Kitabı oku: «50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2 (Golden Deer Classics)», sayfa 3

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Fünfzehn Monate nach seinem Erfolg in der Oper, der ihn zu früh in eine Gesellschaft hineinwarf, in der der Abbé ihn erst sehen wollte, wenn er ihn durchaus gegen die Welt gewaffnet hätte, standen drei schöne Pferde in Luciens Stall, ein Coupé für den Abend, ein Kabriolett und ein Tilbury für den Vormittag. Er aß in der Stadt. Herreras Ahnungen hatten sich erfüllt: ein Leben der Zerstreuungen hatte sich seines Schülers bemächtigt; aber er hatte es notwendig gefunden, der sinnlosen Liebe, die dieser junge Mann für Esther im Herzen bewahrte, Ablenkung zu verschaffen. Nachdem er etwa vierzigtausend Franken ausgegeben hatte, hatte jede Torheit Lucien nur um so lebhafter zu der Torpille zurückgeführt, die er hartnäckig suchte; und da er sie nicht fand, so wurde sie für ihn das, was das Wild für den Jäger ist. Konnte Herrera wissen, welcher Art die Liebe eines Dichters ist? Hat sich einem dieser großen kleinen Leute diese Empfindung einmal in den Kopf gesetzt, wie sie das Herz versengt und die Sinne durchdrungen hat, so wird der Dichter der Menschheit ebensosehr durch seine Liebe überlegen, wie er es durch die Macht seiner Phantasie ist. Da er einer Laune der intellektuellen Zeugung die seltene Fähigkeit verdankt, die Natur durch Bilder auszudrücken, denen er zugleich Empfindung und Gedanken aufprägt, leiht er seiner Liebe die Flügel seines Geistes; er empfindet und er malt, er handelt und denkt, er vervielfältigt seine Empfindungen durch sein Denken, er verdreifacht die gegenwärtige Seligkeit durch stets weiß, beflügelt, rein und geheimnisvoll, wie sie für ihn geworden war, da sie erriet, daß er sie so wollte.

Gegen Ende des Mai 1825 hatte Lucien seine ganze Lebhaftigkeit eingebüßt; er ging nicht mehr aus, er speiste mit Herrera, war nachdenklich, arbeitete, las die Sammlung diplomatischer Traktate, saß nach türkischer Weise auf einem Diwan und rauchte am Tage drei oder vier Hukas. Sein Groom hatte mehr damit zu tun, die Schläuche dieses schönen Werkzeugs zu reinigen und zu parfümieren, als das Fell der Pferde zu striegeln und sie für die Ausfahrten im Bois mit Rosen zu schmücken. An dem Tage, als der Spanier Luciens Stirn bleich sah, als er in den Torheiten der unterdrückten Liebe die Spuren der Krankheit erkannte, wollte er dieses Menschenherz ergründen, auf das er sein Leben gebaut hatte.

Eines schönen Abends, als Lucien, in einem Sessel liegend, mechanisch durch die Bäume des Gartens dem Sonnenuntergang zusah, indem er, wie es gedankenverlorene Raucher tun, in langen und gleichmäßigen Wolken den Schleier seines parfümierten Rauches ausbreitete, zog ihn ein tiefer Seufzer aus seiner Träumerei. Er wandte sich um und sah den Abbé mit untergeschlagenen Armen dastehen.

»Du hast dagestanden?« sagte der Dichter. »Seit langem,« sagte der Priester; »meine Gedanken sind dem Flug der deinen gefolgt … « Lucien verstand dieses Wort. »Ich habe mich nie für eine eherne Natur ausgegeben, wie du es bist. Für mich ist das Leben abwechselnd ein Paradies und eine Hölle; aber wenn es gerade einmal weder das eine noch das andere ist, so langweilt es mich; und ich langweile mich … « »Wie kann man sich langweilen, wenn man so viele großartige Hoffnungen vor sich hat? … « »Wenn man an diese Hoffnungen nicht glaubt, oder wenn sie zu verschleiert sind … « »Keine Dummheiten!« sagte der du klein bist; aber du darfst nicht den Prägstock zerbrechen, mit dem wir Geld münzen. Ich erlaube dir alles, ausgenommen die Fehler, die deine Zukunft zertrümmern würden. Wenn ich dir die Salons des Faubourg Saint-Germain öffne, so verbiete ich dir, dich in der Gosse zu wälzen. Lucien, ich werde in deinem Interesse wie eine Eisenschranke sein; ich will alles von dir, für dich erdulden. Und deshalb habe ich deinen Mangel an Fühlung mit dem Spiel des Lebens in die Finesse eines gewandten Spielers verwandelt … «

Lucien hob in einer Bewegung wütender Schroffheit den Kopf. »Ich habe die Torpille entführt!« »Du?« schrie Lucien auf. In einem Anfall tierischer Wut sprang der Dichter empor und warf dem Priester, den er so heftig zurückstieß, daß er den Athleten zu Boden schleuderte, das Bocchinetto aus Gold und Edelsteinen ins Gesicht. »Ich,« sagte der Spanier, indem er sich erhob und ohne seine furchtbare Würde zu verlieren.

