Kitabı oku: «In der Waldklause - Märchen für kleine und große Kinder bis zu 80 Jahre und darüber», sayfa 4
Aprilscherze
Schnell herein, schnell herein in meine Klause! Da kommt schon wieder ein Schauer. April tut, was er will. Er ist ein wetterwendischer Herr. Hört ihr? Nun prasseln die Graupeln ans Fensterchen, dass es nur so klirrt, und man könnte meinen, der gestrenge Herr Winter habe das Regiment wieder genommen. Aber es ist nicht so. Herr Winter ist abgereist zum Nordpol, wo er sein Sommerschloss stehen hat, ganz aus blankem Eise erbaut. Dort fährt er auf dem Schnee spazieren, und zwei zottige Eisbären ziehen den Schlitten. Ich glaube aber, der junge Frühling ist ein wenig eingeschlafen, und nun treibt der April einen Schabernack.
Vielleicht hat der Frühling auch sein Pläsier an diesen Neckereien, der April ist nämlich ein Hofnarr. Ich weiß es sicher, denn ich bin ihm neulich begegnet. Er trug ein weißrotgestreiftes Kleid und eine Narrenkappe mit Schellen daran. Mit dem einen Auge weinte er, und mit dem anderen schaute er spitzbübisch blinzelnd in die Welt.
Ich war gerade aufgestanden und schaute gähnend durchs Fensterlein in den frischen Morgen. Es war mir noch etwas steif in den Gliedern, und ich musste niesen.
»Gesundheit!«, rief es draußen, und als ich um die Ecke schaute, da stand der närrische April da in seiner ganzen Fastnachtsherrlichkeit. »Danke schön!«, sagte ich höflich und nahm eine Prise und bot ihm auch eine an, denn auch ein alter Waldbruder zeigt noch gern, dass er Lebensart hat. Der April griff mit spitzen Fingern zu und schnupfte – und Hussa! Er nieste, dass die dunkle Wolke, die gerade über meiner Waldklause stand, kopfüber hinter die Bäume purzelte und der ganze blaue Himmel lachte.
»Starker Tabak, Waldbruder«, sagte der April, »so recht etwas für unsereinen. Wollt Ihr nicht ein bisschen spazieren gehen? Die Sonne scheint so prächtig, Ihr könnt den Mantel zu Hause lassen.« Dann machte er noch ein freundliches Kompliment und verschwand. Ich machte mich also auf den Weg. Aber ich war noch keine hundert Schritte gegangen, da prasselte mir ein kalter Regen um die Ohren, dass mir Hören und Sehen verging.
»Liebe Tante Tanne«, rief ich, »sei so gut und nimm mich unter deinen grünen Regenschirm!«
»Komm her, komm her!«, sagte die gute Tante und spannte so eilig ihren Schirm auf, dass sie mir mit den spitzen Nadeln fast die Augen ausstach.
Ich kauerte mich nieder, so gut es ging, und ehe ich mich versah, hatte ich einer Spitzmaus auf das Schwänzlein getreten. Es war mir sehr peinlich, denn Spitzmäuse sind feine Damen; sie sind nahe verwandt mit den Haselmäusen, und die sind schon vom Adel.
»Bitte sehr, mein Herr!«, piepte die Spitzmaus in aller Entrüstung.
»Exkusez, Madame«, sagte ich, so fein und zierlich, wie ich es nur herausbringen konnte.
Als sie hörte, dass ich Französisch sprach, wurde sie gnädig gestimmt und knüpfte ein gebildetes Gespräch mit mir an über die neueste Literatur. Sie schwärmte für den Dichter Waldemar Bonsels und fand ihn »himmlisch süß«.
»Er ist dem steifen Goethe bedeutend überlegen«, piepte sie. Es wurde mir etwas unbehaglich, und ich freute mich, als ein kleiner Sonnenstrahl hereintanzte und lachte wie ein Spitzbube.
»Das grelle Licht verdirbt die zarte Hautfarbe«, sagte die Spitzmaus und zog sich zurück.
Ich ging meiner Wege. Da stand der bunte Geck, der April, in den triefenden Sträuchern und lachte: »Wünsche, wohl geruht zu haben!«
»Du Schelm!«, drohte ich um und wandte ihm den Rücken. Da blies er mir mit vollen Backen einen Wind nach, dass meine Kutte sich aufblähte wie ein Ballon. Auf ein Haar wäre ich über alle Bäume geflogen. Für den Spott brauchte ich nicht zu sorgen.
