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Zwölftafelgesetz: E. Täubler, Untersuchungen zur Geschichte des Decemvirats und der Zwölftafeln (1921); M. Kaser, Das altrömische Ius (1949); D. Daube, Forms of Roman Legislation (1956), 23; J. Delz, Der griechische Einfluss auf die Zwölftafelgesetzgebung, in: Museum Helveticum 23 (1966), 69; F. Wieacker, Die XII Tafeln in ihrem Jahrhundert, in: Entretiens sur l’antiquité classique, Teil XIII, Les origines de la République romaine (1966), 291; G. Radke, Beobachtungen zu den leges XII tabularum, in: FS U. v. Lübtow (1970), 223; M. Kaser, Die Bedeutung von „lex“ und „ius“ und die XII Tafeln (1973), in: Ausgewählte Schriften Bd. I (1976), 179; O. Behrends, Der Zwölftafelprozess. Zur Geschichte des römischen Obligationenrechts (1974); F. Wieacker, Römische Rechtsgeschichte I (s. o.), 287. Die Einleitung von D. Flach, Die Gesetze der frühen römischen Republik (s. o.); S. Hähnchen, Der Vergleich – historische Betrachtung eines Instruments zur gütlichen Streitbeilegung, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler (2002), 139, 141; M. Humbert (Hg.), Le Dodici Dai Decemviri agli Umanisti (2005).
Altrömische Geldgeschäfte: Th. Mommsen, Nexum, SZ (RA) 23 (1902), 348; W. Kunkel, Mancipatio, in: RE 14, 1 (1928); F. Leifer, Altrömische Studien IV / 1: Mancipium und auctoritas. Mit Beiträgen zum römischen Schuld- und Haftungsproblem, SZ (RA) 56 (1936), 136 und IV / 2, SZ (RA) 57 (1937), 112; U. v. Lübtow, Studien zum altrömischen Kaufrecht, in: FS P. Koschaker, Bd. II (1939), 113; K. F. Thormann, Der doppelte Ursprung der Mancipatio. Ein Beitrag zur Erforschung des frührömischen Rechts unter Mitberücksichtigung des nexum (1943); J.G. Wolf, Zur legis actio sacramento in rem, in: FS F. Wieacker (1985), 1; St. Meder, Die bargeldlose Zahlung (1996), 14, 29; U. Manthe, Agere und aio: Sprechakttheorie und Legisaktionen, in: FS Th. Mayer-Maly (2002), 431.
Familienrecht: Marianne Weber, Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung (1907), 158; F. Zagelmeier, Die rechtliche Stellung der Frau im römischen Familienrecht (1928); W. Kunkel, Matrimonium, in: RE 14, 2 (1930); G. Pacchioni, Manuale del diritto romano, 3. edizione (1935); P. Koschaker, Die Eheformen bei den Indogermanen, in: Deutsche Landesreferate zum II. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung im Haag (1937), 77; G. Simmel, Philosophie des Geldes, 6. Auflage 1958 (ND 1977), 405; E. Burck, Die Frau in der griechisch-römischen Antike (1969); J. Huber, Der Ehekonsens im römischen Recht (1977); D. Balsdon, Die Frau in der römischen Antike (1979); G. MacCormack, Coemptio and Marriage by Purchase, in: Bull. 81 (1978), 179; K. Kroj, Die Abhängigkeit der Frau in Eherechtsnormen [<<51] des Mittelalters und der Neuzeit als Ausdruck eines gesellschaftlichen Leitbilds von Ehe und Familie (1988), 117; M. C. Grosse, Freie römische Ehe und nichteheliche Lebensgemeinschaft (1991); G. Heyse, Mulier non debet abire nuda. Das Erbrecht und die Versorgung der Witwe in Rom (1993); J. F. Gardner, Frauen im antiken Rom (1995); E. Holthöfer, Die Geschlechtsvormundschaft. Ein Überblick von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, in: FGR, 390 (vgl. insbes. die Nachw. S. 402 f. bei Note 53); B. Feldner, Zum Ausschluss der Frau vom römischen officium, RIDA 2000, 381; E. Höbenreich, G. Rizzelli, Scylla. Fragmente einer juristischen Geschichte der Frauen im antiken Rom (2003); B. Feldner, Zur Vermögensverwaltung durch Frauen im klassischen römischen Recht, in: Frauenrecht und Rechtsgeschichte (hg.v. St. Meder, A. Duncker, A. Czelk), 2006, 1.
