Kitabı oku: «Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe», sayfa 2
2.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen
Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen1 für Sprachen setzt sich zum Ziel, das Lehren, Lernen und Beurteilen von Sprachverwendung umfassend, transparent und kohärent zu gestalten (Europarat 2001: 14). Ihm liegt ein handlungsorientierter Ansatz zugrunde, der Sprachenlerner als sozial Handelnde begreift, die befähigt werden sollen, in realweltlichen Handlungsfeldern kommunikative Aufgaben zu bewältigen. Im Referenzrahmen selbst wird Sprachverwendung wie folgt definiert:
Sprachverwendung – und dies schließt auch das Lernen einer Sprache mit ein – umfasst die Handlungen von Menschen, die als Individuen und als gesellschaftlich Handelnde eine Vielzahl von Kompetenzen entwickeln, und zwar allgemeine, besonders aber kommunikative Sprachkompetenzen. Sie greifen in verschiedenen Kontexten und unter verschiedenen Bedingungen und Beschränkungen auf diese Kompetenzen zurück, wenn sie sprachliche Aktivitäten ausführen, an denen (wiederum) Sprachprozesse beteiligt sind, um Texte über bestimmte Themen aus verschiedenen Lebensbereichen (Domänen) zu produzieren und/oder zu rezipieren. Dabei setzen sie Strategien ein, die für die Ausführung dieser Aufgaben am geeignetsten erscheinen. Die Erfahrungen, die Teilnehmer in solchen kommunikativen Aktivitäten machen, können zur Verstärkung oder zur Veränderung der Kompetenzen führen. (Europarat 2001: 21)2
Der zentrale Aspekt dieser Definition ist der Kompetenzbegriff. Sprachverwendung wird als Zusammenspiel verschiedener Kompetenzen verstanden, Kompetenzen selbst definiert der GeR als „Summe des (deklarativen) Wissens, der (prozeduralen) Fertigkeiten und der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben, Handlungen auszuführen“ (Europarat 2001: 21). Fremdsprachenlernen erschöpft sich nicht in der Verfügbarkeit sprachlichen Wissens und produktiver wie rezeptiver Fertigkeiten, sondern umfasst auch soziale und motivationale Faktoren.3
Eine wesentliche Grundlage für den Erwerb und Ausbau fremdsprachlicher Kompetenzen stellt der Kontext der Sprachverwendung dar, der sich wiederum in verschiedene Domänen aufgliedern lässt (vgl. Europarat 2011: 52). Im GeR wird explizit darauf verwiesen, dass die Benutzer des Dokuments Kenntnis über die Lebensbereiche und Situationen in denen die Lernenden die Zielsprache verwenden sollen, benötigen und entsprechend antizipieren sollen, welche sprachlichen, sozialen und kognitiven Anforderungen sich daraus ableiten lassen (ibid.). Es lassen sich dort auch vier beispielhafte Domänen finden (privat, öffentlich, beruflich, Bildung), die sich aber auch teilweise überlagern können und für die weitere situative Kategorien ausgeführt werden, die als Grundlage für Themenfelder und Aufgabenkonzeption nutzbar sind.
Auch was unter einer kommunikativen Aufgabe zu verstehen ist, wird im Referenzrahmen exemplifiziert.
(Kommunikative) Aufgabe wird definiert als jede zielgerichtete Handlung, die eine Person für notwendig hält, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Dies kann ein Problem sein, das es zu lösen gilt, aber auch eine Verpflichtung, der man nachkommen muss, oder irgendein anderes Ziel, das man sich gesetzt hat. Die Definition trifft auf eine Vielzahl von Handlungen zu, wie zum Beispiel: Einen Schrank umstellen, ein Buch schreiben, bei Vertragsverhandlungen bestimmte Bedingungen aushandeln, Karten spielen, im Restaurant eine Mahlzeit bestellen, einen fremdsprachlichen Text übersetzen oder in Gruppenarbeit eine Klassenzeitung erstellen. (Europarat 2001: 22)4
Der handlungsorientierte Charakter des GeR offenbart sich auch in dem dargelegten Verständnis (kommunikativer) Aufgaben, schließlich müssen sprachliche Strategien und Handlungen immer abhängig von der jeweiligen Situation bzw. Aufgabe geplant und durchgeführt werden. Es ist entsprechend möglich, dass Lernende auf vielfältige Weise, unter Einbeziehung ihrer individuellen Voraussetzungen, zu einer Aufgabenlösung gelangen.
