Kitabı oku: «Kunst des Lebens, Kunst des Sterbens», sayfa 3

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Dr. Roberto Assagioli erklärte die Herangehensweise seines therapeutischen Systems der »Psychosynthese« einmal so: Es gehe darum zu erkennen, dass man einen Körper habe, aber nicht sein Körper sei. Man habe Gefühle, aber sei nicht seine Gefühle. Man habe Wünsche, aber sei nicht seine Wünsche. Man habe einen Geist, aber sei nicht sein Geist – sondern ein Zentrum aus reinem Bewusstsein. Daraus schließe ich, dass Assagioli, inspiriert vom Advaita-Vedanta, bereits in eine Richtung gearbeitet hat, die mir für eine künftige Psychotherapie nun möglich scheint. Ich möchte dabei aber im Sinne des Dzogchen Bewusstsein und Gewahrsein, Psyche und Gewahrsein klar unterschieden wissen und dann die Betonung auf Gewahrsein legen, insofern von dort Heilung kommt – ja, Heilsein in unserem nichtkonzeptuellen Zustand bereits immer verwirklicht ist. Wenn wir nun von dieser grundlegenden Gesundheit ausgehen und bei ihr ansetzen wollen, so ist es gut, von »Gewahrseinstherapie« zu sprechen.

Energie fließt immer dahin, worauf die Aufmerksamkeit sich richtet. Gewahrseinstherapie vollzieht eine völlige Wende der therapeutischen Sicht- und Vorgehensweise, indem der Fokus des Therapeuten weniger auf die Probleme als auf die ursprüngliche Gesundheit, auf das reine Gewahrsein des Patienten gerichtet ist. Der Patient lernt im Gespräch, wie er seine Gefühle und Gedanken achtsam betrachten kann, ohne auf sie mit Verdrängung, mit Anhaften oder Aversion zu reagieren, und erfährt dadurch Selbstdistanzierung und Freisein von diesen Inhalten. Mithilfe der Fragestellung »Wer ist sich dieser Gefühle und Gedanken gewahr?« kann er direkt in den Zustand reinen Gewahrseins eingeführt werden, der in der grundlegenden Offenheit der Sinne und des Geistes zwar immer gegenwärtig ist, aber bisher übersehen wurde.

Ist der Patient in der Anwendung dieser Fragestellung instruiert worden, so kann er sie selbst in allen Situationen verwenden und sich so seiner ursprünglichen Freiheit von allen Gefühlen und Gedanken erinnern.

Die Schwierigkeiten des Hilfesuchenden werden zwar vorsichtig erfragt und gemeinsam betrachtet, die Therapie beschäftigt sich aber nicht weiter mit den Symptomen, sondern weist erstens auf die Möglichkeit hin, die belastenden Inhalte loszulassen, da diese sich ja von selbst auflösen, wenn man sie nicht festhält. Zweitens verweist sie darauf, dass das Gewahrsein des Patienten von diesen immer schon frei ist, weil er fähig ist, sie zu erkennen, weil er ihrer gewahr ist.

Eine natürliche Distanz zu unserem psychischen Erleben und zu der Vorstellung, die wir von uns selbst haben, also zu unserem vorgestellten oder erfahrbaren Selbst, ist in jedem Menschen bereits immer gegenwärtig. Wir können einen Gegenstand ja auch nur dann sehen, wenn er eine gewisse Distanz zu unserem Auge hat.


Wie ich schon sagte, ist die Leerheit all unserer Sinne und des ihnen zugrunde liegenden Gewahrseins die Conditio sine qua non aller Wahrnehmung und Vorstellung. Unsere wahre Natur oder unser wahres Selbst ist also nicht etwas, was sich entwickelt oder von uns entwickelt werden kann. Es geht lediglich darum zu entdecken, was wir immer schon sind.

Diese unsere ursprüngliche Freiheit kann in jeder Wahrnehmungs­situation entdeckt werden. Dieser Raum, in dem alles geschieht, ist immer und überall gegenwärtig – in jeder Situation. Oder besser: Jede Situation geschieht ja nur im Raum. Unsere Leiden können nur bestehen, wenn wir uns auf eine Erfahrung, Idee oder Vorstellung fixieren und den Raum, in dem das Ganze geschieht und in den sich jeder Gedanke ja sofort wieder auflöst, noch nicht oder gerade nicht mehr sehen. Eine solche therapeutisch-initiierende Vorgehensweise setzt natürlich voraus, dass der Therapeut selbst den Zustand nichtkonzeptuellen Gewahrseins gut kennt, selbst darin eine gewisse Stabilität erreicht hat und ihn deshalb einem anderen Menschen aufzeigen kann. Es werden solche meditierenden Psychologen sein – und es gibt sie bereits –, die diesen Ansatz weiterentwickeln werden.

