettings von Anfang an mitgedacht werden.

Die Quartierlots/innen unterstützen z. B., wenn:

•sich etwas verändert oder verändern soll – das Wohnen, die Arbeit oder die Freizeit;

•die Person mit ihrer gegenwärtigen Lebenssituation unzufrieden ist, aber nicht so genau weiß, was anders werden soll;

•Menschen ein Ziel haben und nach Wegen suchen, es zu erreichen.

Ausgehend von der für Qplus entwickelten Systematik arbeiten sie mit den Adressat/innen an folgenden Leitfragen:

1.Was kann ich selbst tun, eventuell mit technischer Hilfe?

2.Wie können mich Familie, Freund/innen oder Nachbar/innen unterstützen?

3.Welche Unterstützung kann das Quartier bieten, wie Vereine, Initiativen oder Geschäfte?

4.Welche ergänzenden Hilfen durch Profis benötige ich?

5.Was kann und will ich selbst für andere Menschen tun?

Entlang dieser Qplus-Systematik unterstützten die Quartierlots/innen die Menschen dabei, die einzelnen Leistungen zu organisieren, zu koordinieren und zu sichern sowie die Wirksamkeit des Unterstützungspakets zu überprüfen und ggf. fortzuentwickeln. Zentral für das Qplus-Projekt ist – ausgehend von den jeweiligen Anliegen der Leistungsberechtigten – die Frage, wie sich die dafür notwendigen Versorgungs- und Unterstützungsstrukturen verändern bzw. aufbauen lassen.3

4.Es wirkt doppelt: Wie verändert sich die Teilhabe durch Qplus?

Qplus ist vom Institut für Stadtteilentwicklung, Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung der Universität Duisburg-Essen (ISSAB) praxisbegleitend evaluiert worden.

Die Leitfragen für die Evaluation lauteten:

•Wie bewerten die Teilnehmenden selbst ihre Teilhabesituation?

•Wie verändern sich im Qplus-Prozess die Unterstützungsformen qualitativ und quantitativ?

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Teilhabemöglichkeiten der beteiligten Menschen verbessern und in den neuen Unterstützungssettings verschiedene Einzelleistungen kreativ neu verbunden werden.



Die drei wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

1. Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten: Aus Sicht der Qplus-Teilnehmenden verbessern sich im Verlauf der Qplus-Begleitung deren Teilhabe-Möglichkeiten insgesamt und insbesondere in den Bereichen gesundheitliche Versorgung und Teilhabe am sozialen Leben.

2. Veränderung des Unterstützungssettings: Im Unterstützungssetting der Qplus-Teilnehmenden deutet sich eine Verlagerung von Profileistungen hin zu sozialräumlichen und persönlichen Unterstützungen an.

3. Reduzierung der Profi-Leistungen: Bei 70 Prozent der Teilnehmenden haben sich die Wochenstunden an professioneller Unterstützung gem. SGB XII und SGB XI im Verlauf der Qplus-Begleitung verringert.

Die Erfahrungen der Qplus Praxis 2014-2016 liegen mit Arbeitsberichten des ISSAB (Kalter; ISSAB 2017) vor.

Frau Schmidt: Ein Beispiel aus der Praxis

Die 41-jährige Frau Schmidt möchte etwas in ihrem Leben verändern. Sie lebt seit vier Jahren ambulant unterstützt – auf Basis von Hilfebedarfsgruppe 3 nach Metzler und Pflegestufe 0 – in einer kleinen Wohngemeinschaft in Hamburg im trägereigenen Wohnraum. Bad und Gemeinschaftsküche teilt sie sich mit drei Mitbewohner/innen mit Unterstützungsbedarf. Mehrmals am Tag und in der Woche helfen ihr eine Assistentin und ein Pflegedienst: im Haushalt, beim Einkaufen und der Ernährung oder bei der Körperpflege. Termine bei der Ärztin organisiert ebenfalls das Assistenzteam, eine Assistentin begleitet sie gelegentlich dorthin. Mit den Fachkräften ist vereinbart, dass sie einmal im Monat selbst Geld von der Sparkasse abholt, dies dann im Teambüro der Assistenz abgibt, um sich zweimal in der Woche dort eine Rate abzuholen.

Am wichtigsten ist Frau Schmidt, den Alltag mehr im eigenen Rhythmus selbst zu gestalten – und zwar ohne sich nach den Regeln und den Zeiten der Assistent/innen oder des Pflegedienstes zu richten. Frau Schmidt berichtet, dass sie beim Einkaufen Unterstützung erhält, um „gesunde Lebensmittel“ einzukaufen. Gelegentlich geht sie dann noch mal los, um das zu kaufen, was sie nicht sollte, aber gern will. Frau Schmidt will eine Wohnung für sich allein haben und gleichzeitig einen schnellen Kontakt zu einer Hilfe finden können. Sie hört von einer kleinen freien Wohnung am anderen Ende der Stadt, die sich ebenfalls im trägereigenen Wohnraum befindet, und will umzuziehen.

