Kitabı oku: «Sie senden den Wandel», sayfa 5

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3.1.2 Nördlicher ruraler Raum (Dokumentarfilm Sachamanta8)

Im Jahr 2009 und 2010 unternahm ich zwei Reisen in die nördliche Provinz Santiago del Estero9 als Teil eines Abschnittes der Forschung, der den ruralen Raum der argentinischen Radiolandschaft berücksichtigte sollte.10 In der Region existierten seinerzeit vier Community-Radios11, die ich besuchte. Neben den dort nach den unter 3.1.1 geschilderten Prinzipien geführten Interviews, die in die allgemeine Transkription einflossen, entstand ein zweites ergänzendes sampling während der Dreharbeiten zum Dokumentarfilm Sachamanta nach einer abweichenden Vorgehensweise.

In partizipativer Gruppenarbeit wurden die Interviews für den Film von den Befragten jeweils selbst auf Video erstellt. Die Vorgehensweise war dabei diese: Die »Betreiber*innen« erhielten von mir eine Liste mit Fragen, die in größeren Teilen den Standardfragen meines Interviewbogens entsprachen. Allerdings konnten sie diese Fragen beliebig um neue Fragen erweitern, die sie selbst relevant fanden. Dann wurden zwei Schachteln mit Zetteln auf den Tisch gestellt. Die erste enthielt die Namen der Teilnehmer*innen, die zweite Schachtel alle ursprünglichen und zusätzlich erarbeiteten Fragen. Es wurden zur Eröffnung zwei Namen aus der ersten Schachtel gezogen. Die erste gezogene Person übernahm die Kameraführung und die zweite Person beantwortete die erste der gezogenen Fragen. Danach stand es allen anderen Teilnehmer*innen frei, sich ebenfalls zu dieser Frage zu äußern. Danach wurde die erste Frage beiseitegelegt und die Kamera der Person übergeben, welche zuvor in der Antwortrolle war. Ein neuer Name und eine neue Frage wurden gezogen, die nächste Frage abgearbeitet usw.

Durch dieses System entstand zunächst ein Interviewarchiv, dessen Ordnung sich aus den jeweils verschiedenen Antworten (und ihren Übereinstimmungen) auf jeweils gleiche Fragen ergab. Aus diesem Archiv entstand dann der Original(interview)ton des Filmes.

3.2 Quellen und der Umgang mit ihnen
3.2.1 Interview / Quellen

»Jedes Interview ist Kommunikation, und zwar wechselseitige, und aber auch ein Prozess. Jedes Interview ist Interaktion und Kooperation. Das ›Interview‹ als fertiger Text, ist gerade das Produkt des ›Interviews‹, als gemeinsamer Interaktionsprozess, von Erzählperson und interviewender Person gemeinsam erzeugt – das gilt für jeden Interviewtypus.« (Helfferich, C. 2005: 10)

Die von mir selbst durchgeführten12 Interviews weisen mehrere Merkmale auf, die bei verschiedenen Experten der qualitativen Forschungsmethoden aufgelistet werden:

1) Alle meine Interviewpartner*innnen sind, im Sinne von Flick, als Experten*innen zu definieren. Sie stehen als Repräsentant*innen für die Handlungs- und Sichtweisen einer bestimmten Expert*innengruppe. Die gewonnenen Interviews sind somit in Bezug ihres Quellentypus als Experten*inneninterviews zu qualifizieren.