Einen weiteren solcher Gewahrseinstherapie verwandten Ansatz sehe ich in der Logotherapie von Viktor E. Frankl. Ich weiß nicht viel über seine Lehre, denn mein eigentliches Studiengebiet ist der Buddhismus, nicht die westliche Psychologie, aber es gibt eine interessante Aussage von ihm, die mir zeigt, dass er die Natur des Geistes gesehen hat, ja – dass er ausgehend von dieser »Satori-Erfahrung« wohl seinen Begriff der »Selbst-Transzendenz« entwickelt hat.

Jemand fragte ihn einmal, was das in wenigen Worten sei, und er antwortete, der Mensch könne sich nur da verwirklichen, wo er sich selbst vergesse. Selbsttranszendenz »seien« unsere Augen: Die Fähigkeit unserer Augen, optisch wahrzunehmen, stehe und falle mit der Unfähigkeit, sich selbst wahrzunehmen, von Spiegelungen von uns selbst abgesehen. In dem Maße, wie unser Auge etwas von sich selbst bemerke und sehe, sei es krank. Wenn man Wolken sehe, sei es grauer Star oder eine Linsentrübung und so weiter. Das normale Auge sehe nicht sich selbst. Genauso sei es mit dem Menschsein. Selbst-Transzendenz heiße, dass der Mensch ganz Mensch werde, genau in dem Maße, in dem er sich selbst übersehe und vergesse. In diesem Maße sei er offen für den Dienst an einer guten Sache, bezogen auf den Sinn oder offen für andere Menschen. Da werde er ganz er selbst.

In dieser Aussage wird offensichtlich, dass Frankl »sein eigenes Gesicht« geschaut hat, das er bereits hatte, bevor seine Eltern geboren wurden. In einem spontanen Erleuchtungserlebnis hat er eines Tages sich selbst erkannt. Selbstlos ist es, offen, leuchtend, und nichts im Universum wird von ihm zurückgewiesen. Weil unsere wahre Natur leer ist und selbstlos, kann sie alles erkennen und besitzt unbehindertes, grenzenloses Mitgefühl. Sie besitzt ungehinderte Responsibilität und ist erleuchtet vom intuitiven Erkennen des Sinns.

Buddhismus: Sich selbst studieren

Der große Zen-Meister des 13. Jahrhunderts Dogen Zenji sagte, die buddhistische Lehre zu studieren bedeute, sich selbst zu studieren. Sich selbst zu studieren bedeute, sich selbst zu vergessen. Sich selbst zu vergessen bedeute, erleuchtet zu werden von den zehntausend Dingen.

Wenn wir wahrhaft luzide geworden in solcher Erkenntnis leben, so brauchen wir den Tod nicht zu fürchten, denn wir selbst haben uns als unzerstörbares, leeres Gewahrsein erkannt; und das, was stirbt und geboren wird, sind nur unsere Erfahrungen, von Anfang an vergänglich und unfassbar. Wer also könnte oder müsste sie festhalten oder begreifen?

Alle Erfahrung ist »Rang-Nang«, ist »Selbst-Erfahrung«, aber alle Wesen im Samsara, dem Kreislauf der Existenzen, sind so geblendet und betäubt von der überwältigenden Vielfalt ihrer Wahrnehmungen, dass sie ihren Traum für eine unabhängig vom Erkennen existierende Realität halten. Auf das Erlebte mit Begehren und Aversion reagierend, vergessen sie sich selbst als den Schöpfer und Erkenner ihrer eigenen Projektionen. Aus diesem Grund lautet die essenziellste der befreienden Instruktionen für den Bardo-Zustand – und wir sind auch jetzt in einem Bardo, einem »Zwischenzustand« –: »Ruhe frei von Gedanken in reinem Gewahrsein, und erkenne alle Erscheinungen als deine eigene Vision, untrennbar von dir selbst!«

