Kitabı oku: «Ein verhängnisvoller Wunsch», sayfa 3

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Liebe ist doch nur etwas für Schwachköpfe. Nur ein Mittel, um sich zu Quälen.

Isabel musste erneut an Silvester denken und die vielen Tränen, die sie geweint hatte. Es war auch wirklich zu dumm, dass man nicht in der Lage war, Gefühle aus dem Spiel zu lassen. Eine Beziehung ohne Liebe und Gefühle … nur blanker, wilder Sex …

Schön wärs, wenn das ihr Ding wäre. Aber der bloße Gedanke daran trieb ihr die Schamröte ins Gesicht. Außerdem musste sie feststellen, dass solche Begegnungen meist ziemlich unbefriedigend verliefen. Es musste schon mehr sein. Sie musste wenigstens das Gefühl haben, dass sie ihrem Bettgefährten auch wirklich echte und aufrichtige Gefühle entgegenbrachte … oder ihn zumindest irgendwie mochte. Meistens entpuppte sich das zwar sehr schnell als Fehlfunktion einer ihrer Gehirnregionen, aber der Sex wurde damit zumindest angenehmer.

„Isabel, es klingelt. Soll ich abnehmen?“

Isabel griff schnell zum Hörer und meldete sich. Tanja sollte nicht merken, dass sie mit ihren Gedanken wieder einmal weit weg gewesen war.

Auch das zweite Telefon läutete und Tanja übernahm. Langsam wurde es rege. So liebte Isabel das. Dann wurde sie zumindest von ihren Gedanken abgelenkt. Außerdem gewann sie so Zeit, um sich eine plausible Erklärung für die erneut aufgetretenen Missstände auszudenken, die sie ihrer Chefin noch beichten musste.

Aber ewig konnte sie das nicht hinausschieben und was dann geschah würde sich zeigen.

Erschöpft und unzufrieden fuhr Isabel am Abend in die Garage, die sie vor zwei Monaten endlich mieten konnte. Damit war ihr heißgeliebter Beetle nicht mehr schutzlos dem Wetter ausgesetzt.

Sie nahm die Tüte mit dem gebratenen Huhn in süßsaurer Soße vom Beifahrersitz und ging über den Hinterhof, um das Haus herum, zur Eingangstür. Noch bevor sie ihren Schlüssel aus der Handtasche geklaubt hatte, wurde die Tür von innen aufgezogen und ein Mann sprang ihr eilig entgegen.

Isabel stolperte erschrocken zur Seite und umklammerte ihr Huhn in Soße.

„Guten Abend!“, meinte sie gehörte zu haben und sah dem Davoneilenden hinterher. Doch ihr Blick erhaschte nur noch die dunkelblonden, welligen Haare und die große, schlanke Gestalt in einem ziemlich konservativen Anzug.

Schnell schlüpfte sie durch die Tür ins Haus und ließ sie kopfschüttelnd zuschlagen. Sie hatte diesen Typ hier noch nie gesehen. War das ein neuer Nachbar?

„Ist doch egal“, ermahnte sie sich aufgebracht, weil ihr Innerstes schon wieder zu lechzen begann, wie ein Hund nach einem fleischigen Knochen in erreichbarer Höhe.

Schnell ging sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf, wo ihre Atemwege immer noch einen aufregenden, männlichen Aftershaveduft wahrnahmen. Sie reagierte schon immer besonders auf Aftershaves und dieses war extrem angenehm.

Als wolle ihr Gewissen sie an andere Aftershaveerlebnisse erinnern, kam ihr Carsten in den Sinn. Der hatte sich immer so viel eines furchtbar süßen Duftes ins Gesicht, und auch sonst wohin, geschmiert, dass ihr davon regelmäßig schlecht wurde. Als sie ihm das sagte, meinte er nur, dass sie ihn nicht wirklich lieben würde, wenn sie seinen Duft nicht ertrug, - und ging.

An ihrer Wohnungstür angekommen, wurde ihr bewusst, dass immer noch dieser Duft in der Luft lag. Isabel sah sich um. War dieser Mann vielleicht hier oben vor ihrer Tür gewesen? Nichts deutete darauf hin und sie verwarf den Gedanken. Mehr als ihren Namen auf dem Klingelknopf gab es hier auch nicht zu sehen. Wahrscheinlich war er in einer der unteren Wohnungen gewesen und der Duft war bis hier heraufgezogen.

