Kitabı oku: «Machtästhetik in Molières Ballettkomödien», sayfa 5
2 Ein Strukturmodell zum komischen Agon in der Ballettkomödie
Im Hinblick auf eine differenzierte Komikanalyse der Ballettkomödie ist es unentbehrlich, ihre Dramen- und Sujetstruktur zu untersuchen, da diese beiden Strukturen das funktionale Möglichkeitsspektrum der Gattung abstecken und den Rahmen des komischen Agons setzen. Hierzu verlangt die Ballettkomödie in Anbetracht ihres besonderen strukturellen Aufbaus ein Modell, das versuchen sollte, das Gesamtkunstwerk als solches zu betrachten, mithin Komödie und Intermedien gleichermaßen miteinzubeziehen. Es ist neben der Analyse der Ballettkomödie als Ganzes entscheidend, die Dramen- und Sujetstruktur der Aktend- wie auch der Aktanfangsszenen der Komödie in den Fokus der Analyse zu stellen. Diese fungieren als mediale Schnittstellen und tragen zum Verständnis des unitären Charakters der Werke bei: Die Ballettkomödie zeichnet sich durch eine zum poetologischen Programm gewordene Integration der Intermedien in die Komödie aus. Diese Zusammenführung bedarf einer reziproken Verankerung von Dramen- wie auch Sujetstruktur, um dem Anspruch auf Geschlossenheit nachzukommen. Es ist davon auszugehen, dass die Annabelung der Intermedien an die Komödie über eine dramatische Notwendigkeit und/oder eine thematische Ähnlichkeit erfolgt. Sie können die Komödienhandlung durch Weiterführung, Spiegelung, Parodierung und thematische Kontrastierung bereichern sowie selbst zu einer Modifikation der histoire beitragen.
Ziel dieses Modells ist es, das strukturelle Wesen des komischen Agons in der Ballettkomödie aufzuspüren. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass der komische Agon über gattungsspezifische Kommunikationsebenen vermittelt wird und sich aus diversen Sujetschichten speist. Wie der Akt der Homogenisierung von Komödie und Intermedium im Einzelnen geartet ist und welche Akzente Molière mit seinen Intermedien für die Komödienhandlung setzt, soll nach Vorstellung des Strukturmodells am Korpus der Ballettkomödien aufgezeigt werden.
2.1 Dramenstruktur
Mein Entwurf einer Dramenstruktur für die Ballettkomödie orientiert sich zunächst an einem allgemeinen Strukturmodell für das Theater der französischen Klassik, das Wolfgang Matzat in den 1980er Jahren entwickelte. Die Grundüberlegung seiner rezeptionsästhetischen Theorie besteht darin, die Dramenstruktur aus der Kommunikationssituation des Theaters und den Prozessen der Transmission abzuleiten. Er geht davon aus, dass der geschriebene Text nicht als eine von der Aufführung unabhängige Strukturebene angesehen werden könne, denn das Aufführungsgeschehen sei bereits im dramatischen Text angelegt.1 Diese Ausgangslage erfordert ein Kommunikationsmodell, das die Zuschauerrolle fokussiert, den Zuschauer ins Zentrum aller Vermittlungsvorgänge stellt. Das Artefakt und sein Sinngehalt konkretisieren sich erst in der Verschmelzung mit dem Erwartungs-, Verständnis- und Bildungshorizont der Rezipienten, die durch rezeptive Codes psychologischer, ideologischer und ästhetischer Art beeinflusst werden.2 Somit sind die vermittelnden Kommunikationsebenen immer auch Rezeptionsperspektiven des Dramas. Daran anknüpfend lassen sich aus Eric Bentleys Theaterformel zur Kommunikationssituation im Drama – „The theatrical situation, reduced to a minimum, is that A impersonates B while C looks on“ –3 folgende Erkenntnisse ziehen: Es gibt ein äußeres (A–C) sowie ein inneres (B1–B2) Kommunikationssystem und beide überlagern sich; die Inhaltsdarstellung findet über die interne fiktive Rede der Figuren statt und die inszenatorische Realisierung setzt sie in externes wirkliches Spiel um;4 auf dieser Grundlage ergibt sich die Kommunikationssituation von drei sich überlagernden Kommunikationsebenen – einer dramatischen (B), einer theatralischen (A) und einer lebensweltlichen (C) –, deren kommunikative Transmission aus ihrer dynamischen Interaktion resultiert. Es wird zu zeigen sein, wie dieses Konzept auf die Ballettkomödien mit ihrer komplexen Kommunikationssituation abgestimmt werden kann.