Die Quartierlotsin hat Zeit, Frau Schmidt und ihren Alltag in Ruhe kennenzulernen. Was ist ihr wichtig? Was kann sie gut alleine tun? Wo braucht sie Hilfe und wen gibt es, der helfen kann? Anfänglich sind beide mehrmals wöchentlich im Kontakt. Als Frau Schmidt anfängt, ihr Leben und ihre Unterstützung zu verändern, ist es für alle Beteiligten gar nicht einfach: Die Assistent/innen der Eingliederungshilfe und die Sozialpädagogin haben Sorgen, ob Frau Schmidt es schafft, sich selbst gut genug um sich zu kümmern und wie es mit der Gesundheit und Ernährung werden wird. Unterstützt durch die Lotsin verabredet Frau Schmidt Probewochen, z. B. zur Wohnungspflege, Lebensmittelversorgung, Körperpflege und Gesundheit. Danach werten sie gemeinsam aus: Was ist gelungen? Wo hakte es? Was ist ergänzend notwendig? Über die Quartierlotsin lernt Frau Schmidt ein Stadtteilcafé mit günstigem Mittagstisch kennen, dort geht sie am Wochenende hin. Parallel macht sie einen Kochkurs mit einer mütterlichen Freundin. Sie will lernen, Knöpfe anzunähen: In einem Treffpunkt im benachbarten Stadtteil ist das möglich, dort trifft sie außerdem andere Frauen aus der Nachbarschaft. Sie versorgt sich eigenständig mit zuvor von ihr abgelehnten Hörgeräten und einer neuen Brille.

Die Freundin unterstützt sie u. a. bei Arztbesuchen und z. B. der Nachsorge nach einer Operation. Beratung und Gespräche bei Krisenstimmungen zählen zu den verabredeten Unterstützungsleistungen durch die Profis, mit denen sie ein „Stand-by-System“ verabredet. Die Assistent/innen kommen nicht mehr zu vereinbarten Zeiten, sie sind aber ansprechbar, wenn Frau Schmidt sie braucht. Ihr Leben hat „einen anderen Dreh bekommen“: Sie geht selbst einkaufen, entscheidet, wann sie etwas kaufen und essen will. Ihr Appartement reinigt sie mittlerweile selbst. Sie hat ein Wischsystem gekauft, das das Auswringen im Stehen ermöglicht. Wenn sie eine Unterstützung bei der Körperpflege braucht, fragt sie diese an. Ihr Geld teilt sie nach einem neuen System selbst ein. Und Frau Schmidt bezieht ihr Bett selbst, was früher der Pflegedienst übernommen hat. Nur für die vierte Ecke vom Spannbetttuch fragt sie ihre Assistentin.

Frau Schmidt hat in dem Beispiel acht Unterstützungsleistungen durch Profis in einen Selbsthilfe-Technik-Quartier-Profi-Mix verwandelt und so ein neues Setting entwickelt. Darin:

7-mal: Was kann ich selbst tun, eventuell mit technischer Hilfe?

3-mal: Wie können mich Familie, Freund/innen oder Nachbar/innen unterstützen?

2-mal: Welche Unterstützung kann das Quartier bieten, etwa Vereine, Initiativen oder Geschäfte?

3-mal: Welche ergänzenden Hilfen durch Profis benötige ich?

1-mal: Was kann und will ich selbst für andere Menschen tun?

Es hat Folgen: Erfahrungen aus dem Modellprojekt

In den ersten fünf Jahren haben alle, die an der Weiterentwicklung der Ressourcenorientierten Assistenzplanung und an Qplus mitgestaltet haben, wertvolle Erfahrungen gemacht. Schritt für Schritt wurden Ansätze verwirklicht, Strategien verbessert, Zielsetzungen genauer formuliert, klarere Leitlinien geschaffen, Rollen und Aufgaben definiert. In diesem Prozess sind die Assistenzgesellschaften der ESA auf viele neue Möglichkeiten, aber manchmal auch an Grenzen gestoßen.

Im Rahmen der Ressourcenorientierten Assistenzplanung (alsterdorf assistenz west 2016) werden gemeinsam mit den Klient/innen – am Willen und an den Ressourcen der Menschen ansetzende – Assistenzsettings kreiert, die das soziale Umfeld als natürliche Ressource einbeziehen. Dabei stellt sich heraus, dass es, um die persönlichen Ressourcen, die Ressourcen aus der Nachbarschaft, dem Quartier und anderen Bereichen systematisch und von Anfang an vorrangig vor den Profileistungen einzubeziehen, eine eigene Funktion braucht, die nah am Dienstleister und zugleich unabhängig genug von ihm ist und mit einer zeitlichen Ressource ausgestattet ist.