2) Für mein Forschungsdesign wurden leitfadengestützte Interviews erarbeitet und durchgeführt. Das bedeutet, dass die Struktur der Interviews nicht von starren Fragen abhing, sondern sich von einer Dialogsituation auf der Basis des Leitfadens ableiteten. Letzterer gewann allerdings immer an Verbindlichkeit, wenn die darin erfassten Schwerpunkte bzw. Themen von den Interviewpartner*innen nicht bereits von selbst an- und ausgesprochen wurden. Meist taten sie dies aber ohnehin und ergänzten um eigene Schwerpunkte und Themen. So entstanden Leitfadeninterviews, die später bei der Analyse überwiegend inhaltsanalytisch (Mayring, Ph. 2008) oder entsprechend des »Kodierparadigmas« der Grounded Theory (Strauss, A. 1991; Strauss, A. und Corbin, J. 1996) ausgewertet wurden. (Kleemann, F. et al. 2009: 209)

3) Für die themenzentrierten Interviews wurde maßgeblich, dass sich nach der Konzipierung, aber während der Interviewführungen die politischen Rahmenbedingungen13 so stark veränderten, dass meine Orientierung auf relevante gesellschaftliche Fragestellungen (Flick, U. 2006: 135) ebenfalls stark beeinflusst wurde.

3.2.2 Vorgehensweise bei der Analyse der Interviews

Die (schrittweise) Analyse der Interviews erfolgte entlang ihrer (schrittweisen) Transkription und (schrittweisen) Durchführung.14 Diese Schritte lassen sich als Phasen darstellen.

* Nach der Transkription der ersten fünf (5) Interviews:

Erste Phase:

»In Vivo« bzw. offenes Kodieren, wobei das offene Kodieren in überwiegendem Maße das »in Vivo« ablöste.

Zweite Phase:

Erste Gruppenbildung bzw. Kategorisierung der schon vorhandenen Codes. Erstellung von Familien- und Supercodes.

* Nach der Transkription weiterer acht (8) Interviews:

Dritte Phase:

Während dieser Phase fand offenes Kodieren mit Hinblick auf die schon vorhandenen Kategorien und eine Fokussierung der Kategorien statt.

* Nach der Transkription der neu geführten und letzten sieben (7) Interviews:

Vierte Phase:

Offenes Kodieren und Kategorisierung. Weitere Zuspitzung der Definition der Kategorien.

Das zunehmend offenere Kodieren innerhalb der ersten Phase, aber vor allem die Bildung von Familiengruppen und Kategorien waren eine große Hilfe, um zu sehen, welche Dichte (density) bei den einzelnen Codes vorlag. Dieses Verfahren ließ auch erkennen, welche Codes überhaupt keine größere Rolle spielten und welche relevanten Codes in welchen Milieus stärker oder schwächer gewichtet waren.

Zunächst erstellte ich die Codes auf Spanisch und nur teilweise auf Deutsch. Erst bei der Familienbildung und bei den ersten Schritten der Abstraktion – etwas, was ich früh begann – wurden die Codes auf Deutsch einheitlich festgehalten und bis zum Ende, mit wenigen Ausnahmen, identisch weitergeführt.

Nach dem offenen Kodieren und der Erstellung von Kategorien war es schwierig, weiterhin »in Vivo« zu kodieren. Dennoch führte ich diese insoweit wortinhaltspräzisere Kodierung an solchen ausgewählten Aussagen weiter durch, die besonders definierte, für sich bereits vorinterpretierte Inhalte betrafen und bei denen ich Sorge hatte, dass eine zu großzügige Interpretation die Analyse verfälschen könnte. Dies betraf Aussagen wie: Popular, Identität, Stimme, Wahrheit(en).

Auch wenn es eventuell wünschenswert gewesen wäre, mehr konstruktives Chaos beim »in Vivo«-Kodieren beizubehalten, gewann die Interviewanalyse über die Bildung der Kategorien schnell an Struktur. Die Theoriebildungen nahmen schon bei diesen Anfangsschritten Form(en) an. Die theoretische Sensibilität, von der Strauss und Corbin sprechen (Strauss, A. und Corbin, J. 1996: 25), war spürbar, leitend, und zwar durchgängig.

Aus der Interviewanalyse kristallisierten sich folgende Schwerpunkte heraus, wobei die Reihenfolge keine Wertung beinhaltet:

1 Ebene der Empathie (Gefühlsebene, Freude über die Radioarbeit und das darin neu erlangte Wissen)

2 Wem gehört das Radio? (Die Akteure*innen als Sonnensystem mit einem Kern [direkte Akteure*innen] und einem System mit mehreren fernen und näheren Akteure*innen, die als Satelliten agieren.)

