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Stichentscheid des Vorsitzenden

Gemäss Art. 713 Abs. 1 Satz 2 OR hat der Vorsitzende im Verwaltungsrat den Stichentscheid, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen.

Der Stichentscheid des Vorsitzenden stellt keine Abweichung vom Kopfstimmprinzip dar, da immer noch jedes Verwaltungsratsmitglied eine Stimme hat und diese ausüben kann. Allerdings wird dem Vorsitzenden zugestanden, in einem Fall von Stimmengleichheit für und gegen einen Beschluss, das Zünglein an der Waage zu spielen und in Eigenregie zu entscheiden, wie der Entscheid ausfallen soll. Dies ist klarerweise eine Abweichung vom Prinzip, dass jedes Mitglied dieselbe Stimmkraft haben soll, bzw. vom Gleichbehandlungsgrundsatz.

Diese Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz ist explizit im Gesetz statuiert. Sie bezieht sich auf alle Sachgegenstände, sowohl innerhalb als auch ausserhalb der unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats. Eine statutarische Grundlage ist nicht notwendig. Bemerkenswerterweise statuierte der Gesetzgeber den Stichentscheid des Vorsitzenden als Normalfall und nicht nur als Möglichkeit, in den Statuten den Stichentscheid einzuführen. Vielmehr braucht es für die Abweichung vom Stichentscheid (d.h. für die Wiederherstellung der gleichen Stimmkraft aller Verwaltungsratsmitglieder) einer statutarischen Grundlage. Offensichtlich wollte der Gesetzgeber unbedingt eine Regelung für den Fall, dass es im Verwaltungsrat eine Pattsituation gibt. Dies obwohl auch ein Pattentscheid ein Entscheid ist, einfach ein ablehnender. Es geht bei dieser Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Verwaltungsratsmitgliedern also klar um die Erhaltung der Entscheidungsfähigkeit des Leitungsorgans.[57]

Verwaltungsratsbeschlüsse in nicht voller Besetzung

Der Verwaltungsrat kann auch gültig Beschlüsse fassen, wenn einzelne Verwaltungsratsmitglieder an der Beschlussfassung nicht teilnehmen. Eine schriftliche Stimmabgabe abwesender Verwaltungsratsmitglieder vor oder nach der Beratung ist gemäss herrschender Lehre ungültig.[58] Da die nicht anwesenden Verwaltungsratsmitglieder ihr Stimmrecht nicht ausüben können, liegt auch hier eine Abweichung vom Kopfstimmprinzip vor.[59] Niemand würde aber wohl auf die Idee kommen, geltend zu machen, diese Beschlüsse seien ungültig, weil sie gegen das Kopfstimmprinzip verstossen.

Die Ausnahme vom Kopfstimmprinzip ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, wird aber als selbstverständlich erachtet.[60] Das Vorgehen bedarf keiner statutarischen Grundlage und selbst Beschlüsse im Bereich der unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats sind gültig, wenn sie in nicht vollständiger Besetzung gefasst werden. In der Lehre wird diesbezüglich nicht die Abweichung vom Kopfstimmprinzip thematisiert, sondern die Frage diskutiert, ob zu hoch angesetzte Präsenzquoren ungültig sein sollen, weil sie die Entscheidungsfähigkeit des Verwaltungsrats zu sehr einschränken.[61] In Tat und Wahrheit findet hier eine Interessenabwägung statt. Die Abweichung vom Kopfstimmprinzip wird wiederum hingenommen, um die Funktionsfähigkeit des Gremiums zu gewährleisten.

