Kitabı oku: «Frauenstimmrecht», sayfa 4

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Verdüsterung am Horizont

An der Wende zu den 1930er-Jahren engagierten sich nur die beiden Linksparteien programmatisch und praktisch für das Frauenstimmrecht. Die Katholisch-Konservative Partei war strikt dagegen, die BGB noch vehementer. Der Freisinn verhielt sich uninteressiert. In ihrem Programm von 1931 hatte die Partei nur die «Mitarbeit der Frau an hiefür geeigneten öffentlichen Aufgaben» festgehalten.67 Mit der Wirtschaftskrise veränderte sich das politische Klima zusehends. In den 1930er-Jahren gerieten der Fortschrittsgedanke mitsamt den zwei grossen politischen Strömungen Sozialismus und Liberalismus und schliesslich sogar die Demokratie selbst in eine Krise. Auftrieb hatten dagegen nationalkonservative bis restaurative Tendenzen. In deren Gesellschaftsbildern stellte nicht mehr das Individuum den zentralen Referenzpunkt dar, sondern die Familie als sozusagen natürliche, organisch-hierarchische Einheit. Sie galt als die kleinste Zelle der Gesellschaft und des Staates. «Auf der Familie ruht der Staat», lautete ein Motto der Schweizerischen Landesausstellung von 1939, der Landi. Die vermeintlich durch die Frauenemanzipation, insbesondere die weibliche Erwerbstätigkeit, und die Verwerfungen der Moderne gefährdete Familie erhielt nun von rechts bis links politische Unterstützung. Weibliche Sonderdesiderate wie das Frauenstimmrecht wurden äusserst unpopulär. Das Spezifische hatte sich dem Gesamten unterzuordnen. Von den Frauen wurde erwartet, dass sie sich für das Allgemeinwohl, die «Volksgemeinschaft», engagierten und nicht durch Forderungen die Öffentlichkeit polarisierten. Im Rahmen der Diskussionen um eine ständestaatliche Verfassungsrevision reaktivierte der katholisch-konservative Vordenker Carl Doka die alte Idee der französischen katholischen Reaktion:68 das Familienstimmrecht. Gemeint war ein mehrfaches Wahlrecht, das der Staat einem Familienvorstand, Mann oder Frau, als Ausgleich für die durch die Sorge für eine Familie bedingten höheren Lasten verleiht.69 (Es handelte sich also nicht um dasselbe Prinzip, wie es 1919 im Tessin mit dem Familienwahlrecht in den Bürgergemeinden, den patriziati, eingeführt worden war.) Die Frauenbewegung musste sich nun für die Bewahrung der Demokratie engagieren, das System, das ihnen die demokratischen Rechte verwehrte.