Die schwarze Perücke war gefallen. Ein Schädel, blank wie ein Totenkopf, gab diesem Manne seine wahre Physiognomie zurück; sie war grauenhaft. Lucien lag mit hängenden Armen und überwältigt auf seinem Diwan und starrte den Abbé mit stumpfer Miene an.

»Ich habe sie entführt,« wiederholte der Priester. »Was hast du aus ihr gemacht? Du hast sie am Morgen nach dem Maskenball entführt … « »Ja, am Morgen nach dem Tage, als ich sah, wie ein Wesen, das dir gehörte, von Schelmen beschimpft wurde, denen ich nicht den Fuß in den … « »Schelmen?« sagte Lucien, indem er ihn unterbrach, »sag Ungeheuern, neben denen die, die man guillotiniert, Engel sind. Weißt du, was die Torpille für drei unter ihnen getan hat? Einer von ihnen war zwei Monate lang ihr Liebhaber. Sie war arm und suchte sich ihr Brot in der Gosse; er hatte keinen Heller, er war wie ich, als du mir begegnetest, dem Fluß recht nahe; mein Bürschchen stand nachts auf und ging zu dem Schrank, in dem die Reste der Mittagsmahlzeit dieses Mädchens waren, und aß sie auf; sie entdeckte schließlich diese Kniffe und begriff die Scham; sie sorgte dafür, daß viele Reste übrig blieben, und sie war glücklich; sie hat das niemandem als mir gesagt, in ihrem Fiaker, als wir aus der Oper kamen. Der zweite hatte gestohlen; aber ehe man den Diebstahl bemerken konnte, lieh sie ihm die Summe, die er wieder hinlegen konnte; und er hat stets vergessen, sie dem armen Mädchen zurückzugeben. Für den dritten hat sie sein Glück gemacht, indem sie eine Komödie spielte, in der sich Figaros Genie zeigte: sie hat sich für seine Frau ausgegeben und ist die Geliebte eines allmächtigen Mannes geworden, der sie für die naivste der Bürgerfrauen hielt. Dem einen das Leben, dem andern die Ehre, dem letzten sein Vermögen, und das bedeutet heute all jenes! Und so wird es ihr von ihnen gelohnt … « »Willst du, daß sie sterben?« sagte Herrera, dem eine Träne in die Augen trat. »Nun, da bist du! Jetzt erkenne ich dich … « »Nein, erfahre alles, rasender Dichter,« sagte der Priester: »die Torpille lebt nicht mehr.«

Lucien warf sich so kräftig auf Herrera, um ihn an der Kehle zu packen, daß jeder andere gestürzt wäre; aber der Arm des Spaniers hielt den Dichter zurück.

»Höre doch zu,« sagte er kühl. »Ich habe eine keusche, reine, wohlerzogene, fromme Frau aus ihr gemacht, eine anständige Frau; sie ist auf dem Wege der Bildung. Sie kann, sie muß, unter der Herrschaft deiner Liebe, eine Ninon, eine Marion Delorme, eine Dubarry werden, wie dieser Journalist in der Oper sagte. Du wirst sie als deine Geliebte anerkennen oder hinter dem Vorhang deiner Schöpfung verborgen bleiben, was verständiger ist! Das eine wie das andere wird dir Vorteil und Ruhm, Genuß und Fortschritt eintragen. Aber wenn du ein ebenso großer Politiker wie Dichter bist, so wird dir Esther nur eine Dirne sein; denn später wird sie uns vielleicht aus der Verlegenheit ziehen, sie ist ihr Gewicht in Gold wert. Trinke, aber berausche dich nicht. Wenn ich deiner Leidenschaft nicht in die Zügel gefallen wäre, wo wärst du da heute? Du hättest dich mit der Torpille im Schlamm des Elends gewälzt, aus dem ich dich herausgezogen habe … Da, lies!« sagte Herrera so einfach wie Talma im ›Manli us‹, den er nie gesehen hatte.