Der rote Fuchs grinste über den Wall und schrie: »Waldbruder, was kommt Euch an? Wollt Ihr das Fliegen lernen?«
Im Augenblick war es wieder ruhig in der Luft, und Frau Sonne guckte durch ein Wolkenloch mit ihrem breiten Gesichte. Es wurde mir warm auf dem Rücken, und ich dachte: Es ist doch gut, dass ich den Mantel zu Hause gelassen habe!
Da – was war das? Prrrr – klirrte es mir um die Ohren, dass ich meine Kapuze nicht schnell genug hochziehen konnte. Ein Hagelschauer prasselte nieder, und die Eiskörnlein hüpften und sprangen um mich herum und riefen: »Fang mich! Fang mich!«
Ich stellte mich hinter einen dicken Eichenstamm und schnaufte vor Ärger.
»Na, na, was machst du da?«, kam eine tiefe Stimme von oben aus dem Wipfel. Ich schaute herauf. Wahrhaftig, da saß Großvater Rabe auf einem kahlen Ast und plusterte sich. Ich hatte ihn lange nicht mehr gesehen.
»Großvater«, rief ich erfreut, »lebst du noch? Wie bist du durch den Winter gekommen?«
»Recht und schlecht«, krächzte er und kraute sich mit einem Bein den ruppigen Kopf. »Wenn du einen alten Schinkenknochen hast, woran noch ein Happen Fleisch sitzt, dann wirf ihn mir heraus. Ich habe Hunger.«
»Soll geschehen, Großvater«, sagte ich und wollte fragen, wie es denn der Großmutter ginge. Da reckte er die Flügel, rief »Rab! Rab!« und flog weg.
Sieh, da war wieder das schöne Wetter. Man hätte schwören mögen, es sei Maitag. Richtig fing auch der Zaunkönig an zu singen: »Alles neu macht der Mai«, und ich wandelte weiter. O weh, ich ließ mich verleiten und ging zu weit. Im Handumdrehen fing es wieder an zu regnen, und ich wurde so gründlich durchgeweicht, dass ich spornstreichs zu meiner Klause zurücklief. Ich dachte: Das gibt einen fürchterlichen Schnupfen, und zündete ein Feuer an, um mich zu trocknen. Meine Kutte dampfte wie ein siedender Kessel.
Da klopft es an mein Fensterlein. Ich schaue auf und sehe den bunten Narren April draußen stehen im hellen Sonnenschein.
Er schüttelte die Narrenkappe, dass die Schellen klingelten, und rief: »Waldbruder, wollt Ihr nicht spazieren gehen? Die Sonne scheint prächtig.«
Ich habe ihm eine lange Nase gemacht, und da lachte er laut auf. So treibt der April seinen Schabernack mit eurem Waldbruder.
Der Wettlauf
Es ist unglaublich, was hier im Walde alles passiert! Als ich noch in der Welt war, da meinte ich, wichtige Dinge passierten nur in der Welt bei den Menschen; der Wald sei bloß Wald, ein grünes Einerlei, und dort sei weiter nichts los. Das weiß ich jetzt besser. Die Menschen treiben immer dasselbe, und es ist durchweg gar nicht schön, was sie treiben. Hier im Walde ist alles jeden Tag wieder neu, so frisch, als wenn es gerade aus Gottes Hand käme.
Ihr denkt vielleicht, das Marienkäferchen dort auf dem breiten Bärenklaublatt sei eben bloß ein Marienkäferchen, wie es Hunderte gibt, und weiter nichts. Höchstens, dass es elf schwarze Punkte auf seinem roten Panzer hat und andere bloß neun oder sieben. Ihr irrt euch. Dies Marienkäferchen hat schon eine ganze Geschichte erlebt, und wenn es erzählen wollte, würdet ihr euch wundern. Und der liebe Gott hat dies eine Marienkäferchen immer im Auge gehabt und hat seine Freude an dem schmucken Ding, so gut wie wir.