Straf- und Deliktsrecht: Th. Mommsen, Römisches Strafrecht 1899 (ND 1990); E. Levy, Privatstrafe und Schadensersatz im klassischen römischen Recht (1915); F. H. Lawson, Negligence in the Civil Law (1950); W. Kunkel, Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens in vorsullanischer Zeit, Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, N. F. (1962); ders., Prinzipien des römischen Strafverfahrens (1968), in: Kleine Schriften zum römischen Strafverfahren und zur römischen Verfassungsgeschichte (1974), 11; S. Schipani, Responsabilità „ex lege Aquilia“ – criteri di imputazione e problema della „culpa“ (1969); U. v. Lübtow, Untersuchungen zur lex Aquilia de damno iniuria dato (1971); R. Wittmann, Die Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht (1972); G. Schiemann, Das allgemeine Schädigungsverbot: „alterum non laedere“, JuS 1989, 345; R. Zimmermann, The Law of Obligations (s. o.); H. Hausmaninger, Das Schadensersatzrecht der lex Aquilia, 5. Auflage (1996); B. Winiger, La responsabilité aquilienne romaine (1997); St. Meder, Kann Schadensersatz Strafe sein? Zum Wandel des Verhältnisses von Schadensersatz und Strafe unter Berücksichtigung von Gefährdungshaftung, Versicherung und Familienrecht, in: FS H. Rüping (2006), 125.
Staats- und Verfassungsrecht: Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht, 3 Bde., 3. Auflage 1887 (ND 1971); ders., Abriß des römischen Staatsrechts, 2. Auflage 1907 (ND 1974); H. Siber, Römisches Verfassungsrecht in geschichtlicher Entwicklung (1952); W. Kunkel, Zum römischen Königtum (1959), in: Kleine Schriften zum römischen Strafverfahren und zur römischen Verfassungsgeschichte (1974), 345; J. Gaudemet, Institutions de l’Antiquité (1967), 251; E. Meyer, Römischer Staat und Staatsgedanke, 4. Auflage (1975); W. Eder, Der Bürger und sein Staat – Der Staat und seine Bürger. Eine Einführung zum Thema Staat und Staatlichkeit in der frühen Römischen Republik, in: Staat und Staatlichkeit in der frühen Römischen Republik (1990), 12; H. Bellen, Grundzüge der römischen Geschichte von der Königszeit bis zum Übergang der Republik in den Prinzipat, 2. Auflage (1994); W. Kunkel / R.Wittmann, Staatsordnung und Staatspraxis der römischen Republik, II: Die Magistratur [<<52] (1995); J. Bleicken, Die Verfassung der Römischen Republik, 8. Auflage (1999). Einen Einblick in den neuesten Stand von Literatur und Forschung bietet A. Heuss, Römische Geschichte (hg.v.J. Bleicken / W. Dahlheim / H.-J.Gehrke), 10. Auflage (2007); N. Jansen / R. Michaelis, Private Law and the State. Comparative Perceptions and Historical Observations, in: RabelsZ 71 (2007), 345 (s. auch die Nachweise im Anschluss an die folgenden Kapitel).
Rechtsentstehung: R. v. Jhering, Geist des römischen Rechts, Erster Teil (1852), 9. Auflage (1953), 108; ders., Der Zweck im Recht, Bd. I (1877), 4. Auflage 1904 (ND 1970), 186; ders., Die geschichtlich-gesellschaftlichen Grundlagen der Ethik, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 6 (1882), 1, 12; M. Weber, WuG, 14; H. Arendt, Über die Revolution (1963), 2. Auflage (1974). G. Spittler, Streitregelung im Schatten des Leviathan, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie 1980, 4; H. Popitz, Phänomene der Macht, 2. Auflage (1992); A. M. Dershowitz, Die Entstehung von Recht und Gesetz aus Mord und Totschlag, 2000 (dt. 2002), 184, 224; T. v. Trotha, Was ist Recht? Von der gewalttätigen Selbsthilfe zur staatlichen Rechtsordnung, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie 2000, S. 327; P. Hanser / T.v. Trotha, Ordnungsformen der Gewalt (2002); M.Th. Fögen, Römische Rechtsgeschichten (2002), 102, 18. [<<53]
3Bis zu dessen endgültiger Beilegung sollten freilich noch über hundert Jahre vergehen. An der Frage nach der Bedeutung der Ständekämpfe für den Erlass des Gesetzes hat sich neuerdings eine wissenschaftliche Kontroverse entzündet (vgl. die Nachweise bei D. Flach, Die Gesetze der frühen römischen Republik, 24).