Delegation von Entscheidbefugnissen ausserhalb von Art. 716a Abs. 1 OR an Verwaltungsratsausschüsse

Der Verwaltungsrat ist gemäss Art. 716a Abs. 2 OR befugt, dauernd Ausschüsse oder ad hoc-Arbeitsgruppen aus seiner Mitte zu bilden und diesen die Vorbereitung und die Ausführung seiner Beschlüsse oder die Überwachung von Geschäften zuzuweisen.[62] Ausserhalb der ihm als unübertragbar und unentziehbar zugewiesenen Hauptaufgaben kann er auch Entscheidbefugnisse an solche Verwaltungsratsausschüsse delegieren.[63] Eine entsprechende statutarische Grundlage ist nicht notwendig. Der Verwaltungsrat kann die Delegation mit Mehrheitsentscheid vornehmen. Das heisst, ein sich in der Minderheit befindliches einzelnes Verwaltungsratsmiglied kann sich nicht erfolgreich dagegen wehren, dass ihm, falls er dem entsprechenden Ausschuss nicht angehört, Entscheidbefugnisse entzogen werden, die normalerweise dem Verwaltungsrat einer schweizerischen Aktiengesellschaft zustehen.

Auch diese Delegation von Entscheidbefugnissen stellt im Ergebnis eine Abweichung vom Kopfstimmprinzip dar.[64] Mit der Bildung von Verwaltungsratsausschüssen und der Delegation von Entscheidbefugnissen an diese Ausschüsse entzieht der Gesamtverwaltungsrat normalerweise in seiner Kompetenz liegende Sachgeschäfte einem Teil seiner Mitglieder. Diese Verwaltungsratsmitglieder können bezüglich der delegierten Entscheidbefugnisse ihr Stimmrecht nicht mehr ausüben.

Seine Rechtfertigung findet diese Abweichung vom Kopfstimmprinzip in der Erkenntnis, dass der Verwaltungsrat seine Aufgaben insbesondere bei grösseren Gesellschaften zweckmässig nur mit einer Arbeitsteilung zu bewältigen vermag.[65] Wiederum hat der Gesetzgeber eine Interessenabwägung vorgenommen und entschieden, dass es möglich sein muss, sich intern zu organisieren.

Delegation der Geschäftsführung an einzelne Mitglieder oder Dritte

Die Statuten können den Verwaltungsrat ermächtigen, gemäss Art. 716b die Geschäftsführung nach Massgabe eines Organisationsreglementes ganz oder zum Teil an einzelne Mitglieder oder an Dritte zu übertragen.[66] Eine solche Ermächtigung gehört heute in professionell abgefassten Statuten zum Standardrepertoire. Wiederum kann der Verwaltungsrat die Übertragung mit Mehrheitsentscheid beschliessen und das einzelne, sich in der Minderheit befindliche Verwaltungsratsmiglied kann sich auch hier nicht erfolgreich dagegen wehren. Die unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats verbleiben jedoch auch bei einer umfassenden Delegation der Geschäftsführung beim Gesamtverwaltungsrat.

Delegiert der Gesamtverwaltungsrat die Geschäftsführung an einzelne Mitglieder oder Dritte, so liegt eine Abweichung vom Kopfstimmprinzip vor. Bei der Delegation an einzelne Mitglieder haben die nicht zur Geschäftsführung designierten Verwaltungssratsmitglieder in diesem Bereich kein Stimmrecht mehr. Bei der Delegation an Dritte haben alle Verwaltungsratsmitglieder in diesem Bereich kein Stimmrecht mehr.

Das schweizerische System vermied bewusst eine absolute und zwingende Trennung im Sinne eines dualistischen Systems.[67] Der Gesetzgeber entschied sich für ein relativ offenes System, welches in fast schon gegensätzliche Richtungen ausformend verändert werden kann; eine weitgehende Annäherung an das deutsche „Aufsichtsratssystem“ oder eine „monistische“ Ausprägung durch Personalunion von Verwaltungsratspräsidum und Geschäftsleitungsvorsitz ist ebenso möglich wie eine Annäherung an das britische oder das amerikanische „Board System“.[68] Es obliegt der Generalversammlung[69] oder, im Falle einer umfassenden Ermächtigung in den Statuten, dem Verwaltungsrat in seiner Organisations- und Gestaltungsverantwortung, das System der Delegation näher zu bestimmen.[70] Inhaltlich muss das gewählte System lediglich einleuchtend und in sich widerspruchsfrei sein.[71] In dieser Gestaltungsfreiheit und der daraus resultierenden Anpassungsfähigkeit liegt ein grosser Vorzug der Schweizer Lösung.[72] Die Abweichung vom Kopfstimmprinzip ist der Preis, den man für die Ermöglichung flexibler Lösungen zahlt. Der Gesetzgeber nimmt dies bewusst in Kauf.