Für den Kontext dieser Studie relevant ist, wie im GeR Sprechkompetenz spezifiert wird. Zunächst muss grob unterschieden werden zwischen mündlicher Produktion und mündlicher Interaktion. Während ersteres die Produktion von einem „gesprochenen Text, der von einem oder mehreren Zuhören empfangen wird“ (Europarat 2001: 63) meint, inkludiert zweiteres abwechselnd Rezeptions- und Produktionsstrategien, die das gemeinsame Aushandeln von Bedeutung zum Ziel haben (vgl. Europarat 2001: 78). Es wird also im Referenzrahmen zwischen monologischen und dialogischen Sprechsituationen unterschieden. Für beide Bereiche stehen wiederum Beispielskalen bereit, die es gestatten, sprachliches Handeln der Lernenden näher zu klassifizieren. Der Bereich mündliche Produktion gliedert sich in fünf Subkategorien (mündliche Produktion allgemein, zusammenhängendes monologisches Sprechen: Erfahrungen beschreiben, zusammenhängendes monologisches Sprechen: Argumentieren, öffentliche Ankündigungen/Durchsagen machen und vor Publikum sprechen). Jede diese Subkategorien schlüsselt sprachliche Handlungen in positiv formulierte „Kann-Beschreibungen“ – so genannte Deskriptoren – auf, die in einem sechsstufigen Diagnosesystem den Niveaustufen A (Elementare Sprachverwendung mit den Unterscheidungen A1: Breakthrough und A2: Waystage), B (Selbstständige Sprachverwendung mit den Unterscheidungen B1: Threshold und B2: Vantage) und C (Kompetente Sprachverwendung mit den Unterscheidungen C1: Effective Operational Proficiency und C2: Mastery) zugeordnet werden. Nicht immer sind diese trennscharf, insbesondere, weil das Festlegen von Niveaugrenzen ein subjektives Verfahren darstellt. Dieses Umstands sind sich die Herausgeber des Referenzrahmens allerdings bewusst und schlagen, auf Basis empirischer Erkenntnisse, vor, bei Unsicherheiten auf Zwischenstufen wie beispielsweise B1+ zurückzugreifen (vgl. Europarat 2001: 40). Es kann an dieser Stelle nicht auf alle Beispielskalen der beiden Kategorien der Sprechkompetenz detailliert eingegangen werden, daher wird exemplarisch vorgegangen.
Der Kompetenzbereich der „mündlichen Produktion allgemein“ enthält, als Deskriptor für das Niveau A1, folgende Beschreibung: „Kann sich mit einfachen, überwiegend isolierten Wendungen über Menschen und Orte äußern“ (Europarat 2001: 64). In höheren Niveaustufen bleiben die Operatoren in ihrer Formulierung zwar einerseits recht allgemein, modifizieren aber andererseits die A1-Beschreibung immer weiter. Dies ist zur Verdeutlichung in einer Tabelle aufgeführt:
An diesem Vergleich lässt sich erkennen, dass sich mit zunehmender Niveaustufe die Operatoren in ihrem Detailgrad verändern. In der A2-Beschreibung ist noch klar umrissen, worüber sich der Lernende auf diesem Niveau äußern kann und in welcher sprachlichen Form er dies tut (listenhaft, kurz). Der B2-Operator ist hingegen thematisch weiter gefasst. Es wird von einer Bandbreite an Themen gesprochen und allgemein von Sachverhalten, die beschrieben und dargestellt werden können. Die sprachliche Form ist weniger genau festgelegt als in den niedrigeren Niveaustufen, aber es werden Aussagen darüber gemacht, welche Kriterien die sprachlichen Äußerungen erfüllen sollen (untergeordnete Punkte, klare und detaillierte Beschreibungen, relevante Beispiele, stützende Details, klar und systematisch, angemessen). Die Operatoren des C-Niveaus werden wieder knapper gefasst, weil sie hauptsächlich auf den unteren Stufen aufbauen. Bei C1 ist von komplexen Sachverhalten die Rede und im C2-Niveau fällt eine Spezifikation des sprachlichen Genres ganz weg. Im Vergleich der weiteren Beispielskalen aus der Kategorie der mündlichen Produktion fällt auf, dass gerade zwischen C1 und C2 die Nuancen, die die Niveaus voneinander unterscheiden, so gering sind, dass eine Einstufung auf subjektiven Einschätzungen der Nutzer des Referenzrahmens beruht. Exemplarisch hier der Vergleich für den Komplex „zusammenhängendes monologisches Sprechen: Erfahrungen beschreiben“:
Anhand verschiedener Vergleiche der Deskriptoren in den Beispielskalen des Referenzrahmens lässt sich festmachen, dass eine Operationalisierung sprachlicher Kompetenzen, wie sie im GeR vorgenommen wird, für die Nutzer, seien es Lehrende bei der Unterrichtskonzeption oder Diagnose oder Lernende bei der Selbsteinschätzung, überfordernd wirken kann. Quetz äußert sich entsprechend kritisch über den Referenzrahmen und betont, dass er daher nur „denjenigen bei der Arbeit helfe, die sich ohnehin ständig mit der Gradierung von Sprachmaterial für Curricula, Lehrwerke oder Tests befassen“ (Quetz 2003: 153).
Im Bereich der mündlichen Interaktion unterscheidet der GeR in neun Subskalen, diese beinhalten produktive und rezeptive Strategien. Der Operator „mündliche Interaktion allgemein“ konzentriert sich auf Faktoren wie Idiomatik und Konnotationen. Er bezieht sich hauptsächlich auf den Wortschatz und die verschiedenen Graduierungsmittel zur Formulierung von Gedanken im jeweiligen situativen Kontext, allerdings geht es auch um die Fähigkeit zur Kompensation von Ausdrucksschwierigkeiten. Auch für den Bereich „Interaktion“ wird eine Beispielskala geliefert. Kompetente Sprecher kennzeichnen sich, laut GeR, durch die Fähigkeit Gespräche zu initiieren, aufrecht zu erhalten und dabei auf Gesagtes angemessen reagieren zu können. Je nach Niveaustufe werden Lernende zunehmend flexibler im Gebrauch der Sprache für soziale Zwecke und können auch komplexere Gedanken adäquat kommunizieren. Es wird für das B2-Niveau explizit darauf verwiesen, dass auch Diskussionen mit Muttersprachlern geführt werden können in welchen diese nicht dazu veranlasst werden, sich anders zu verhalten als bei Gesprächen mit anderen Muttersprachlern (z.B. langsamer sprechen, einfacher Wortschatz, einfache Satzstrukturen). Interessant ist auch, dass der Referenzrahmen thematisch in informelle und formelle Diskussion unterscheidet und für beide Situationen Skalen anbietet. Für den schulischen Kontext von besonderer Bedeutung ist die Subskala zur „zielorientierten Kooperation“. Hiermit lässt sich einschätzen, wie sicher Lernende zum Fortgang einer Aufgabe sprachlich beitragen können und wie sich diese Zielorientierung sprachlich manifestiert. Für das C-Niveau liegen keine differenzierten Deskriptoren in diesem Bereich vor, sondern es wird darauf verwiesen, dass Sprecher auf B2-Niveau bereits das angestrebte Kompetenzziel erreichen. Selbiges gilt für die Bereiche „Transaktionen: Dienstleistungsgespräche“ und „Informationsaustausch.“ Die Skala „muttersprachliche Gesprächspartner verstehen“ wird, obwohl sie auch in den Bereich der rezeptiven Fertigkeiten eingeordnet werden könnte, im Sinne eines Verständnisses des Sprechens als integrative Kompetenz, bei der Interaktion aufgeführt.
Unter den sogenannten linguistischen Kompetenzen listet der GeR noch die Subskala zum „Spektrum sprachlicher Mittel“ auf. Die für die Kommunikation ebenfalls relevanten nonverbalen Faktoren wie Mimik und Gestik werden zwar angeführt, jedoch nicht näher operationalisiert.