Wenn wir in der Leerheit des Geistes ruhen, sind auch alle Erscheinungen für uns leer. Nun kommen die leeren Gestaltungen unserer individuellen Träume aus unserem persönlichen Karma, aus den Spuren unseres eigenen früheren Denkens und Handelns. Der Traum der Menschheit aber, in die wir hineingeboren wurden, ist Ausdruck des kollektiven Karmas und Denkens aller Individuen, aus denen sie sich zusammensetzen; und alle haben mit ihrem bildnerischen Denken, Wünschen und Handeln kreativen Anteil daran. Alle Wesen, die gerade als Mensch verkörpert sind, befinden sich in einem Lernprozess, in dessen Verlauf sie erfahren können, wie sie mit ihrem Körper, ihrer Rede und ihrem Geist verantwortlich und heilsam umgehen und nicht die Ursachen für neues Leid, sondern die Ursachen für das Glück schaffen können, das alle Wesen sich im Grunde wünschen. Das menschliche Leben bietet die Möglichkeit, aus Fehlern zu lernen und zu solcher »Lebensweisheit« zu kommen.

Während ein Großteil der Gesellschaften in West und Ost inzwischen unter den Einfluss eines ganz auf das Diesseits bezogenen Zeitgeistes geraten sind, der auf allen medialen Kanälen, wirtschaftlichen Interessen folgend, immer neue weltliche Ziele, Glücksversprechen und Wunschobjekte propagiert, öffnen sich wie gesagt gleichzeitig immer mehr Menschen, vom Mainstream und seiner Oberflächlichkeit enttäuscht, einer authentischen inneren Suche nach dem eigentlichen Sinn des Lebens und nach wahren Werten, und diese Wahrheitssuche ist sehr persönlich. Sie folgt weniger aus einer gesellschaftlichen Konvention oder einer Konfession. Von sich aus, von ihrem Inneren her, suchen die Menschen nun eher – einem internen Antrieb und geistigen Impuls zu tieferem Erkennen folgend, der all jene in dieser Zeit inspiriert, die für ihn empfänglich sind.

Viele sind auch von den althergebrachten Religionen enttäuscht, in die sie hineingeboren wurden – teils, weil deren Vertreter ihren hohen Idealen im Lauf der Geschichte selbst nicht immer folgten, teils, weil ihre Lehren über Gott und die Welt einem weiterentwickelten Verstand keine befriedigenden Antworten geben konnten. Wo es nicht ­gestattet war, Glaubensinhalte denkerisch und experimentell zu überprüfen, haben sich viele vom Glauben abgewandt und ihr gläubiges Vertrauen und ihre Hoffnung in menschliches Denken und Erfassen gesetzt. Die den gesellschaftlichen und medialen Diskurs immer noch dominierende Wissenschaftsgläubigkeit, gepaart mit einer populär-positivistischen, »aufgeklärten« Sichtweise, hat – egal, ob in kapitalistischer, sozialistischer oder kommunistischer Ausformung – alles Transzendente und Nichtwägbare und alle den materialistischen Rahmen sprengende spirituelle, übersinnliche Erfahrung als naiv, überholt, dumm oder sogar als pathologisch diskreditiert und immer mehr entwertet. Was im Christentum und Buddhismus als die Hauptfaktoren eines heilsamen, selbstlosen und nachhaltigen Handelns gelehrt wurde, die christlichen Grundtugenden und »die die Welt transzendierenden Tugenden«, die »Paramitas«, scheint vielen nun, wenn sie überhaupt noch darüber nachdenken, als beliebig ausgedacht und eine Vorstellung von vielen.

Was ein »korrektes Verhalten« oder, mit anderen Worten, »ethisches Handeln« ist, wird zunehmend als »Moralvorstellung«, als etwas der jeweiligen Zeit und den persönlichen Neigungen, Bedürfnissen und Auffassungen Entsprechendes oder als soziale Übereinkunft definiert. Eine Pluralität von willkürlichen, persönlichen Meinungen wird in den Medien als Vielfalt interessanter, möglicher Standpunkte zu ethischen Fragen verbreitet. Und sie unwidersprochen als gleichermaßen berechtigt gelten zu lassen wird als Toleranz und damit als positiv und demokratisch dargestellt. Faktisch wird es für den Einzelnen immer schwerer, »das Richtige« und das für alle Beteiligten und für sich selbst heilsame Handeln zu erkennen, wenn so viele Stimmen durcheinandersprechen. Wenn die Definition eines »korrekten, ethischen Verhaltens« in diesen wichtigen Fragen, wie zum Beispiel die Legalisierung von assistiertem Selbstmord und Abtreibung, zum Gegenstand von Diskussionsrunden und einer mehrheitlichen, »demokratischen« Abstimmung gemacht wird, dann bestimmen heute nolens volens die Medienmacher, was ethisch ist und was nicht.

