Kitabı oku: «Lords of the Left-Hand Path», sayfa 2

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KAPITEL 1
Der linkshändige Pfad

Beginnen wir mit einigen Definitionen. Die philosophische Forschung strebt nach Klarheit, und wir benötigen Klarheit gerade auf solchen allgemein wenig bekannten Gebieten. Ohne genaue Definitionen wird jeder, der diesen Pfad beschreitet, gleichgültig auf welcher Stufe er sich befindet, in einen Strudel von Missverständnis und Verworrenheit hinabgezogen (wie unten im Kapitel über die historischen Erscheinungsformen des linkshändigen Pfades und die „Schwarze Magie“ besonders deutlich wird). Ein genaues Verständnis des Wesens des linkshändigen Pfades ist mit einer präzisen Theorie des Universums verbunden, in dem er sich zeigt. Diese Theorie sowie das Modell, das sie repräsentiert, werden in der Analyse der historischen Traditionen des linkshändigen Pfades deutlich hervortreten.1

Das Universum ist die Gesamtheit alles Existierenden, des Bekannten wie des Unbekannten. Es handelt sich um ein sehr komplexes Modell, das sich wenigstens in zwei Bereiche unterteilen läßt: in das objektive und das subjektive Universum. Das objektive Universum ist der natürliche Kosmos bzw. die Ordnung der Welt. Diese ist beispielsweise von physikalischer oder von organischer Art und wird von gewissen vorhersagbaren Gesetzen beherrscht, die sich in einem Raum-Zeit-Kontinuum manifestieren. Das objektive Universum, einschließlich der Gesetze, die es durchwalten, kann mit der „Natur“ ebenso wie mit „Gott“, in jüdisch-christlicher Tradition, gleichgesetzt werden. Jede Naturwissenschaft beruht wie die orthodoxe Theologie auf der Voraussetzung, dass diese Gesetze des objektiven Universums entdeckt und berechnet bzw. auf rein rationale Weise oder auch aufgrund einer göttlichen Offenbarung beschrieben werden können. Bei näherer Betrachtung erscheint es evident, dass dasjenige, was man in orthodoxer religiöser Tradition gewöhnlich als „Gott“ bezeichnet, eigentlich mit dem identisch ist, was man gemeinhin als dessen Schöpfung bezeichnet: die natürliche, mechanische oder organische Weltordnung bzw. der Kosmos. Ebenso sollte hier auf die allgemein übliche, aber manchmal zu Missverständnissen führende Unterscheidung zwischen den Begriffen des „Mechanischen“ und des „Organischen“ hingewiesen werden. Auf einer Ebene bezeichnen sie in dem Sinne das gleiche, dass in ihnen vorhersagbare Gesetzmäßigkeiten vorwalten. Ein Uhrwerk und der menschliche Leib sind beide von gewissen mechanischen Prinzipien beherrscht, die es ihnen ermöglichen, in ihrer jeweiligen Umgebung zu funktionieren. Auf einer anderen Ebene gibt es zwischen dem mechanischen und dem organischen Körper dahingehend einen Unterschied, dass letzterer die Fähigkeit besitzt, seine mechanischen Strukturen zu verändern und fortzupflanzen, um sein Überleben sicherzustellen. Dies ist deshalb möglich, weil in dem Organismus Vorrichtungen genau zu diesem Zweck codiert sind (DNA) und weil die veränderlichen molekularen Strukturen deshalb Mutationen erlauben.

Das subjektive Universum ist die Welt jedes fühlenden Wesens im Universum. Es gibt so viele subjektive Universen wie es fühlende Wesen gibt. Das subjektive Universum ist die partikulare Erscheinung von Bewusstsein innerhalb des Universums. Gewöhnlich gibt es eine Erfahrung des objektiven Universums lediglich als Information, die durch das subjektive Universum vermittelt wird. Erstaunlicherweise scheint das subjektive Universum nicht von denselben natürlichen/​mechanischen/​organischen Gesetzen wie das objektive Universum geleitet zu sein. Tatsächlich besteht darin der wesentliche Unterschied zwischen beiden. Das subjektive Universum hat die Möglichkeit, auf eine außernatürliche Weise – frei von den engen Grenzen der fünf Sinne und der drei Dimensionen – tätig zu sein.