Sie schloss aber dennoch beunruhigt die Tür auf und betrat vorsichtig die Wohnung. Doch hier war dieser Geruch definitiv nicht vorhanden.

Schnell schloss sie die Tür wieder zu, um ihn gar nicht erst in ihre Wohnung ziehen zu lassen. Dort hatte Männerduft nichts zu suchen … vor allem nicht, wenn der dazugehörige Mann ausblieb.

Sie warf ihre Jacke über den Küchenstuhl und setzte ihr Tütenhuhn auf den Tisch. Im Wohnzimmer drückte sie den Anrufbeantworter an, der zwei Anrufe anzeigte und hörte sich kurz das Band an. Das erste war ihre Mutter, die sie für Sonntag zum Essen einlud. Das zweite war von Susanne, die ihr mitteilte, bei wem sich diese Woche der Handarbeitsclub traf.

Isabel holte einen Teller und Besteck und setzte sich seufzend an den Küchentisch. Sie aß ohne viel Appetit das Huhn. Vielleicht sollte sie sich diese Woche einmal aufraffen und ihre gehäkelte Spitze einpacken und wieder einmal hingehen. Sie hatte es in dem letzten halben Jahr auf ganze zehn Zentimeter Spitze gebracht und würde das Ding wohl in hundert Jahren nicht fertigbekommen. Sie muss an geistiger Umnachtung gelitten haben, als sie sich dazu überreden ließ, dort mitzumachen.

Sei nicht albern. Ein Treffen mit ein paar Frauen wird dir ganz guttun. Wo es keine Männer gibt, gibt es auch keine Probleme.

Blödsinn! Bei diesen Frauentreffen wurden doch Probleme erst zu welchen gemacht. Fühlte man sich vorher kerngesund, wurde man dort über alle möglichen Erkrankungen, und vor allem bevorzugt „Krebsleiden“, aufgeklärt. Wer hinterher nicht die eine oder andere Krankheit an sich entdeckte, muss schwer von Begriff sein.

Wer Kinder hat, stellte bald fest, dass bei der Prahlerei der anderen über ihren Nachwuchs man selbst nur einfältige Kreaturen auf die Welt gebracht hat. Unfähige Lehrer und Kindergärtnerinnen gaben einen weiteren Lieblingsgesprächsstoff ab. War dann auch dieses Thema erschöpft, hatte bestimmt die eine oder andere noch etwas über seltsame Todesfälle im Ort oder wenigstens über eine Affäre eines Nachbarn oder einer Nachbarin zu berichten. Dabei kam es nicht selten vor, dass so manch eine das wichtige Häkeln oder Stricken ganz vergaß.

Isabel schob den Rest des Huhns weit von sich und streckte ihre Beine erschöpft unter dem Tisch aus. Irgendwie fühlte sie sich diesen Frauensitzungen im Moment gar nicht gewachsen. Sie hatte schließlich auch nichts zu bieten. Keine Kinder und deren Lehrer, keine Krankheiten und keine nennenswerten Beziehungen oder gar einen fremdgehenden Ehemann. Nein, sie hatte nur ihre Arbeit und die interessierte niemanden.

Mit Schrecken fielen Isabel die Vorkommnisse dieses Tages ein. Das war ein ausgesprochener Scheißtag gewesen. Dass ihr das mit der Firma Mellcopp passiert war, erweckte in ihrem Magen das Huhn in süßsauer Soße wieder zum Leben. Jetzt wusste sie den Namen und würde ihn bestimmt so schnell nicht wieder vergessen. Außerdem waren ihr noch weitere Patzer passiert. Sie hatte einige Rechnungen angemahnt, obwohl diese schon beglichen waren, eine falsche Warenliste an ihre Chefin weitergereicht, die den Kunden deshalb etwas anpries, was er gar nicht haben wollte, und zwei Bestelllisten vertauscht, woraufhin zwei Firmen beinahe mit falscher Ware beliefert wurden. Letzteres wurde allerdings durch die Achtsamkeit des Logistikleiters Hardy Meiners verhindert.

Ironie des Schicksals. Aber er war ihr diese Kleinigkeit sowieso schuldig.

Naja. Dann kam, was kommen musste. Cornelia hatte ihre „langjährige rechte Hand“ vor ihrem Nachhausegang nochmals an die Seite genommen und sie lange angesehen. Dann hatte sie mit sorgenvoller Miene gefragt: „Was ist nur in letzter Zeit mit dir los? Du bist so zerstreut und unkonzentriert, dass ich versucht bin, dir einen Zwangsurlaub zu verpassen. Vielleicht sollte ich dich in eine Kur schicken?“ Cornelia hatte dabei beide Hände auf Isabels Schultern gelegt.