Ausstandspflicht

Es stellt auch eine Abweichung vom Kopfstimmprinzip dar, wenn Verwaltungsratsmitglieder aufgrund ernster Interessenkonflikte in den Ausstand treten müssen.[73] Wiederum können sie an einem Verwaltungsratsentscheid ihre Stimme nicht einbringen.

Wie bereits vorstehend erwähnt, ist die Ausstandspflicht nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, sondern fliesst aus der allgemeinen Treuepflicht des Verwaltungsrats.[74] Eine statutarische Grundlage ist nicht notwendig und die Ausstandspflicht kann sich auch auf Sachgegenstände im Rahmen der unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats beziehen.

Auch hier findet eine Interessenabwägung statt.[75] Die Abweichung vom Kopfstimmprinzip rechtfertigt sich, weil in diesen Situationen der Gesetzgeber dem von einem Konflikt betroffenen Verwaltungsratsmitglied schlichtweg die Fähigkeit abspricht, im Gesellschaftsinteresse zu handeln. Die Gesellschaft wird geschützt, indem dem entsprechenden Verwaltungsratsmitglied in Abweichung vom Kopfstimmprinzip in der entsprechenden Angelegenheit das Stimmrecht entzogen wird.

Qualifizierte Beschlussquoren; Einstimmigkeitserfordernis

Ein qualifiziertes Beschlussquorum liegt vor, wenn für einen Entscheid eine bestimmte Anzahl Ja-Stimmen über das einfache Mehr hinaus verlangt wird. Selbst ohne explizite statutarische Ermächtigung kann der Verwaltungsrat sie gültig in einem Organisationsreglement erlassen[76], auch im Bereich der unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats. Beim Extremfall qualifizierter Beschlussquoren, dem Einstimmigkeitserfordernis, besteht allerdings in der Lehre keine Einigkeit. Während die Mehrheit der Lehre dies zulassen will[77], erblicken Böckli und ein Teil der Lehre darin ein Vetorecht jedes Mitglieds, welches nicht statthaft sei[78].

Qualifizierte Beschlussquoren stellen zwar keine Abweichung vom Kopfstimmprinzip dar, sie sind aber eine Abweichung vom Grundsatz der gleichen Stimmkraft aller Verwaltungsratsmitglieder bzw. vom Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn in diesen Fällen kommt einer Neinstimme im Umfang der Abweichung des Entscheidquorums vom einfachen Mehrheitsentscheid mehr Stimmkraft zu.[79]

Wie rechtfertig sich diese Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz? Es kann nicht um die Erhaltung der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit des Gremiums Verwaltungsrat gehen.[80] Denn qualifizierte Quoren erschweren Beschlüsse. Es geht augenscheinlich auch nicht um eine zweckmässige Arbeitsteilung bzw. Organisation[81], denn eine Arbeitsteilung bzw. Arbeitsorganisation findet nicht statt. Schliesslich kann es auch nicht um den Schutz der Gesellschaft in einer besonders heiklen Situation gehen.[82] Was bleibt? Es bleibt die Gestaltungsfreiheit des Verwaltungsrates, sich innerhalb gewisser Grenzen seine Regeln selbst zu geben[83], und es bleibt der vom Gesetzgeber auch innerhalb des Verwaltungsrats als legitim anerkannte Schutz von Minderheiten[84].