Auch als Diagnose- und Beurteilungsgrundlage für mündliche Leistungen kann der GeR eingesetzt werden. Die Autoren führen aus, dass eine valide Beurteilung „ein Sampling eines Spektrums relevanter Diskurstypen einfordert“ (Europarat 2001: 173) und verweisen auf verschiedene Formate, die in Sprachtests gemischt zur Anwendung kommen können und die monologische und interaktive Phasen beinhalten. Ebenfalls stellen sie dar, dass die Deskriptoren für kommunikative Aktivitäten auf drei Weisen gebraucht werden können: zur Aufgabenerstellung, für lernzielorientierte Rückmeldungen an Lernende und zur Selbst- und Fremdbeurteilung einer sprachlichen Leistung (vgl. Europarat 2001: 175). Hinsichtlich der Beurteilung von Performanz weisen die Autoren jedoch darauf hin, dass Deskriptoren zwar einen gemeinsamen Bezugsrahmen für eine objektive Rückmeldung schaffen können (vgl. ibid.) insbesondere aber bei der Beurteilung von Lernenden im Rahmen kommunikativer Aufgaben mit dem Ziel der Einstufung in eines der Kompetenzniveaus darauf geachtet werden sollte, dass die exemplarische Performanz innerhalb eines bestimmten Aufgabenformats lediglich einen Anhaltspunkt für die Beurteilung liefern kann.
Dieser Einblick in den GeR im Allgemeinen, und die Ausgestaltung des Dokuments mit Blick auf den Faktor Sprechkompetenz im Speziellen, hat einige Stärken und Schwächen aufgezeigt. Zwar sind manche Kompetenzbeschreibungen eher vage und die Bedeutungsnuancen an den Übergängen zwischen den Niveaustufen nicht immer eindeutig definierbar, allerdings vermag es der Referenzrahmen durch seine positiv formulierten Kann-Beschreibungen „Fremdsprachenniveaus auf eine zuvor noch nie da gewesene Weise“ (Schröder/Tesch/Nold 2017: 16) zu präzisieren, ein Bewusstsein und einen Rahmen für kompetenz- und handlungsorientierten Fremdsprachenunterricht zu schaffen und durch klare Evaluationskriterien für Sprechleistungen auch mündliche Sprachproduktion überprüfen zu können. Burwitz-Melzer hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass gerade die im GeR vorgenommene Aufschlüsselung der hochkomplexen Sprechkompetenz positive Auswirkungen auf Unterrichtsforschung wie auch Unterrichtsgestaltung haben kann, weil Sie Lehrkräften wie auch Forschern aufzeigt, dass Förderung und Überprüfung ebendieser Kompetenz von Beginn an sorgfältig geplant werden müssen (vgl. Burwitz-Melzer 2014: 18-20). Im Folgeabschnitt wird der Blick nun auf die Bildungsstandards gerichtet, welche vom GeR maßgeblich beeinflusst sind.
2.3 Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache
Einen erheblichen Einfluss, insbesondere auf den Faktor Mündlichkeit in der gymnasialen Oberstufe, hat die Neustrukturierung des deutschen Bildungssystems als Folge der schwachen Resultate deutscher Schüler/innen in der PISA-Studie im Jahr 2000 (vgl. Baumert 2003). Diese Entwicklungen, die in der Abkehr von dem zuvor etablierten input-orientierten System resultierten und in der Implementierung von neuen Bildungsstandards und einheitlichen Prüfungsanforderungen für die Oberstufe mündeten, sollen daher an dieser Stelle der Arbeit kurz nachgezeichnet werden.