Sie war für Isabel nie wie eine Chefin gewesen, sondern immer wie eine große, in letzter Zeit sehr besorgte Schwester.

„Nein, bitte nicht! Ich werde mich jetzt auch zusammenreißen und verspreche dir, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird.“

Isabel waren dabei Tränen in die Augen getreten und sie hatte sich so unglaublich niedergeschlagen gefühlt. Was sie jetzt auf keinen Fall gebrauchen konnte war Urlaub!

„Macht dir denn dein Beruf gar keinen Spaß mehr? Du bist so zerstreut und wirkst unzufrieden.“

„Doch! Ich liebe meinen Job!“, hatte Isabel gerufen.

Cornelia nickte daraufhin nur und sah sie unschlüssig an. „Ich werde mit meinem Mann sprechen. Mal sahen, was der sagt.“

Für Isabel hatte das wie eine Drohung geklungen. Sie kannte den Chef gut. Er war ein netter Mann und schätzte sie als langjährige Mitarbeiterin. Doch seine Firma stand für ihn immer im Vordergrund und er würde nicht zögern, sie sogar zu kündigen, wenn sie untragbar wurde. Nur von Cornelia konnte sie etwas Nachsicht erwarten.

So saß sie nun an ihrem Küchentisch vor dem halb aufgegessenen Huhn von ihrem Lieblingschinesen und stützte frustriert ihren Kopf in den Händen ab.

Was, wenn die jetzt ernst machen? Entlassen werden sie sie wohl nicht gleich, aber vielleicht wird ihr Chef sie erbarmungslos beurlauben. Was sollte sie dann machen?

Wieder schossen ihr Tränen der Verzweiflung in die Augen. Unwillig schüttelte sie den Kopf. Sie war so schrecklich deprimiert und weinerlich in letzter Zeit, dass es schon zum Fürchten war. Vielleicht wurde sie langsam geisteskrank wie ihre Tante Ingeborg? Oder es lag einfach an der Jahreszeit und am Vitamin D Mangel. Schon immer schlugen ihr die dunklen Wintertage etwas aufs Gemüt. Doch niemals so stark wie dieses Jahr. Und sie war doch erst sechsunddreißig Jahre alt, also noch kein Alter für die Wechseljahre. Oder?

Das Wort ließ das Huhn in ihrem Magen auch noch Samba tanzen. Wechseljahre hieß Schluss mit allem. Damit war der letzte Zug unwiderruflich abgefahren. In drei Monaten wurde sie schon siebenunddreißig. Wo war nur die Zeit geblieben? Was war aus ihren Träumen geworden?

Es war schon seltsam. Früher hatte sie noch an die große Liebe geglaubt, wollte heiraten, Kinder kriegen und alles tun, um den Mann an ihrer Seite glücklich zu machen.

Der Mann an ihrer Seite …

Isabel verdrängte die aufkommenden Gedanken daran. Eigentlich hatte es in ihrem Leben nur einen Mann gegeben, den sie sogar heiraten wollte.

Nicht diese Geschichte! Du wusstest in dem Alter noch gar nicht, was heiraten eigentlich heißt.

Doch! Sie glaubte damals, dass er der Richtige für immer und ewig war. Lange war sie ihm hinterhergelaufen und lange hatte er ihr ganzes Sein und Handeln bestimmt. Aber er wollte sie nicht!

Das war ein dunkles Kapitel in ihrem Leben, dass sie besser unangetastet ließ.

Da warst du jung und dumm! Sehr jung und dumm, und nicht mal volljährig. Also vergiss das endlich.

Isabell seufzte auf. Dieses Kapitel aus ihrer Jugendzeit zu vergessen war aussichtslos. Immer wieder hatte sich in den vergangenen zwanzig Jahren diese tiefe, aber nicht erwiderte Liebe an die Oberfläche gespült. Und wie immer folgen auch diesmal die anderen zwischenmenschlichen Missgeschicke ihres Lebens auf dem Fuße. Denn niemand von ihnen hatte je wieder die Gefühle in ihr wecken können wie Cedric. Er war immer ihr goldener Ritter auf dem schneeweißen Pferd geblieben, der alles verkörperte, was sie sich wünschte.