Genau diese Funktion erfüllen die Quartierlots/innen. Wichtig ist, dass sie ausschließlich im „Alltags-Coaching“ tätig sind, nicht in der direkten Unterstützungsleistung. Die Quartierlots/innen sind damit unabhängig vom professionellen System der Dienstleistungserbringung.

Dass die beteiligten Klient/innen ihr Leben und ihren Alltag stärker in ihre Hand nehmen und sich klar werden, was sie wollen und dafür brauchen, ändert die Arbeitsbeziehung aller Beteiligten. Damit verbunden sind kommunikative und Wechselwirkungen bezogen auf Angehörige, Familien, Nachbar/innen und auf die Mitarbeiter/innen der Assistenzgesellschaften, denen bislang stets die helfende, (für-)sorgende Rolle zugewiesen wurde. Daher hat die Herangehensweise von Qplus auch bei einigen Mitarbeiter/ innen Verunsicherungen und Fragen ausgelöst: Werden die Leistungen für die Klient/innen langfristig doch abgesenkt? Ist Qplus ein Sparprogramm? Werden darüber Arbeitsplätze abgebaut? Werden wir überflüssig?

Diesen und anderen Fragen, aber auch dem notwendig veränderten Rollenverständnis konstruktiv zu begegnen, um keine Konkurrenzen zwischen den Beteiligten zu fördern und Unsicherheiten auf allen Seiten abzubauen, ist eine der wesentlichen Anforderungen an die Organisations- und Personalentwicklung der beiden Assistenzgesellschaften.

Das ist innovativ: die Lots/innen

Mit Unterstützung der Lots/innen haben die Menschen die Möglichkeit, ihr Assistenzsetting von Anfang an möglichst unabhängig von den Profis aufzustellen. Das erforderte von vielen Beteiligten ein Umdenken. Die Lots/ innen etwa mussten lernen, Handlungen und Entscheidungen den Klient/ innen zu überlassen und eigene Ansichten zurückzustellen. Der Mensch handelt selbst, Lots/innen geben Impulse und eröffnen Gelegenheiten – das ist nicht immer leicht voneinander abzugrenzen. Die Begleitung der Klient/ innen verlangt von den Lots/innen ein hohes Maß an Selbstreflexion. Gerade bei Menschen, die sich sprachlich nicht oder nur wenig äußern können, ist es wichtig, die Interessen des Menschen offen zu erkunden, ohne die eigenen Vorlieben und Einschätzungen auf den Menschen zu übertragen.

Die Funktion der Lots/innen im Sinne eines Alltags-Coaches ist in der Sozialgesetzgebung bisher nicht systematisch vorgesehen, sondern eine Zusatzleistung. Nach bisherigen Erfahrungen scheint sie erfolgreich im Sinne der Menschen und des Gesetzgebers zu wirken. Aktuell stellt sich die Frage, ob und wie die neue Funktion Teil des Leistungsgefüges der Eingliederungshilfe werden kann. Zwei Aspekte aus den bisherigen Erfahrungen sind unabdingbar und bilden zugleich ein Spannungsfeld: Die Lots/innen arbeiten teils integriert und dennoch autonom am Rand des leistungsrechtlichen Systems: Sie brauchen die strukturelle Distanz zu allen potenziellen Unterstützungsakteur/innen, auch zur professionellen Leistungserbringung.

Die Erfahrungen von Qplus zeigen, dass ein solches Alltags-Coaching dazu beiträgt, dass Menschen mit Assistenzbedarf ihre Selbstwirksamkeit entdecken und selbstbestimmter ihren Alltag gestalten können. Dies wirkt sich so aus, dass sie ihnen zustehende Profi-Leistungen weniger in Anspruch nehmen bzw. in völlig anderer Art und Weise für sich nutzen wollen. Diese Effekte treten mit hoher Wahrscheinlichkeit ein, wenn die Arbeit im Rahmen einer pauschalisierten Finanzierung bzw. in Budgetform geschieht. Diese Finanzierungsform erhöht die Spielräume für die Leistungserbringer, Alltags-Coaching-Prozesse zu gestalten. Allseits geteilte fachliche Ziele werden mit Planungssicherheit und Finanzierungssicherheit verbunden.

Der sozialräumliche Ansatz ist für alle Menschen gedacht, auch für die mit hohem Unterstützungsbedarf. Menschen, die sich nicht sprachlich äußern und selbst bewegen können, benötigen teilweise deutlich mehr Unterstützung, um ihr Recht auf Inklusion und Teilhabe zu verwirklichen. Die Willenserkundung benötigt bei ihnen mitunter eine andere Professionalität, Gespür, Übersetzerinnen und Übersetzer sowie Zeit. Der Ansatz von Qplus bietet hier neue Gelegenheiten.