Schröder, Tesch und Nold (2017: 15) werten die Entwicklung von Bildungsstandards für die Sekundarstufe I an Haupt- und Realschulen (vgl. KMK 2004) als unmittelbare Reaktion auf den PISA-Schock, heben aber hervor, dass es sich dabei nicht um eine spontane Idee gehandelt habe, sondern man vielmehr auf bereits in den 1990er Jahren durch den Europarat, also außerhalb der staatlichen Schulsysteme, entwickelte Erkenntnisse aufgebaut habe. Konkret beziehen sie sich auf den auf teilempirischer Basis entstandenen GeR (vgl. Schröder/Tesch/Nold 2017: ibid.). Man versprach sich durch die Neuausrichtung des Englischunterrichts anhand klar definierbarer und überprüfbarer Kompetenzen eine Steigerung der Unterrichtsqualität und eine gezieltere Förderung der Lernenden. Dies geht auch mit einer Verbesserung der Diagnosekompetenzen der Englischlehrkräfte einher, die sich nun an den Kompetenzbeschreibungen orientieren und zielgerichteter fördern können. (vgl. ibid.) In der BMBF-Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards wurde zudem der Ansatz der Kompetenzorientierung als Leitziel für die Unterrichtsgestaltung formuliert (Klieme et al. 2003). Zunächst greifen die Reformen in der Sekundarstufe I, auch wenn sich in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Englisch/Französisch (KMK 2003) bereits kompetenzorientierte Leitprinzipien auffinden lassen (vgl. Schröder/Tesch/Nold 2017: 16). Es dauert schließlich bis Oktober 2012 bis auch für die Oberstufe vergleichbare Standards verabschiedet werden. Resultat sind die Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die allgemeine Hochschulreife, die mit einer Reihe beispielhafter Lern- und Prüfungsaufgaben veröffentlicht wurden und zu Beginn des Schuljahrs 2014/15 verbindlich in Kraft traten.
Als Leitziele definiert die Kultusministerkonferenz die Schaffung von Transparenz schulischer Anforderungen durch gemeinsame Bildungsstandards, die Entwicklung kompetenzorientierten Unterrichts in der Oberstufe voranzutreiben und die Etablierung einer Grundlage für die Überprüfung von Ergebnissen (vgl. KMK 2012: 5). Wörtlich heißt es dort:
Als abschlussbezogene und in allen Ländern verbindliche Zielvorgaben bilden die Bildungsstandards der KMK eine wichtige Grundlage für die Entwicklung und Sicherung von Bildungsqualität in Schulen. Sie sollen schulische Lehr- und Lernprozesse auf eine kumulative und systematisch vernetzte Entwicklung von Kompetenzen orientieren, die auch für zukünftige Bildungsprozesse der Schülerinnen und Schüler bedeutsam sind. Weiterhin sollen sie dazu beitragen, die Durchlässigkeit von Bildungswegen und die Vergleichbarkeit von Abschlüssen sicherzustellen. Flankiert von geeigneten Implementierungs- und Unterstützungsmaßnahmen bilden Bildungsstandards eine Basis für eine systematische Weiterentwicklung des Bildungssystems. (ibid.)
Fremdsprachenunterricht in der Oberstufe soll die Lernenden zum mündlichen und schriftlichen Diskurs befähigen. Diese Diskursfähigkeit „umfasst wichtige interkulturelle Kompetenzen, die im Unterricht zusammen mit den sprachlichen Kompetenzen, im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Themen, Texten und Medien integriert erworben werden.“ (KMK 2012: 11) Zentraler Bezugspunkt für ein Kompetenzmodell ist, neben den genannten Komponenten, auch das Kompetenzstrukturmodell der Standards der Sekundarstufe I. Tesch und Schröder führen aus, dass bei der Adaption des Modells auf die Anforderungen der Oberstufe die funktionalen kommunikativen Kompetenzen und die interkulturellen Kompetenzen als zentral erachtet und beibehalten wurden, die methodischen Kompetenzen hingegen aufgrund von Zuordnungsschwierigkeiten abgewandelt wurden1 (vgl. Tesch/Schröder 2017: 26).
Abb. 1:
Adaptiertes Kompetenzstrukturmodell (KMK 2012: 12)
Die Anordnung der Kompetenzen im finalen Modell zeigt deren zentrale Position und deren Verwobenheit. Text- und Medienkompetenzen zählen ebenfalls zu den zentralen Kompetenzen, wohingegen die beiden neuen Bereiche Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz lateral angeordnet sind, um zu signalisieren, dass sie in Wechselwirkung mit den zentralen Kompetenzen stehen und deren Ausbildung unterstützen (vgl. KMK 2012: 12).