An dieser Stelle sollte übrigens hervorgehoben werden, dass die Begriffe „objektiv“ und „subjektiv“ nichts mit der Unterscheidung von „richtig“ und „falsch“ oder „genau“ und „ungenau“ zu tun haben, wie es der umgangssprachliche Gebrauch dieser Worte nahelegen könnte. Das subjektive Universum ist einer weitaus größeren Genauigkeit und Mannigfaltigkeit seiner Handlungen als das objektive fähig. Ein gutes Beispiel sind etwa Ihre Lektüre und Ihr Verständnis des vorliegenden Textes, die darauf beruhen, dass Sie eine Fähigkeit Ihres subjektiven Universums anwenden. In einfachen grammatischen Begriffen gesprochen, ist das Subjekt der Leser (d. h. „dasjenige, was liest“), und das Objekt ist das Gelesene. Das subjektive Universum verfügt über ein gewaltiges Spektrum an Möglichkeiten, das von theoretisch absoluter Präzision bis zu völligem Wahnsinn reicht, weil es nicht an natürliche Gesetze gebunden ist. Der Fokus oder das „Epizentrum“ dieses außernatürlichen subjektiven Universums wird mit dem menschlichen Bewusstsein, der Seele oder dem Selbst identifiziert.

Der außernatürliche Aspekt dieser Seele zeigt sich eindeutig und gründlich in dem Drang der Menschheit, Strukturen, die künstlich im subjektiven Universum entstanden sind, auf das objektive zu übertragen. Alle auf künstliche Weise (also durch Kunstfertigkeit oder Handwerk) hervorgebrachten Strukturen sind per Definitionem vom natürlichen Kosmos getrennt und stehen außer ihm, seien sie Pyramiden, Gedichte oder politische Institutionen. Die Tiere hingegen, von denen viele über hochkomplexe Sozialverhältnisse verfügen, sind durch die Natur und ihr biologisches Programm determiniert. Das Wolfsrudel hat immer dieselben gesellschaftlichen Prinzipien, egal in welchem Teil der Welt, ob heute oder vor Millionen Jahren. Sie aber werden schwerlich auch nur zwei soziale Institutionen finden, die absolut identisch sind. Alles, was aus dem subjektiven Universum hervorgegangen ist, trägt den Stempel der Vielfalt.

Jeder einzelne Bestandteil der Seele – der Erscheinung des subjektiven Universums – verweist auf die Urform oder das Grundprinzip, von dem sich alle seine partikularen Manifestationen herleiten. In den philosophisch am subtilsten ausgebildeten Schulen des linkshändigen Pfades wird dieses Prinzip einer isolierten Intelligenz als „Fürst (prince) der Finsternis“ oder als höchste Gottheit des linkshändigen Pfades aufgefaßt. (Man beachte, dass Begriffe wie prince, „Fürst“, „Prinz“, und Prinzip von dem lateinischen Wort princeps, „Herrscher“, „Führer“, abgeleitet sind, das dem Wortsinne nach denjenigen bezeichnet, der den ersten Platz einnimmt.) Es handelt sich um den Archetypus des Selbst, von dem alle anderen Selbste abstammen. Ebenso ist es ein Element des außernatürlichen Universums, das objektiv zum Universum selbst hinzugehört. In diesem Sinne kann der Fürst der Finsternis als unabhängiges fühlendes Wesen im objektiven Universum verstanden werden, da hierin das eigentliche Prinzip dieser Qualität des Universums liegt. Die Menschheit ist die einzige bekannte Spezies, die diese Qualität ebenfalls besitzt.