3 Materielles (Geschichte der Entstehung der Sender. Senden sie selbst oder über andere Antennen? Sind sie offen oder geschlossen? Sind sie regional eingebunden (lokaler Bezug) oder ist ihre Community dezentral angesiedelt [sozial-politische-ideologische Gesinnung]?)

4 Themen/Ausrichtung der Radios (alternative Berichterstattung und/oder Counterinformation15)

5 Hegemonie vs. Gegenhegemonie (bei bestimmten Gruppen werden diese Begriffe nicht genannt, aber die Begriffsinhalte sind klar dekodierbar)

6 Radio als WerkzeugLokale alltägliche KommunikationAufklärungsarbeitPolitische MobilisierungVom Radio zur gesellschaftlichen Transformation (Poder Popular)

7 Subjektivität vs. Objektivität der Berichterstattung

8 Empowerment / Entmystifizierung der Technik

Diese Schwerpunkte bilden in großen Teilen die Vorlage und die Grundlage für die tiefere Analyse im vierten Kapitel, das die Theoriebildungen umfasst. Die verbleibenden »nicht genutzten« Schwerpunkte sind das dekodierte Ergebnis einer spezifischen Art der Interviewführung, bei der zur Auflockerung zu Beginn der Gespräche und auch während der Gespräche Fragen zu unverfänglichen Themen gestellt wurden.

3.2.3 Auswertungsverfahren (interpretativ)

Nachdem die Interviews in ATLAS. ti (Version 5) eingefügt wurden, begann ich mit der Analyse bzw. Auswertung des Materials. Das computergestützte Auswertungsverfahren vereinfachte die Interpretation der herausgearbeiteten, relevanten Aussagen für die Theoriebildung.

Im Mittelpunkt der Untersuchung stand der Forschungsbereich der Community-Radios in Argentinien in Wechselwirkung mit den sozialen Bewegungen. Dazu ergaben sich früh aus denen von den Interviewpartner*innen (insgesamt) für relevant erachteten Themenschwerpunkten und der damit verbundenen Ideen, Einsichten und Konzepte für die Theoriebildungen zwei Einhegungen und zwei Erweiterungen für den Raum der Theoriebildungen.

* Einhegungen

a. Die Interviews aus dem urbanen Raum und die Interviews aus dem ländlichen (ruralen) Regionen (Nord- und Südargentiniens) ergaben keine signifikanten Abweichungen hinsichtlich dieser geografischen Räume.

Die Arbeit der Radios, die gegenseitige Einbettung in sozialen Bewegungen, das (gegenhegemoniale, partizipative) Selbstverständnis der Radios, die Funktion des Empowerments, der transformative Anspruch u.v.m. wurden auf der abstrakten Ebene fast identisch benannt und bewertet. Verkürzt: Die regionalen Verhältnisse unterschieden sich, aber die Ansichten der Radiomacher*innen weitgehend nicht16.

b. Ganz ähnliches gilt für das Verhältnis von sozialschichtiger Einordnung und Schwerpunktsetzung. Ich sprach mit Arbeiter*innen, Akademiker*innen und Bäuer*innen, deren Sprache sich unterschied, die aber überwiegend übereinstimmende Schwerpunktsetzungen und Inhaltsbestimmungen vornahmen.