Darum habe ich mir auch hinterher Gedanken gemacht über die alte Frau Eule, die ich im Winter hinausgeworfen habe aus meiner Klause. Wisst ihr noch? Sie hatte eins von meinen weißen Mäuslein gefressen. Die Mäuslein haben sich vermehrt, es ist ein ganzes Dutzend, und sie können jetzt schon Komödien spielen, worin viel Volk vorkommt. Frau Eule lebt auch noch. Sie hat einen hohlen Weidenstumpf gefunden, und es geht ihr gut. Sie ist ziemlich fett geworden.
Als ich neulich bei ihr anklopfte, war sie zuerst sehr ungnädig und knappte stark mit dem krummen Schnabel. Sie ließ mich auch einige unhöfliche Redensarten hören. Wir sind aber als gute Freude voneinander geschieden, und sie will mich nächstens besuchen. Der alte Weidenstumpf ist wackelig, und ich glaube, bei den nächsten Herbststürmen fällt er um. Dann nimmt Frau Eule vielleicht wieder Wohnung in meiner Waldklause. Es wäre mir nicht unlieb, denn sie ist sehr gelehrt und hat viele Bücher durchstudiert. Ich fürchte auch, dass die Mäuse bei mir sonst überhand nehmen, besonders die gewöhnlichen grauen. Aber das liegt noch in ferner Zukunft. Heute muss ich euch von dem großen Wettrennen erzählen, dem ich neulich beigewohnt habe.
Es war ein schöner und sonniger Nachmittag, und ich hatte einen weiten Gang gemacht bis zu der großen Wiese im Walde. Da sah ich zwei langbeinige Herren am Graben stehen. Wahrhaftig, es war Herr Storch und sein vornehmer Vetter, Herr Reiher. Sie schienen Streit zu haben, denn Herr Storch klapperte gewaltig mit dem Schnabel, und Herr Reiher sträubte unwillig die schönen Federn in seinem Schopfe.
Ich begrüßte sie mit aller Artigkeit und fragte, ob sie von der langen Reise zurück seine und wie es drüben in Ägypten aussehe, ob die Pyramiden noch aufrecht ständen und was die Krokodile machten im Nil.
Sie gaben mir keine Antwort. Dann wandte Herr Storch sich gravitätisch um und fragte mich: »Sagt, Waldbruder, Ihr habt ein gutes Augenmaß, wer von uns hat die längeren Beine, der da oder ich?«
Ich wollte schon sagen, dass ich selbst die längsten Beine hätte, aber die beiden Herren verstehen so recht keinen Scherz. Die Frage war heikel. Da fiel mir ein Ausweg ein.
»Meine edlen Herren«, sagte ich, »die Frage lässt sich am besten ausmachen durch ein Wettrennen, denn wer die längsten Beine hat, wird gewinnen.«
»Sehr gut!«, rief Herr Reiher und schlug mit den Flügeln, »fangen wir gleich an. Diese Wiese ist lang, eine sehr gute Bahn.«
Ich machte den Vorschlag, dass eine so wichtige Sache mit der gehörigen Feierlichkeit vor sich gehen müsse, und man gestattete mir, die nötigen Vorkehrungen zu treffen.
Den Meister Specht, der gerade vorbeiflog, rief ich an und bat ihn, das ganze Getier und Gevögel des Waldes zusammenzutrommeln zu dem bevorstehenden Wettlaufe. Er lachte laut auf vor Vergnügen und trommelte dann tüchtig auf dem nächsten dürren Aste. Der Häher half als Ausrufer, und bald wimmelte die Wiese von Tieren und Vögeln.
Das war ein Schwirren und Zwitschern, ein Plappern und Pfeifen, ein Knurren und Murren und Fauchen, sodass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Nun ging es los.
Ich zählte bis drei, und die beiden Langbeine schossen über die die Wiese, die langen Hälse vorgestreckt, die Flügel ausgebreitet. In unglaublich weiten Sprüngen hopsten sie daher, und die kleinen Maßliebchen duckten sich tief ins Gras. Aber wer war nun der erste gewesen? Ein Frosch guckte aus dem Graben und quakte: »Der Storch, der Storch hat …« gesiegt, wollte er sagen. Wupp – hatte der Reiher ihn heruntergeschluckt. Ich freute mich, dass ich kein Frosch war. Wenn man ein Frosch ist, muss man bei solcher Gelegenheit hübsch unter Wasser bleiben. Eine Maus guckte aus dem Erdloche und piepte: »Der Reiher, der Reiher hat …« – gesiegt, wollte sie sagen. Wupp – hatte der Storch sie heruntergeschluckt.