4Bereits die Athener hatten ihre Gesetze auf Tafeln geschrieben und öffentlich aufgestellt (zu weiteren Parallelen: W. Dahlheim, Die Antike, 155 ff.).
5Dazu näher III. Zur Rolle des Geschenks in archaischen Gesellschaften: M. Mauss, Die Gabe, 1990, 27 ff.
6Vgl. etwa die Regelung im Alten Testament, wonach Jehova bis ins dritte und vierte Glied straft (2. Mose 20, 5, 6; Hesekiel 18, 20).
7„Wenn ein Ochse einen Mann oder eine Frau zu Tode stößt, so soll man ihn steinigen und sein Fleisch nicht essen, der Eigentümer des Ochsen aber bleibe ungestraft“ (2. Mose 21, 28).
8Vgl. aber auch Jesaja 59, 18: „Wie es die Taten verdienen, so übt er Vergeltung“, und Jeremias 16, 18: „So vergelte ich zunächst nach dem Maß ihrer Schuld und Sünde“. Anders dagegen das Neue Testament: „Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin“ (Matthäus 5, 39).
9Vor allem in den Vereinigten Staaten haben Juristen gemeinsam mit Psychologen, Ethnologen und Anthropologen Formen der Verhandlungstechnik in Selbsthilfeordnungen untersucht. Nichtrechtliche Formen der Streit- und Konfliktlösung wurden als ‚Alternativen zum Recht‘ ein rechtspolitisches Programm, dessen folgenreichstes Kernstück die ‚Mediation‘, also die Streitschlichtung ohne staatliche Gerichte, geworden ist (vgl. etwa P. Hansen / T.v. Trotha, Ordnungsformen der Gewalt, 92).
10Zutreffend hat J. G. Wolf daher betont, dass es sich z. B. beim „Vindikationsritual“ nicht um Scheinakte von Selbsthilfe, sondern um die Behauptung von Recht und Unrecht handele (Zur legis actio sacramento in rem, 3, 12, 28, 30). Zu unterscheiden wäre indes die Frage, ob die von ‚Kläger‘ und ‚Beklagtem‘ vorgespielten Taten in jene Zeit zurückweisen, wo Konflikte noch im Wege von Selbsthilfeakten gelöst wurden.
2. Kapitel
Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der römischen Rechtskultur
Im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. weichen die bäuerlichen zunehmend urbanen Lebensformen, deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Struktur von Handel, Gewerbe und Geldwirtschaft bestimmt wird. In dieser Zeit unterwerfen die Römer ganz Italien, dann immer mehr Länder um das Mittelmeer. Am Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. haben sie schließlich ein Weltreich errichtet, das von Kleinasien bis nach Spanien, Frankreich und Deutschland reicht. Das schwerfällige, strenge, strukturell mündliche, auf die Bedürfnisse des Ackerbürgers zugeschnittene Recht der Zwölf Tafeln tritt zunehmend in Konflikt mit den veränderten Lebensbedingungen. Trotz aller Unzulänglichkeiten wollen die Römer das alte Gesetz aber weiterhin als Quelle des gesamten Rechts anerkennen. Man pflegt das hartnäckige Festhalten am Gesetzeswortlaut mit ihrer konservativen, in allen rechtlichen Dingen höchst vorsichtigen Haltung zu erklären. Dabei wird leicht übersehen, dass sich in Rom etwas ganz Neues zu entwickeln beginnt, nämlich eine Rechtskultur, die zunehmend durch Denkformen der Schriftlichkeit bestimmt wird. Das hartnäckige Festhalten der Römer am Gesetzeswortlaut ist Ausdruck ihres Strebens, die Zwölf Tafeln in den Rang eines kanonischen Textes zu erheben. Dies sei kurz erläutert.