Die im Fokus der vorliegenden Studie stehende Sprechkompetenz wird unter den funktionalen kommunikativen Kompetenzen subsumiert, ist jedoch nicht von den anderen zentralen Kompetenzen zu trennen. Im Bereich des Sprechens greifen die Standards die aus dem GeR bekannte Differenzierung in dialogisches Sprechen (hier: An Gesprächen teilnehmen) und zusammenhängendes monologisches Sprechen auf. Unter der Fähigkeit „an Gesprächen teilzunehmen“ (KMK 2012: 16) wird Folgendes verstanden:
Die Schülerinnen und Schüler können sich weitgehend flüssig, sprachlich korrekt und adressatengerecht sowie situationsangemessen an Gesprächen beteiligen. Sie sind bereit und in der Lage, in einer gegebenen Sprechsituation zu interagieren, auch wenn abstrakte und in einzelnen Fällen weniger vertraute Themen behandelt werden. (KMK 2012: 16)
Sowohl im grundlegenden als auch im gehobenen Niveau setzt dialogisches Sprechen metalinguistisches Wissen voraus. Des Weiteren wird in den Bildungsstandards gefordert, dass Lernende geeignete Strategien für den Umgang mit Missverständnissen entwickeln sollen und auch die formellen und informellen Situationen erkennen, in denen sie die Fremdsprache in Gesprächen verwenden (2012: 17). Hier ist eine Analogie zu den beschriebenen Domänen des GeR zu erkennen. Die Klarheit der Deskriptoren unterscheidet sich allerdings in diesem Bereich stark. Burwitz-Melzer (2014: 20) kritisiert beispielsweise den Deskriptor:
Die Schülerinnen und Schüler können in informellen und formellen Situationen persönliche Meinungen unter Beachtung kultureller Gesprächskonventionen ausdrücken und begründen. (KMK 2012: 17)
Es bleibe offen, was unter kulturellen Gesprächskonventionen zu verstehen sei und wie Lerner diese konkret umsetzen bzw. Lehrkräfte sie vermitteln und später beurteilen sollen. Andere Deskriptoren hingegen, so zum Beispiel „Die SuS können sich zu vertrauten Themen aktiv an Diskussionen beteiligen sowie eigene Positionen vertreten“ (ibid.), sind klarer formuliert.
Der angestrebte Kompetenzstand im Bereich „zusammenhängendes monologisches Sprechen“ (ibid.) wird hingegen wie folgt gefasst:
Die Schülerinnen und Schüler können klare und detaillierte Darstellungen geben, ihren Standpunkt vertreten und erläutern sowie Vor- und Nachteile verschiedener Optionen angeben“ (ibid.).
Auch hier kommt es also zu einer Mischung von recht vagen Formulierungen mit transparenteren. So sollen Lernende im grundlegenden Niveau „für Meinungen, Pläne oder Handlungen klare Begründungen bzw. Erklärungen geben“ (ibid.); ein, mit Ausnahme des Adjektivs „klare“, recht verständlicher Deskriptor. In einem weiteren der Deskriptoren fordern die Standards allerdings, dass Lernende literarische und nicht-literarische Texte „sprachlich angemessen und kohärent“ (ibid.) beurteilen sollen. Dabei bleibt offen, was die Autoren in diesem Zusammenhang unter einem sprachlich angemessenen Umgang mit diesen Texten verstehen (vgl. Burwitz-Melzer 2014: 20). Aus einem anderen Grund erscheint dieser Deskriptor allerdings äußerst relevant, schlägt er doch die Brücke zwischen der Fertigkeit Sprechen und der Inhaltsebene im Unterricht (vgl. ibid.: 21). Betrachtet man also das Sprechen im unterrichtlichen Kontext, so muss die Inhaltsebene gleichermaßen beachtet werden. Eine ebensolche ergibt sich entweder aus einer konkreten Aufgabenstellung oder einem Unterrichtsgegenstand (z.B. ein Text) über den im Unterricht gesprochen wird. Dies wird im weiteren Verlauf dieses Kapitels nochmals aufgegriffen.