Wenn wir also, um uns inmitten einer »Entwertung aller Werte« Klarheit zu verschaffen, die Frage stellen, worin der Sinn eines ethischen, eines tugendhaften Handelns besteht, so wird dies deutlich, indem wir »Tugend« in ihrem ursprünglichen Sinn einfach als »geschicktes Handeln« verstehen. Geschicktes Handeln schafft für uns selbst und unsere Kinder, für alle Lebewesen, für die Menschheit und für unsere Welt, nachhaltig heilsame, gesunde und das Leben und seine Grundlagen bewahrende Umstände, und es bewirkt nicht Vergiftung, Tod und neues Leid. Ein Handeln, das uns selbst, den anderen und unserer Umwelt auf kurze und auf lange Sicht schadet – sowohl psychisch als auch physisch –, ist dagegen unvernünftig und kontraproduktiv.

Es gibt also hier auf Erden einiges zu lernen, und so war und ist das eigentliche Ziel der Menschenbildung und der Selbstentwicklung der Erwerb höchst schätzenswerter Qualitäten: zum Beispiel ein wacher Verstand, Weisheit, Mitgefühl, Gelassenheit, Aufrichtigkeit, Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit – Eigenschaften, die den Menschen zu einem vernünftigen, achtsamen, altruistischen, mutigen und verantwortlichen Handeln befähigen und ihn dadurch unter seinen Mitmenschen besonders auszeichnen und liebenswert und vertrauenswürdig machen.

Das grundlegende Leitmotiv eines religiösen Lebens im Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus besteht nach wie vor darin, sich von negativen Charaktereigenschaften oder Untugenden zu befreien. Als da wären Selbstsucht, Ignoranz, Gleichgültigkeit, Rücksichtslosigkeit, Überheblichkeit, Eifersucht, Begierde, Neid und Zorn. Es geht um die Befreiung von aller Anhaftung an Dinge und Sinnesreize, an Körper, Ich und Welt. Es gilt, positive Qualitäten wie Selbstlosigkeit, Mitgefühl, Liebe, Mitfreude und Gleichmut sowie Tugenden wie Freigebigkeit, Geduld, Selbstbeherrschung, freudiges Bemühen im Guten, geistige Sammlung und klar unterscheidende Weisheit zu kultivieren.

Der Wert und Sinn von guten Werken und von altruistischem Handeln, von Verzicht auf Besitz und leibliche Genüsse, Selbstüberwindung, Nächstenliebe, Gebet, Stillewerden und Kontemplation wurde früher stärker als heute in ihrem natürlichen Zusammenhang von Ursache und Wirkung gesehen und war eingebettet in die selbstverständliche Perspektive eines Weiterlebens nach dem Tode und einer göttlichen, ausgleichenden Gerechtigkeit, die, einfach und treffend formuliert, darin besteht, dass »jeder das ernten wird, was er einmal selbst gesät hat«. Die Früchte, die wir ernten werden, entsprechen der Art von Samen, die wir gelegt haben. Die Welt zu überschreiten und das Ego zu überwinden war das hohe Ziel, und das Streben nach Heiligkeit, Erlösung und Erleuchtung war allgemein anerkannt und als höchste Leistung des Menschen überaus geachtet. Wenn ich hier »war allgemein anerkannt« schreibe, dann deshalb, weil in diesem »Zeitalter der Degeneration«, wie »der zweite Buddha« Padmasambhava unsere Zeit in seinen Prophezeiungen nennt, der eigentliche »Sinn und Zweck« dieses Menschenlebens und die Richtlinien eines ethischen Handelns immer mehr unter einer Fülle von Informationen, Meinungen und Zeitvertreiben verschüttet werden.