Das lag einzig und allein daran, dass er dich von Anfang an links liegen gelassen hatte. Er war immer unnahbar gewesen und deshalb konnte daraus auch keine missratene Beziehung werden.

Isabel wollte daran nicht denken. Dass Cedrik und sie nie eine Chance hatten, lag an dem damaligen schlimmen Schicksalsschlag und an nichts anderem. Sie wollte weiterhin daran glauben, dass er es sonst für sie gewesen wäre.

Ihr Gewissen reagierte mit einem grummelnden Abwerten dieses Gedankenganges, das ihr ein flaues Gefühl in der Magengegend bescherte. Deshalb dachte sie schon fast panisch an die anderen Männer in ihrem Leben, um da ja nichts nachkommen zu lassen. Und da hatte es einige gegeben. Aber keiner war so gewesen, wie sie ihn sich gewünscht hatte. Sie wollte einen Freund, einen Gesprächspartner, einen Seelenklempner, einen Schmeichler, einen Liebeshungrigen, der aber jederzeit ein Nein akzeptierte und einen, der immer mit ihr durch dick und dünn ging. Er sollte immer zu ihr halten, sie unglaublich und bedingungslos lieben und vor der Welt beschützen und sie doch niemals einengen. Außerdem musste sie ihn auch lieben und immerwährende tiefe Gefühle sollten sie verbinden. So sollte ihr Traummann sein. Dazu kam natürlich noch, dass er ausgesprochen kinderlieb, absolut treu und ein leidenschaftlicher Hausmann sein sollte - und ihr bedingungslos ergeben.

Bedingungslos ergeben …?

Erneut schüttelte etwas ihr Gewissen wach und Isabel kämpfte energisch darum, die aufkeimenden Gedanken nicht an die Oberfläche dringen zu lassen. Aber erfolglos.

Es hatte ihn gegeben. Den bedingungslos Ergebenen. Cedrics jüngerer Bruder Till. Er und seine beiden älteren Geschwister lebten in dem großen Gut neben ihrem Zuhause aus Kinderzeiten. Und Till war es, dem sie wissentlich mehrmals das Herz gebrochen hatte. Ihre ganze Kindheit lang hatte er es ihr immer wieder zu Füßen gelegt. Erst hatte sie es genossen, seine ständige Aufmerksamkeit zu haben. Aber später wollte sie das nicht mehr und machte ihm das erbarmungslos klar, völlig davon überzeugt, dass sie eine Berechtigung dazu hatte, weil sie einen anderen liebte.

Du warst noch ein Kind!

Mit dieser Ausrede tröstete Isabel sich lange, wenn sie die Erinnerungen an ihre Kindheit überfielen und ihr Gewissen und ihr Selbstbewusstsein marterten. Ihr Gewissen litt bei den alten Geschichten, weil Isabel wusste, dass sie Till immer wieder wehgetan hatte, obwohl er ihr bester Freund gewesen war. Und ihr Selbstbewusstsein, weil sie sich selbst verletzt und ungeliebt gefühlt hatte, weil Cedric sie ignoriert hatte. Schließlich wollte sie nur ihn, doch der hatte sie nie auf seinem Radar.

Manchmal kam es ihr so vor, als hätte sie, bevor sie volljährig war, schon all ihr Pensum an Liebe verschossen, das dieses Leben für sie vorgesehen hatte.

Sie musste an ihr damaliges Zuhause denken, dass ihre Familie bewohnt hatte. Es war ein altes Heuerhaus, das im Schatten des riesigen Guts der Familie Schneider stand. Es war ein uraltes, wunderschönes Fachwerkgebäude gewesen, mit einer riesigen Diele und einem urigen Dielentor, kleinen Butzenfenstern und einem eigenen Brunnen, der ihre Fantasie immer besonders beflügelt hatte. Der Holzdeckel auf der etwa einen Meter hohen, gemauerten Einfassung verschloss die Untiefen einer anderen Welt vor ihrer und ließ weder die Monster aus der Unterwelt heraus noch die Frösche zum Küssen.

Sie hatte dieses Haus geliebt, aber es wurde ihr fast zum Verhängnis. Eines Tages brannte es lichterloh und ihr Vater hatte sie und ihre Schwester gerade noch rechtzeitig retten können. Deshalb waren sie damals weggezogen und sie musste ihrer schönen Kindheit Lebewohl sagen - und ihrer Liebe.