Der rechtshändige und der linkshändige Pfad

Nun stellt sich die entscheidende Frage: Auf welche Weise bezieht sich die freie, bewusste Seele auf das objektive Universum oder die Welt insgesamt, oder wie interagiert sie mit dieser? Der rechtshändige Pfad beantwortet diese Frage mit der Annahme, dass das subjektive Universum sich mit den Gesetzen des objektiven Universums in Einklang bringen müsse – ob man sich dieses nun als Gott oder als Natur vorstelle. Das eigentlich Menschliche besteht darin, nach Wissen von diesen Gesetzmäßigkeiten zu streben und sich ihnen sodann zu unterwerfen, um letztendlich die Einheit mit dem objektiven Universum, Gott oder der Natur, zu erlangen. Der rechtshändige Pfad ist der Weg der Vereinigung mit der universalen Realität (Gott oder Natur). Wenn dieses Ziel erreicht ist, wird das individuelle Selbst ausgelöscht werden; das Individuum wird eins mit der göttlichen oder natürlichen Ordnung des Kosmos. Auf dieser letzten Stufe wird das Ego in dem Augenblick, in dem es in den „Himmel“ eintritt oder (Nicht-)Existenz des Nirwana „erreicht“, vernichtet. Darin liegt erklärtermaßen das Ziel aller orthodoxen jüdischen, christlichen, muslimischen und buddhistischen Schulen.

Der linkshändige Pfad betrachtet die Stellung des Menschen wie sie ist; er erkennt den manifesten und tiefverwurzelten Wunsch jedes menschlichen Wesens an, ein freier, machtvoller und unabhängiger Akteur innerhalb seiner oder ihrer Welt zu sein. Freuden und Leiden, die aus einer selbstbestimmten Existenz resultieren, werden begrüßt und als die deutlichsten Zeichen des höchsten, edelsten Schicksals angesehen, das zu erlangen dem Menschen möglich ist – eine Art von unabhängiger Existenz auf einer Stufe, die gemeinhin als göttlich bezeichnet wird.

Ebenso wie die meisten Menschen, während sie durch ihr natürliches, alltägliches Leben gehen, nach allem streben, was ihnen möglichst viel Wissen, Macht, Freiheit, Unabhängigkeit und Ansehen in ihrer Welt verschafft, so erweitern diejenigen, die den linkshändigen Pfad beschreiten, dies logischerweise auf die außernatürlichen Gefilde. Sie weisen die Mahnungen des rechtshändigen Pfades zurück, solche spirituellen Bestrebungen seien „böse“, und sie sollten die allgemeine Ordnung (Gottes, der Natur usw.) bejahen und brave Mitglieder der Gemeinschaft werden. Die Gewißheit der Unabhängigkeit des Selbst wird von vielen als die grundlegende Wirklichkeit der menschlichen Natur verstanden: Man kann sie akzeptieren und leben oder zurückweisen und sterben. Wenn man diese innere, wohlbekannte Realität des menschlichen Bewusstseins annimmt, bejaht man eine ewig dynamische – ewig sich wandelnde und verändernde – Wirklichkeit; wenn man sie hingegen zurückweist und die äußere, unbekannte Realität Gottes oder der Natur vorzieht, wird man mit einem ewig beharrenden – ruhenden und unbeweglichen – Dasein vorliebnehmen. Aus einer gewissen aufgeklärten Perspektive sind beide Wege gleichermaßen gut und ausgezeichnet, und es hängt lediglich von der eigenen, bewussten Willensentscheidung ab, diesen oder jenen strikt und ohne Selbstbetrug zu befolgen.

Seinem Wesen nach ist der linkshändige Pfad derjenige der Nichtverschmelzung mit dem objektiven Universum. Er ist der Weg, das Bewusstsein innerhalb des subjektiven Universums zu isolieren und die Seele oder Psyche in der Weise einer selbst auferlegten Einsamkeit zu immer höheren Graden zu erheben. Das objektive Universum ist letztlich dazu geschaffen, mit dem Willen einer individuellen Psyche in Übereinstimmung zu gelangen, anstatt diesem seine Freiheit zu belassen. Während der rechtshändige Pfad theozentrisch ist (oder „alleozentrisch“, indem er den anderen in den Mittelpunkt rückt), ist der linkshändige psychozentrisch bzw. seelen- oder selbstzentriert. Wer auf dem linkshändigen Pfad wandelt, wird über das Wesen von Selbst, Ich oder Seele diskutieren, aber die Tatsache, dass das Individuum im Epizentrum dieses Pfades selbst steht, scheint eindeutig. Nach Auffassung des linkshändigen Pfades besteht eine ewige Trennung zwischen individuellem Geist und objektivem Universum. Daraus ergibt sich die Unsterblichkeit des unabhängigen Selbstbewusstseins, wenn es sich innerhalb des objektiven Universums bewegt und mit ihm nach seinem Willen verfährt.