2.1.1 Die dramatische Kommunikationsebene – die figurale Interaktion
Die dramatische Kommunikation findet im inneren Kommunikationssystem statt und setzt den Fokus auf die Interaktion der Figuren auf der Bühne. Zu ihr gehören die Intrige und die Handlungswelt. Die Einzelintrigen konstituieren die Gesamtintrige, die ihre Kohärenz durch das übergeordnete Ereignis des die Handlungen bündelnden Sujets zugesprochen bekommt.1 Die Gesamtintrige beruht auf der Gesamtheit erwartungsstiftender Elemente, sodass die Intrige auch als Mittel der Sympathielenkung des Zuschauers fungieren kann. Diese Intention gelingt, wenn er Akzeptanz und Bereitschaft zeigt, eine personengebundene Perspektive einzunehmen. Dieser Aspekt der Intrige macht deutlich, dass sie nicht mit der Ebene des Sujets gleichzusetzen, sondern ihr ein vermittelnder Charakter zuzusprechen ist, besteht ihre Funktion doch darin, das Sujet in dramatischer Weise zu beleben.
Die zweite Konstituente der dramatischen Ebene besteht aus der Handlungswelt. Sie etabliert aus den figuralen Handlungs- wie auch Sprechsituationen ein illusionistisches Raum-Zeit-Kontinuum, indem sie aus den dargestellten Räumen eine Raumstruktur aufbaut, aus den dargestellten Zeitabschnitten eine Zeitstruktur errichtet und durch die auftretenden Personen eine soziale Welt entstehen lässt.2 Die Flexibilität des dramatischen Dialoges ermöglicht es zusätzlich, nicht dargestellte Lokalitäten, Zeiträume und Personen mittels sprachlicher Verweise in die Handlungswelt zu inkorporieren. Die Funktion der dramatischen Ebene erschöpft sich darin, das Sujet zu aktualisieren. Sie erreicht dies durch eine Dramatisierung der Sujetbewegung in Gestalt der Intrige und durch die Dramatisierung des Sujetfeldes in der entworfenen Handlungswelt.3 Die beiden Konstituenten der dramatischen Kommunikationsebene bilden gemeinsam ein binnenfiktionales Bezugssystem, auf das die jeweiligen Handlungssituationen übertragen werden können und das den Zuschauer durch Identifikation wie auch Illusion dazu einlädt, an der fiktionalen Welt zu partizipieren.
2.1.2 Die theatralische Kommunikationsebene – die Interdependenz von Spielen und Schauen
Die theatralische Kommunikation findet im äußeren Kommunikationssystem statt und setzt den Fokus auf die Kommunikation zwischen Schauspieler und Zuschauer. Durch die Teilhabe des Zuschauers an der theatralischen Interaktion bekommt er seine Rolle verliehen, die sich darin erschöpft, durch das Zusehen dem mimischen Agieren einen Sinn zu verleihen:1
Theater ist nur und nur das ist Theater, wenn in einer symbolischen Interaktion ein rollenausdrückendes Verhalten von einem rollenunterstützenden Verhalten beantwortet wird, das auf der gemeinsamen Verabredung des ‚als-ob‘ beruht.2
Die Veranstaltungssituation ist demnach wirklich, jedoch ist das, was dort dargeboten wird, unwirklich; unwirklich deshalb, weil das dargestellte Spiel in den Zusammenhang mit der Theatersituation gebracht wird und einer lebensweltlich-basierten Lesart entzogen werden kann.
