Kitabı oku: «Der Chor in den Tragödien des Sophokles», sayfa 4

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3.2 Fokussierung

Eine chorische Reflexion kann dazu dienen, auf ein bestimmtes Moment der Handlung dezidiert hinzuweisen und so die Aufmerksamkeit des Rezipienten darauf zu bündeln.1 Der Begriff „Moment“ ist dabei besonders weit gefasst: das Handeln eines Akteurs, die momentane oder generelle Situation eines Akteurs (gegebenenfalls des Chors selbst), eine Einwirkung von außen, der Ort des Geschehens, ein bestimmter Gegenstand, ein im Bühnengespräch aufgeworfenes Problem oder Thema – kurz: alles, was einen konkreten Bezug zur Handlung, zur Bühnensituation oder zum Bühnengespräch hat oder aus ihnen hervorgeht.

Eine Fokussierung auf ein so geartetes Moment der Handlung verortet die chorische Reflexion und damit den Chor als ihren Sprecher dabei punktgenau im dramatischen Kontext; der konkrete Anknüpfungspunkt zwischen Chorpartie und Kontext ist in der Regel explizit bezeichnet: Stellt ein Akteur den Fokus der chorischen Reflexion dar, so kann er durch ein Demonstrativum2 oder eine andere Benennung3 bezeichnet, namentlich genannt4 oder auch angeredet werden.5 Den Bezug auf ein konkretes, womöglich der direkt vorausgehenden Szene entsprungenes Vorkommnis oder einen Gegenstand leisten entweder die konkrete Bezeichnung6 oder ein rückblickendes Demonstrativum.7

Den eigentlichen Rahmen der Handlung und einiger mit ihr zusammenhän­gender Phänomene verlässt eine fokussierende Reflexion dabei kaum; allenfalls bündelt sie eine Situation exemplarisch in der Fokussierung auf ein spezielles Moment derselben und entwirft so ein Panorama der jeweiligen Verhältnisse, wie sie sich aus Sicht der Choreuten darstellen. Als Faustregel kann zunächst gelten: Solange dabei der unmittelbare Bezugsrahmen der der Handlung immanenten Gegebenheiten nicht verlassen wird, ist die Grenze zur Kontextualisierung noch nicht überschritten.

Dramaturgisch gesehen entspringt eine fokussierende Reflexion nicht nur konkret dem Geschehen, sondern wirkt im Gegenzug auch in besonders direkter Weise auf dieses zurück. Sie kann gerade hinsichtlich des dramatischen Tempos sowohl zu einer Steigerung als auch zu einer Drosselung desselben beitragen: Die konkrete, auf ein (innerdramatisch) problematisches Moment der Handlung fokussierende Reflexion reizt dabei die Erwartung einer (Auf-) Lösung, ist also im Wesentlichen dynamisch,8 wohingegen die auf einen erreichten Zustand fokussierende Reflexion eine eher statische Konstatierung und Bekräftigung darstellt9 – die möglicherweise als Folie einer plötzlich hereinbrechenden Wendung dienen kann.10 Wird diese Wendung durch den Rezipienten bereits antizipiert, so ist die entsprechende Chorpartie ein wesentlicher Bestandteil der Inszenierung dramatischer Ironie und damit klar dramaturgisch funktionalisiert. Die Analysen des Hauptteils werden zeigen, inwieweit darin ein geradezu standardisierter Einsatz der chorischen Reflexion vorliegt.

Die Interpretation der Chorpartien wird dementsprechend zu zeigen versuchen, inwieweit die Reflexion auf ein bestimmtes Moment der Handlung fokussiert, wie sich diese Fokussierung zum Rahmen der innerdramatischen Gegebenheiten verhält und welche (gegebenenfalls standardisierten) dramaturgischen Implikationen sich gerade hinsichtlich des dramatischen Tempos daraus ergeben.