Weiße und Schwarze Magie

Die Begriffe „Weiße Magie“ und „Schwarze Magie“ wurden durch den allgemeinen Sprachgebrauch so sehr verfälscht, dass sie, wie man wohl sagen muss, den größten Teil ihrer Bedeutung verloren haben. Ich möchte sie daher, um meine Terminologie zu verdeutlichen, vor dem Hintergrund eines sinnvollen philosophischen Kontextes neu interpretieren. Magie kann als eine Methode definiert werden, durch welche der Aufbau des subjektiven oder objektiven Universums aufgrund eines Willensaktes, der in der Psyche bzw. dem Herzen des individuellen subjektiven Universums seinen Ursprung hat, verändert wird. Die vielleicht bekannteste Definition hat der englische Magier Aleister Crowley vorgetragen, als er sagte: „Magie (Magick) ist die Wissenschaft und Kunst, eine Veränderung im Einklang mit dem Willen herbeizuführen.“2

Es gibt derzeit nicht eine einzige, von Wissenschaftlern und praktizierenden Magiern gleichermaßen allgemein akzeptierte Definition von Magie, noch herrscht eine Übereinstimmung hinsichtlich der Unterschiede zwischen Religion und Magie. Wenn man aber die meisten zeitgenössischen Theorien heranzieht, kann man als zusammenfassende Interpretation vorschlagen: Magie ist die willentliche Anwendung symbolischer Methoden, um Veränderungen im Universum aufgrund symbolischer Kommunikationsakte mit paranormalen Faktoren zu bewirken oder zu verhindern. Diese Faktoren können innerhalb oder außerhalb des subjektiven Universums des Handelnden liegen. Magie ist ein Weg, Dinge geschehen zu lassen, die ansonsten nicht geschehen würden. Religion kann von Magie allein durch die Einbeziehung des Wesens des menschlichen Willens unterschieden werden. In der Magie sieht man den Willen als primär an und spricht ihm eine reale und von der Außenwelt unabhängige Existenz zu. Der Magier veranlaßt das Universum, seinen Beschwörungen derart zu willfahren, dass es sich selbst mit seinem Willen in Übereinstimmung bringt, während in der Religion die menschliche Gemeinschaft danach strebt, ihr Verhalten nach einem universalen Muster auszurichten, von dem man annimmt, dass es auf Gott oder die Natur zurückgehe.

Genau genommen, besteht der Unterschied zwischen Weißer und Schwarzer Magie einfach darin, dass es sich bei Weißer Magie um eine psychologische Methodenlehre mit dem Zweck handelt, eine Vereinigung mit dem Universum herbeizuführen und Ziele in Harmonie mit denen des Universums zu formulieren, während Schwarze Magie als Methodologie der Erlangung von Unabhängigkeit vom Universum und der Aufstellung am eigenen Selbst orientierter Ziele dient. Strukturell hat Weiße Magie viel mit Religion, wie wir sie oben definiert haben, gemeinsam; demgegenüber ist Schwarze Magie an und für sich in stärkerem Maße als eigentliche Magie zu betrachten. Daraus folgt, dass Magie als Summe von Verhaltensweisen von orthodoxen religiösen Systemen oft verurteilt wurde.

Die historischen Formulierungen von Weißer und Schwarzer Magie werden weiter unten diskutiert, aber zum Zweck eines präzisen Verständnisses werde ich „Weiße Magie“ zur Bezeichnung der spirituellen Methodologie oder Technik des rechtshändigen Pfades verwenden und „Schwarze Magie“ für die des linkshändigen Pfades reservieren.

Herren des linkshändigen Pfades

In diesem Buch stelle ich die Gedanken und Biografien vieler Magier und Philosophen in Vergangenheit und Gegenwart vor. Einige werden gemeinhin als „böse“ und „satanistisch“ angesehen, während andere durch die Geschichte gingen, ohne mit einem solchen Vorurteil behaftet zu sein. Aber Vorstellungen stimmen selten mit der Realität überein, auch wenn die Madison Avenue oder Washington DC Sie dies glauben machen wollen. Letztlich wird man einige dieser Gestalten, nach eingehender Analyse, nicht als Praktizierende des linkshändigen Pfades ansehen können. Die Kriterien, die ich zur Abgrenzung des eigentlichen Wesens des linkshändigen Pfades von scheinbar Zugehörigem anwende, müssen an dieser Stelle klar benannt werden. Einige der in diesem Buch behandelten Figuren erfüllen eine Reihe dieser Kriterien, aber doch nicht genug, um als „Herren“ oder „Meister“ des Pfades bezeichnet werden zu können.