* Erweiterungen

c. Sämtliche Radios begriffen sich – in deutlich personeller Rollenüberschneidung – verbunden mit einer oder mehreren sozialen Bewegungen in ihren Regionen. Doch zum Ersten handelte es sich vielfach um neue soziale Bewegungen der Poder Popular17, die sich längst nicht mehr auf Protest gegen Missstände und deren Bekanntmachung richteten, sondern auf die aktive und demokratische Gestaltung der Lebensverhältnisse vor Ort und dieses Agieren durch die Radios (wie mit einem Transmissionsriemen) verstärkten. Zum anderen hatten die Gruppen zugleich weit größere Ansprüche. Schritt für Schritt wolle man allerorts die staatlichen Institutionen durch eigenes »Selbstverwalten« ersetzen, um aus der Schule des Regionalen heraus in einen breiten antikapitalistischen Transformationsprozess »von unten nach außen« einzutreten. Das neue Mediengesetz – das seinerzeit im Entwurf als Diskussionspapier die Runde machte – begriff man als einen wichtigen landesweiten Schritt auf diesem Weg.

d. Das Innenleben der Radiostationen (ihre personelle Zusammensetzung, ihre Regeln, der Grundsatz der Partizipation und die Bewältigung von Bildungserfordernissen für den Betrieb) ließ sich natürlich formal als Struktur auffassen, als ein bestimmtes System, das anfallende Aufgaben zur Erledigung bringt und Ziele verwirklicht. Aber inhaltlich lag ein Labor vor, in dem solche Lebensweisen und Prinzipien, die für eine Transformation der (gesamten) Gesellschaft relevant sind, bereits (im Kleinen) erprobt, geübt und weiterentwickelt wurden. Die Radios sahen sich in dieser Hinsicht nicht anders als die selbstverwalteten Fabriken oder die sozialen Gruppen, die sich um regionale Daseinsvorsorge kümmerten. Die zentrale Idee lautete: Der Mensch verändert sein Bewusstsein, wenn er sein Handeln in der Praxis ändert.

1 Im Anfangsstadium dieser Arbeit waren auch noch folgende Schritte geplant: Analyse der Institutionen COMFER und der überregionalen Vernetzungsgruppen wie FARCO, AMARC Lateinamerika, im Besonderen der Karibik, und das im Jahr 2010 gegründete AMARC Argentinien. Inhaltsanalyse der Programme der Community-Radios und Beobachtungen mit zwei verschiedenen Schwerpunkten: 1. Entscheidungsfindung und -treffen innerhalb ausgewählter Radioprojekte, 2. Entscheidungsfindung und -beschluss innerhalb des Prozesses für ein neues Mediengesetz. Auch diese Forschungsziele wurden zugunsten der dann faktisch vorliegenden nicht weiter verfolgt.

2 Ein beobachtender Dokumentarfilm kennt zwar ein Thema und auch eine Haltung, kommt aber während der Dreharbeiten ohne »Buch« aus. Die Dramaturgie erschließt sich erst im Nachhinein bei der Sichtung und Auswertung des Beobachteten (des gedrehten Materials) am Schnitttisch.

3 Hinzu kamen in Gruppenarbeit gewonnene Interviewaussagen, bei denen sich die Betroffenen gegenseitig interviewten und die diese Methodologie ergänzen. Dazu sogleich.

4 Solche Fehler sind z.B.: Ein zu häufiges Nachfragen, weil es die Tendenz eines dominierenden Kommunikationsstil in sich trägt. Die häufige Verwendung von bewertenden und kommentierenden Aussagen oder Gesten, auch wenn sie unterstützend gemeint sind, weil dadurch das Gespräch verzerrt gelenkt wird. Suggestive Vorgaben oder Interpretationen des eben Erfahrenen, weil auch dadurch die Ergebnisse des Interviews verfälscht werden. Zu häufiges Unterbrechen, weil dies den Gedankenfluss des Gegenübers hemmt.

5 Zwei Interviews fanden im privaten Wohnort der Interviewpartner statt.

6 Verwendet wurde ein tragbarer digitaler Audiorekorder.

7 Ein partizipativer Dokumentarfilm ist ein Dokumentarfilm, dessen Inhalt von den Protagonist*innen selbst gestaltet wird.