Des Weiteren verdrängt ein gesteigertes Rollenspielbewusstsein die auf Identifikation und Illusion hin angelegte dramatische Perspektive. Das hat zur Folge, dass ein Rivalitätsverhältnis zwischen den Kommunikationsebenen zu konzedieren ist. Es stellt sich somit beim Betrachter immer dann eine theatralische Sichtweise ein, wenn er weder zu sehr die Fiktion absorbiert, noch durch die Thematisierung eines lebensweltlichen Sachverhaltes aus der Theatersituation herausgerissen wird.3 Eine Aktualisierung dieser Perspektive tritt immer dann zutage, wenn das Spiel explizit auf seinen Darstellungs- oder Veranstaltungscharakter verweist, etwa durch musikalische und tänzerische Einlagen sowie Publikumsapostrophen. Weitere Belebungen der Theatersituation erzeugt der Schauspieler, wenn er als Darsteller wahrgenommen wird und sich sein Rollenspiel als solches zeigt. Dazu eignen sich Geschicklichkeitsspiele, artistische Einlagen, Kampfszenen, Rededuelle, Streitszenen und die Zwischenspiele der Ballettkomödien, die durch die Erweiterung der Darstellerriege mit Musikern und Tänzern eine erhöhte Darstellungsartifizialität erzeugen und die Theatersituation nachdrücklich zu erkennen geben. Die Schauspielerakzentuierung zeigt zudem, dass sich der Mime nicht als vergegenständlichter Teil des Schauspiels sieht, sondern willentlich und bestimmt in die Produktion eingreift und diese individuiert.4
Ferner kann sich die bewusste Korrespondenz zwischen Spielen und Schauen auf der Bühne etablieren, und zwar stets dann, wenn es sich um ein Spiel im Spiel handelt, wobei sich das Prinzip des externen Kommunikationssystems auf das interne projiziert. Es handelt sich um ein Prinzip, das Bernhard Greiner „transzendental aussagekräftig“5 nennt, weil die Spiel-im-Spiel-Strukturen zugleich die Regeln vorgeben, die den jeweiligen Diskurs ‚Komödie‘ bestimmen.6 Diese Struktur offenbart sich konkret auf der Bühne, wenn eine theatralische Einlage in die Bühnenhandlung eingefasst wird und das Theaterspiel nicht nur vor Zuschauern, sondern auch unmittelbar vor Bühnenfiguren gespielt wird und die Darsteller zugleich zu Schauspielern und Zuschauern werden: Der Schauspieler verbirgt in der Potenzierung des dargestellten Rollenspiels seine eigentliche Person, die eine theatralische Doppelung erfährt und seine Rolle im Stück ambiguiert, sodass diese Pluralisierung für einen semantischen Mehrwert der sprachlichen Zeichen auf der Bühne sorgt.
Das Theater auf dem Theater – wie das dramaturgische Gestaltungsmittel des Spiels im Spiel ebenfalls genannt wird – zeichnet sich demnach durch eine simultan dargestellte primäre und sekundäre Fiktionsebene aus, durch ein inneres und äußeres Rollenspiel, wobei die Rahmenhandlung temporär in den Hintergrund tritt und der eingerahmten Handlung gewissermaßen den ‚Spielball‘ zuwirft; diese mise-en-abyme-Struktur erzeugt ein räumliches und temporäres Nebeneinander von Rahmen- und Kleinform.7 Der Spiel-im-Spiel-Situation kann in dieser Hinsicht eine handlungsunterbrechende wie auch eine handlungstreibende Funktion zukommen. In diesem Kontext ist von einer illusionsmindernden und illusionsfördernden Wirkung des Spiels im Spiel für die Zuschauer zu sprechen.8 Diese Gegenläufigkeit resultiert aus der Engführung von dramatischer und theatralischer Kommunikationsebene, da neben dem Rollenspiel der Dramenpersonen zugleich das eigentliche Spiel des Mimen in den Vordergrund tritt.
2.1.3 Die lebensweltliche Kommunikationsebene – die gesellschaftliche Kommunikation über das Fiktionale