3.3 Kontextualisierung

Eine kontextualisierende Reflexion bezieht sich ebenfalls auf ein bestimmtes Moment der Handlung (worunter der oben gegebenen Definition entsprechend auch die momentane Gesamtlage der am Geschehen beteiligten Akteure verstanden werden kann); anstatt dieses allerdings fokussiert zu betrachten und hinsichtlich einiger ihm immanenter Facetten auszuleuchten, sucht diese Reflexion vielmehr, es in einen größeren Rahmen einzuordnen, der den unmittelbaren Bezugsrahmen des dramatischen Geschehens übersteigt.1 Dieses Kontextualisieren eines Moments dient dabei dazu, eine weitere Deutungsebene einzublenden, vor der das dramatische Moment selbst bzw. auch die gesamte Handlung neu oder anders ausgedeutet werden können.

Welche umfassenderen, den Rahmen des unmittelbaren dramatischen Geschehens übersteigende Kontexte kommen dabei in Frage? Eine reflektierende Partie kann das Geschehen bzw. einen Aspekt desselben in einen theologisch-religiösen oder einen allgemeinphilosophisch-gnomischen Kontext einordnen und dabei entweder nur das Wirken (quasi-)göttlicher,2 abstrakter3 Mächte bzw. menschlicher Grundkonstanten4 feststellen, oder – in einem noch umfassenderen Sinne kontextualisierend – dem Geschehen als Konkretisierung einer allgemeinen Wahrheit geradezu exemplarischen Charakter zusprechen.5 Ähnliches gilt im Fall der Einordnung dramatischer Momente in den Zusammenhang der (Familien-)Geschichte6 oder beim Aufweis mythischer Parallelen,7 die eine Kontextualisierung des Bühnengeschehens ermöglichen bzw. andeuten.

Ob dabei das dramatische Moment den Ausgangspunkt der Partie bildet oder die Reflexion erst konkretisierend auf das dramatische Moment zuläuft, bleibt im Wesentlichen der bewussten Komposition des Dichters überlassen, der damit je eigene dramaturgische Absichten verfolgt: Ein zu Beginn einer kontextualisierenden Partie gesetzter Bezug zum dramatischen Kontext holt die Rezipienten geradezu in der Handlung ab und öffnet das Geschehen in Richtung einer weiteren Deutungsebene,8 womit – über die gesamte Partie gesehen – grundsätzlich eine Entschleunigung des dramatischen Tempos gegeben sein wird. Dagegen bewirkt die entgegengesetzte Struktur, d.h. die Nennung des Anknüpfungspunkts erst am Ende der kontextualisierenden Partie, über alles gesehen eine beschleunigende Rückführung in die dramatische Realität, nachdem sich der Beginn der Passage zunächst vom unmittelbaren Kontext abgehoben haben wird.9 Näheres muss dabei die Einzelinterpretation ad locum zeigen; auch inwiefern eine der beiden Kompositionsformen für kontextualisierende (und andere) Chorpassagen typisch ist, wird sich erst nach Auswertung der Einzelergebnisse feststellen lassen.

Die Interpretation solchermaßen kontextualisierender Passagen hat dementsprechend im Besonderen den jeweiligen Anknüpfungspunkt zum dramatischen Geschehen herauszustellen und den Rahmen zu umreißen, in den das Geschehen durch den Chor gestellt wird. Auf der Basis dieser durch die Reflexion entworfenen Deutungsebene(n) müssen darüber hinaus die dramaturgischen Implikationen der entsprechenden Partie sowie ihre motivische Verankerung innerhalb des Dramenganzen untersucht werden.

4. Chorische Binnengliederung – dramaturgische Implikationen des Einzelstücks

Von besonderer Bedeutung wird es bei der Interpretation der Einzeltragödien sein, den Beziehungen zwischen den Chorpartien selbst nachzugehen, d.h. zu fragen, ob gewisse Chorpartien einander ergänzen, aufeinander Bezug nehmen oder hinsichtlich ihrer Motivik, ihrer Reflexionsinhalte und -strategien bzw. der ihnen eigenen dramaturgischen Funktionalisierung miteinander korrelieren. Diese Bezugnahmen der Chorpartien untereinander sollen dabei unter dem Stichwort „chorische Binnengliederung“ zusammengefasst werden.