Wie also können wir sie wieder klar und deutlich herausarbeiten und verständlich machen? Das Wort »Tugend«, lateinisch virtus, hat seine Wurzeln in den Worten vis für »Kraft«, als Wirkendes und Zeugendes verstanden, und vir, das »Mann« oder »Held« bedeutet: ein »Mann« oder »Mensch« mit hervorragenden Fähigkeiten und einer »optimalen Qualität des Verhaltens«, wobei unter den Letzteren die herausragende Geschicklichkeit in der Anwendung der gegebenen Talente und Kräfte des Wirkens und Gestaltens zu verstehen sind. Vir leitet sich von dem weitaus älteren Sanskritwort vira her, das »Held« oder »Heros« bedeutet. »Maha-Vira« oder »großer Held« ist im Hinduismus ein Beiname des Gottes Vishnu, und in den Mahayana-Sutras des Buddhismus werden alle Wesen auf den höheren Stufen des Wegs zur völligen Erleuchtung oder Buddhaschaft, also die »Bodhisattvas«, häufig mit dem Epitheton »Maha-Vira« benannt. Das deutsche Wort »Tugend« impliziert ­Tauglichkeit oder Nützlichkeit und bezeichnet sowohl große Begabungen und gute Charaktereigenschaften wie auch eine erstrebenswerte Geschicklichkeit und Weisheit in all unseren Handlungen. Lernt man, seine Kräfte von Körper, Rede und Geist geschickt anzuwenden und den Erfordernissen jeder Situation entsprechend und angemessen zu handeln oder Handlungen zu unterlassen, so führt dies schließlich zu Virtuosität – zur Fähigkeit, eine Kunst, eine Wissenschaft oder ein Handwerk meisterlich, das heißt optimal und fehlerfrei, doch gleichzeitig spontan und anstrengungslos auszuüben.

Wenn wir Ethik als »die Wissenschaft eines jetzt und auf Dauer heilsamen Handelns« definieren, so ist ihr Gegenstand der Zusammenhang aller Handlungen von Körper, Rede und Geist mit den dadurch bewirkten Folgen und damit das Studium des Gesetzes von Ursache und Wirkung oder Karma. Dieses wirkt in Bezug auf all unsere Taten und Erfahrungen ebenso verlässlich regulierend und ausgleichend wie überall in der Natur. Actio est Reactio. Wenn wir die Ursachen des Leidens verstehen, können wir diese beseitigen und wieder gesund werden.

All unsere Gedanken, Worte und Handlungen haben als spezifische, von uns ausgehende und gesetzte Ursachen und Impulse die ihnen genau entsprechenden Wirkungen, die unmittelbar in der Gegenwart und in der Zukunft unsere eigene Wahrnehmungsweise und unsere Erfahrungswelt gestalten und prägen. Achtsames, auch auf seine Folgen bedachtes Handeln erweist sich als nachhaltig geschickt, denn seine Auswirkungen sind positiv, wenn es frei von unheilsamen Beweggründen ist. Unachtsames, auf die möglichen Nachwirkungen nicht achtendes, rücksichtloses Handeln ist meist auch unheilsam und damit ungeschickt, weil es negative Folgen für einen selbst und die Gesellschaft und die Umwelt hat. Um ein deutliches Beispiel zu geben, brauchen wir wie gesagt nur die derzeitige Umweltverschmutzung, die sie verursachende Profitgier der Firmen, unser eigenes, von der Werbung gesteuertes Konsumverhalten und dessen Folgen zu betrachten. Der Verschmutzung der äußeren Welt geht wie gesagt die Verschmutzung unserer Innenwelt mit den Toxinen des Geistes wie Überheblichkeit, das Ignorieren unserer Fehler, Rücksichtlosigkeit und die Gier nach immer neuen Wunschobjekten und Sensationen voraus. Unser Denken, Wünschen und Handeln formen unser Leben und unsere Welt.

Um ein weiteres, kleines Beispiel aus dem täglichen Leben zu geben: Unsere Worte sind im Grunde nur Töne, die verklingen – sie sind unbeständig und vergänglich, und doch kann ein verletzendes Wort Schäden bewirken, die schlimmer sind und länger bleiben als solche, die durch Waffen zugefügt werden. Ein böses und unbedacht hingesagtes Wort genügt manchmal, um Freunde lebenslang zu Feinden zu machen. Ein negatives, entwertendes Wort kann die gute Stimmung eines friedvollen Miteinanders in der Familie trüben oder ihre Mitglieder für immer entzweien. Seine verunreinigende Wirkung gleicht einem Körnchen Mäuse­kot, das, wenn es in einen Topf Milch hineinfällt, die ganze Milch verderben kann – so sagen die Tibeter.