Die lebensweltliche Kommunikationsebene umfasst das innere wie auch das äußere Kommunikationssystem und fokussiert die gesellschaftliche Kommunikation über die Inszenierung und deren Bezug auf lebensweltliche Normen. Sie ist das Wirkliche im Unwirklichen oder die realitätsbezogene Kommunikationsebene im Gegensatz zu den beiden angeführten fiktionalen Ebenen. Die lebensweltliche Perspektive wird aus einem Zusammenspiel zwischen dem lebensweltlichen Kontext und dem Sujet vermittelt; sie macht das Handlungsthema zum Angelpunkt einer Interaktion, bei der Autor, Regisseur und Schauspieler mit dem Publikum über die Brücke der sie verbindenden sozialen Realität miteinander kommunizieren:
Durch eine solche Aktualisierung wird einerseits das immer schon mitgegebene und mitgewußte lebensweltliche Sinnpotential des Sujets thematisch, andererseits werden gleichzeitig bestimmte Ausschnitte des lebensweltlichen Kontexts als Bezugsmomente hervorgehoben, womit sich dieser zunächst diffuse Kontext verdichtet und zur Situation konkretisiert.1
Diese Annahme Matzats leitet sich von Bertolt Brechts Begriff des Verfremdungseffekts (V-Effekt) ab, von einem künstlerischen Verfahren der Illusionsdurchbrechung in der Darstellung. Diese Kommunikationsebene tritt bei Referenz auf lebensweltlich existierende Personen, Ereignisse, Situationen, Normen und Gesetze im kulturellen Kontext in Erscheinung. Der Zuschauer gewinnt aus der Verfremdung eine neue Sichtweise auf Vertrautes, sodass der V-Effekt auch als Enthüllungseffekt bezeichnet werden kann, da er der Aufdeckung gesellschaftlicher Inkonsistenzen und Paradoxa dient. Ihm ist ein gesellschaftskritisches Moment inhärent, das sich bei der zeitgenössischen Molière-Rezeption mitunter in heftigen Kontroversen zeigte. Gemäß der Verfremdung ermöglicht die lebensweltliche Perspektive dem Rezipienten eine kritische Betrachtung des Geschehens vom gesellschaftlichen, außerästhetischen Standpunkt aus. Sie kommt immer dann zum Vorschein, wenn die beiden fiktionalen Ebenen ausgeblendet werden und eine Thematisierung der implizierten Handlungsnormen einsetzt, die über den Bezugsrahmen des Bühnengeschehens und die Veranstaltungssituation hinausweisen.2 Die Normen- und Sinnsysteme der Wirklichkeit bilden den primären Kontext, in den sich die Fiktion einbetten lässt, sodass er die Sujethaftigkeit des Dramentextes immer mitbestimmt.
2.1.4 Die metadramatische Kommunikationsebene – die intermediale figurale Interaktion
Die von Matzat vorgeschlagenen Rezeptionsperspektiven für die Komödie sind sinnfällig, funktionieren aber nur eingeschränkt für die Ballettkomödie. Für sie bedarf es einer weiteren Komponente innerhalb der für die Theaterrezeption signifikanten Kommunikationsebenen, um ihrer strukturellen Eigentümlichkeit Rechnung zu tragen: die metadramatische Ebene (B–B’). Ihre Berechtigung im Kommunikationsmodell erhält sie dadurch, dass sie eine von den anderen Kommunikationsebenen divergierende Weltsicht beinhaltet, der gewisse Gesetzmäßigkeiten eigen sind, die auf das Bühnengeschehen projiziert werden.
Die metadramatische Perspektive stellt sich ein, wenn es zu einer Erweiterung des inneren Kommunikationssystems kommt. Dieser Fall tritt dann ein, wenn eine Verständigung zwischen den Dramenpersonen aus der Handlungswelt der Komödie und denen aus den Intermedien stattfindet.1 Generell kann von solch einer Ebene gesprochen werden, sofern der Zuschauer sich dieser Erweiterung bewusst wird, weil sich sonst keine Differenz zur dramatischen Perspektive aufzeigen lässt. Erst über einen Sujetrealitätenwechsel in Kombination mit einem Medienwechsel stellt sich beim Zuschauer diese Rezeptionsperspektive ein: In diesem Fall impliziert der Wechsel der Sujetrealitäten einen merklichen Übergang von der Komödie zum Zwischenspiel, der über die Opposition von Fiktion und Metafiktion erfahrbar gemacht wird. Dieser komödieninterne Realitätsbruch gestaltet sich über zwei Arten von Unwirklichkeit. Zum einen kann eine soziale Unwirklichkeit ausfindig gemacht werden, die gesellschaftlich Unmögliches ermöglicht. Zum anderen kann eine empirische Unwirklichkeit ausfindig gemacht werden, die Übernatürliches natürlich erscheinen lässt.