Nein, an Cedric wollte sie nicht mehr denken. Jeder Gedanke an ihn schmerzte seltsamerweise immer noch. Wahrscheinlich wird es das auch noch auf ewig tun. Er war der Mann, den sie für sich und ihr Leben auserkoren hatte, der sie sogar lange in ihren Träumen verfolgte und der sie niemals wollte. Vielleicht gab es keinen Märchenprinzen für sie, weil sie Cedric nicht bekommen hatte.

Hör auf mit dem Scheiß. Was hättest du bei ihm gehabt? Er ist nie auch nur im Ansatz ein Märchenprinz gewesen.

Für Isabel damals schon. Auch wenn er ein seltsamer, komplizierter Junge war, den sie nie ganz verstand und der ihr durchaus auch mal Angst machen konnte. Sie hatte erlebt, wie er seinen kleinen Bruder vor ihren Augen misshandelt und quält hatte. Er war eigentlich kein netter Mensch. Überhaupt nicht. Dennoch hatten ihre Gefühle sich auf ihn ausgerichtet. Sie mochte seine braunen Haare, seine braunen Augen und seine süße Nase. Er war nicht besonders groß, aber durchaus gut gebaut. Und wenn er sich ihr gegenüber mal ein wenig netter gab als bei allen anderen, dann konnte sie das richtig glücklich machen. Dann hatte sie das Gefühl, etwas Besonderes zu sein.

Was dich an ihm hängen ließ war dein gottverdammtes Helfersyndrom. Du glaubtest ständig ihm helfen zu müssen.

„Er hatte es auch nicht leicht. Sein Vater war früh bei einem Treckerunfall ums Leben gekommen und Cedric musste das Gut führen, als er nicht mal fünfzehn war“, verteidigte Isabel sich und ihn in Gedanken.

Aber er wollte deine Hilfe nicht. Er wollte nichts von dir und hat dir das auch gezeigt, wo er konnte. Du hast das bloß nicht geschnallt!

Doch, das hatte sie. Aber sie konnte das nicht glauben. Sie war damals der Meinung, wenn sie sich in jemanden verliebt, so richtig, mit Herz und Verstand, dann wird er das auch erwidern.

Du warst schon immer dumm und naiv. Wieso glaubst du, dass dich überhaupt jemand will!

Erbarmungslos drängen sich ihre Reinfälle mit dem anderen Geschlecht an die Oberfläche als würden sie ihr etwas klarmachen wollen. Dabei war sie in den letzten Jahren mit ihren Ansprüchen schon ganz schön in den Keller gegangen. War sie nicht sogar schon dazu übergegangen, jeden für in Ordnung zu befinden, der sich nicht ganz so dämlich anstellte und ihr netterweise das eine oder andere Getränk spendierte, was ein gewisses Maß an Interesse an ihr zeigte? Wenn sie nun so darüber nachdachte, musste sie sich eingestehen, dass ihre letzten Liebhaber sowieso nur noch einem Minimum dessen entsprachen, was ihr eigentlich so vorschwebte. Manchmal nicht mal mehr das.

Wieder marterte sie ihr Selbstwertgefühl und versuchte ihr klarzumachen, dass ihre Chancen längst verspielt waren. Das brachte ihr Selbstmitleid auf den Plan, das heiße Tränen über ihre Wangen rollen ließ.

Isabel starrte mit verschwommenem Blick auf das Gemisch gelber Soße, aus dem noch hier und da ein weißes Fleischstück herausragte, sowie ein paar Morcheln und Bambussprossen. Ein Häufchen Reis schien die gelbe Flüssigkeit magisch anzuziehen.

Sie schob energisch den Teller noch weiter von sich weg.

„Wo bist du nur geblieben, Traumprinz? Wo nur?“ Ihr Blick lief wie zufällig zu dem kleinen Eckregal mit den Rosen in der weißen Vase.

Die roten Rosen! Wenn sie nicht von Hardy waren, von wem dann?

Sie zählte in Gedanken ihre Verflossenen auf, die ihr vielleicht so noch einmal einen netten Gruß zum neuen Jahr senden wollten. Aber Isabel konnte sich nicht denken, warum sie die Rosen vor die Tür gelegte hatten und nicht hereingekommen waren?

Vielleicht hatte derjenige nur Angst, dass du dich ihm voller Verzweiflung an den Hals wirfst und ihn mit Selbstmord drohst, wenn er dich nicht in den nächsten fünf Minuten zu einem Traualtar schleppt und mit dir ein Kind zeugt.