Von der Bildung eines Textkanons spricht man, wenn eine Gesellschaft Wortlaut und Umfang bestimmter Texte als unveränderbar festlegt. Hinzu kommen muss das Bedürfnis, den Buchstaben lebendig zu erhalten und die wachsende Distanz zwischen ihm und der sich wandelnden Lebenswirklichkeit durch Auslegung (interpretatio) zu überbrücken. Die Kanonisierung der Zwölf Tafeln ist das typische Kennzeichen einer Kultur, in der das geschriebene Wort Einfluss auf die Rechtsordnung gewinnt (6. Kapitel 3, S. 153.). Die Zwölf Tafeln sind bald nachdem [<<55] sie beschlossen waren, zum Gegenstand fachkundiger Auslegung (interpretatio) geworden. Dies betont auch der römische Jurist Pomponius (S. 87), der das Verhältnis von Text und Interpretation erörtert. Er meint, das neue, durch Auslegung gewonnene Recht habe neben den Zwölf Tafeln keine selbständige Bedeutung: Auslegung dürfe nicht als besondere Kategorie (propria pars) betrachtet, sondern müsse mit dem allgemeinen Namen „Zivilrecht“ (ius civile) umschrieben werden (D. 1.2.2.5). Gaius erachtet es sogar für zulässig, eine in den Zwölf Tafeln nicht enthaltene Regelung als „gesetzliche“ zu bezeichnen, „weil sie durch die Auslegungstätigkeit der Juristen ebenso in Aufnahme gekommen ist, als wenn sie durch den Buchstaben des Gesetzes eingeführt wäre“ (I, 165). Doch sehen die Römer auch den Unterschied, der zwischen Text und Interpretation besteht. So sind für Pomponius Gesetz und ius civile inkongruente Größen. Der Begriff des ius civile weist über den in den Zwölf Tafeln enthaltenen Rechtsstoff weit hinaus. Das durch Interpretation erzeugte Recht wächst schnell, es ist viel umfangreicher und bald auch zunehmend verschieden von dem Text, an den es sich zunächst anhängt, den es aber mehr und mehr verdrängt, um sich schließlich seines Platzes zu bemächtigen.
Durch die bloße Verschriftlichung mündlich überlieferten Rechts entsteht also nicht schon Zivilrecht. Das Zwölftafelgesetz ist weder Bruch noch Nullpunkt oder Geburt, sondern Zwischenstation auf dem langen Weg der Entwicklung des römischen Rechts. In der Geschichte des Rechts gibt es keine tabula rasa. Wir schreiben immer auf eine Tafel, auf die schon vieles geschrieben, gelöscht und wieder neu geschrieben wurde – auch wenn die Tafel in der mündlichen Überlieferung besteht. Pomponius hat die Tatsache, dass der Gesetzestext zum Gegenstand fachkundiger Auslegung geworden ist, in ihrer Bedeutung zutreffend gewürdigt. Die Bildung eines Textkanons wäre demnach das strukturelle Merkmal von Zivilrecht und die um das Zwölftafelgesetz sich rankende Interpretation typische Erscheinung einer Rechtskultur, die zunehmend durch Denkformen der Schriftlichkeit geprägt wird. [<<56]
1.Interpretatio
Träger der interpretatio sind zunächst die Pontifices. Durch die Anwendung der vorhandenen Gesetze und die Aus- und Fortbildung von Spruchformeln und Geschäftsritualen haben sie die Anfänge eines Juristenrechts geschaffen, das Denkstil und Technik der sich anschließenden profanen Jurisprudenz entscheidend prägen wird. Das Ziel einer möglichst gesetzestreuen Anwendung der Zwölf Tafeln erreichen die Pontifices jedoch häufig nur über Konstruktionen, die uns heute als sehr künstlich erscheinen. Ein Beispiel für die Ambivalenz von Wortkult und Auslegungsabsicht bildet die Emanzipation von Kindern aus der Gewalt des Vaters.
1.1 Emancipatio
Dass die Macht des pater familias über die in seiner Gewalt stehenden Abkömmlinge bis zu seinem Tod oder dem der Kinder währte, ist bereits ausgeführt worden (S. 42). Nach den Zwölf Tafeln bestand keine Möglichkeit zur freiwilligen Beendigung dieses Verhältnisses. Es gab lediglich eine Bestimmung, die darauf zielte, dem Missbrauch der Gewalt des Vaters entgegenzuwirken (vgl. Tafel IV, 2):
Wenn ein Vater seinen Sohn dreimal zum Verkauf gegeben hat, soll der Sohn von der väterlichen Gewalt frei sein (si pater filium ter venum duit, filius a patre liber esto).