Die soziale Unwirklichkeit taucht dann auf, wenn eine Transformationszeremonie den sozialen Status einer Figur verändert. Die Ermöglichung des gesellschaftlich Unmöglichen wird mit dem die Komödie und das Zwischenspiel verbindenden Spiel-im-Spiel-Prinzip etabliert und geschieht in Absprache mit den Zuschauern im Sinne einer Komplizenschaft, wobei die Drahtzieher des Ränkespiels die vorgetäuschte soziale Unwirklichkeit bis zum Komödienende aufrechterhalten und nicht beenden. Dabei wird das Dargestellte nicht als selbstzweckhafter Spielimpuls verstanden, denn dadurch, dass die sekundäre Fiktionsebene zur primären wird, handelt es sich um den tatsächlichen Handlungsrahmen der Komödie. Das unverbrüchliche Ränkespiel ist aufgrund der fehlenden Endbereinigung zum Spiel des Spiels geworden, zum Spiel des Schauspiels; ihm ist ausschließlich eine handlungstreibende Funktion zuzusprechen. Dieser Vorgang erzeugt über seine doppelseitige mise-en-abyme-Struktur einerseits eine illusionsfördernde, andererseits eine illusionsmindernde Wirkung beim Publikum. Der Zuschauer kann die innerfiktional dargestellte Mischung aus Realismus und Fiktion in der Spiel-des-Spiels-Situation als Mitwisser genießen, weil die von ihm eingenommene Sichtweise eines internen Zuschauers das letzte Band zur sozialen Normalität darstellt, das ihn davon abhält, dem Unmöglichen anheimzufallen.2
Die empirische Unwirklichkeit kommt über fiktive Fantasiewesen oder mythologische Wesen zum Vorschein, die in der Handlungswelt der Komödienfiguren inexistent sind, aber über die intermediäre Korrespondenz der Figuren darin Einzug halten. Sie zeigt sich dem Zuschauer als willkommene Überraschung und wird mittels Komödienfiguren umgesetzt, die kurzzeitig mit dem Übernatürlichen in Kontakt treten und hiernach wieder ungezwungen realitätsbezogen agieren. Hierbei kann es zu einer Weiterführung der Intrige kommen, allerdings wird diese ohne eine Spiel-im-Spiel-Situation dargestellt. Diese Szenen sind von einem episodenhaften Charakter geprägt und zumeist auf Nebenhandlungen limitiert. Während die in der ersten Kategorie erwähnten Transformationszeremonien die typische, im Zentrum höfischer Feste stehende Alltagsverwandlung szenisch explizit thematisieren, mithin die soziale Alltagsverfremdung aktiv vorantreiben, akzentuiert die zweite Kategorie durch ihre empirische Unwirklichkeit eher eine transzendente Verzauberung der Lebenserfahrung. Die soziale wie auch empirische Unwirklichkeit spiegeln den absolutistischen Festcharakter in ganz besonderer Weise wider. Dieser ist mit einer lebensweltlichen Grenzerfahrung der Besucher konnotiert, mit einem realen Erlebnis fiktionaler Unwirklichkeit unter den Augen des Sonnenkönigs.
Ferner verweist die erhöhte Anzahl an ausführlicheren Regieanweisungen in den Aktend- beziehungsweise Zwischenspielanfangsszenen des Dramentextes auf einen aufführungstechnischen Umbruch, der sich in einem Medienwechsel zeigt. Diese mediale Verschiebung wird als Ausdehnung binnenfiktionaler Kommunikation verstanden und als Illusionsbruch wahrgenommen, wenn die präsentierte Sujetrealität der Komödie von der des Intermediums divergiert. Die ‚Als-ob‘-Wirklichkeit der Komödie projiziert aus ihrem Wirklichkeitsgestus eine Unwirklichkeit auf die Bühne, die zu einer potenzierten Verfremdung des gesamten Bühnengeschehens beiträgt, da das illusionsbrechende Moment an die Komödienhandlung rückgekoppelt ist. Diese Erfahrung kann der Zuschauer weder allein über die dramatische noch über die theatralische Perspektive machen, sodass dieses für die Geschichte wichtige Element über die metadramatische Ebene kommuniziert wird. Darüber hinaus ereignet sich im Fall einer Weiterführung der Intrige ein Kollaps von Komödie und Intermedium in puncto Dramen- und Sujetstruktur, was mit einem Zusammenfall von ‚Als-ob‘-Wirklichkeit und sich daraus abzeichnender Unwirklichkeit einhergeht.