Das war gemein. So verzweifelt war sie gar nicht. Und sie wollte doch gar nicht heiraten. Ein Mann für immer - daran glaubte sie sowieso nicht mehr. Wenn sie darüber nachdachte, fiel ihr auch niemand ein, mit dem sie wirklich jeden Tag zusammenhocken wollte, dem sie die Wäsche waschen und den sie bekochen und bemuttern wollte. Nein, dazu war sie wahrscheinlich schon zu lange Single, um damit noch zurecht zu kommen.

Aber ein Kind …!

Isabel seufzte auf und unterdrückte die erneut aufsteigenden Tränen.

Warum gab es keine Automatik, die bei einer Frau den Kinderwunsch nur einschaltete, wenn sie den passenden Mann dazu hatte? Ansonsten blieb man von jeglichem Gedanken an so ein kleines Wesen verschont. Und warum war es so schwer, einen passenden Mann zu finden?

In den letzten Jahren hatten alle bei ihr eine faire Chance gehabt, außer … na gut, Michael hatte sie mit vielen bösen Worten rausgeschmissen, nachdem sie ihn mit einer anderen Frau auf ihrem Sofa erwischt hatte. Dieses Schwein!

Sie schüttelte mit zusammengekniffenen Augen den Kopf. Der bloße Gedanke an ihn ließ ihren Magen noch mehr rebellieren. Dabei hatte sie ihm einen Job besorgt und ihn bei sich wohnen lassen, weil er angeblich eine schlimme Zeit hinter sich hatte.

Der hatte ihr bestimmt keinen netten Neujahrsgruß gesendet. Sie hatte die Frau nackt vor die Tür gejagt und ihm ein blaues Auge verpasst.

Aber auch sonst fiel ihr keiner ein. Detlef war ihr erster fester Freund mit Beziehungsstatus gewesen. Aber das hielt nicht, weil er nach England ging, um zu studieren. Charly folgte und machte Schluss, nachdem ihn endlich die Frau erhört hatte, die er eigentlich liebte. Dann folgte Ronny, der mit ihrem Wesen nicht klarkam. Er wollte eine Frau, die genauso gerne jede Party mitnahm wie er und die abends gerne bei einem Joint entspannte und der freien Liebe frönte. Es folgten etliche No-Name-Nummern, bis sie Carsten traf, mit dem sie das Geruchsproblem hatte. Danach kam Michael, den sie von der Straße aufgabelt hatte und bei sich wohnen ließ. Aber der gabelte auch mit Vorliebe Menschen von der Straße auf, während sie arbeitete. Und zwar vornehmlich weibliche. Nach ihm begann sie sich darauf zu konzentrieren, einen Mann für gewisse Stunden zu finden, um einfach nur schwanger zu werden. Aber das bescherte ihr mehr Desaster, als ihr lieb war und brachte nichts. Und dann die Sache mit Hardy auf der Weihnachtsfeier, was wohl eine völlige Kurzschlussreaktion gewesen war.

Eigentlich sollte ihr mittlerweile klar sein, dass dieses Leben nicht dafür gedacht war, es mit einem Mann glücklich und in trauter Zweisamkeit zu verbringen. Das sah ihr Seelenplan wohl nicht vor … oder sie war irgendwann falsch abgebogen.

Der Gedanke machte sie noch trauriger.

Verdammt, was soll das? Hatten wir nicht gerade erst eine klare Vereinbarung getroffen? Warum hängst du jetzt schon wieder hier rum und denkst an nichts anderes als an das, an das du nicht mehr denken wolltest?

Isabel ignorierte ihr Gewissen. Der Gedanke mit dem falschen Weg hatte sie schon oft befallen. Aber sie wusste nicht, wann sie einen anderen Weg hätte einschlagen können oder wann ihr Leben nicht mehr dem Plan gefolgt war? Vielleicht schon in ihrer Kindheit, als alles so schrecklich konfus war und sie schon viele falsche Entscheidungen getroffen hatte, an die sie aber nicht mehr denken will. Außerdem gab es damals nicht die Möglichkeit, etwas anders laufen zu lassen, weil ihre Gefühle nicht mitgespielt hatten, oder derjenige ihre Gefühle nicht erhörte, dem sie ihre für immer schenken wollte.