Dem Dichter fiel ein Papier auf die Knie und entriß ihn der ekstatischen Verwunderung, in die ihn diese beängstigende Antwort gestürzt hatte; er nahm es und las den ersten je von Fräulein Esther geschriebenen Brief:

»An den Abbé Carlos Herrera.

Mein teurer Gönner! Werden Sie nicht glauben, daß bei mir die Dankbarkeit den Vortritt vor der Liebe hat, wenn Sie sehen, daß ich die Fähigkeit, meine Gedanken schriftlich auszudrücken, zuerst dazu benutze, Ihnen zu danken, statt eine Liebe zu schildern, die Lucien vielleicht vergessen hat? Aber ich werde Ihnen sagen, göttlicher Mann, was ich ihm zu sagen nicht wagen würde, obwohl er zu meinem Glück noch auf der Erde steht. Die gestrige Zeremonie hat Schätze der Gnade in mein Inneres gegossen, und also lege ich mein Schicksal in Ihre Hand. Müßte ich sterben, indem ich meinem Geliebten fernbleibe, so werde ich gereinigt sterben wie Magdalena, und meine Seele wird für ihn die Nebenbuhlerin seines Schutzengels werden. Werde ich je das gestrige Fest vergessen? Wie sollte ich dem glorreichen Thron entsagen, auf den ich gestiegen bin? Gestern habe ich all meine Besudelungen im Wasser der Taufe abgewaschen, und ich habe den heiligen Leib unseres Heilandes empfangen; ich bin zu einem seiner Tabernakel geworden. In jenem Augenblick habe ich den Gesang der Engel gehört, ich war mehr als eine Frau, ich wurde einem Leben des Lichts geboren, mitten unter den Zurufen der Erde, von der Welt bewundert, in einem Gewölk des Weihrauchs und der Gebete, das berauschte, geschmückt wie eine Jungfrau für einen himmlischen Gatten. Als ich mich, was ich niemals hoffen konnte, Luciens würdig fand, habe ich jede unreine Liebe abgeschworen, und ich will nicht mehr auf andern Wegen als denen der Tugend wandeln. Wenn mein Leib schwächer ist als meine Seele, so möge er zugrunde gehen! Seien Sie Richter über mein Schicksal, und wenn ich sterbe, so sagen Sie Lucien, daß ich für ihn gestorben bin, indem ich für Gott geboren wurde. Sonntag Abend.«

Lucien hob seine tränenfeuchten Augen.

»Du kennst die Wohnung der dicken Caroline Bellefeuille, in der Rue Taitbout,« fuhr der Spanier fort. »Dieses Mädchen war, als sie von ihrem Richter verlassen wurde, in furchtbarer Not, sie sollte gepfändet werden; ich habe ihre Wohnung in Bausch und Bogen kaufen lassen, sie ist mit ihren Sachen ausgezogen. Esther, dieser Engel, der zum Himmel steigen wollte, ist dort niedergestiegen und wartet auf dich.«

In diesem Augenblick hörte Lucien im Hof seine stampfenden Pferde; er hatte nicht die Kraft, seine Bewunderung für eine Ergebenheit auszusprechen, die nur er zu würdigen wußte: er warf sich dem Menschen, den er beschimpft hatte, in die Arme und machte alles durch einen einzigen Blick und seine überströmende Empfindung wieder gut; dann eilte er die Treppe hinunter, warf seinem Groom Esthers Adresse ins Ohr, und die Pferde flogen davon, als belebte die Leidenschaft ihres Herrn ihre Beine.

Am folgenden Tage ging ein Mann, den die Vorübergehenden nach seiner Kleidung hätten für einen verkleideten Gendarmen halten können, in der Rue Taitbout einem Hause gegenüber auf und ab, als wartete er, daß jemand herauskäme; sein Schritt war der erregter Leute. Man wird in Paris oft solche leidenschaftlichen Spaziergänger treffen, echte Gendarmen, die einen widerspenstigen Nationalgardisten belauern, Gerichtsdiener, die ihre Maßnahmen für eine Verhaftung treffen, Gläubiger, die darauf sinnen, ihren Schuldnern einen Schimpf anzutun, wenn sie sich eingeschlossen halten, eifersüchtige und argwöhnische Liebhaber oder Ehemänner, oder schließlich Freunde, die für Freunde Posten stehen; aber recht selten wird man einem Gesicht begegnen, das von den wilden, rauhen Gedanken entflammt ist, wie sie das Gesicht des düstern Athleten belebten, der unter den Fenstern Fräulein Esthers mit der gedankenverlorenen Eile eines Bären im Käfig hin und her ging. Gegen Mittag tat sich ein Fenster auf, um die Hand einer Kammerfrau hinauszulassen, die die mit einer Polsterfütterung versehenen Läden aufstieß. Ein paar Augenblicke darauf trat Esther im Negligé vor, um frische Luft zu schöpfen; sie stützte sich auf Lucien. Wer sie gesehen hätte, hätte sie für das Original einer anmutigen englischen Vignette gehalten. Esther bemerkte sofort die Basiliskenaugen des spanischen Priesters, und wie von einer Kugel getroffen, stieß das arme Geschöpf einen furchtbaren Schrei aus.