Ich freute, dass ich keine Maus war. Wenn man eine Maus ist, muss man hübsch im Loche bleiben.
Die Sache war unentschieden, es wurde ein zweiter Wettlauf gemacht. Diesmal liefen sie noch viel schneller als das erste Mal. Ich konnte gar nicht folgen mit den Augen. Wer war den jetzt der erste gewesen?
Ein Maulwurf quäkte: »Ich glaube …« Weiter kam er nicht. Storch und Reiher fielen beide über ihn her; wer ihn heruntergeschluckt hat, weiß ich nicht. Aber fort war er.
Da trat der Igel auf. Seitdem er mit seiner Frau den Hasen besiegt hat im Wettlaufe, gilt er als erster Sachverständiger auf allen Rennplätzen. Also der Igel trat auf und bat um Ruhe und Aufmerksamkeit. Dann hielt er einen langen Vortrag von dem rechten Anlaufe und Fortlaufe und Auslaufe und wurde so langweilig, dass die ganze Gesellschaft sich auflöste und nach Hause ging.
Storch und Reiher gaben sich einen Schnabelhieb und flogen weg. Nun kann ich euch nicht berichten, wer die längsten Beine hat. Ich glaube aber, die längsten hat euer Waldbruder.
Wahltag
Ihr wisst wohl, wenn ein Wahltag ist, dann machen sich die Leute viel Arbeit und kommen sich sehr wichtig vor. Sie drängen sich zum Wahllokale und geben ihre Stimmzettel ab, und manche benutzen die Gelegenheit und gönnen sich ein Glas Bier und führen dabei sehr kluge Reden. Ich will übrigens auch gar nicht bestreiten, dass es wichtig ist. Die Reden meine ich nicht und das Glas Bier auch nicht, sondern das Wählen.
Die Menschen müssen sich aber nicht einbilden, dass sie allein das Wahlgeschäft verständen. Die Tiere haben den Löwen zum König gewählt und die Blumen die Rose zur Königin. Die Vögel aber haben sogar zwei gewählt für die königliche Würde, den Adler wegen seines hohen Fluges und die Nachtigall als Sangeskönigin. Nun war ich bisher der Meinung, diese Sache sei ein für alle Mal erledigt, und ihr habt das auch wohl geglaubt. Aber das ist ein Irrtum, wenigstens soweit es die Blumen angeht.
Die Blumen haben vor Kurzem Wahltag gehabt, und durch einen glücklichen Zufall bin ich dahintergekommen. Am liebsten machen sie das für sich allein ab. Aber so ein Waldbruder, der überall herumspioniert, wird doch manches gewahr, wovon andere Leute gar keine Ahnung haben.
Es war mir in der letzten Zeit schon aufgefallen, dass die Blumen immer die Köpfe zusammensteckten und miteinander flüsterten und wisperten; wenn ich aber dazu kam, kniffen sie die Äuglein zusammen und schwiegen mäuschenstill.
Einmal ertappte ich den Aronstab bei einer lustigen Rede. Ihr kennt doch den Aronstab, der im Schatten wächst und eine grüne Hülle trägt mit einem Zipfel daran? Er sieht fast aus wie ein kleiner Waldbruder, bloß dass er etwas aufgeblasen ist. Er hatte seinen langen Hals hoch herausgestreckt aus seiner grünen Kutte und redet viel von »Prinzipien«, und die weißen Windröschen rundum hörten ihm andächtig zu. Als ich kam, zog er den Hals ein und schwieg.
Nun ging ich gestern Mittag etwas spazieren im warmen Sonnenschein und horchte vergnügt das schöne Lied der Frau Nachtigall. In Gedanken versunken kam ich auf die Waldwiese hinaus, und da traf ich eine große Blumenversammlung an der Hecke.
In der Hecke, im grünen Schatten, saßen die Waldblumen, vor der Hecke, im prallen Sonnenschein, die Wiesenblumen, und einige Feldblumen hatten sich auch herangeschlichen. Das war ein Geflimmer wie von Hunderten Regenbogen und ein Gesumm wie von einem Dutzend Bienenstöcken. Mitten unter den Blumen thronten drei schöne Feen in luftigen Schleiergewändern. Die in der Mitte erkannte ich an dem vielfarbigen, blumendurchwirkten Kleide, es war die Blumenfee Flora. Sie winkte mir gnädig zu und beruhigte die Versammlung, die bei meinem Erscheinen ganz aufgeregt geworden war.