Heilsames Handeln

Die genannten ethischen Richtlinien des gültigen Dharmas der Einheit allen Seins oder des göttlichen Gesetzes der Resonanz raten zu heilsamem und vernünftigem Handeln; und sie wurden der Menschheit vermittelt, um den Einzelnen vor Handlungen zu bewahren, die ihm selbst und anderen schaden. Sie finden sich in den heiligen Schriften aller Weltreligionen.

Da aber auch das Anhaften an verschiedenen Glaubenssystemen, Dogmen oder Konfessionen trennt und Leiden generiert und für die Schaffung von Konflikten instrumentalisiert wird, ist es heute für die Menschheit und für alle anderen Lebewesen auf diesem Planeten überlebenswichtig, die grundlegenden Werte – wie Friede, Verständigung, Mitgefühl, Wohlwollen, Nächstenliebe, Kooperation, Gewaltlosigkeit, Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit – als die den Religionen gemeinsamen Elemente und Richtlinien für ein ganzheitliches und tugendhaftes Handeln herauszuarbeiten: ein ethisches Handeln, das gleichermaßen einem selbst, den anderen und der Umwelt nützt und sich nach den einfachen goldenen Regeln richtet, die Konfuzius, wie gesagt, schon vor langer Zeit formulierte: »Behandle die anderen so, wie du selbst gern behandelt werden willst.« Oder auch, im Umkehrschluss: »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.« Diese Direktiven geben dem Menschen eine klare Richtlinie für sein eigenes Tun und Lassen und schaffen Klarheit, wenn er sein Verhalten daran misst.

Eine ergänzende Entscheidungshilfe bei ethischen Fragen ist im gleichen Sinne natürlich auch Kants Formulierung des kategorischen Imperativs: »Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.«


Eine Gesellschaft, deren Mitglieder nach der ihnen suggerierten Maxime leben, es gebe nur ein Leben und in diesem solle man sich all seine Wünsche erfüllen und möglichst viel angenehme Erfahrungen, Wunschobjekte, Geld und Besitz ansammeln, wird zwangsläufig damit eine allgemeine Unzufriedenheit und Unruhe kultivieren, an Lebensqualität verlieren und ihre eigene Umwelt schädigen.

In unserer persönlichen Selbstentwicklung können wir fortschreiten vom Zustand eines noch unvernünftigen Kindes, in dem wir unseren unbewussten Konditionierungen und Gewohnheitstendenzen und den früheren Prägungen sowie den Einflüssen und Normen unserer Umgebung und Gesellschaft noch automatisch folgen und häufig dieselben Fehler wiederholen, da uns persönlich der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung unserer Handlungen eigentlich noch unklar ist. Wir können uns aus der Rolle des unmündigen Kindes und Opfers befreien, das keine Verantwortlichkeit für sein Tun übernehmen will. Wenn wir unser Verstehen vertiefen, können wir wirklich erwachsen und ein »Virtuose« werden, wahrhaft geschickt, achtsam und verantwortungsvoll in unseren Handlungen von Körper, Rede und Geist. Und zu guter Letzt wird jeder von uns ein Meister in der »Kunst des Lebens« sein, deren Erlernen, so heißt es, viele Leben dauert, denn diese Kunst ist »lang«, das menschliche Leben aber kurz – eben »Ars longa, vita brevis«.

Wenn wir es wollen, können wir zu wirklicher Erkenntnis unserer selbst und der Welt kommen und ein wirklich vom Sinn erfülltes Leben führen. Ich glaube, je mehr wir den Sinn erkennen und ihm nachfolgen, desto glücklicher und gelungener ist auch unser Leben.

C. G. Jung bemerkte, sicher aus seiner großen Erfahrung als Therapeut heraus: »Je mehr der Mensch auf falschem Besitz insistiert und je weniger das Wesentliche für ihn spürbar ist, desto unbefriedigender ist sein Leben. Er fühlt sich beschränkt, weil er beschränkte Absichten hat, und das schafft Neid und Eifersucht. Wenn man versteht und fühlt, dass man schon in diesem Leben an das Grenzenlose angeschlossen ist, ändern sich Wünsche und Einstellung. Letzten Endes gilt man nur wegen des Wesentlichen, und wenn man das nicht hat, ist das Leben vertan.«


Wenn wir uns bewusst und intensiv dem Sinn in uns zuwenden, der erkannt werden will, und uns wirklicher Selbsterforschung und damit Selbsterkenntnis öffnen, sind wir »Wesen auf dem Weg zum Erwachen« oder »Bodhisattvas«.