»Da ist der schreckliche Priester,« sagte sie, indem sie ihn Lucien zeigte. »Der!« sagte er lächelnd, »der ist so wenig Priester wie du … « »Was ist er denn?« fragte sie beängstigt. »Nun, ein alter Schuft, der nur an den Teufel glaubt,« sagte Lucien.

Wäre dieser Lichtstrahl, der auf die Geheimnisse des falschen Priesters fiel, von einem weniger ergebenen Wesen aufgefangen worden, als Esther es war, so hätte er Lucien auf immer vernichten können. Als die beiden Liebenden vom Fenster ihres Schlafzimmers in das Eßzimmer hinübergingen, wo ihnen eben das Frühstück serviert worden war, begegneten sie Carlos Herrera.

ein Mädchen aus gutem Hause heiraten, zu deren Gunsten der König uns diese Gnade erweisen wird. Dieser Bund wird Lucien in die Welt des Hofes einführen. Dieses Kind, aus dem ich einen Mann zu machen verstanden habe, wird zunächst Gesandtschaftssekretär werden; später wird er an einem deutschen Hofe Botschafter, und mit Gottes oder meiner Hilfe – und meine ist mehr wert – wird er sich eines Tages auf die Bänke der Pairs setzen … « »Oder auf die Bänke … « sagte Lucien, indem er diesen Menschen unterbrach. »Schweig!« rief Carlos, indem er Lucien mit seiner breiten Hand den Mund zuhielt. »Ein solches Geheimnis einer Frau! … « flüsterte er ihm ins Ohr. »Esther eine Frau!« rief der Verfasser der ›Margueriten‹. »Immer noch Sonette?« sagte der Spanier, »oder besser Albernheiten! All diese Engel werden früher oder später wieder zu Frauen; nun hat die Frau immer Augenblicke, in denen sie zugleich Affe und Kind ist: zwei Wesen, die uns töten, weil sie lachen wollen … Esther, mein Juwel,« sagte er zu der entsetzten jungen Zöglingin, »ich habe Ihnen zur Kammerfrau ein Geschöpf gesucht, das mir ergeben ist, als wäre es meine Tochter. Zur Köchin werden Sie eine Mulattin haben; das gibt einem Hause einen stolzen Ton. Mit Europa und Asien werden Sie hier für einen Tausendfrankenschein monatlich, alles eingeschlossen, wie eine Königin … des Theaters leben können. Europa ist Schneiderin, Modistin und Statistin gewesen; Asien hat einem Lord und Feinschmecker gedient. Diese beiden Geschöpfe werden für Sie zwei Feen sein.«

Als Esther Lucien vor diesem Wesen, das sich mindestens einer Entweihung und einer Fälschung schuldig gemacht hatte, sehr klein werden sah, empfand sie, die durch ihre Liebe geheiligt war, einen tiefen Schrecken auf dem Grunde ihres Herzens. Ohne etwas zu erwidern, zog sie Lucien ins Zimmer und sagte zu ihm: »Ist das der Teufel?« »Etwas Schlimmeres … für mich,« erwiderte er lebhaft. »Aber wenn du mich liebst, so versuche, die Ergebenheit dieses Mannes nachzuahmen und gehorche ihm bei Todesstrafe … « »Bei Todesstrafe? … « sagte sie noch entsetzter. »Bei Todesstrafe,« wiederholte Lucien. »Ach, mein kleines Schäfchen, kein Tod ließe sich mit dem vergleichen, der mich ereilen würde, wenn … « Esther erblich, als sie diese Worte hörte, und fühlte, wie ihre Kräfte sie verließen.