Von besonderer dramaturgischer Bedeutung ist dabei das strukturierende Potential, das einer so gearteten chorischen Binnengliederung zukommt: Jenseits der rein formalen Gliederung, die die regelmäßige Einschaltung lyrischer Partien mit sich bringt, ist dem Dichter mit den Chorpartien so ein besonders wirksames Mittel gegeben, seine Tragödie auch motivisch-thematisch zu gliedern bzw. zu runden. Um die Bedeutung zu ermessen, die dem strukturellen Potential chorischer Binnengliederung im Fall unseres Autors zukommt, muss ein besonderer Umstand des uns vorliegenden Werks ins Gedächtnis gerufen werden.

Die uns vollständig überlieferten Tragödien des Sophokles waren nicht Bestandteile von Inhaltstetralogien,1 bei denen zumindest die drei zum Wettbewerb eingereichten Tragödien (tragische Trilogie) als eine Folge von Fortsetzungsstücken abschnittsweise und chronologisch aufeinander aufbauend einen Mythos auf die Bühne brachten.2 Mit aller gebotenen Vorsicht lässt sich auf Grund der Quellenlage behaupten, dass gerade Sophokles ab einem gewissen Zeitpunkt3 die Abkehr vom (aischyleisch geprägten) Kompositionsschema der Inhaltstetralogie4 hin zur Komposition von drei (Tragödien) bzw. vier thematisch in sich geschlossenen Stücken propagiert hat.5 Die so zu einer Tetralogie zusammengefassten Stücke waren, wenn überhaupt, nur noch thematisch-motivisch miteinander verknüpft.6 Eine Rekonstruktion der so gearteten sophokleischen Tetralogien ist allerdings bereits auf Grund der mangelnden Zeugnisse sehr schwierig: Bei vielen Stücken ist schlicht nicht bekannt, mit welchen anderen Dramen sie in einer Tetralogie zusammengefasst waren. Dass von einem Großteil der Tragödien einzig die Titel bekannt sind, erschwert eine Gesamtschau zudem. Beginnend mit Aristoteles7 scheint darüber hinaus auch die Tragödienphilologie der späteren Zeit kein besonderes Gewicht mehr auf die Trilogien- bzw. Tetralogienkomposition gelegt zu haben (vgl. die uns vorliegende Auswahl von sieben Einzelstücken sowie der darin enthaltenen byzantinischen Trias zu Schulzwecken).

Auch wenn uns so in Sophoklesʼ Fall die Vergleichsmöglichkeiten genommen sind,8 lässt sich schließen, dass sich die Komposition einer in den Verbund einer Inhaltstetralogie eingebundenen Tragödie von der eines als Einzelstück komponierten Dramas unterschieden haben muss: Die Anordnung der einzelnen Formteile, Szenen und Auftritte, die Phasierung des Stücks und demgemäß die poetisch-motivische Arbeit im Einzelnen dienen dem Aufbau eines auf die Dauer eines Stücks bemessenen Spannungsbogens. Dass in diesem Zusammenhang gerade die Gestaltung der Chorpassagen und ihre dramaturgische Funktionalisierung auch diesem Zweck dienen, ist folgerichtig. Konkret gesagt: Die formale Geschlossenheit, gar die durch offensichtliche Bezüge und Spiegelungen inhaltlicher9 oder formaler10 Natur erzeugte Rundung einer der uns überlieferten Tragödien festzustellen, ist vor dem Hintergrund dieser Überlegungen alles andere als banal.