Dieses verdankte es ihnen keineswegs. Als 1935 der sozialdemokratische Zürcher Nationalrat Hans Oprecht (1894–1978) den Bundesrat mit einer kleinen Anfrage an die hängige Frauenstimmrechtssache erinnerte, erwiderte die Schweizer Regierung, dass es zurzeit dringendere Probleme gäbe. Auch der Waadtländer Nationalrat Eugène Hirzel (1898–1972), ein Freisinniger, blitzte 1938 ab, als er sich erkundigte, was mit dem Memorandum des SVF geschehen werde, in welchem dieser das Parlament daran erinnert hatte, wie wichtig die Mitarbeit der Frauen in schweren Zeiten sei. In den 1930er-Jahren und im Krieg sah sich die Frauenbewegung in die Defensive gedrängt, bestenfalls konnte sie verhindern, dass Frauenrechte abgebaut wurden. Doch wurde die Legitimität der weiblichen Erwerbsarbeit mit der Kampagne gegen das «Doppelverdienertum» prinzipiell infrage gestellt; die Arbeitsgesetze im Krieg schützten die männliche Arbeitskraft, und die verabschiedeten Bestimmungen in der Sozialversicherung, so in der Arbeitslosenversicherung, diskriminierten die verheirateten Frauen. Nur in zwei Westschweizer Kantonen wurden in den 1930er-Jahren neue Vorstösse für die Einführung des Frauenstimmrechts eingebracht. Die zwei kantonalen Abstimmungen, die während des Kriegs in den Kantonen Genf (1940) und Neuenburg (1941) stattfanden, erzielten beide negative Resultate. Während die Zustimmung in Genf bei 32 Prozent stagnierte, verlor sie in Neuenburg mit 24,7 Prozent Ja-Stimmen sechs Punkte im Vergleich zur Phase des Aufbruchs nach dem Ersten Weltkrieg (obschon nur noch ein partielles Stimm- und Wahlrecht in Gemeindeangelegenheiten zur Debatte stand). In Genf war die Volksabstimmung durch eine Initiative der Genfer Sektion des SVF angeregt worden, in Neuenburg durch eine sozialdemokratische Motion, der eine Eingabe der lokalen Sektion des SVF vorausgegangen war. Es war jedoch das erste Mal, dass auch acht bürgerliche Parlamentarier eine sozialdemokratische Motion mitunterschrieben. Doch ihre Parteien folgten ihnen in ihren Abstimmungsparolen nicht: Freisinn und Liberale sprachen sich für ein Nein aus, die Parti progressiste-national verzichtete auf eine Parole (obschon die Partei anlässlich ihrer Gründung 1920 das Frauenstimmrecht in ihr Programm aufgenommen hatte). Auch die SP hatte ihre Wähler nicht mobilisieren können. Selbst in den Arbeiterhochburgen Le Locle und La Chaux-de-Fonds erreichten die Ja-Stimmen nur je 34 und 30 Prozent. Für die bürgerlichen, nicht parteigebundenen Zeitungen, die das Anliegen befürwortet hatten, war der Moment denkbar schlecht gewählt: ein Jahr nach der Genfer Niederlage und mitten im Krieg, als andere Sorgen dominierten. La Sentinelle, die sozialdemokratische Zeitung, enthielt sich jeden Kommentars zum niederschmetternden Resultat! Für Emilie Gourd waren auch das Desinteresse und die mangelnde Solidarität der Frauen daran schuld.70

Die unmittelbare Nachkriegszeit: kurze Phase des Aufbruchs

Das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte einen neuen Demokratisierungsschub. Weltweit gewährten nun über drei Dutzend Länder den Frauen das Stimm- und Wahlrecht. Neu waren auch die Nachbarländer Frankreich und Italien dazugekommen. Mit der Charta von San Francisco, welche die Vereinten Nationen 1945 verabschiedeten, wurde das Prinzip der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau neu in einer internationalen Norm festgeschrieben – ein Grund zum Optimismus für die Schweizer Feministinnen. Zumal am 16. Juni 1944 ein Postulat von Hans Oprecht, des Präsidenten der Sozialdemokratischen Partei, und 51 Mitunterzeichnern den Bundesrat eingeladen hatte, zu prüfen, ob nicht verfassungsrechtlich das Frauenstimm- und -wahlrecht zu gewähren sei. Der Nationalrat behandelte es erst 18 Monate später, am 12. Dezember 1945, da vorher «dringendere Geschäfte» anstanden.71