Sind wir wieder an dem Punkt, den Schuldigen zu benennen? Der, dem du deine Gefühle ein Leben lang vor die Füße kippen wolltest und der sie mit den Selbigen trat, bis sie nur noch Mus waren.

Oh Mann, bloß nicht! Cedric war tiefste Vergangenheit. Ein Kindheitstraum. Er konnte sie nur noch in ihren Träumen erreichen, die ihn aber immer mal wieder heraufbeschworen, als könne etwas in ihr ihn einfach nicht loslassen.

Isabel stand auf und schlurfte ins Wohnzimmer. Sie warf sich auf das kleine, geblümte Sofa und schaltete den Fernseher ein, um alte Erinnerungen nicht wieder hochquellen zu lassen. Sie hatte viele Jahre gebraucht, um sich von ihnen zu lösen und den Plan, mit Cedric das Leben zu leben, nicht mehr als ihre Bestimmung anzusehen. Sie hatte lange nicht verstanden, warum Cedric ihr gegenüber all die Jahre so unnahbar geblieben war, obwohl sie damals davon überzeugt war, dass er sie lieben muss oder dies irgendwann tun wird. Schließlich wollte sie mit ihm alles durchstehen, ihm bei allem helfen und hätte für ihn vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung auf dem Gut geschuftet.

Sie hatte sich lange damit getröstet, dass es nur der Hausbrand gewesen war, der diesen Traum zerstört hatte.

Isabel verdrängte mit aller Kraft die alte Geschichte. Es liefen die Nachrichten des Tages und sie konzentrierte sich auf die. Aber auch da war alles was sie sah: Das Leben ist nun mal beschissen, gewöhn dich daran.

Vielleicht sollte sie mal wieder bei ihrer alten Schulfreundin Kerstin anrufen? Sie könnte sie fragen, wie es ihr so geht und was sie so macht und ihr nachträglich ein gutes, neues Jahr wünschen.

Kerstin hatte es tatsächlich geschafft in ihrem hohen Alter von sechsunddreißig Jahren noch einen Kerl abzubekommen, der sie sogar vor kurzem geheiratet hatte. Unglaublich!

Natürlich war Peter kein Mann, den Isabel genommen hätte. Aber Kerstin meinte, dass er wirklich lieb und toll ist, sie liebt und man die Witwenrente als verheiratete nicht außeracht lassen darf, wenn er den Löffel abgibt. Doch Isabel hatte keine Lust sich den Bericht der tollen Hochzeitsreise anzuhören, der dann anstehen würde.

Ihr fiel ihre andere Schulfreundin ihres damaligen Dreiergespanns ein. „Na gut, dann rufe ich halt Britta an.“

Britta hatte sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesprochen. Das lag daran, dass die wenig Zeit hatte, seit sie den Buben zur Welt gebracht hatte. Außerdem herrschte dort wieder ungetrübte Familienidylle, seit der Zuwachs die Zweisamkeit mit ihrem Mann wieder gefestigt hatte. Davor sah es kurz so aus, als würden sie sich scheiden lassen.

Isabell wählte deren Nummer und drückte den Hörer ans Ohr, obwohl sie alles wollte, nur nicht telefonieren.

„Rittler!“

„Hallo, Britta. Ich bin es, Isabel!“

„Oh, Isabel! Das ist wirklich nett, dass du mal anrufst. Aber …“ Ein kurzes Stöhnen war zu hören. „Ich kann jetzt leider nicht! Nils holt gerade den Wagen aus der Garage. Wir bekommen unser zweites Baby!“ Halb weinend, halb lachend drangen ihre Worte an Isabels Ohr.

„Mein Gott, das ist ja …!“ Isabel wusste nicht, wie sie das finden sollte. „Okay, ich wünsche dir alles Gute! Meldet euch, wenn es da ist.“

„Machen wir! Ich muss jetzt!“ Brittas gepresste Stimme wurde undeutlich und machte dem Besetztzeichen Platz.

Isabel saß wie betäubt vor dem Telefon und hielt den Hörer immer noch an ihr Ohr. Sie beneidete ihre Freundin. Sie hatte alles. Einen mittlerweile wieder netten Mann, ein Haus und bekam gerade das zweite Kind. Gerade jetzt, in diesem Augenblick.

Isabel legte langsam den Hörer auf und schüttelte über sich selbst den Kopf. Sie wusste, sie wollte nichts mehr von Britta und ihrem neuen Baby hören. Das riss sie nur noch tiefer in eine Depression.