V. Zielsetzung, Aufbau und Vorgehen der Arbeit – praeliminaria
1. Zielsetzung und wesentliche Charakteristika dieser Untersuchung

Die vorliegende Arbeit setzt es sich zur Aufgabe, die „chorische Technik“1 des Sophokles eingehend zu beleuchten. Zu diesem Zweck soll auf der Basis einer detaillierten Interpretation der einzelnen Chorpassagen innerhalb der Tragödien ein möglichst umfassendes Bild des Formteils „Chor“ bei Sophokles gegeben werden. Im Vordergrund steht dabei zunächst das vertiefte Verständnis der entsprechenden Partie bzw. der in Rede stehenden Tragödie auf Basis des in dieser Einleitung entwickelten Instrumentariums. Ausgehend von den so erarbeiteten Einzelergebnissen soll ein schrittweiser Überblick über größere Einheiten (Lied/Chorpartie – Einzelstück – Gruppe – Gesamtwerk) generelle Erkenntnisse zur chorischen Technik bzw. zur Chorführung herausarbeiten.

Im Besonderen wird dabei zu fragen sein, ob, und wenn ja, was für ein Zusammenhang zwischen den drei in der Einleitung eröffneten Spektren (Person/Rollenidentität, Reflexionsstrategie, dramaturgische Funktionalisierung) besteht, d.h. ob sich feste Zuordnungen ausmachen lassen und was damit für die Betrachtung der Tragödien im Ganzen gewonnen ist.

So ist die vorliegende Arbeit sowohl hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Auffassung der Tragödie als auch mit Blick auf ihre Zielsetzung und den zu unter­suchenden Gegenstand im Ganzen SPIRAs wohlbegründeter Ansicht verpflichtet:

Daß Handlung und Charaktere, in anderen Worten, dramatische Technik und Psychologie, untrennbar voneinander der Gesamtkonzeption des Dramas dienen, ist unsere feste Auffassung.2

Bereits in ihrer Konzeption, das Phänomen Chor im Rahmen der drei oben entworfenen Spektren zu untersuchen (und damit das Gegeneinander einer – vermeintlich aristotelischen – reinen dramatis persona-Auffassung, einer ausschließlich dramentechnischen Betrachtung sowie einer einzig an rituell-performativen Aspekten oder den theologisch-geistesgeschichtlichen Inhalten der Chorlieder interessierten Beschäftigung zu überwinden), weiß sich diese Untersuchung auf der von SPIRA innerhalb der Forschung ausgemachten und beschrittenen via media zwischen den Extremen.3 Wenn sich der Fokus der Interpretationen dabei auch von Zeit zu Zeit auf Einzelaspekte (wie beispielsweise die Einbindung der chorischen Person in das Personenspektrum der Tragödie oder die strukturelle Verankerung gewisser Lieder) konzentriert, so wird doch an dieser für das Selbstverständnis der Arbeit konstitutiven Ausrichtung festgehalten. Dass dabei das besondere Augenmerk eher auf die formalen Aspekte der einzelnen Tragödien sowie des Dramas überhaupt gerichtet ist, versteht sich vor diesem Hintergrund nicht als Abweichung von der angesprochenen via media, sondern als besonders geeignetes Instrument, den Untersuchungsgegenstand adäquat auszudeuten; „denn in der dramatischen Form erscheint ja alles, was interpretiert und nach dessen Sinngebung gefragt werden kann“.4

Die vorliegende Arbeit ist diesen Überlegungen und Verortungen entsprechend im Wesentlichen deskriptiv und werkimmanent ausgerichtet. Sie wird dabei im Besonderen den bereits angedeuteten strukturellen, d.h. im besten Sinne dramaturgischen Effekten der einzelnen Lieder nachgehen. In ihrer grundlegenden Intention weiß sie sich dabei in besonderer Nähe zu GRUBER: Sie sucht in ihrer Frage nach der Dramaturgie des Einzeldramas zu ergründen, welche Bedeutung das jeweilige Chorlied bzw. die Gesamtheit der chorischen Passagen eines Dramas für die Komposition des Stücks besitzt; sie fragt daher mittelbar auch, „auf welche Weise der Chor im Ablauf einer Tragödie die Rezeptionshaltung des Zuschauers prägt“.5 Der Rezeptionsästhetik GRUBERS setzt sie allerdings den fokussierten Blick auf das Wechselspiel der Formteile der Tragödie entgegen und weiß sich damit einer eher produktions- bzw. werkästhetischen6 Position verpflichtet.