Es gibt zwei Hauptkriterien, um jemanden als wahren Herrn (oder wahre Herrin) des linkshändigen Pfades zu identifizieren: Selbstvergöttlichung und Antinomismus. Das erstgenannte ist recht komplex: Das Gedankensystem, das ein Magier oder Philosoph vertritt, muss eines sein, welches die individuelle Selbstvergöttlichung, vorzugsweise beruhend auf einem magischen Initiationsschema, befördert. Wir werden sehen, dass zu diesem ersten Kriterium fünf verschiedene Aspekte gehören:

1. Selbstvergöttlichung: Das Erlangen eines erleuchteten (oder erwachten), unabhängig existierenden Intellekts und dessen relative Unsterblichkeit.

2. Individualismus: Der erleuchtete Geist ist derjenige eines Individuums, nicht eines Kollektivwesens.

3. Initiation: Die Erleuchtung und unerschütterliche Haltung, die zum Erreichen der angestrebten Entwicklungsstufe des Selbst notwendig sind, werden vom Magier durch dessen Willen Schritt für Schritt erlangt, und nicht, weil er oder sie von Anfang an schon „göttlich“ waren.

4. Magie: Die Praktizierenden des linkshändigen Pfades wenden, nach ihrer Anschauung, ihren Willen im Rahmen eines zweckmäßig eingerichteten Systems oder einer spirituellen Technik an, die dazu entwickelt wurde, das sie umgebende Universum mit ihrem selbständig geschaffenen Modell in Übereinstimmung zu bringen.

Das zweite Kriterium, der Antinomismus, besteht darin, dass sich die Praktizierenden für Opponenten gegen die grundlegenden Übereinstimmungen, den „Kern“, ihrer kulturell konditionierten und konventionalisierten Normen von „gut“ und „böse“ halten. Wahre Herren und Herrinnen des linkshändigen Pfades haben den spirituellen Mut, ihre Ziele mit den kulturellen Normen des „Bösen“ zu identifizieren. Sie werden die Symbole des konventionell „Bösen“, der „Unreinheit“ oder der „Rationalität“ oder sonstiger Qualitäten, die in ihrer Kultur üblicherweise gefürchtet und abgelehnt wird, bejahen. Die Herren und Herrinnen des linkshändigen Pfades werden sich selbst von ihren Mitmenschen abkehren; sie werden tatsächlich oder im übertragenen Sinne als Außenseiter leben, um diejenige Art von innerer Unabhängigkeit zu erreichen, die für die initiatorische Arbeit im Sinne des ersten Kriteriums nötig ist. Die Praxis, die diesem zweiten Kriterium entspricht, manifestiert sich oft in „Antinomismus“, d. h. in der absichtlichen Zurückweisung konventioneller normativer Kategorien: „böse“ wird zu „gut“, „unrein“ zu „rein“, „Dunkelheit“ zu „Licht“.

Anders gesagt, der Antinomismus impliziert etwas „Ungesetzliches“. Aber der Praktiker des linkshändigen Pfades ist kein Krimineller im gewöhnlichen Sinne. Er oder sie ist gewillt, die kosmischen Gesetze der Natur ebenso wie die konventionellen gesellschaftlichen Gesetze, die aus Unwissenheit und Unwissenheit resultieren, zu brechen. Während er so verfährt, strebt der Praktiker des linkshändigen Pfades allerdings nach einem „höheren Gesetz“ der Wirklichkeit, das sich auf Wissen und Macht gründet. Obwohl er jenseits von Gut und Böse verläuft, verlangt dieser Weg strenge ethische Standards. Diese Standards beruhen auf Verständnis und nicht auf blindem Gehorsam gegenüber äußeren Autoritäten.