Ein solcher mehrfacher Verkauf war möglich, weil der Sohn in die Gewalt des Vaters zurückfiel, wenn der Käufer ihn freiließ. Um nun eine freiwillige Beendigung des väterlichen Gewaltverhältnisses zu erreichen, wurde die eigentlich eindeutige Regelung der Zwölf Tafeln so ausgelegt, dass sie einem ursprünglich gar nicht vorgesehenen Zweck dienen konnte: Der Vater verkaufte dreimal zum Schein seinen Sohn – etwa an einen Freund –, nach jedem Verkauf ließ der Freund den Sohn wieder frei, so dass dieser nach dem dritten Verkauf aus der väterlichen Gewalt entlassen (sui iuris) und somit vermögensfähig war. Man vermutet, dass diese Art von Freilassung ursprünglich deshalb vorgenommen wurde, [<<57] um eine Zersplitterung des bäuerlichen Besitztums durch Erbteilung zu verhindern. In modifizierter Form diente die emancipatio später auch der Entlassung von Töchtern, Enkeln oder Frauen aus dem väterlichen oder ehelichen Gewaltverhältnis. Zur Bezeichnung der Freisetzung aus einem Zustand der Abhängigkeit hat sich der Begriff der Emanzipation bis heute erhalten.
1.2 In iure cessio
Ein weiteres Beispiel dafür, wie durch eine Nachformung vorhandener Regeln dem Recht neue Gestaltungsmöglichkeiten erschlossen werden, bildet die in iure cessio. Die in iure cessio, eine Art Scheinrechtsstreit vor dem Magistrat, zeigt zugleich, dass gerade mit den Mitteln des juristischen Formalismus das ius civile an neue soziale und wirtschaftliche Erfordernisse angepasst wurde.
In alter Zeit bedeutete ius der eingehegte Platz auf dem Forum, auf welchem der Magistrat seine Gerichtsgewalt ausübte. In iure heißt „auf der Gerichtsstätte“ und in iure cessio „Abtretung vor Gericht“. Noch heute sprechen wir von Zession, wenn Rechte abgetreten werden, obwohl die modernen Vorschriften der §§ 398 ff. BGB mit dem umständlichen Ritual der in iure cessio kaum etwas gemein haben. Genau genommen ist die in iure cessio nicht nur ein Geschäft zur Abtretung, sondern auch zur Übertragung oder Aufhebung bestimmter Rechte. Der Akt beginnt wie ein um die Herausgabe eines Gegenstandes geführter Rechtsstreit (vindicatio): Soll ein Gegenstand übereignet werden, erscheinen Veräußerer und Erwerber mit dem Gegenstand vor dem Gerichtsherrn, der Erwerber spricht die Vindikationsformel des Klägers: Ich behaupte, dass dieser Sklave [als Beispiel] nach quiritischem Rechte mein sei (hunc ego hominem ex iure Quiritium meum esse aio). Im Prozess müsste der Gegner hierauf mit einer gleichartigen contravindicatio antworten, in der er seinerseits Eigentümer zu sein behauptet. Bei der in iure cessio unterlässt der Veräußerer jedoch diese Gegenbehauptung, er verhält sich also wie ein Beklagter, der die Klagebehauptung des Gegners anerkennt. Er schweigt oder gibt das Eigentum des [<<58] Erwerbers (formlos) zu. Daraufhin bestätigt der Gerichtsherr die Eigentumsbehauptung des Erwerbers.
Das Ritual der in iure cessio enthält weitgehende Übereinstimmungen mit dem der mancipatio. Ihr Vorteil gegenüber der Manzipation liegt in der vielseitigen Verwendbarkeit. Sie dient vor allem der Übertragung von Eigentum, und zwar gerade auch an solchen Sachgütern, die im Wege einer mancipatio nicht hätten erworben werden können (res nec mancipi). Allerdings sind mit der in iure cessio auch Nachteile verbunden, die wohl dazu geführt haben, dass sie schon in der klassischen Zeit außer Übung kam. Gaius hat diese Nachteile auf den Punkt gebracht (II, 25):
Meistens jedoch, ja fast immer, bedient man sich der Manzipationen, was man nämlich selbst in Gegenwart von Freunden vornehmen kann, das braucht man nicht erst mit größerer Schwierigkeit beim Prätor oder beim Provinzialstatthalter zu tun (plerumque tamen et fere semper mancipationibus utimur: quod enim ipsi per nos praesentibus amicis agere possumus, hoc non interest nec necesse cum maiore difficultate apud praetorem aut apud praesidem provinciae agere).