Der inhärente, natürliche Ansporn in jedem Menschen, seinen eigenen Sinn und sein wahres Wesen vollkommen zu erkennen und das optimale Empfinden seiner selbst als reines Glück zu realisieren, wird im Mahayana-­Buddhismus »Bodhicitta« oder »der zur Erleuchtung drängende Geist« genannt. Es ist »das große Selbst« oder dag-nyid chenpo in uns, das uns als »innerer Lehrer oder Meister« zum Überschreiten des kleinen Ich und seiner selbstreferenziellen Ängste und Wünsche inspiriert und uns zu grenzenloser Ausweitung des Erkennens und des Liebens ruft. Wenn wir beginnen, seinem Ruf zu folgen, erfahren wir immer deutlicher seine Führung in unserem Leben und hören und verstehen seine Worte und Zeichen immer besser. Es ist diese »Rück-Verbindung« oder re-ligio mit unserem wahren, innersten Selbst, die wir in der täglichen Praxis des »Yoga der Verbindung mit dem Meister« kultivieren können. Wenn wir zum Beispiel die darin enthaltene Zeile »Bitte gewähre mir den Segen, mein wahres Wesen zu erkennen!« nicht nur häufig formulieren, sondern wirklich empfinden, so öffnen wir uns bewusst dem Licht der höheren Erkenntnis in uns, das uns damit erleuchten und Kraft schenken kann auf dem Weg.

Das Leben der »Bodhisattvas« oder all derer, die bewusst den Weg einer systematischen Geistesschulung betreten haben und deren Curriculum folgen, geht von Anfang an über die selbstauferlegten Grenzen des Egos hinaus, denn es ist motiviert und getragen vom Wunsch, sich selbst und alle Wesen schließlich vom Leid und von den Ursachen des Leids zu befreien. Dieses Streben nach Erleuchtung ist beseligt vom Wunsch, alle Wesen glücklich zu sehen, nicht nur uns selbst. Das Streben drückt sich aus in der Übung der sechs das Leiden und Handeln der Welt transzendierenden Tugenden oder Paramitas, die da lauten Freigebigkeit, Geduld, freudiges Bemühen, Selbstdisziplin, geistige Sammlung und Weisheit. Es ist ohne Zweifel heilsam und gut, diesen Parametern entsprechend zu handeln; und es wird uns helfen, über uns selbst hinauszugehen und unser Verhalten dem Wesentlichen in uns anzugleichen. Es gilt natürlich, auf diesem Weg der Sublimierung und des Freiwerdens stets tiefer zu gehen und dem Ego auf die Schliche zu kommen, wo immer es sich in unser Verhalten einzumischen versucht. Solange wir noch unter dem Einfluss des Egos und der sogenannten Geistesgifte stehen, werden wir all diese Tugenden nur unvollständig und auf unreine Weise üben können. Der Bodhisattva soll deshalb weiterschreitend lernen zu handeln, ohne zu handeln; das heißt, er soll die Paramitas auf eine reine Weise üben. Und das heißt: ohne Konzept eines Handelnden, einer Handlung oder eines Resultats. Zum Beispiel übt sich der Bodhisattva im Geben ohne das Konzept, dass er es ist, der gibt, ohne Begriff von dem, was er gibt, und ohne ein Konzept von jemandem, der das Gegebene empfängt.

Es ist ein großer Fortschritt, wenn wir uns der sogenannten »Reinheit der drei Sphären« von Subjekt, Handlung, Praxis oder Erfahrung und von Objekt oder Resultat annähern und damit fähig werden, der Selbstlosigkeit und Leerheit aller Erscheinungen entsprechend zu handeln. Im Prajnaparamita-Sutra heißt es: »Der Bodhisattva übt sich in allen Tugenden, doch er hat keine Vorstellung wie ›Ich übe mich in der Tugend‹. Der Bodhisattva tut immer Gutes, aber er hat keine Vorstellung wie ›Ich tue Gutes‹.«

Es ist klar, dass wir uns dieser Reinheit nur durch die Übung des Ruhens in nichtkonzeptuellem Gewahrsein annähern können. »Lass deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut«, sagt Jesus in Bezug auf das Geben und Schenken, und er meint damit dasselbe – ein selbstloses Tun im Zustand der wahren Armut oder Leerheit des Geistes.

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