Eine Aktualisierung der metadramatischen Kommunikationsebene führt nicht nur zu einer einfachen Überlagerung dieser mit der dramatischen, theatralischen und lebensweltlichen Kommunikationsebene, sondern zu einem krassen Illusions- und Identifikationsbruch auf allen Ebenen: Das Infragestellen der Handlungswelt durch die Dramenfiguren löst den Zuschauer von der dramatischen Perspektive los. Obendrein vergegenwärtigt ihm die Ungewissheit über das störende Moment der dargestellten Wirklichkeitsinkohärenz die Fiktionalität der Theatersituation, die er aber zugleich unter dem Aspekt des ‚Als-ob‘ hinterfragt und ihn ebenfalls aus der theatralischen Perspektive ausschließt. Schließlich unterzieht er das Geschehen einer metaphysischen Infragestellung hinsichtlich dessen, was der Realitätscharakter der Lebenswelt ist. Der Zuschauer verweilt nicht in dieser philosophischen Haltung, denn diese dynamische Zersplitterung der Rezeptionsperspektiven verstärkt eine simultane Interaktion zwischen allen Kommunikationsebenen, die in der erstarkten multimedialen Darstellung die größte Publikumsaffizierung erzielt. Es kommt zu einer Aktualisierung der Aufführungssituation und sonach wird die Perspektivenverwirrung in einer theatralischen Perspektive gebündelt. Diese dominiert letztlich sowohl die dramatische respektive metadramatische als auch die lebensweltliche Perspektive. Das dynamische Moment der Theatralik setzt sich aus der Verbindung von schauspielerischem Agieren, musikalischer Untermalung und tänzerischer Darbietung im Modus des sozial beziehungsweise empirisch Unwirklichen zusammen. Sie erzeugt eine starke Performance, die in gesteigertem Maße publikumswirksam ist, da sie einen multimedialen Unterhaltungswert fernab der Realität garantiert und zugleich ein Bewusstwerden von Irrealem in einer rein rationalen Weltanschauung ermöglicht. Die theatralische Kommunikationsebene evoziert daher eine aus der Alltagswelt enthobene Sinnenklave, die sich als utopischer Fluchtraum zeigt, als komisches Refugium. Letzteres konstituiert sich aus der Dialektik von Schein und Sein und sorgt für eine ambige Haltung der Zuschauer zum Dargestellten. Einerseits unterhält und erfreut es sie in der poetologischen Gesinnung des horazischen delectare, andererseits erzeugt es im höfischen Kontext eine einschüchternde Wirkung im Sinne des horazischen prodesse, ist es doch vehement mit dem unschicklichen Unvernünftigen semantisiert, das mit dem Preis einer gesellschaftlichen Stigmatisierung zum Verrückten korreliert.
Es ist festzuhalten, dass der Zuschauer das Geschehen aus einer metadramatischen Perspektive betrachtet, wenn er den Wirklichkeitsbruch und die medialen Bereicherungen als binnenfiktionale Realitätsverfremdung des gesamten Bühnengeschehens ins soziale oder empirische Unwirkliche wahrnimmt. Den Wirklichkeitsbruch innerhalb der Fiktion empfindet der Zuschauer jedoch nicht als besonders störend, sodass es ihm gelingt, die verstärkt mediale Theatralik auf die figurale Interaktion zu beziehen, und er sich daher dem Sog der Theaterfiktion nicht widersetzen muss. Die Wahrnehmung der Realität ist für einzelne Figuren auf der Bühne gestört und auch der Zuschauer wird mit dem Problem konventioneller Sichtweisen bei der Aufführung über die binnenfiktionale metadramatische Perspektive konfrontiert. Diese erweitert sich aufgrund ihres intermediären Charakters, nähert sich der theatralischen Perspektive an und wird letztlich von jener absorbiert. Diese Perspektive ist auch als Brückenperspektive zwischen der dramatischen und theatralischen zu betrachten, da soziale wie auch empirische Fiktionalitätsprobleme in eine theatralische Perspektive hinübergespielt werden und sich in der Heiterkeit des Spiels auflösen, sodass bei der Ballettkomödie von einem dominant theatralischen Theater zu sprechen ist. Die metadramatische Perspektive enthält folglich ein potenziell störendes Moment, das aus dem Spannungsverhältnis zwischen Realität und Fiktion resultiert – zwischen Fiktion und Metafiktion oder, wie Georges Forestier konstatiert, zwischen „la fiction et le merveilleux“3 – und den Zuschauer in eine verzerrte Traumwelt hineinmanövriert.
Wenn man Gattungen als fundierte Organisationsformen von Kommunikationsprozessen versteht, dann bestärkt die für die Ballettkomödie spezifische Kommunikationssituation, die sich aus der zusätzlichen metadramatischen Perspektive ergibt, die Originalität des Genres. Dies gilt auch dann, wenn diese Metaebene nicht in allen Ballettkomödien in vollem Umfang auftaucht, weil die figurale Korrespondenz zwischen Komödie und Intermedium genauso gut ohne Wirklichkeitsbruch vonstattengehen kann und sich somit nur ein medialer Kommunikationswechsel innerhalb einer Sujetwirklichkeit vollzieht. In diesem Fall sind Fiktion und Metafiktion realitätsgleichwertig im Sinne einer einheitlichen Theaterfiktion und über die dramatische, theatralische oder lebensweltliche Perspektive erfahrbar.