Würdigung des geltenden Rechts

Die vorstehend beschriebenen Abweichungen vom Kopfstimmprinzip und vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Verwaltungsratsmitgliedern zeigen, dass die beiden Prinzipien im Schweizer Recht nicht absolut gelten.[85] Gesetzgeber, Lehre und Rechtsprechung haben verschiedene Abweichungen zugelassen.[86] Einige sind gesetzlich ausdrücklich vorgesehen[87], einige bedürfen einer statutarischen[88] oder einer reglementarischen[89] Grundlage und einige gelten auch ohne positive Rechtsgrundlage[90]. Diese Abweichungen beschlagen teilweise auch die unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrates.[91] Lehre und Rechtsprechung zum schweizerischen Aktienrecht erlauben solche Abweichungen offensichtlich, wenn hierfür ein hinreichender sachlicher Grund vorliegt. Die anerkannte Zulässigkeit von qualifizierten Entscheidquoren belegt, dass Minderheitenschutz ein hinreichender sachlicher Grund sein kann.

Gleichgelagerte Verantwortlichkeit aller Verwaltungsräte

Auch die „gleichgelagerte Verantwortlichkeit“[92] der Verwaltungsratsmitglieder erfordert keineswegs, dass das Kopfstimmprinzip bzw. der Grundsatz der Gleichbehandlung von Verwaltungsratsmitgliedern absolut gilt. Es trifft zwar zu, dass in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit mehrere Ersatzpflichtige dem Geschädigten grundsätzlich solidarisch haften.[93] Hierfür müssen aber bei jedem Haftpflichtigen die Haftungsvoraussetzungen (Schaden, Pflichtverletzung, adäquater Kausalzusammenhang und Verschulden) erfüllt sein.[94] Die Solidarität reicht nur so weit, als der Haftpflichtige selbst den eingetretenen Schaden adäquat und schuldhaft verursacht hat.[95] Zwar genügt es, wenn die Pflichtwidrigkeit eine Teilursache[96] des Schadens darstellt und bereits ein leichtes Verschulden begründet die Haftung.[97] Ist jedoch der eingetretene Schaden zu bestimmten Teilen den einzelnen Verursachern zuzurechnen, so besteht nicht solidarische, sondern anteilsmässige Haftung.[98]

Im Aussenverhältnis ging das Bundesgericht unter dem Aktienrecht von 1936 noch von absoluter Solidarität aus.[99] Die Aktienrechtsrevision 1991[100] machte in Art. 759 Abs. 1 OR aber klar, dass in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit Art. 43 Abs. 1 OR, wonach der Richter im Rahmen der Schadenersatzbemessung „sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat“, auch bei einer Mehrheit von Ersatzpflichtigen im Aussenverhältnis zu berücksichtigen ist (sog. differenzierte Solidarität).[101]

Somit wird klar, dass das geltende Verantwortlichkeitsrecht durchaus in der Lage ist, bei mehreren Verwaltungsratsmitgliedern haftungsmässig ausreichend zu differenzieren. Nehmen wir an, ein Verwaltungsratsentscheid, der die Gesellschaft vor Schaden hätte bewahren können, kam nicht zustande, weil im Organisationsreglement für diesen Beschluss ein Zustimmungserfordernis eines bestimmten Verwaltungsratsmitglieds gilt und dieses Verwaltungsratsmitglied dem Beschluss nicht zustimmte. Nehmen wir weiter an, dass die Ablehnung dieses Beschlusses pflichtwidrig war und bei der Gesellschaft zu einem Schaden geführt hat. Wer haftet nun?

Aufgrund des vorstehend beschriebenen Erfordernisses der individuellen Erfüllung sämtlicher Haftungsvoraussetzungen liegt auf der Hand, dass für diesen Schaden aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit nur dasjenige Verwaltungsratsmitglied haftet, dessen Zustimmung aufgrund des Zustimmungserfordernisses im Organisationsreglement notwendig war und welches den entsprechenden Beschluss (pflichtwidrig) abgelehnt hat.[102] Nur dieses Verwaltungsratsmitglied hat den Schaden adäquat verursacht. Diejenigen Verwaltungsratsmitglieder, welche für den schadenverhindernden Beschluss stimmten oder an der entsprechenden Abstimmung nicht teilnahmen, haben weder eine adäquate Ursache für die Ablehnung des Beschlusses und damit den Schadenseintritt gesetzt, noch ihre Pflicht verletzt.

Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich, dass das Argument, aus der gleichgelagerten Verantwortlichkeit aller Verwaltungsratsmitglieder ergebe sich das Kopfstimmprinzip bzw. das Prinzip der (absoluten) Gleichbehandlung von Verwaltungsratsmitgliedern, nicht überzeugt.

Alternative Aktionärbindungsvertrag

Das Handelsgericht verweist den Investor für die Umsetzung seines praktischen Bedürfnisses, gewisse Entscheide von seiner Zustimmung abhängig zu machen, auf den Weg des Aktionärbindungsvertrags.[103] Zustimmungserfordernisse werden dort in der Regel in Form einer Stimmbindung umgesetzt.[104] Diese Alternative hat aber insbesondere auf Verwaltungsratsstufe gewichtige Nachteile.

Zunächst ist festzuhalten, dass ein Aktionärbindungsvertrag unter Einbezug des Verwaltungsrats als Gremium rechtlich nicht möglich ist; die Einbindung des ganzen Verwaltungsrats muss deshalb auf dem Wege der individuellen Einbindung sämtlicher Verwaltungsratsmitglieder erfolgen.[105] Inwieweit ein Verwaltungsratsmitglied vertraglich einer Stimmbindung unterzogen werden kann, ist in der Schweiz umstritten.[106] Der vertragliche Schutz ist also diesbezüglich nur unvollkommen.

Ferner wirken Stimmbindungsvereinbarungen gemäss herrschender Lehre immer nur inter partes.[107] Die Gesellschaft kann zwar hinsichtlich gewisser Sachbereiche Partei des Aktionärbindungsvertrags sein[108], sie kann aber nicht verbindlich an der Gestaltung ihres eigenen Willens teilnehmen.[109] Deshalb kann die Gesellschaft genau im Bereich von Stimmbindungsvereinbarungen nicht verbindlich Partei eines Aktionärbindungsvertrags sein.[110] Konsequenz daraus ist, dass die Gesellschaft Stimmen, die in Verletzung eines Aktionärbindungsvertrags abgegeben wurden, stets so zu berücksichtigen hat, wie sie effektiv ausgeübt wurden, und dies selbst wenn die Gesellschaft vom Vertrag und der vereinbarten Festlegung der Stimmabgabe Kenntnis hat.[111]

In Kombination ergibt dies für den Investor folgende Situation: Entgegen dem Aktionärbindungsvertrag ausgeübte Stimmrechte im Verwaltungsrat sind gesellschaftsrechtlich gültig. Erachtete man das Zustimmungserfordernis im Organisationsreglement als gültig, trüge der Investor das Risiko einer vertragswidrigen Stimmrechtsausübung nur hinsichtlich seines eigenen Repräsentanten, über den er eine gewisse Kontrolle hat.[112] Verweist man den Investor aber auf den Aktionärbindungsvertrag, trägt der Investor dieses Risiko hinsichtlich aller (zumindest aber hinsichtlich der Mehrheit der) Verwaltungsratsmitglieder.[113]