Dieses letztgenannte Merkmal des wahrhaftigen linkshändigen Pfades ist die Hauptursache für zahlreiche Missverständnisse, nicht nur durch Außenstehende, sondern auch durch Personen, die dem Pfad folgen möchten. Es bedarf eines großen spirituellen Mutes, an der Abkehr nicht nur von der Umwelt, sondern auch von Aspekten des eigenen subjektiven Universums festzuhalten. Viele brechen unter dieser Last zusammen, scheitern an dieser Herausforderung und sinken zurück in den Sumpf ihrer kulturellen Normen.

Damit jemand wirklich als Herr oder Herrin des linkshändigen Pfades angesehen werden kann, muss er also die konventionellen Vorstellungen vom „Guten“ ablehnen und diejenigen vom „Bösen“ befürworten bzw. einen Antinomismus vertreten, um eine dauerhafte, unabhängige, erleuchtete und ermächtigte Stufe des Seins zu erreichen. Diese Selbstvergöttlichung kann nicht ohne die „satanische“ Komponente statthaben, die als eine Art Kompass durch den Morast der gewöhnlichen Empfindungen und Glaubensvorstellungen führt.

Während ich mich mit den Vorarbeiten zu diesem Buch befasste, bemerkte ich, dass es eigentlich zwei voneinander unterschiedene Zweige des linkshändigen Pfades gibt. Beide erfüllen die oben genannten Kriterien, aber sie nähern sich ihrem Ziel aus unterschiedlichen Richtungen. Der eine von beiden, den ich den „immanenten Zweig des linkshändigen Pfades“ nenne, geht von einem „objektivistischen“ und sogar materialistischen Standpunkt aus. Seine magischen Methoden sind oft von Metaphorik durchdrungen, und er orientiert sich zumeist nur am objektiven oder „kosmischen“ Universum. Bei diesem Zweig ist die antinomistische Stoßrichtung besonders stark akzentuiert. Unter den zeitgenössischen Schulen wird er von LaVeys Satanismus vertreten.

Der zweite Pfad, den ich als „transzendentalen Zweig des linkshändigen Pfades“ bezeichne, beruht auf einem psychozentrischen (seelen- oder intellektzentrierten) Modell. Er ist hochgradig idealistisch ausgerichtet, und seine magischen Methoden basieren gewöhnlich auf ewigen Formen oder Archetypen. Deutlich erkennt und feiert er die letztendliche Trennung des menschlichen Geistes von der ihn umgebenden kosmischen Ordnung. In seinen höchsten Formen ist der transzendentale Zweig auf das subjektive Universum gerichtet – auf die Loslösung des Selbst aus der Weltordnung und die Evolution jenes Selbst zu einer dauerhaften und machtvollen Stufe. Bei diesem Zweig wird der Aspekt der Selbstvergöttlichung besonders betont. Im Kontext moderner Schulrichtungen vertritt ihn insbesondere die sethianische magische Philosophie von Michael Aquino (siehe Kap. 10).

Ich werde meine Untersuchung des linkshändigen Pfades damit beginnen, wie er in „östlichen“ religiösen Systemen verstanden wurde, d. h. in Systemen, die ihre Wurzeln im indo-iranischen Kulturkreis haben. Zunächst diskutiere ich die Konzepte des rechtshändigen Pfades im Gegensatz zum linkshändigen vor dem Hintergrund von Hinduismus und Buddhismus (in dem diese Begriffe zuallererst aufkamen). Dieser Abschnitt wird die gesamte Betrachtung in einen nicht jüdisch-christlich geprägten Kontext einbetten, in welchem beide Pfade koexistierten und dieselbe Kosmologie vertraten. Dabei werfe ich auch einen Blick auf die dualistischen Lehren des Zoroastrismus und gehe der Frage nach, wie diese die Entwicklung des linkshändigen Pfades im Westen beeinflussten.

Die philosophischen Systeme einiger großer Weltkulturen wie die des Fernen Ostens (China und Japan) oder der mittelamerikanischen Welt wird der Leser möglicherweise vermissen. Zum Teil beruht dies auf meinen Wissensgrenzen, zum Teil scheint es aber auch, dass etwa die Systeme des Taoismus oder des Shinto nicht dieselben strengen Dichotomien aufweisen, auf denen ein Verständnis der Rolle des Einzelnen im Universum in der Terminologie der „beiden Pfade“ beruht. Das Maß, in dem sie doch in die verschiedenen Systeme eingegangen sind, dürfte mit dem Grad ihrer Berührung mit indo-arischem Denken in der Gestalt des Buddhismus zu tun haben.