1.3 Interpretatio extensiva
In der hochklassischen Zeit haben die römischen Juristen die Methoden des begrifflichen Denkens und die Kunst der Auslegung von Normen weiterentwickelt und verfeinert. Die wachsende Kluft zwischen dem Wortlaut des alternden Gesetzes und der veränderten Lebenswirklichkeit führte zu der Einsicht, dass Gesetze nicht sämtliche in der Wirklichkeit vorkommenden Fälle erfassen können. Dieser Gedanke hat bis heute seine Gültigkeit bewahrt, wo wir oft mit über hundert Jahre alten Gesetzen Rechtsfragen lösen müssen, die der Gesetzgeber so nicht hat vorhersehen können. Der römische Jurist Julian (S. 87) hat im 2. Jahrhundert n. Chr. das Problem wie folgt charakterisiert (D. 1.3.12):
Es können nicht alle Fallvarianten einzeln von den Gesetzen oder Senatsbeschlüssen erfaßt werden; wenn aber deren Sinn und Zweck auf irgendeinen [<<59] [neuen] Fall zutreffen, dann muß derjenige, der für die Rechtsprechung zuständig ist, zur Bildung einer analogen Regel fortschreiten und danach Recht sprechen (non possunt omnes articuli singillatim aut legibus aut senatus consultis comprehendi: sed cum in aliqua causa sententia eorum manifesta est, is qui iurisdictioni praeest ad similia procedere atque ita ius dicere debet).
In eine ähnliche Richtung zielt das berühmte Fragment über systematische Auslegung des Juristen Celsus (S. 86), der ebenfalls im 2. Jahrhundert n. Chr. lebte (D. 1.3.24):
Es ist methodisch unzutreffend, die Entscheidung auf eine bestimmte Norm zu stützen, bevor man nicht das ganze Gesetz überprüft hat (incivile est, nisi tota lege perspecta, una aliqua particula eius proposita iudicare, vel respondere).
Die römischen Juristen haben weder zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung noch zwischen extensiver Auslegung und Analogie klar unterschieden. Zur Vermeidung willkürlicher und sachfremder Rechtsbildungen stand ihnen die Billigkeit (aequitas) als Überprüfungsmaßstab zur Verfügung. Ein in der Antike häufig diskutiertes Beispiel für die Anpassung der Zwölf Tafeln an die veränderte Lebenswirklichkeit ist eine Regelung, wonach der Eigentümer eines Vierfüßers (quadrupes) für Schäden haftet, die dieser durch seine Wildheit verursacht hat. In solchen Fällen konnte der Geschädigte mit der actio de pauperie, einer bereits in den Zwölf Tafeln (VIII, 6) bezeugten Klage, Ansprüche gegen den Eigentümer geltend machen. Nun waren infolge der geographischen Ausdehnung des Reiches in Rom bald auch exotische Tiere anzutreffen, von denen die Verfasser der Zwölf Tafeln – wenn überhaupt – nur sehr undeutliche Vorstellungen haben konnten. In bestimmten Kreisen der römischen Gesellschaft war es vorübergehend Mode geworden, sich einen nordafrikanischen Vogel Strauß zu halten und im Garten frei herumlaufen zu lassen. Ein solcher Strauß hat während eines Gartenfests die Frau eines ehemaligen Konsuls gebissen. Als sie mit der actio de pauperie gegen den Eigentümer vorgehen will, wendet dieser ein, ein Vogel sei kein Vierfüßer. Die Geschädigte meint dagegen, Biss sei Biss, und darauf, ob der Biss von einem Vier- (quadrupes) oder Zweifüßer (bipes) herrühre, dürfe es nicht ankommen. [<<60]
Gesetzlich geregelt ist nur der Fall eines Schadens, der durch einen Vierfüßer verursacht worden ist. Da es sich bei einem Strauß nicht um einen Vierfüßer handelt, kann man anscheinend mit der actio de pauperie in diesem Fall nicht gegen den Eigentümer vorgehen. Bezüglich der durch Zweifüßer verursachten Schäden besteht eine Regelungslücke, die bis heute Voraussetzung für einen Analogieschluss ist.11 Den römischen Juristen der klassischen Zeit war nicht entgangen, dass sich die beiden Fälle der Wertung nach entsprechen. Sie erachteten es daher für zulässig, den Anwendungsbereich der vorhandenen Norm auf den nicht geregelten Fall auszuweiten und diesen ebenso wie den geregelten Fall zu entscheiden (D. 9.1.4). So war durch extensive Auslegung der Zwölf Tafeln (bzw. durch Analogie) eine dem heutigen § 833 BGB vergleichbare Rechtslage entstanden.