»Waldbruder«, sagt sie mit ihrer süßen Stimme, »kommt heran! Wir haben Wahltag, und Ihr könnt Protokoll führen. Ich bin Wahlvorsteherin, und das sind meine beiden Beisitzerinnen, Jungfer Chlorophyllis und Frau Samenkapsel.«
Ich schaute mir die beiden an. Die Fee Chlorophyllis trug ein grünes Gewand; sie macht das Blattgrün, das die Pflanzen so nötig haben zum Leben und Gedeihen. Frau Samenkapsel war ein altes, vergnügtes Mütterchen und schaute mit roten Apfelbäckchen aus ihrer gestärkten Haube. Ihr Kleid war von silbergrauer Seide und knisterte bei jeder Bewegung.
Ich machte zuerst ein höfliches Kompliment, wie es sich gehört, und ließ mich dann auf einem Maulwurfshügel nieder. Zwei winzige braune Kerlchen sprangen zum Graben herunter, schöpften Wasser mit silbernen Eimerchen und wollten es mir auf die Füße gießen. Ich gehe barfuß und trage bloß Sandalen.
Die Fee Flora wehrte ihnen und sagte: »Lasst nur! Der Waldbruder braucht kein Wasser von unten, er hat ja keine Wurzeln. Das sind nämlich unsere Wurzelmännchen«, sagte sie dann zu mir, »die den Pflanzen das Wasser liefern.«
»Mit Verlaub, Eure blumenreiche Hoheit«, sagte ich höflich wie möglich, denn wenn es darauf ankommt, verstehe ich mich auch auf den Hofton, »darf ich fragen, was für eine Wahl denn im Gange ist? Reichstag oder Landtag oder …«, da unterbrach mich ein hundertstimmiges Gelächter.
Der gelbe Löwenzahn brüllte ordentlich vor Vergnügen. »Ruhe!«, rief Flor, und als der Löwenzahn etwas von »Dummkopf« sagte, bekam er einen Ordnungsruf.
»Wir wählen die Blumenkönigin«, belehrte mich die gute Fee.
»Ist das denn nicht, Frau Rose?«, fragte ich harmlos. Da hättet ihr den Lärm hören sollen.
»Die ist bloß von den Menschen gewählt. Die gilt bloß im Garten. Die Aristokratin, wir sind Demokraten, und unsere Königin soll die erste Demokratin sein.«
So ging das durcheinander, und die Fee Flora musste tüchtig läuten mit weißen und blauen Glöckchen, bis die Ruhe wiederhergestellt war.
Ich bat um Entschuldigung und beschloss, ganz still zu schweigen und mich auf das Protokoll zu beschränken. Die Wurzelmännchen hatten ein Huflattichblatt gereicht und eine Binse; sie hielten mir ihre Eimerchen hin, dass ich fleißig eintunken konnte.
»Wir fahren in den Verhandlungen fort«, sagte Flora, »wer wünscht das Wort?«
Der Führer der gelben Partei, Herr Löwenzahn, hielt eine glänzende Rede. Er sprach mit so einem Kraftaufwande, dass er schwitze, und sagte viel Schönes von der gelben Sonne und dem gelben Golde und schlug vor, Frau Himmelsschlüssel als Königin zu wählen. Seine Rede machte tiefen Eindruck.
Da erhob sich der Führer der blauen Partei, Herr Ehrenpreis, und redete fast noch schöner vom blauen Himmel, indem er empfahl, entweder der Kornblume oder der blauen Glockenblume die Krone zu geben. Auch er fand Beifall.
Dann kamen die Roten an die Reihe und verlangten die Königswürde stürmisch für die rote Orchidee, denn das sei eine ganz vornehme Blume.
Da erhoben sich viele Zwischenrufe: »Was soll uns das Vornehme? Die Orchidee heißt eigentlich Knabenkraut. Knaben sollen nicht herrschen. Übrigens riecht sie unangenehm, ja, sie stinkt sogar ein bisschen.« Frau Orchidee in ihrem roten Samtkleide drehte sich auf dem Absatz um und ging stolz davon.
Nun trat eine ganz neue Partei auf, die Partei der Duftspender, vertreten durch Junker Waldmeister. Er hatte ein sehr aristokratisches Benehmen und näselte ein bisschen.