»Nun,« rief ihnen der Fälscher und Kirchenschänder zu, »habt ihr denn eure Maßliebchen noch nicht kahl gezupft?«

Esther und Lucien kehrten zurück, und das arme Mädchen sagte, ohne daß sie es wagte, einen Blick auf den geheimnisvollen Menschen zu werfen: »Wir werden Ihnen gehorchen, wie man Gott gehorcht.« »Gut,« erwiderte er; »Sie können also eine Zeitlang sehr glücklich sein, und … Sie werden nur Haus- und Nachttoilette zu machen haben; das wird viel Geld ersparen.«

Und die beiden Liebenden gingen auf das Eßzimmer zu; aber Luciens Gönner machte eine Geste, um das hübsche Paar aufzuhalten, so daß es stehen blieb. »Ich habe Ihnen eben von Ihren Leuten gesprochen, liebes Kind,« sagte er zu Esther, »ich muß sie Ihnen vorstellen.«

Der Spanier schellte zweimal. Die beiden Frauen, die er Europa und Asien nannte, erschienen, und jetzt war der Grund dieser Beinamen leicht zu erkennen.

Asien, die auf der Insel Java geboren zu sein schien, zeigte dem Blick, als wolle sie ihn erschrecken, jenes den Malaien eigene kupferfarbene Gesicht, das flach ist wie ein Brett und in das die Nase wie durch einen gewaltsamen Druck hineingepreßt zu sein scheint. Die wunderliche Stellung der Kieferknochen gab dem Untergesicht einige Ähnlichkeit mit dem Gesicht der großen Affen. Der wenn auch niedrigen Stirn fehlte es nicht an der durch gewohnheitsmäßig angewandte List entwickelten Intelligenz. Zwei kleine brennende Augen bewahrten die Ruhe der Augen des Tigers, aber sie blickten einem nie ins Gesicht. Es sah aus, als fürchtete Asien, die Leute zu erschrecken. Die blaßblauen Lippen ließen Zähne von blendender Weiße sehen, die aber kreuzweis standen. Der allgemeine Ausdruck dieser tierischen Physiognomie war der der Feigheit. Die wie die Gesichtshaut glänzenden und fetten Haare umrandeten ein sehr reiches Kopftuch mit zwei schwarzen Streifen. Die äußerst hübschen Ohren zeigten als Schmuck zwei große Perlen. Klein, kurz, untersetzt, so glich Asien jenen närrischen Schöpfungen, die die Chinesen sich auf ihren Lichtschirmen erlauben; oder genauer, jenen indischen Idolen, deren Typus nicht mehr vorhanden sein zu sollen scheint, den aber die Reisenden schließlich doch noch finden. Als Esther dieses Ungeheuer sah, das über einem Kleid aus englischer Wolle mit einer weißen Schürze geziert war, durchlief sie ein Schauder.

»Asien,« sagte der Spanier, zu dem die Frau den Kopf mit einer Bewegung emporhob, wie sie sich nur mit der eines Hundes vergleichen läßt, der seinen Herrn ansieht, »das ist Eure Herrin.« Und er zeigte Esther in ihrem Hauskleid mit dem Finger.

Asien sah diese junge Fee mit einem fast schmerzlichen Ausdruck an; aber zugleich flog zwischen ihren engen Wimpern hervor wie der Funke eines Brandes ein ersticktes Licht auf Lucien, der, bekleidet mit einem prachtvollen offenen Schlafrock, einem Hemd aus friesischer Leinwand und einer roten Hose, eine türkische Mütze auf dem Kopf, von dem seine blonden Haare in starken Locken herabfielen, ein göttliches Bild darbot. Das italienische Genie kann die Erzählung von Othello erfinden, das englische kann es in Szene setzen, aber die Natur allein hat das Recht, in einen einzigen Blick einen vollständigeren und großartigeren Ausdruck der Eifersucht hineinzulegen, als England und Italien zusammen. Vor diesem Blick, den Esther auffing, ergriff sie den Spanier beim Arm und preßte ihm ihre Nägel ins Fleisch, wie es eine Katze getan hätte, die sich festhält, um nicht in einen Abgrund zu fallen, dessen Boden sie nicht sieht. Der Spanier sagte in einer unbekannten Sprache drei oder vier Worte zu diesem asiatischen Ungeheuer, das herbeikam und kriechend vor Esthers Füßen niederkniete, um sie ihr zu küssen.