2.Der Legisaktionenprozess
Nach der Einteilung des Pomponius gliedert sich das Recht der altrömischen Zeit in drei Teile: Zwölftafelgesetz, Auslegung und Legisaktionen (D. 1.2.2.6). Legisaktionen sind gesetzliche (legis) Klageformeln (actiones). Einige solcher Klageformeln finden sich bereits in den Zwölf Tafeln. Die Mehrzahl der Legisaktionen (legisactiones) ist aber erst später aus den Vorschriften der Zwölf Tafeln entwickelt worden. Pomponius sagt, dies geschah, um den Menschen die Austragung ihrer Rechtsstreitigkeiten zu ermöglichen: Die Klageformeln seien zahlenmäßig begrenzt und feierlich-förmlich (certas solemnesque) gewesen, damit sie nicht nach Belieben erhoben werden können (D. 1.2.2.6). Wo die Rechtsordnung keine Klagemöglichkeit (actio) vorsah, gab es also auch kein subjektives Recht. Die Schilderung des Pomponius lässt auf zu geringe Kapazitäten des alten Gerichtswesens schließen. Die Organisation eines überparteilichen Dritten kam den Bedürfnissen der Bevölkerung offenbar so sehr [<<61] entgegen, dass die steigende Nachfrage nach verbindlicher Konfliktlösung eine Vermehrung der Klagemöglichkeiten erforderlich machte (vgl. 1. Kapitel 3, S. 47.). Es ist oft bemerkt worden, dass in Rom die Verbindung von Prozessrecht und materiellem Recht sehr viel enger war als wir es heute für möglich halten. Einer der Gründe hierfür mag darin liegen, dass die Steuerung des Zugangs zur knappen Ressource Gerichtsbarkeit über die Legisaktionen erfolgte.
Als Beispiel für eine altrömische Legisaktion sei hier nur die legis actio sacramento genannt. Aus ihr haben sich in der Praxis die actiones in personam und actiones in rem herausgebildet, die zur Grundlage der Unterscheidung von persönlichen und dinglichen Rechten geworden sind. Die rein sachverfolgende actio in rem ist ein Vorläufer der rei vindicatio: Der Kläger braucht nur zu behaupten, die an die Gerichtsstätte (in iure) gebrachte, streitbefangene Sache gehöre ihm (S. 34). Bei nicht transportablen Sachen gilt pars pro toto (Gaius IV, 17): Ein Grundstück wird durch einen Ziegel oder eine Handvoll Erde repäsentiert. Auch für den Legisaktionenprozess gilt: Die Spruchformeln müssen wortwörtlich und genau in der vorgeschriebenen Weise aufgesagt werden (vgl. Gaius IV, 11). Wer sie nicht beherrscht oder sich verspricht, läuft Gefahr, den Prozess zu verlieren (vgl. S. 132). Das Verfahren war nur römischen Bürgern zugänglich. Bei Rechtsstreitigkeiten mit Ausländern (z. B. Tafel II, 2) ist es wahrscheinlich etwas lockerer zugegangen.
3.Prätorisches Recht
Die Ständekämpfe zwischen Plebejern und Patriziern sind nach Veröffentlichung der Zwölf Tafeln nur vorübergehend abgeklungen. Der dadurch erhoffte Gewinn an Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit war nicht von langer Dauer (1. Kapitel 1, S. 27.). Gegen Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. erreichte der Kampf von Angehörigen einflussreicher plebejischer Familien um den Zugang in die regierende Adelsschicht einen neuen Höhepunkt. Zwar mussten die Pontifices sich nun dem Buchstaben des Gesetzes unterwerfen. Dies hinderte sie aber nicht, die Rechtspflege bald wieder im Stil einer Geheimwissenschaft zu betreiben. Die interpretatio [<<62] eröffnete Spielräume für Entscheidungen, die über den Wortlaut des Gesetzes weit hinaus gingen. Der Bedarf an neuen Problemlösungen war derart angewachsen, dass die Pontifices mit der Kompetenz zur Auslegung faktisch die Herrschaft über die gesamte Rechtsfortbildung erlangten. Es ist kein Zufall, dass in der Geschichte des Rechts immer wieder Versuche unternommen wurden, die Auslegungskompetenz von Juristen zu beschneiden oder Auslegung und Kommentierung von Gesetzen ganz zu unterbinden. Bekannte Beispiele sind die von Justinian und von Friedrich dem Großen angeordneten Kommentierungsverbote (4. Kapitel 5.1, S. 114; S. 285). Die Pontifices haben aber nicht nur die Zwölf Tafeln ausgelegt, sondern auch die Klagen (legis actiones) formuliert. Diese Klagen durften nur an festgesetzten Tagen (Kalender) erhoben werden. Auch hier waren ausschließlich sie mit den genauen Einzelheiten vertraut.