»Aller Pöbel riecht schlecht«, sagte er, »und der gute Geruch ist doch schließlich die Hauptsache. Wer möchte sonst neben dem Thron stehen?«
Hier wurde er unterbrochen. »Arroganter Kerl!«, schrie Herr Löwenzahn, der sehr böse war, weil er gar nicht duften konnte, »hast ja bloß so kleine weiße Blümchen …«
»Weiß ist die nobelste Farbe«, näselte Junker Waldmeister, »sie fasst alle Farben in sich zusammen …«
»Schluss! Schluss!«, schrie das ganze Blumenvolk, und Fee Flora läutete gewaltig.
Als es endlich ruhig geworden war, sagte Flora: »Ich mache einen Vorschlag zur Güte. Nehmen wir eine Blume, die ganz bescheiden ist und zeitgleich eine schöne Farbe hat und einen süßen Duft. Komm, mein kleines Veilchen! Warum versteckst du dich?«
Das kleine Veilchen war sehr erschrocken und kroch noch tiefer unter die Blätter, alles klatsche Beifall und rief: »Ja, ja, das Veilchen soll Königin sein! Hoch das Veilchen!«
Maifest
Zuerst singen wir nun das schöne Lied »Der Mai ist gekommen«. Es lautet ein bisschen gefährlich, wenn es weiter heißt: »Die Bäume schlagen aus«, denn man denkt unwillkürlich an mutwillige Pferde. Noch gefährlicher lautet die Redensart: »Das Gras fängt an zu schießen«. Man sollte meinen, die halbe Welt würde totgeschossen, aber so schlimm ist es nicht. Also nun singen wir – eins, zwei, drei!
So, das war schön. Nun kommt mit mir! Wir setzen uns an den Waldsaum so recht mitten in die Maiensonne. Die Mädchen können Kränzlein flechten, es gibt Maßliebchen genug. Die Knaben schnitzen Weidenflöten; mich soll wundern, wer die erste fertig hat. Und ich erzähle euch von dem großen Feste, das wir in den ersten Tagen des Mai gefeiert haben. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie lustig es gewesen ist.
Die Nacht vor dem ersten Mai war es etwas unheimlich gewesen. Ihr wisst, in der Walpurgisnacht fliegen die Hexen auf Besenstielen zum Blocksberg. Das ist ein mächtiger Berg im Harz; ich bin selbst oben gewesen, aber nicht in der Walpurgisnacht. Da habe ich mit eigenen Augen die Teufelskanzel gesehen, wo der Gottseibeiuns thront, während die Hexen vor ihm tanzen. Frau Eule hatte große Lust hinzureisen. Ich habe ihr aber ins Gewissen geredet und gesagt, sie dürfe niemals wieder in meine Klause kommen. Da ist sie zu Hause geblieben.
Sie hat mir nachher erzählt, ihre beiden Nachbarinnen, die beiden Fledermäuse, seien hingeflogen zum Blocksberge, und da habe der Teufel die eine gebraten und aufgegessen. Die andere ist zurückgekommen und geht jetzt in tiefer Trauer. Aber ich wollte euch von unserem Maifest erzählen.
Ich wurde früh morgens wach von einem durchdringenden Gebimmel und wusste gar nicht, was es zu bedeuten habe. Ich dachte: Ist denn heute Sonntag, dass die Glocken so hell läuten?
Der Specht flog gerade vorbei und gab mir Bescheid: »Maiglöckchen läutet das Maifest ein. Aber ich habe keine Zeit, ich bin Kapellmeister und muss noch schnell eine Generalprobe abhalten.« Er lachte, dass es durch den Wald gellte, und flog weiter.
»Ei«, dachte ich, »wo mag das Fest wohl sein? Und ob ich auch wohl hingehen darf?«
Da kam der Kuckuck und rief mich an. Der Kuckuck ist mein guter Freund und nebenbei mein Küster, wenn ich mal Waldgottesdienst halte. Er antwortet immer so prompt bei der Litanei, und keine ist ihm zu lang.