Das Ziel der Arbeit, das Verständnis des jeweiligen Einzelstücks als einer dramatischen Komposition zu fördern, rückt sie von Zeit zu Zeit in die Nähe einer geradezu kommentierenden Auseinandersetzung und macht gegebenenfalls die deutende Wiedergabe längerer Textpartien nötig.

2. Aufbau der Arbeit, methodische Entscheidungen und Vorgehen im Einzelnen

Der Aufbau der vorliegenden Arbeit ergibt sich aus der oben umrissenen Zielsetzung: Die Gestaltung und Anordnung ihrer Teile versucht dabei, das oben erwähnte schrittweise Überblicken der dem Gegenstand eigenen Abschnitte zu spiegeln.

Den Hauptteil der Arbeit (B) bilden dementsprechend die Einzelinterpretationen der sieben uns vorliegenden Tragödien des Sophokles (samt den Gesamtschauen der einzelnen Großabschnitte). Wie oben bereits bemerkt, sind diese Einzelinterpretationen nach den Rollenidentitäten der jeweiligen Chöre kategorisiert:1 So kommen zunächst die Tragödien mit Chören wehrfähiger Männer in den Blick, daraufhin die mit Frauen-, schließlich die mit Greisenchören. Sowohl die Anordnung dieser Großabschnitte selbst als auch die Reihenfolge der ihnen zugehörigen Einzeltragödien unterliegt dabei inhaltlich-formalen Gesichtspunkten, die die Interpretation selbst ergeben und die entsprechenden resümierenden Partien sozusagen im Rückblick erläutern werden.2

Die den sieben Dramen gewidmeten Abschnitte sind dabei ganz parallel aufgebaut: Der Interpretation der einzelnen Partien geht jeweils unter der Überschrift „Vorbemerkungen“ eine kurze Angabe des Inhalts der Tragödie sowie ein Überblick zum Personal und entscheidenden strukturellen Momenten voran.3 Eine Zusammenfassung wird im Anschluss an die Analyse die entscheidenden Punkte der Einzelinterpretation der Chorpartien prägnant zu wiederholen suchen. Sie wird dazu das gesamte Drama in den Blick nehmen, eine Übersicht der Chorlieder geben und den Blick auf größere Formaleinheiten innerhalb des Stückes weiten. Im Besonderen wird dabei gemäß den in der Einleitung eröffneten Kategorien nach dem Verhältnis des Chors zur jeweiligen Bezugsperson, nach den Reflexionsstrategien, der dramaturgischen Funktionalisierung der Chorpartien sowie nach ihrer Binnengliederung und damit gegebenenfalls ihrer strukturierenden Funktion zu fragen sein.

Eine vergleichende Gegenüberstellung der hinsichtlich der Rollenidentität des Chors zusammengehörigen Tragödien bieten die sog. Gesamtschauen am Ende der jeweiligen Großabschnitte. Sie dienen dazu, Parallelen und Unterschiede der Chorführung der entsprechenden Dramen aufzuzeigen, und orientieren sich dabei gezielt an den in der Einleitung beschriebenen Spektren. Dabei verstehen sie sich jeweils als Zwischen-Fazit, das auf Basis der Einzelinterpretationen entscheidende Punkte herausstellt und den Blick weitet.

Der mit „Synthese und Ausblick“ überschriebene Abschnitt C stellt den abschließenden Versuch dar, die in den Einzelinterpretationen herausgearbeiteten und in den Gesamtschauen abschnittsweise miteinander verglichenen Ergebnisse zu einem Gesamtbild zusammenzuführen. Dabei sollen zunächst einige allgemeine Gesichtspunkte der sophokleischen Chorführung beleuchtet werden, bevor sich je ein Unterabschnitt mit dem Verhältnis der drei in der Einleitung entworfenen Spektren sowie einigen sich daraus ergebenden Folgerungen mit Blick auf das Gesamtwerk auseinandersetzt. Ein kurzer Ausblick wird versuchen, mögliche Nutzbarmachungen der hier vorgelegten Analysen und Ergebnisse zu umreißen.