»Sie ist«, sagte der Spanier zu Esther, »keine Köchin, sondern ein Koch, der Carême vor Eifersucht wahnsinnig machen würde. Sie wird Ihnen eine einfache Schüssel Bohnen so bereiten, daß Sie zweifeln, ob nicht die Engel herabgestiegen sind, um die Kräuter des Himmels darunter zu mischen. Sie wird jeden Morgen selbst in die Markthallen gehen und sich wie der Teufel schlagen, der sie ist, um die Dinge zum angemessensten Preis zu erhalten; sie wird die Neugierigen durch ihre Verschwiegenheit ermüden. Da man aussprengen wird, Sie seien in Indien gewesen, so wird Asien viel dazu beitragen, diese Fabel wahrscheinlich zu machen, denn sie ist eine jener Pariserinnen, die geboren werden, um dem Lande anzugehören, das sie wollen; aber mein Rat ist nicht etwa der, daß Sie Fremde seien … Europa, was meinst du dazu? … «

Europa bildete einen vollkommenen Gegensatz zu Asien, denn sie war die zierlichste Soubrette, die sich Monrose je auf dem Theater als Partnerin hätte wünschen können. Schlank, scheinbar leichtfertig, mit einem Wiesellärvchen und runder Nase, so bot Europa dem Blick ein Gesicht dar, das von den Pariser Verderbtheiten ermüdet ist, das fahle Gesicht eines mit rohen Äpfeln ernährten Mädchens, bleichsüchtig und faserig, weich und zäh. Ihren kleinen Fuß vorgesetzt, die Hände in den Taschen ihrer Schürze, zitterte sie, obwohl sie reglos dastand, so voll Leben war sie. Sie war zugleich Grisette und Statistin und mußte trotz ihrer Jugend schon viele Berufe ausgeübt haben. Verdorben wie alle Insassinnen des Magdalenenstifts, konnte sie ihre Eltern bestohlen und die Bänke der Sittenpolizei gestreift haben. Asien flößte großen Schrecken ein, aber man kannte sie auf den ersten Blick ganz; sie stammte in gerader Linie von Locusta ab. Europa aber flößte eine Unruhe ein, die nur wachsen konnte, je mehr man sich ihrer bediente; ihre Verderbtheit schien keine Grenzen zu haben; sie mußte, wie das Volk sagt, verstehen, Berge zum Wackeln zu bringen.

»Die gnädige Frau könnte aus Valenciennes sein,« sagte Europa mit leiser und trockener Stimme; »daher bin ich. Will der gnädige Herr«, sagte sie in wohlweisem Ton zu Lucien, »uns sagen, welchen Namen er der gnädigen Frau zu geben gedenkt?« »Frau van Bogseck,« erwiderte der Spanier, indem er auf der Stelle Esthers Namen ausgab. »Die gnädige Frau ist eine Jüdin aus Holland, die Witwe eines Kaufmanns und leidet an einer Leberkrankheit, die sie aus Java mitgebracht hat … Kein großes Vermögen, um keine Neugier zu wecken.« »Genug zum Leben, sechstausend Franken Rente; und wir werden uns über ihre Knickerei beklagen?« sagte Europa. »Ganz recht,« sagte der Spanier mit einer Neigung des Kopfes. »Ihr verteufelten Possenspielerinnen!« fuhr er in beängstigendem Tone fort, da er zwischen Asien und Europa Blicke auffing, die ihm mißfielen, »ihr wißt, was ich euch gesagt habe? Ihr dient einer Königin, ihr schuldet ihr die Achtung, die man einer Königin schuldet; aber ihr werdet sie hegen, als hegtet ihr eine Rache; ihr werdet ihr ebenso ergeben sein wie mir. Weder der Pförtner noch die Nachbarn noch die Mieter, kurz niemand in der Welt darf erfahren, was hier vorgeht. Es ist eure Sache, jede Neugier zu vereiteln, wenn sie erwacht. Und die gnädige Frau«, fügte er hinzu, indem er seine große behaarte Hand auf Esthers Arm legte, »darf nicht die geringste Unvorsichtigkeit begehen; ihr werdet sie im Notfall daran hindern, aber … immer achtungsvoll. Europa, du wirst wegen der Toilette der gnädigen Frau mit der Außenwelt in Berührung bleiben, und du wirst selbst daran arbeiten, um zu sparen. Kurz niemand, nicht einmal die unbedeutendsten Leute setzen den Fuß in die Wohnung. Ihr beide werdet hier alles machen müssen … Meine kleine Schöne,« sagte er zu Esther, »wenn Sie abends im Wagen ausfahren wollen, so werden Sie es Europa sagen, sie weiß, wo sie Ihre Leute suchen muß, denn Sie werden einen Jäger erhalten, der wie diese beiden Sklavinnen ebenfalls aus meiner Hand hervorgegangen ist.«