Ebenfalls hoch interessant erscheint der folgende Deskriptor im Bereich des zusammenhängenden monologischen Sprechens:
Die Schülerinnen und Schüler können im Kontext komplexer Aufgabenstellungen eigene mündliche Textproduktionen, z.B. Vorträge, Reden, Teile von Reportagen und Kommentare, planen, adressatengerecht vortragen und dabei geeignete Vortrags- und Präsentationsstrategien nutzen (KMK 2012: 18).
Erstmals wird in den Bildungsstandards selbst auf die Rolle des Sprechens innerhalb komplexer Aufgabenstellungen eingegangen. Lernende sollen nämlich dazu in der Lage sein, im Rahmen ebensolcher Aufgaben, eigene mündliche Texte zu planen und angemessen vorzutragen. Es wird deutlich, dass Sprechkompetenz nicht nur isoliert und imitativ entwickelt werden kann, sondern vor allem in komplexen Aufgaben, die mehrere Kompetenzen verknüpfen, gefördert werden muss. Eine in diesem Zusammenhang zu nennende Kompetenz ist die des Hörverstehens bzw. des Hörsehverstehens.
Auch wenn die Bildungsstandards die Fertigkeiten Hörverstehen/Hörsehverstehen und Sprechen trennen, bedingen diese einander vor allem im Bereich des dialogischen Sprechens maßgeblich. Meißner (2011) stellt heraus, dass Kommunikationsfähigkeit Hörverstehkompetenz ebenso impliziere wie Sprechkompetenz:
Wer „Kommunikation“2 sagt, meint zumeist Mündlichkeit und damit Hörverstehen. Es handelt sich dabei um eine besondere Kompetenz und das aus mehreren Gründen: 1. Sprache als „Spreche“ ist ohne Hören nur schwer erwerbbar. 2. Eine operable Sprechfähigkeit ist ohne Hörverstehen nur schwer ausbildbar. 3. Erst das Hörverstehen verleiht Lautketten ihre semantische Dimension und macht verbal mitgeteilte Inhalte behaltbar. (…) Im (mündlichen) Gespräch tritt Hörverstehen im Wechsel mit dem Sprechen auf; man bezeichnet es in diesem Sinne auch als Teil einer integrativen Kompetenz. Schon dies zeigt: Kommunikation ist ohne Hörkompetenz nur eingeschränkt möglich; weshalb auch das Fremdsprachenlernen auf das Hörverstehen keineswegs verzichten kann, solange es auf Kommunikationsfähigkeit abhebt (Meißner 2011: 72).
In den Bildungssstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife (KMK 2012) wird die Zusammengehörigkeit der beiden Kompetenzen Sprechen und Hörverstehen nicht hinreichend deutlich. Zwar wird beiden eine wichtige Rolle beigemessen, allerdings betrachtet man sie in einem anderen Maße voneinander isoliert als es zum Beispiel der GeR vermag. Im Bereich des Hörverstehens sollen Lernende am Ende der gymnasialen Oberstufe folgende Fähigkeiten besitzen:
Die Schülerinnen und Schüler können authentische Hör- und Hörsehtexte verstehen, sofern repräsentative Varietäten der Zielsprache gesprochen werden. Sie können dabei Hauptaussagen und Einzelinformationen entnehmen und diese Informationen in thematische Zusammenhänge einordnen. (KMK 2012: 15)
In dieser, wie auch in den näheren Beschreibungen der zu erreichenden Teilkompetenzen, beschränken sich die Bildungsstandards auf die Hörverstehenskompetenz als solche – es fehlt ein Abschnitt, der diese mit der produktiven Komponente vernetzt. Dies ist besonders prekär, weil das Hörverstehen/Hörsehverstehen in der Sekundarstufe II bisher „stiefmütterlich behandelt“ (Rossa/Meißner 2017: 84) wird und die Fähigkeit für das Bewältigen kommunikativer Situationen unabdingbar ist.