Einige methodische Entscheidungen haben dabei besonderen Einfluss auf die Gestaltung der Interpretationen im Einzelnen; sie sollen daher hier kurz ausgeführt werden.

Die zu untersuchenden, zumeist lyrischen Partien des Chors sind bereits sprachlich und inhaltlich so komplex, dass mit Blick auf die Zielsetzung dieser Arbeit mit einem reinen Überblick oder einer kurzen Inhaltsangabe nicht besonders viel gewonnen wäre. Da die Analyse im Einzelfall zeigen will, welche Bedeutung gerade der sprachlich-poetischen Komposition der einzelnen Chorpartien (d.h. dem Gedankenfortschritt, der Verknüpfung einzelner Bilder, Gedanken oder Motive) sowohl mit Blick auf die Verortung des Liedes im Ablauf der Handlung als auch seiner dramaturgischen Funktionalisierung zukommt, ist es unausweichlich, den entsprechenden Partien größtenteils in einer engen, textnahen Interpretation zu folgen.

Gerade die dramaturgischen Zusammenhänge und Strukturen der Chorlieder einer Tragödie können dabei meines Erachtens nur sinnvoll untersucht werden, wenn die Lieder (und die für die Dramaturgie bedeutsamen Aussagen des Chors innerhalb der Sprechteile des Dramas) zunächst für sich und im Zusammenhang mit dem Handlungsverlauf betrachtet werden.4 Erst auf Basis eines so gearteten textnahen Nachvollzugs sowie einer teilweise kleinteiligen Betrachtung können die einzelnen Aspekte der Chorführung eines Dramas bzw. einer Gruppe von Dramen beleuchtet werden.

Die vom Dichter festgelegte Reihenfolge der Gedanken und Reflexionen, d.h. das konkrete Nacheinander der einzelnen Sätze, Strophen und Abschnitte ist dabei konstitutiv; fragt man so nach der konkreten Einbettung des Liedes im Zusammenhang des Dramas, ist ein Nachvollzug der zu untersuchenden Partie in der Reihenfolge der Rezeption und somit ein (zumindest erster) Durchgang durch den vorliegenden Text notwendig.

Da ferner gerade die Verortung der jeweiligen Lieder im Kontext des Stückes, d.h. im Besonderen der motivisch-thematische Konnex zwischen Sprechpartien und lyrischen Abschnitten, zu erfragen ist, müssen auch gewisse nicht-chorische Passagen einer genaueren Untersuchung unterzogen werden (im Besonderen freilich die Prologe, denen als Startpunkt der Tragödien herausgehobene Bedeutung gerade auch hinsichtlich ihrer Beziehung zur Par­odos zukommt). Die entsprechenden Passagen dieser Arbeit sind dabei nicht als Digression zu verstehen, sondern wollen in besonders fokussierter Weise die Ausdeutung des folgenden (oder vorangehenden) Chorliedes ermöglichen.

Kurz gesagt: Die Einzelinterpretationen folgen so dem Verlauf des jeweiligen Stücks sowie den einzelnen Partien im Wesentlichen linear; einzelne Vor- oder Rückblenden ergeben sich dabei aus der Sache selbst: So ist es beispielsweise bei der Einordnung einer gewissen Passage in den übergeordneten Kontext des Dramas notwendig, das Verhältnis des in Rede stehenden Abschnitts zu vorangegangenen oder kommenden Partien zu beleuchten. Am grundlegenden Charakter der Einzelanalyse als eines Durchgangs durch die entsprechende Tragödie ändert dies allerdings nichts.5