»Waldbruder«, rief der Kuckuck, »Ihr seid zu unserem Feste geladen auf der großen Waldwiese, Ihr wisst ja, wo. Und kommt nicht zu spät, es fängt gleich an.«
Weg war er. Ich wollte noch fragen, ob man in Frack und Zylinder kommen müsse, ich hätte weder das eine noch das andere. Ach, dachte ich, bei einem alten Waldbruder nimmt man es nicht so genau. Ich steckte mir einen grünen Tannenzweig an die Kapuze und stiefelte los zur Waldwiese. Die liegt ganz versteckt mitten im tiefen Walde, wo rundherum die dicken Eichen stehen.
Das Fest war in vollem Gange, als ich kam. Schon von Weitem hörte ich die Musik. Das hättet ihr sehen sollen, dies Gewimmel und Durcheinander, bunt wie der Regenbogen! Alles sang und tanzte, fiedelte und pfiff und sprang und hüpfte und hopste, Tierlein und Vöglein und Blümlein. Auch die Insekten taten wacker mit, und die dicken Hummeln, die sonst behäbig sind, waren wie verrückt. Am tollsten trieben es die Schmetterlinge, es ging immer im Zickzack mit ihnen. Ich blieb stehen und sah mir zuerst mal die Musik an.
Meister Specht hämmerte den Takt. Die Grillen spielten Geige und fiedelten ohne Bogen, bloß mit den dünnen Beinchen. Frau Amsel führte die erste Flöte, und Fräulein Lerche schlug den Triangel, dass es klingelte und klirrte. Drei dicke Hummeln strichen den Brummbass, und zwei Unken machten seltsame Glockentöne. Dazu kam noch ein hundertstimmiger Gesang aus Vogelkehlen. Sogar Meister Grimbart, der Dachs, tat mit. Es war bloß ein Grunzen, aber es lautete sehr schön. Am Tanzen hatte er keine Freude, er ist zu fett und muss gleich schwitzen. Mir wirbelte der Kopf von all dem Getön und Gedudel.
Da klang es oben »Rab! Rab!« Richtig, Großvater Rabe saß auf dem höchsten Eichbaum und schmunzelte vergnügt herunter. »Großvater«, rief ich herauf, »sollen wir ein Tänzchen wagen?« »Mach dich nicht lächerlich«, krächzte er, »ich bedanke mich noch für den Schinkenknochen, den du mir gegeben hast. Es war freilich nicht mehr viel dran.«
Unterdessen hatte man mich bemerkt, und nun kam eine Abordnung, um mich feierlich in Empfang zu nehmen. Voran ging Küster Kuckuck. Der fromme Mann wackelte ein bisschen; ich glaube, er hatte zu viel von dem Maientau genippt, denn die Glockenblume immerfort kredenzte in schlanken blauen Kelchen. Ihm folgten zwei Vergissmeinnicht als Ehrenjungfern im himmelblauen Kleide. So wurde ich zum Throne geführt, wo der König und die Königin des Festes saßen, und das waren Prinz Waldmeister und Veilchen. Der eitle Fant hatte mir neulich etwas vorgefaselt von der Prinzessin Rebenblüte, aber ich ließ mir nichts merken. Das Veilchen saß wunderlieblich da, ganz verschämt unter seinem goldenen Krönlein.
Neben dem Throne, der mit Purpur ausgeschlagen war, stand für mich ein Sitz bereit. Es war nur ein alter Baumstumpf, aber er war breit und bequem, so recht passend für mich. Man hatte noch ein weiches Moospolster daraufgelegt. Ich ließ mich nieder und sah mir das Tanzen an.
Die Blumen hatten große Toilette gemacht und rochen wunderschön. Am meisten ergötzte mich der Maulwurf. Der plumpe Geselle tanzte mit der hochadeligen Haselmaus und benahm sich sehr täppisch. Er konnte die Sonne nicht gut vertragen und machte die Augen nur halb auf. So kam es denn, dass er drei Paare niedertanzte. Zuletzt bekam er Schläge, fing an zu schimpfen und zu fluchen und kroch in die Erde.
Nach dem Tanze wurde geschmaust und getrunken, lauter feine Sachen, Ameiseneier und Blütenstaub und Lindenhonig – was weiß ich! Ich brachte ein Hoch aus auf das Königspaar und bekam selbst auch ein Hoch, das mein Küster Kuckuck ausbrachte. Er war wieder ganz nüchtern.
Nach dem Essen bin ich etwas eingenickt. Die Wahrheit zu sagen, ich war ein wenig benebelt und weiß nicht mehr, was später noch kam. Sagt es aber nicht weiter, sonst lacht man über euren Waldbruder.