Ausblick: Strukturen verändern

Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen der ressourcenorientierten Unterstützung von Menschen mit Behinderung in den Assistenzgesellschaften haben sich die alsterdorf assistenz west und alsterdorf assistenz ost 2019 entschieden, die Funktion der Lots/innen in die Assistenzgesellschaften zu integrieren. Konkret bedeutet das u. a., dass die Gesellschaften ihr bisheriges Kundenmanagement in ein „Eingangsmanagement“ umbauen. Bereits bei der ersten Anfrage nach Unterstützung werden die Lots/innen eingesetzt, nun Teilhabelots/innen genannt.

Sind Personenzentrierung und Ressourcenorientierung der Fokus in der Assistenzplanung, ist das Eingangsmanagement als Schnittstelle für anfragende Personen der Ort, um diesen Fokus vom ersten Kontakt an zu verankern. Hier geht es darum, neben den konkreten Informationen zu den Leistungen der Assistenzgesellschaften durch den direkten Kontakt des anfragenden Menschen zum/zur Teilhabelotsen/Teilhabelotsin gemeinsam mit ihm/ihr den Unterstützungsbedarf wie auch vorhandene eigene Ressourcen, Netzwerk- und Quartiersressourcen auszuloten, bevor sich die konkrete Kontraktphase anschließt. Das Eingangsmanagement als die Schnittstelle für anfragende Personen ermöglicht so von Beginn an einen methodisch begründeten ressourcenorientierten Kontrakt, der die komplette zukünftige Dienstleistung durchzieht.

Dazugelernt: Mehr Teilhabe ist ein Lernprozess

Teilhabe gelingt dann, wenn wir Arrangements entwickeln, die an den Ressourcen und Stärken der einzelnen Menschen und ihrem Umfeld ansetzen und ihnen ermöglichen, selbst tätig zu sein. Allerdings sind Ressourcen nicht „einfach so“ vorhanden. Damit sie genutzt werden können, müssen sie als solche erst einmal erkannt und zugänglich gemacht, organisiert und schließlich im Interesse der Klient/innen so miteinander verbunden werden, dass sie wirksam werden können.

Dies stellt neue Anforderungen an alle Beteiligten:

•an die Klient/innen, die ihre Interessen entwickeln und vertreten;

•an die Lots/innen, die Unterstützungsakteure/innen zusammenbringen und Zugänge zu Ressourcen schaffen, möglichst ohne selbst operativ tätig zu werden, und die sich als agiler Teil eines unterstützenden Netzwerks verstehen und eher eine zurückhaltende Coachingrolle einnehmen;

•an die zivilgesellschaftlichen und professionellen Unterstützungsakteure/innen, die sich auf eine neue Arbeitsweise einlassen und gemeinsam die Wirksamkeit im Dialog betrachten.

Die Weiterentwicklung ressourcenorientierter Herangehensweisen in der ESA hat gezeigt, wie sich Teilhabeoptionen erweitern, wenn – ausgehend vom Willen des Menschen – persönliche, soziale und sozialräumliche sowie professionelle Ressourcen miteinander verbunden werden. Dies bezieht sich sowohl auf die Unterstützung einzelner Menschen als auch auf neue Ressourcen und Strukturen, die erst durch eine bessere Zusammenarbeit und Vernetzung im Quartier möglich werden (s. dazu die Beschreibung der Arbeit der Q8 Intermediäre im Beitrag von Stiefvater/Haubenreissser/Oertel in diesem Band).

Die Bandbreite der genutzten Ressourcen ist groß: Sie reicht von technischen Hilfen wie dem praktischen Bodenwischgerät zum Haushaltreinigen, über Arztgänge begleitet von Freund/innen, mehr finanzielle Selbstständigkeit durch ein eigenes Konto oder auch Besuche eines Stadtteil-Mittagstisches oder die Teilnahme an einer Nähgruppe bis hin zu professioneller Assistenz in flexibler Absprache. Jeder Einzelaspekt ist für den gelingenden Alltag der Klient/innen wichtig, besondere Teilhabeeffekte entstehen aber durch die konsequente Verbindung der Einzelbausteine zu einem Gesamtarrangement, innerhalb dessen sie aufeinander abgestimmt erbracht werden. Hier zeigten die bisherigen Erfahrungen, insbesondere bei jungen und mittelalten Erwachsenen mit Assistenzbedarf, eine deutliche Bewegung von der professionellen Leistung hin zu mehr Eigenaktivität. Feststellbar ist auch, dass es bei der Nutzung und Nutzbarmachung sozialräumlicher Ressourcen in allen Altersgruppen noch deutlich Luft nach oben gibt.

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