8 Release 2012, Kameradist*innen, ARG/D, 50 min., OmU, 4:3 / Der Film kann im Internet kostenlos angesehen werden: https://www.kameradisten.org/sachamanta-ansehen/

9 Die Provinz mit der gleichnamigen Hauptstadt befindet sich im Norden Argentiniens. Die geografische Distanz zur Landeshauptstadt Buenos Aires beträgt über 1000 km. Die Region um die Provinzhauptstadt ist von schweren Landkämpfen betroffen, bei denen es Tote und Verletzte gibt. Der Konflikt dreht sich um die Frage des Eigentums an Land, das einerseits mit seinem kargen Boden die Bauerngemeinden seit Jahrtausenden (Erste Völker) ernährt und andererseits ein Spekulationsobjekt geworden ist, seit genmodifiziertes Saatgut und darauf abgestimmte Herbizide den industriellen Anbau von Soja auch hier rentabel gemacht haben.

10 Der zweite vorwiegend rurale Raum in meinen Untersuchungen war der Süden des Landes.

11 Heute (2016) gibt es in dieser Region fünf feste Stationen und eine mobile Station.

12 Demnach gilt dies nicht für die unter 3.1.2. geschilderten Interviews aus partizipativer Gruppenarbeit.

13 Der von der Exekutive zur breiten Diskussion innerhalb der Bevölkerung freigegebene Mediengesetzentwurf beeinflusste, begeisterte, aktivierte die gesamte Radioszene stark.

14 Diese Vorgehensweise stützte sich auf die Idee, dass der suchende Mensch nur sieht, was schon ihr/ihm bekannt ist. Demnach ist es wichtig, (immer etwas mehr) zu wissen, bevor (etwas mehr) gesucht wird. Das zu Suchende ergibt sich so aus der Abstraktion des bereits Begriffenen und bereichert dieses. Beim Auftreten von Fehlern oder Widersprüchen muss natürlich abgebrochen und im Prozess zurückgegangen werden.

15 Zur Unterscheidung weiter unten.

16 Zu den Unterschieden vgl. Abschnitt 4.1. dieser Arbeit.

17 Die Poder Popular wird in Kapitel 4.3 umfassend behandelt.

4. Quellenanalyse und Theoriebildung

»Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.« (Marx, K. und Engels, F.: Werke, Band 8, 1972: 115)

»Inwieweit sind wir tatsächlich fähig gewesen, uns als Individuen, als Gemeinden, als soziale Gruppe auf dem Weg der Transformation, die unsere Geschichte verlangt hat, auszudrücken? Und inwieweit ist es uns gelungen, geeignete Mitteln dafür zu finden, so dass uns diese Transformation besser machen könnte?« (Carlos D. Mesa Gisbert, Ex-Präsident Boliviens, in: Gumucio-Dagron, Tufte, Th. 2008: 13)1

Für diese Studie sind theoretische Begriffe zentral, die im soziologischen, politischen und kommunikationswissenschaftlichen Sprachgebrauch uneinheitlich, mindestens aber mit unterschiedlichen Grundannahmen verbunden werden, z.B.: verschiedene Radiobegriffe, Partizipation, Hegemonie, Öffentlichkeit oder Poder Popular.

Diese und weitere Begriffe werden im Folgenden so reflektiert werden, wie sich ihre Bedeutung entlang der Auswertung der geführten Interviews herauskristallisierte. Das Augenmerk liegt dabei auf dem Herausarbeiten solcher mit höherer Dichte (density) gefundenen Aussagen, welche einen analytischen Charakter in sich tragen. Umgekehrt kommen (unabhängig von der density) für die Reflexion der genannten Begriffe solche Aussagen nicht zum Tragen, die weniger analytische als praktische Fragen berühren, wie u.a. die Entstehung der Radiosender oder deren Finanzierung.

Das Sampling umfasst 20 Interviews. Dazu kommen die Auswertungen von vier Workshops nach dem Empowermentansatz (»voneinander lernen«) mit jeweils sechs Interviewpartner*innen. Für Analyse und Theoriebildung wird also auf Interviewaussagen und »Workshopaussagen« gemeinsam aufgebaut. Darüber hinaus sind neben deutschen und europäischen Arbeiten bewusst solche Arbeiten von Autoren des spanischsprachigen Raumes genutzt worden, deren Ideen sich allgemein in den Diskussionen innerhalb der lateinamerikanischen und speziell der argentinischen (Medien-)Aktivist*innenszene widerspiegeln.