Esther und Lucien fanden keine Worte; sie hörten dem Spanier zu und sahen die beiden kostbaren Wesen an, denen er seine Befehle gab. Welchem Geheimnis verdankte er die Unterwürfigkeit und Ergebenheit, die sich auf diesen beiden Gesichtern malten, deren eines so boshaft aufrührerisch und das andere von so tiefer Grausamkeit war? Er erriet Esthers und Luciens Gedanken; denn beide schienen erstarrt, wie Paul und Virginie es beim Anblick zweier furchtbarer Schlangen gewesen wären; und er sagte ihnen mit seiner guten Stimme ins Ohr: »Ihr könnt auf sie zählen wie auf mich; habt keinerlei Geheimnis vor ihnen, das wird ihnen schmeicheln … Trage auf! Asien, meine Kleine,« sagte er zu der Köchin; »und du, Liebchen, lege noch ein Gedeck hinzu,« sagte er zu Europa; »es ist doch das wenigste, daß diese Kinder Papa zum Frühstück einladen.«

Als die beiden Frauen die Tür geschlossen hatten und der Spanier Europa hin und her gehen hörte, sagte er zu Lucien und dem jungen Mädchen, indem er seine große Hand öffnete: »Ich habe sie in der Gewalt!« – ein Wort und eine Geste, vor denen man erbeben konnte. »Wo hast du sie nur gefunden?« rief Lucien aus. »Ah, bei Gott!« erwiderte der andere, »ich habe sie nicht am Fuß der Throne gesucht! Europa kommt aus dem Kot und fürchtet, dahinein zurückzusinken … Droht ihnen mit dem Herrn Abbé, wenn sie euch nicht zufriedenstellen, und ihr werdet sehen, daß sie erzittern wie eine Maus, der man von der Katze redet. Ich bin ein Tierbändiger,« fügte er lächelnd hinzu. »Sie machen mir den Eindruck eines Dämons!« rief Esther anmutig aus, indem sie sich gegen Lucien drängte.

»Liebes Kind, ich habe versucht, Sie dem Himmel zu schenken, aber die reuige Dirne wird stets für die Kirche eine Mystifikation bleiben; wenn sich je eine fände, so würde sie im Paradies wieder zur Kurtisane werden … Sie haben das dabei gewonnen, daß man Sie vergessen hat und daß Sie einer anständigen Frau ähnlich sehen; denn Sie haben da unten gelernt, was Sie in der ehrlosen Sphäre, in der Sie lebten, nie hätten lernen können … Sie schulden mir nichts,« sagte er, als er auf Esthers Gesicht einen entzückenden Ausdruck des Dankes sah, »ich habe alles für ihn getan … « Und er zeigte auf Lucien. »Sie sind eine Dirne, Sie werden Dirne bleiben und als Dirne sterben; denn trotz der verführerischen Theorien der Tierzüchter kann man hier unten nur werden, was man ist. Der Mann mit den Schädelwölbungen hat recht. Sie haben die Schädelwölbung der Liebe.«

Der Spanier war, wie man sieht, Fatalist, ebenso wie Napoleon, Mohammed und viele große Politiker. Seltsam, fast alle Menschen der Tat neigen zum Fatalismus, genau wie die meisten Denker zum Glauben an die Vorsehung neigen.

»Ich weiß nicht, was ich bin,« erwiderte Esther mit der Sanftmut eines Engels, »aber ich liebe Lucien, und ich werde sterben, indem ich ihn anbete.« »Kommen Sie zum Frühstück,« sagte der Spanier schroff, »und beten Sie zu Gott, daß Lucien sich nicht zu schnell verheiratet, denn dann würden Sie ihn nicht wiedersehen.« »Seine Heirat wäre mein Tod,« sagte sie.

Sie ließ den Priester vortreten, um sich ungesehen zu Luciens Ohr emporheben zu können. »Ist es dein Wille,« sagte sie, »daß ich unter der Gewalt dieses Menschen bleibe, der mich von diesen beiden Hyänen bewachen läßt?«

Lucien neigte den Kopf. Das arme Mädchen unterdrückte ihre Trauer und schien lustig, aber sie fühlte sich furchtbar bedrückt. Es bedurfte mehr als eines Jahres beständiger und ergebener Pflege, damit sie sich an diese beiden furchtbaren Geschöpfe gewöhnte, die Carlos Herrera ›die beiden Wachhunde‹ nannte.