Im zweiten Teil des Buches werde ich die westlichen Zweige des linkshändigen Pfades behandeln. Zunächst aber müssen wir die eigentliche Natur der „westlichen“ Traditionen deutlich verstehen. Es ist wichtig, einerseits zu erkennen, in welcher Hinsicht indigene europäische Systeme Aspekte mit „östlichen“ Traditionen teilen, als auch andererseits zu sehen, bis zu welchem Grade der „Westen“ tatsächlich ein Produkt südlichen Einflusses – vor allem aus Ägypten und dem Mittleren Osten – ist. Was wir oft „östlich“ nennen, ist in Wirklichkeit östlicher (oder nördlicher), was wir als „westlich“ bezeichnen, ist tatsächlich „mittelöstlicher“ oder südlicher Herkunft.

In unserer Betrachtung der ursprünglich-europäischen Traditionen werden wir zuerst die griechisch-römische Welt in den Blick nehmen. Der Mythos von Prometheus kann als Paradigma der Beziehung von „Schöpfergott“ zum „Spender der Gabe des göttlichen Funkens“ gesehen werden. In der nordischen Tradition werden wir den Mythos Odins als ursprüngliches Paradigma des Fürsten der Finsternis, der auf die „faustische“ Thematik vorausweist, erkennen.

Der Westen wurde selbstverständlich in hohem Maße aufgrund seiner Übernahme des Christentums (einer jüdischen Lehre aus dem Osten) sowie durch das Judentum selbst und später durch den Islam von Traditionen des Mittleren Ostens geprägt. Ein Verständnis dieser Tradition ist eine Grundvoraussetzung für die Sicht des linkshändigen Pfades im heutigen Westen. Von Bedeutung sind hier sowohl sumerische als auch semitische Auffassungen von der Rolle „böser Gottheiten“ in nichtjüdischen semitischen Religionen.

Die ägyptische Tradition, namentlich die Art, wie der Kult des Gottes Seth praktiziert wurde, ist nicht nur für das Verständnis der antiken Traditionen des linkshändigen Pfades, sondern auch im Hinblick auf ihre mögliche Relevanz für die zeitgenössische Verehrung Seths wesentlich.

Um die tiefe Bedeutung des linkshändigen Pfades im Westen von der Christianisierung bis zum Heraufdämmern unseres eigenen postmodernen Zeitalters zu erfassen, müssen wir die jüdischen Wurzeln des Christentums in den Ideen des „Bösen“ und im Wesen Satans erkennen. In dieser Hinsicht dürfen wir die gnostischen (vor allem ophitischen und naassenischen „Schlangen“-)Interpretationen der Funktion der Schlange/​Luzifers und seiner prometheischen Beziehung zur Menschheit nicht verkennen.

Die orthodoxe christliche Doktrin hinsichtlich desselben Mythos Eden steht hierzu, wie wir sehen, in einem fundamentalen Gegensatz. Eine rationale, objektive und wirklich vom Text geleitete Interpretation des „Mythos von Eden“ läßt die Schlange nämlich als „Beschützerin“ der Menschheit und spirituelle Schöpfergestalt erscheinen.

Weiterhin werden wir die bemerkenswerte Geschichte des linkshändigen Pfades in der islamischen Tradition kennenlernen, in der wir einigen besonders selbstbewussten Anhängern dieses Pfades vor dem zwanzigsten Jahrhundert begegnen. Viele Menschen, darunter auch heutige praktizierende Satanisten, glauben in irgendeiner Weise, dass das Mittelalter eine Hochzeit satanistischer Betätigung war. Nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt! Die Zeit des Mittelalters kannte kaum eine wirkliche Tätigkeit auf dem linkshändigen Pfad, obwohl die Kirche gerne glauben wollte (und andere glauben machte), dass es an jeder Ecke satanische Kulte gab. Dies endete, als vorhersagbare Radikalisierung rechtshändiger Ignoranz und Amok laufender Panik, im „Hexenwahn“ des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts.