Nach meiner Auffassung ist der ideengeschichtliche, ursprüngliche Gehalt vieler der im Folgenden verwandten relevanten Begriffe in der deutschen Diskussion nahezu verloren gegangen, hat sich durch inflationären und interessengeleiteten Gebrauch jedenfalls stark gewandelt. Dennoch ist es weder das Ziel dieser Arbeit, diese ursprünglichen Bedeutungen der Begriffe umfassend darzulegen, noch eine Behandlung dieser Begriffe mit der Behauptung von wissenschaftlicher »Objektivität« zu unternehmen.

Die vorliegende Verdichtung ist vielmehr als (provokative) Einladung gemeint, über die genannten Begriffe (entlang ihrer praktischen Anwendung) zu diskutieren, sie in dialektischer Art weiterzuentwickeln, um zu einer sinnstiftenden Vervollständigung der genannten Begrifflichkeiten für die Transformation der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu gelangen, nicht allein in Argentinien oder Lateinamerika, sondern auch in der Bundesrepublik.2 Für die Rezeption der theoretischen Diskussionen konzentrieren sich die folgenden Ausführungen deutlich auf den spanischsprachigen, vor allem den lateinamerikanischen Raum – weil vorwiegend in diesen Räumen eine lebendige (also mit real ablaufenden Transformationsprozessen verbundene) Diskussion zum Thema geführt wird, während analoge Diskussionen in Europa heute sehr selten sind und zudem fast nie in der Praxis wirkmächtig werden. Dennoch beruht die lateinamerikanische Debatte selbstverständlich auf (älteren) europäischen Ideen und Impulsen, was die hier nicht näher belegte Annahme nährt, dass anderswo eine Ideengeschichte (in Auseinandersetzung mit der Praxis) fortgeschrieben wird, die hierzulande vorerst stillsteht.

Allein die Fülle an neuem Material zur Debatte, das bei den Recherchen in Argentinien, in Mexiko und in Venezuela zu finden war, muss als beeindruckend bezeichnet werden, vor allem deshalb, weil die Autor*innen und Herausgeber*innen dieser neuen Texte ihre Arbeit bewusst in eine Kontinuität zum europäischen Denken stellen. Nur ein Beispiel dafür ist die »Antología de Comunicación para el cambio social: Lecturas históricas y contemporáneas«, die von Alfonso Gumucio-Dagron und Thomas Tufte im Jahr 2008 kompiliert und herausgegeben wurde. Die 1500 Seiten umfassende Anthologie der Kommunikation für die gesellschaftliche Transformation mit 200 Texten von 150 Autoren beginnt mit Bertolt Brecht und seinem Text aus dem Jahre 1932 »Das Radio als Kommunikationsapparat« und »endet« in der heutigen Zeit. Sie enthält eine Fülle an Texten von Autoren, insbesondere von den 1960er Jahren an, die teilweise in Vergessenheit gerieten, weil sie eine kritische Haltung zum hegemonialen Charakter des Begriffes Kommunikation haben oder hatten, oder weil sie schlicht und einfach nicht auch in englischer Sprache publiziert wurden.

Weil diese Studie für den deutschsprachigen Raum verfasst wurde, nimmt sie zur Illustration, Abgrenzung und Durchdringung theoretischer Probleme immer auch hiesige Phänomene auf. Die philosophischen Grundannahmen spielen im Feld eines undogmatischen Marxismus. Geschichtliche, ökonomische und soziale Rahmenbedingungen Argentiniens und Lateinamerikas werden themenbezogen erörtert und zugleich durch die gesamte Studie als Darstellungen stetig neu aufgegriffen, erweitert und vertieft, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

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