Ebenfalls von maßgeblicher Bedeutung für die Ausbildung von Sprechkompetenz ist das Verfügen über sprachliche Mittel. Sprachliche Mittel, zu denen Wortschatz, Grammatik, Aussprache, Prosodie und Orthografie zu zählen sind, gelten in den Standards, analog zur Sekundarstufe I, als funktionale Bestandteile des sprachlichen Systems und der Kommunikation (vgl. KMK 2012: 18). Hervorzuheben ist, dass diese Mittel eine „dienende Funktion“ (ibid.) insofern haben, als sie zur Realisierung der kommunikativen Absicht unverzichtbar sind. Ziel kompetenzorientierten Unterrichts ist es daher nicht, diese ins Zentrum zu rücken, sondern sie in möglichst vielfältigen Anwendungssituationen zu schulen, so dass sie von den Lernenden kumulativ angeeignet werden. Dies geschieht in Analogie zum (Erst-)Spracherwerb.
Die im Strukturmodell zentral und oben verortete interkulturelle kommunikative Kompetenz wird in den Oberstufenstandards, einerseits durch ihre Position und andererseits durch eine systematischere und differenziertere Ausgestaltung in Deskriptoren, aufgewertet und zudem wird ihre Verankerung mit den funktional kommunikativen Kompetenzen transparenter (vgl. Caspari/Burwitz-Melzer 2017a: 38). Sie ist gerichtet „auf Verstehen und Handeln in Kontexten, in denen die Fremdsprache verwendet wird.“ (KMK 2012: 19) und meint konkreter die Fähigkeit der Lernenden zur Erschließung der in fremdsprachlichen und fremdkulturellen Texten enthaltenen Informationen, Sinnangeboten und Handlungsaufforderungen sowie der Reflexion dieser vor dem Hintergrund ihres eigenen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexts3 (ibid.). Die angedeutete Verankerung mit den funktional kommunikativen Kompetenzen zeigt sich darin, dass Lernende zur Erschließung auf rezeptive Kompetenzen angewiesen sind und zur Problemlösung auf produktive Kompetenzen zurückgreifen müssen. Interkulturelle kommunikative Kompetenz setzt aber auch emotionale Bereitschaft (Einstellungen) voraus, sich auf das Fremde einzulassen und diesem offen und respektvoll, wenn angebracht aber auch kritisch, entgegenzutreten. In diesem Zusammenhang sind auch die Text- und Medienkompetenzen zu erwähnen, da fremdkulturelle Texte „Repräsentationen von Diskursen in fremdsprachigen Kulturen“ (Hallet 2010: 128) darstellen und somit als Türöffner für interkulturelles Lernen und die Ausbildung von interkultureller kommunikativer Kompetenz dienen können. Dies resümieren auch Caspari und Burwitz-Melzer und plädieren für ein vernetzendes Lernen, wenn es darum geht, die Bildungsstandards in die Praxis umzusetzen:
Schülerinnen und Schülern bietet ein solches vernetzendes Lernen die Möglichkeit, ihre interkulturellen und kulturellen Wissensbestände und ihre Emotionen in den Fremdsprachenunterricht in angemessener Weise einzubringen. Lehrerinnen und Lehrer sollten lernen, sich solche Wissensbestände und Emotionen zu erschließen bzw. zu evozieren und in angemessener Form in den Unterricht einzubeziehen. (Caspari/Burwitz-Melzer 2017b: 59)
Als kurzes Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass die Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (KMK 2012) den Oberstufenunterricht mit Blick auf die Förderung des Sprechens und die allgemeine Bedeutung von Mündlichkeit verändern können. Stärker als zuvor werden mündliche Kompetenzen gefordert und auch wenn die Standards, insbesondere bezogen auf die Transparenz einiger Deskriptoren und die nicht im gleichen Maße wie im GeR bedachte Integration produktiver und rezeptiver Fertigkeiten, nicht immer einfach umzusetzen sind, so können sie als Referenzdokumente die Unterrichtsqualität langfristig maßgeblich verbessern. Dazu bedarf es allerdings empirischer Forschung zur Gestaltung standardorientierten Fremdsprachenunterrichts, um diesen beschreiben und reflektieren zu können und auf lange Sicht auch auf die Lehrerbildung rückwirken zu können. Einen Beitrag in diesem Zusammenhang will die vorliegende Studie leisten. Im nächsten Unterkapitel soll es aber zunächst darum gehen, die Rolle des Sprechens im Englischunterricht an gymnasialen Oberstufen noch genauer nachzuvollziehen. Dazu werden die Kerncurricula Englisch für die Oberstufe genauer betrachtet.