Ein interessanter Niederschlag der mittelalterlichen Geistestradition in Deutschland war die faustische Mythe, die uns in die Neuzeit und darüber hinaus führt. Sie ist in starkem Maße von der Entwicklung geprägt, die von der geistigen Welt der faustischen Magier des Spätmittelalters zu derjenigen verläuft, die aus Goethes Faust spricht – dem Übergang von einem mittelalterlichen Denkmuster (nach Wissen und Macht zu streben, ist wesentlich „böse“) zu einem modernen (das Streben nach Wissen und Macht ist gut). Hier finden wir tatsächlich eine Rückwendung zu antiken Vorbildern. Die Bilder, die man sich in der klassischen und romantischen Epoche vom Teufel machte, sind zweifellos für diesen Übergang in der westlichen Kultur von Bedeutung.

Im Verlaufe der Untersuchung werden wir auch einige Blicke auf Erscheinungsformen des linkshändigen Pfades in Renaissance und Aufklärung werfen, auf Miltons Satan, den Marquis de Sade und den unumgänglichen Hellfire Club. Auch die französischen „Satanisten“ des neunzehnten Jahrhunderts können nicht ignoriert werden, auch wenn sie aus der Perspektive des linkshändigen Pfades ein enttäuschendes Bild abgeben. Die meisten von ihnen verfügen über wenig bis gar kein Verständnis der tatsächlichen Lehren des linkshändigen Pfades, sondern laben sich genußvoll an der Dunkelheit als Einübung einer obskuren Ästhetik. Schließlich werden wir auch danach zu fragen haben, welche Aspekte des linkshändigen Pfades in Marxismus und Nationalsozialismus, zwei entgegengesetzten politischen (aber in vielem verwandten) Ideologien des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts zum Ausdruck gelangt sind.

Keine historische Periode ist für den Aufstieg des philosophischen Satanismus in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts so bedeutsam wie die Wiedergeburt des Okkultismus im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert. Die ursprünglich auf luziferische und gnostisch-ophitische Lehren zurückgehende Theosophie H.P. Blavatskys (wie sie insbesondere in ihrer Geheimlehre formuliert ist) bildet einen Zweig dieser Tradition, während der Thelemismus von Aleister Crowley einen anderen bildet. Crowley muss hier von einem rein philosophischen Standpunkt aus betrachtet werden. Obwohl er zweifellos zu den bedeutendsten Theoretikern des linkshändigen Pfades in der modernen westlichen Welt zählt, hat er zu diesem ein ausgesprochen ambivalentes Verhältnis. Im Zusammenhang mit dem Thelemismus haben wir auch auf die deutsche Fraternitas Saturni einzugehen, die von Gregor A. Gregorius (Eugen Grosche) gegründet und geleitet wurde. Ebenso müssen wir die Lehren des „Vierten Weges“ von G.I. Gurdjieff behandeln. Der letzte Teil des Buches befaßt sich detailliert mit den beiden bedeutendsten zeitgenössischen philosophischen Richtungen des linkshändigen Pfades: mit Anton LaVeys Church of Satan und Michael Aquinos Temple of Set.

Während des gesamten Buches werde ich immer wieder, gestützt auf die in diesem Kapitel eindeutig herausgestellten Prinzipien, versuchen, eine Bresche in den Dschungel von Konfusion, Missverständnis und Fehlinformation über den linkshändigen Pfad und die Praxis heutiger Schwarzer Magie zu schlagen. Mir ist nur allzu bewusst, dass viele dieser Begriffe in der Geschichte bis auf den heutigen Tag von Vertretern des rechtshändigen Pfades oder von Personen, die viele Jahre lang von solchen Quellen in die Irre geführt wurden, in einer Weise verwendet worden sind, die sehr von meinem Gebrauch abweicht. Der Unterschied besteht ganz einfach darin, dass ich über den linkshändigen Pfad aus einer internen Perspektive schreibe, während die meisten anderen Texte von einem externen Standpunkt aus verfaßt wurden. Dasjenige zu lesen, was ein Anhänger des rechtshändigen Pfades über den linkshändigen zu sagen hat, gleicht beinahe der Lektüre eines Buches über die Wall Street, das von einem Wirtschaftsprofessor, der während der Sowjetzeit an der Universität Moskau studiert hat, geschrieben wurde. Er mag interessante Einsichten haben, aber ohne die Perspektive eines Börsenmakler an der Wall Street wird er zu keinem rechten Verständnis gelangen, wie der Aktienmarkt funktioniert.