Eigentlich hattest du doch immer dein Leben vor allen als Perfekt hingestellt, und die Frauen als bemitleidenswert bedauert, die sich abhängig von ihren Männern machten, indem sie sich durch ein Kind an den Haushalt banden.

Das war alles nur Show. Isabel konnte sich vielleicht nicht mehr vorstellen einen Mann fest in ihr Leben zu integrieren. Aber sie wollte auch nicht für immer allein sein. Sie sah ihr Leben als in eine Sackkasse gefahren an, wenn es so blieb, wie es war. Sie brauchte endlich einen anderen Einfluss in ihrem Leben, der es aufwertete. Und sie wusste genau, was das sein konnte. Sie wollte ein Kind. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Wenn du mit einem Mann ins Bett gehst, bloß um ein Kind zu bekommen, ist das auch eine Form von stehlen.

Quatsch. Das ist etwas ganz anderes. Außerdem würde sie es nur darauf anlegen, wenn Gefühle mit im Spiel waren. Oder zumindest Achtung voreinander, gepaart mit der Bereitschaft, dem Schicksal eine Chance zu geben.

Isabel seufzte tief auf. Ja, ein Kind wäre ihr Traum. Aber der Gedanke daran brachte auch ein gewisses Maß an Unbehagen mit sich, wenn sie sich die letzten Zusammentreffen mit Männern vor Augen hielt. Sie konnte sich eigentlich nicht vorstellen, ein Kind anzusehen und sich nur an dessen Vater als versoffenen Willigen auf einer Party zu erinnern, der nur hirnlos einen wegstecken wollte.

Ach so? Komisch, ich kann mich an den einen oder anderen besoffenen Willigen ohne nennenswerten Gefühlsparameter erinnern, der nur vögeln wollte.

Isabel schüttelte unwillig den Kopf und ging zum Sofa zurück, um sich darauf zusammenzurollen.

Das war dumm und nur eine Kurzschlussreaktion. Mehrere Kurzschlussreaktionen. Oh Mann! Was soll sie nur tun?

Sie war verzweifelt und sah für sich keinen Ausweg.

Um ihre Gedanken zu übertönen, machte sie den Fernseher lauter. Sie musste sich auf das konzentrieren, was dort ablief. Und das war mittlerweile ein Film, in dem eine Frau darüber sinnierte, ob sie den richtigen Mann am nächsten Tag heiraten würde, oder ob sie doch besser den Jugendfreund nahm, den sie als Trauzeugen eingeladen hatte und der sie mit heißer Sehnsucht in den Augen die ganze Zeit anstarrte.

Isabel drehte sich vom Fernseher weg und schloss die Augen.

Du musst dir eine Perspektive suchen, einen neuen Weg, irgendetwas, was dich aus dieser Ausweglosigkeit befreit.

Ihr Verstand suchte nach einem Ziel, das sie sich setzen konnte und das sie ausfüllen würde. Sie brauchte unbedingt endlich etwas, das sie glücklich machen würde und ihr die Einsamkeit nahm. Es musste doch irgendetwas für sie geben!

Aber ihr wollte einfach nichts einfallen.

Doch so reichte ihr das Leben nicht mehr. Sie brauchte mehr! Vielleicht sollte sie sich doch einen Hund anschaffen? Aber der würde ihr viel Arbeit machen und herumbellen. Außerdem waren keine Tiere in den Wohnungen erlaubt.

Ein Goldfisch, mit dem sie reden konnte, der ihr nie widersprechen würde und wenn sie ihn nicht zu oft fütterte, sich sogar freuen würde, wenn er sie sah und sie ihm etwas in sein kleines Glas warf. Das wäre noch eine Möglichkeit.

Wenn sie ihn aber zu oft vergaß? Sie war in letzter Zeit sehr vergesslich. Ob der das wohl ein paar Tage aushielt? Er würde sich noch nicht einmal durch Rufen bemerkbar machen können.

Nein, der würde bei ihr bestimmt einen qualvollen Tod sterben. Sie war also weiter dazu verdammt, allein und einsam zu leben … und vielleicht sogar bald beurlaubt.

Erschöpft und traurig ließ sie sich nur zu gerne in den Schlaf fallen, der sie immer mehr übermannen wollte. Schlafen hieß vergessen und vergessen hieß, dass alles erträglicher erschien. Zumindest für eine Weile.