3.1 Das Ende der Priesterherrschaft
Nach der römischen Überlieferung ist die Machtstellung der Pontifices im Jahre 304 v. Chr. durch Gnaeus Flavius gebrochen worden. Gnaeus Flavius war bei dem berühmten Patrizier Appius Claudius Caecus als Schreiber angestellt, der sich näher mit den Klageformeln beschäftigt und sie in Buchform gebracht hat. Dieses Buch soll Gnaeus Flavius heimlich entwendet und dem Volk übergeben haben (D. 1.2.2.7). Außerdem soll er die Termine der Gerichtstage (Kalender) der Öffentlichkeit bekannt gemacht haben. Ohne Kenntnis der Kalender wäre das Wissen um die Formeln nutzlos gewesen. Auf Grund der Taten des Gnaeus Flavius waren Rechtsunkundige nicht mehr in jedem Fall auf Beratung durch die Pontifices angewiesen. Sie konnten sich nun – in gewissen Grenzen – selbst orientieren.
Um 300 v. Chr. öffnet man den Plebejern endlich den Weg zu den Priesterämtern der Pontifices und Auguren (lex Ogulnia). Allmählich lockert sich die enge Verflechtung von religiösem und weltlichem Leben und man sucht die Rechtspflege mehr nach rationalen Gesichtspunkten zu organisieren. Der Prätor wird zum „Hüter des Zivilrechts“ (Cicero, [<<63] De legibus, III § 8). Die sogenannten Jurisdiktionsmagistrate schaffen im Rahmen ihrer Rechtsprechungsgewalt (iurisdictio) von Fallgruppe zu Fallgruppe neue Klagemöglichkeiten. Zur iurisdictio ist der Stadtprätor befugt, dem schon bald ein Fremdenprätor zur Seite gestellt wird (vgl. 2. Kapitel 4, S. 66.). Daneben besteht eine besondere Zuständigkeit der kurulischen Ädilen für den Markthandel. Da die Magistraturen Ehrenämter (honores) sind, nennt man das Amtsrecht der Prätoren und der kurulischen Ädilen in seiner Gesamtheit ius honorarium. Das ius honorarium tritt neben das überkommene ius civile und gewinnt zumal für den Rechtsverkehr mit Ausländern erhebliche Bedeutung.
3.2 Der Formularprozess
Der Prätor entscheidet über die Zulassung der Klage (actio) und bestimmt den Richter (iudex), der die Beweisaufnahme durchzuführen und das Urteil zu fällen hat. Die für den römischen Zivilprozess charakteristische Aufgabenteilung zwischen Prätor und Richter hängt damit zusammen, dass zur Gewährleistung der Rechtsdurchsetzung nur eine begrenzte Anzahl von höheren Beamten zur Verfügung stand. Die Zweiteilung entlastet den Prätor, sie fördert aber auch – wie die moderne Gewaltenteilung – die Unparteilichkeit der Rechtsfindung. Zwar ist der Prätor nach wie vor an das ius civile gebunden, aber nicht darauf beschränkt. Er kann auf Grund seiner iurisdictio neue Rechtsbehelfe gewähren, was vor allem im Rahmen des Formularprozesses geschah. Die Einführung des Formularprozesses ging Hand in Hand mit einer zunehmenden Differenzierung und Weltverflochtenheit der römischen Gesellschaft. Die alte Technik der Spruchformeln verlor allmählich an Überzeugungskraft. Dass sein Recht verlieren konnte, wer die Formeln nicht beherrschte oder sich versprach, wurde als zu hart empfunden. So setzte sich ein gelockertes Verfahren durch, in dem nicht mehr die Parteien zu förmeln brauchten, sondern nur noch der Prätor bei der Instruktion des Richters. Die Instruktionen erfolgten schriftlich, man nennt sie Schriftformeln oder Formulare. Diese Formulare bildeten einen Teil des prätorischen Edikts. Das Aufkommen der prätorischen Rechtsschöpfung zeigt, wie [<<64] sich die römische Rechtskultur allmählich von der in den Zwölf Tafeln verschriftlichten Mündlichkeit absetzt und die Schriftlichkeit den alten Formalismus überwindet.