Hinzu kommt, dass die prozessuale Durchsetzung der Realerfüllung von Stimmbindungsvereinbarungen in der Schweiz zwar mittlerweile anerkannt[114], aber mit verschiedenen Problemen behaftet ist. Nicht selten scheitert die Durchsetzung der Realerfüllung daran, dass die vertragswidrige Absicht einer Vertragspartei erst bekannt wird, wenn mit der Ausübung der Stimme in Verletzung des Aktionärbindungsvertrags bereits vollendete Tatsachen geschaffen sind.[115] Da die Nichteinhaltung einer Stimmbindungsvereinbarung die Gültigkeit des entsprechenden Beschlusses nicht tangiert, lässt sich die Nichteinhaltung auch durch eine nachträgliche Leistungsklage auf Erfüllung oft nicht mehr korrigieren.[116] Investoren, welche durch stimmbindungswidrig abgegebene Stimmen geschädigt werden, bleibt oft nichts anderes übrig, als Ansprüche auf Schadenersatz oder eine vertraglich geschuldete Konventionalstrafe geltend zu machen.[117] Schadenersatz stellt aber oft kein adäquates Korrektiv dar, da es den beteiligten Aktionären mit der Regelung um Einfluss auf die Gesellschaft geht.[118] Schliesslich nimmt die prozessuale Durchsetzung Zeit und Kosten in Anspruch, und dies alles währenddem der vertragswidrig zustandegekommene Beschluss gesellschaftsrechtlich gültig ist und in der Gesellschaft Wirkung entfalten kann.

Zusammenfassend lässt sich die vom Handelsgericht propagierte Alternative Aktionärbindungsvertrag aus Sicht des Investors auf einen einfachen Nenner bringen: too little, too late.

Unübertragbare und unentziehbare Aufgaben des Verwaltungsrats

Das Handelsgericht begründete seinen Entscheid abschliessend auch noch damit, dass ein solches Zustimmungserfordernis in einem Organisationsreglement unzulässig sei, weil es – im Bereich der Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten Personen – einen unzulässigen Eingriff in die unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats darstelle.[119]

Dem ist entgegenzuhalten, dass nicht jede Abweichung vom Prinzip der identischen Stimmkraft gleich die Kompetenzordnung im Verwaltungsrat verschiebt und damit im Bereich der unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben eine unzulässige Delegation von Entscheidbefugnissen darstellt. Wie vorstehend dargelegt, gilt darüber hinaus das Kopfstimmprinzip auch im Bereich der unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats nicht uneingeschränkt. Das Aktienrecht greift gemäss Lesart der geltenden Lehre und Rechtsprechung in vielerlei Weise in diese Kompetenzen ein und ermöglicht gültige Entscheide in Abweichung vom Prinzip der identischen Stimmkraft. Nebst dem gesetzlich vorgesehenen Stichentscheid des Vorsitzenden sind auch qualifizierte Entscheidquoren selbst im Bereich der unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats zulässig. Auch sie beinhalten, wie vorstehend ausgeführt[120], eine Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Verwaltungsratsmitgliedern. Man ist sich zwar in der Lehre nicht einig, wie hoch qualifizierte Entscheidquoren sein dürfen, das Prinzip von qualifizierten Quoren wird aber in der Lehre einhellig als zulässig erachtet.[121] Die Frage der zulässigen Höhe qualifizierter Entscheidquoren wird auch nicht wirklich unter dem Aspekt der Abweichung vom Kopfstimmprinzip bzw. vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Verwaltungsratsmitgliedern, sondern vordringlich hinsichtlich der Erhaltung der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit des Verwaltungsrats als Leitungsorgan diskutiert.[122]

Schliesslich sei auch erwähnt, dass dieses Argument im dem Handelsgerichtsfall zugrundeliegenden Sachverhalt höchstens den Rang eines obiter dictum[123] beanspruchen konnte, denn es war klarerweise nicht entscheidrelevant. Es ging weder um die Ernennung noch um die Abberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten Personen, sondern schlicht und ergreifend um die Festlegung der Vergütung eines einzelnen Geschäftsleitungsmitglieds, nämlich der Entlöhnung des CEO. Die Festlegung der Vergütung einzelner Mitglieder der Geschäftsleitung gehört aber nicht zum Bereich der unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats.[124] Folglich konnte im konkreten Fall auch kein unzulässiger Eingriff in diese Kompetenzen vorliegen.

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26 mayıs 2021
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331 s. 19 illüstrasyon
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9783038053873
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