Luciens Verhalten trug seit seiner Rückkehr nach Paris das Gepräge einer so tiefen Politik, daß er die Eifersucht all seiner alten Freunde wecken mußte und weckte; er übte ihnen gegenüber keine andere Rache als die, daß er sie durch seine Erfolge, seine einwandfreie Haltung und seine Art, die Leute von sich fernzuhalten, wütend machte. Dieser so mitteilsame, so überströmende Dichter wurde kühl und zurückhaltend. De Marsay, jener von der Pariser Jugend nachgeahmte Typus, hielt in seinen Reden und Handlungen nicht mehr Maß als Lucien. Was den Geist angeht, so hatte der Journalist schon ehedem seine Proben geliefert. Von Marsay, dem viele Leute schaden froh Lucien entgegenhielten, indem sie dem Dichter den Vorzug gaben, war klein genug, sich darüber zu ärgern. Lucien stand in hoher Gunst bei denen, die im geheimen die Macht hatten, und er gab jeden Gedanken an literarischen Ruhm so vollständig auf, daß er unempfänglich blieb für den Erfolg seines Romans, der unter seinem ersten Titel ›Der Bogenschütze Karls IX.‹ neu herausgegeben wurde, und gegen das Aufsehen, das seine Sonettensammlung, die ›Margueriten‹, erregte; Dauriat verkaufte die Auflage in einer einzigen Woche. »Das ist ein posthumer Erfolg,« erwiderte er lachend, als Fräulein Des Touches ihn beglückwünschte.

Der furchtbare Spanier hielt sein Geschöpf mit ehernem Arm auf der Linie fest, an deren Ende die Fanfaren und die Beute des Sieges auf die geduldigen Politiker warten. Lucien hatte, um der Rue Taitbout näher zu sein, die Junggesellenwohnung Beaudenords am Quai Malaquais genommen, und sein Ratgeber hatte sich in drei Zimmern desselben Hauses, im vierten Stock eingemietet. Lucien hatte nur noch ein Reit-und Wagenpferd, einen Diener und einen Stallknecht. Wenn er nicht in der Stadt speiste, speiste er bei Esther. Carlos Herrera überwachte die Leute am Quai Malaquais so genau, daß Lucien im Jahr noch keine zehntausend Franken ausgab. Auch für Esther genügten, dank der beständigen unerklärlichen Ergebenheit Europas und Asiens, zehntausend Franken. Lucien wandte die größte Vorsicht auf, wenn er in die Rue Taitbout ging oder aus ihr kam. Er fuhr stets nur im Wagen hin, hatte die Vorhänge heruntergelassen und ließ den Kutscher stets in die Einfahrt hineinfahren. Daher schadeten auch seine Leidenschaft für Esther und die Existenz des Haushalts der Rue Taitbout, die der Welt völlig unbekannt blieben, keiner seiner Unternehmungen oder Beziehungen; nie entschlüpfte ihm ein unvorsichtiges Wort über diesen heiklen Gegenstand. Die Fehler, die er in dieser Hinsicht zur Zeit seines ersten Aufenthalts in Paris mit Coralie begangen hatte, machten ihn klug. Sein Leben zeigte zunächst jene Regelmäßigkeit des guten Tons, unter der man viele Geheimnisse verbergen kann: er blieb jede Nacht bis ein Uhr in der Gesellschaft; man fand ihn von zehn bis ein Uhr nachmittags zu Hause; dann fuhr er ins Bois de Boulogne und machte bis fünf Uhr Besuche. Man sah ihn selten zu Fuß, und so vermied er seine alten Bekannten. Wenn ihn irgendein Journalist oder einer seiner alten Kameraden grüßte, antwortete er vorläufig mit einer Kopfneigung, die gerade höflich genug war, damit man sich nicht ärgern konnte, durch die aber doch jene tiefe Geringschätzung hindurchblickte, die die französische Vertraulichkeit tötet. Auf diese Weise entledigte er sich schnell der Leute, die er nicht mehr gekannt haben wollte. Ein alter Haß hinderte ihn, zu Frau d'Espard zu gehen, obwohl sie ihn mehrmals hatte bei sich sehen wollen. Wenn er ihr bei der Herzogin von Maufrigneuse begegnete oder bei Fräulein Des Touches, bei der Gräfin von Montcornet oder anderswo, so benahm er sich ihr gegenüber ausgesucht höflich. Dieser Haß, der bei Frau d'Espard ebenso groß war, zwang Lucien zur Vorsicht; denn man wird sehen, wie sehr er ihn belebt hatte, indem er sich eine Rache erlaubte, die ihm übrigens eine starke Predigt Herreras eintrug.

»Du bist noch nicht mächtig genug, um dich an irgend jemandem zu rächen,« hatte der Spanier zu ihm gesagt. »Wenn man bei brennender Sonne unterwegs ist, bleibt man nicht stehen, um die schönste Blume zu pflücken … «

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Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
24 eylül 2025
Hacim:
5250 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9782378980993
Telif hakkı:
Bookwire
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