Trotz der formalen und thematischen Vielfalt der zu betrachtenden Chorlieder sowie der jeweils unterschiedlichen Einbindung in den Zusammenhang des Dramas ist es geraten, die Interpretation der chorischen Passagen einem groben Schema folgen zu lassen: So geht der eigentlichen Interpretation eine Hinführung zur Partie voraus, die die vorhergehende Sprechszene rekapituliert. Es folgt in der Regel ein rascher formaler Überblick über die eigentliche chorische Partie, wobei neben der Angabe des grundlegenden Themas besonders die Ausdehnung, die metrisch-strophische Gliederung,6 die (intendierte) Gesprächssituation und etwaige gattungseigene Merkmale im Vordergrund stehen. Daran schließt sich ein detaillierter Nachvollzug der Partie an, der im Besonderen die Gedankenbewegung, die motivische Arbeit und die sprachliche Ausgestaltung beleuchten wird. Es wird dabei nötig sein, gewisse Abschnitte sehr textnah zu paraphrasieren, andere – v.a. kommatische Partien – können hingegen kursorisch abgehandelt werden. Dem differenzierten und deskriptiven Nachvollzug der Einzelheiten folgt in der Regel ein zusammenfassender Überblick, der versucht, zum einen die dramaturgischen Implikationen der Partie herauszustellen, zum anderen ihre Relation zu den anderen lyrischen Partien des Dramas zu beleuchten.

Angesichts des Ziels sowie des angedeuteten Vorgehens dieser Arbeit ist ersichtlich, warum in diesem Rahmen weder eine Behandlung der Tragödienfragmente noch der Satyrspiele unseres Autors geleistet werden kann: Die unzureichende Überlieferung macht es unmöglich, dem Fortgang der jeweiligen Dramen zu folgen oder gar einzelne Partien genauer zu analysieren, um auf dieser Basis valide Erkenntnisse zur Dramaturgie der Einzelstücke zu gewinnen.7

Die Arbeit will und kann trotz ihres Umfangs und der Behandlung aller sieben überlieferten Stücke zudem keine umfassende Gesamtinterpretation der Tragödien liefern. Dass im hier gewählten formalen Zugang zu den Tragödien eine Reihe von Aspekten unbearbeitet bleibt, dass womöglich mit der Betonung der kompositorischen Prinzipien ein einseitiges Bild der dramatischen Werke gezeichnet wird und die vorgelegte Studie den Dramen nicht in Gänze gerecht werden kann, ist mir bewusst.

Grundsätzlich bleibt dabei allerdings zu bedenken: Weder darf der unzureichende Überlieferungsstand der Werke unseres Autors auf der einen noch die Unkenntnis über die konkrete Musik, den Tanz und sonstige mit der Aufführungspraxis unmittelbar verbundenen Phänomene auf der anderen Seite außer Acht gelassen werden. Gerade die Beschäftigung mit dem Chor innerhalb der Tragödie hat so einige Leerstellen anzuerkennen, die eine umfassende Würdigung des sophokleischen Werks gerade hinsichtlich seiner Wirkung auf das Publikum ohnehin weitestgehend unmöglich machen.8 Auch die verdienstvolle Auseinandersetzung mit den historischen Umständen der Gattung Tragödie und ihrer soziokulturellen Verankerung innerhalb der Polis Athen darf dabei nicht über den Umstand hinwegtäuschen, dass selbst ein rezeptionsästhetischer Ansatz zum Verständnis der Einzelstücke mit dieser generellen Unkenntnis umzugehen hat.9 Gerade die von neueren Tendenzen mit einiger Entschiedenheit ins Feld geführte Rekontextualisierung der attischen Tragödie scheint allzu oft die Leerstellen innerhalb der Überlieferung sowie unsere Unkenntnis aus dem Blick zu verlieren; dass gerade eine zielgerichtete Fokussierung auf die inneren Strukturen der Tragödien und ihre Kompositionsprinzipien das Verständnis fördern kann, will dagegen die vorliegende Arbeit zeigen. Die diese Arbeit im Wesentlichen prägende Konzentration auf den Text der sophokleischen Tragödien versteht sich so nicht als andere Aspekte ausblendende Reduktion, sondern ist sich ihrer Beschränkung durchaus bewusst. Gemäß ihrem Ziel, zunächst das Verständnis der Einzeltragödien zu fördern, schließlich ein Gesamtbild des sophokleischen Chorgebrauchs zu zeichnen, sieht sie allerdings in der Beschäftigung mit dem Tragödientext den angesichts der Überlieferungslage einzig gangbaren Weg.

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