Neuformation der Reihen

38 Frauenorganisationen hatten durch eine Eingabe an den Nationalrat das Postulat unterstützt, doch der SGF hielt sich nun zum «totalen» Frauenstimmrecht auf Distanz.72 (Angefragt worden waren 78 Organisationen.73) Zur Vorbereitung der kommenden politischen Kampagnen war unter der Ägide des SVF bereits im März 1945 ein Schweizerisches Aktionskomitee für das Frauenstimmrecht gegründet worden, das im selben Jahr den eidgenössischen Räten eine Petition mit dem Titel «Zur Orientierung über das Frauenstimmrecht» einreichte und Kontakt zu befürwortenden Politikern hielt.74 Neben Sozialdemokraten waren das seit den 1930er-Jahren auch die Vertreter des Landesrings der Unabhängigen (LdU) sowie eine Reihe Freisinniger und Liberaler. Zu Hoffnung auf Fortschritte Anlass gab zudem 1947 die Gründung des Staatsbürgerlichen Vereins katholischer Schweizerinnen (STAKA), einer Gruppe dissidenter Katholikinnen, die sich von der Antistimmrechtsparole der katholischen Kirche lösten, ohne sich aber zu trauen, den Begriff Frauenstimmrecht in ihren Vereinsnamen aufzunehmen. Auch die Gegnerinnen organisierten sich, vor allem in den Kantonen Bern und Zürich. 1945 wurde als Reaktion auf die Gründung des Schweizerischen Aktionskomitees für das Frauenstimmrecht in Interlaken das Aktionskomitee gegen das Frauenstimmrecht gegründet, das bald zu einem Schweizerischen Aktionskomitee gegen das Frauenstimmrecht erweitert wurde. Sie machten bei Parteien, Kirchen und Einzelpersonen Lobbyarbeit.

Déjà-vu in den Kantonen

Vorerst aber konzentrierten sich die politischen Auseinandersetzungen auf die kantonale Ebene. In nicht weniger als 15 Kantonen erfolgten unmittelbar nach dem Krieg parlamentarische Interventionen zugunsten des Frauenstimmrechts. Einige waren freilich bescheiden: In Schaffhausen bezog sich eine Motion nur auf Kirchenangelegenheiten, in Basel-Landschaft auf ein Fakultativum in Gemeindeangelegenheiten, in St. Gallen auf die Schul-, Kirchen- und Armenkommissionen. Letztlich kam es 1946 und 1947 nur in fünf Kantonen zu einer Volksabstimmung über ein integrales Frauenstimmrecht auf kantonaler und kommunaler Ebene. In drei Kantonen folgten etwas später Abstimmungen über die Einführung des Stimm- und Wahlrechts in Gemeindeangelegenheiten.

Der hoffnungsvolle Abstimmungsreigen begann mit Basel-Stadt im Juni 1946, initiiert durch eine parlamentarische Motion der Partei der Arbeit (PdA). Zum ersten Mal gab der Freisinn die Ja-Parole aus, und es rief keine der grossen Parteien zu einem Nein auf. Gleichwohl lehnten zwei Drittel der Stimmberechtigten das Anliegen ab. Die folgenden kantonalen Abstimmungen bestätigten dieses Resultat, zum Teil mit noch bedeutend höheren Ablehnungsquoten. Im Tessin und in Zürich betrugen diese 77,2 und 77,5 Prozent, knapp gefolgt von Basel-Landschaft mit 73,5 Prozent. Einzig in Genf lehnten «nur» 56,3 Prozent der Stimmberechtigten die Initiative der Frauengruppe der PdA ab. Im Kanton Tessin handelte es sich um eine Vorlage, die im Rahmen einer Teilrevision der Verfassung vom Staatsrat eingebracht worden war. In Zürich kamen gleichzeitig zwei Vorlagen zur Abstimmung: Einerseits die erwähnte SP-Initiative zur Kantons- und Gemeindeebene, andererseits eine Vorlage, die sich nur auf die Distrikt- und Gemeindeebene bezog. Gleichwohl wurden sie von zwei Dritteln der Stimmberechtigten abgelehnt.

Wie nach dem Ersten Weltkrieg war die Hoffnungsphase von äusserst kurzer Dauer. Der Leistungsausweis der Schweizerinnen im Krieg wurde von den Männern nicht durch mehr Rechte honoriert. Nach dem Krieg «zog sich die Frau wieder zurück, still und genau so tapfer», konstatierte Bundesrat Philipp Etter in seinem «Dank an die Schweizer Frau».75 Anders als in den umliegenden Ländern war in der Schweiz kein Bedarf, die politische Macht durch die Wiederherstellung der Demokratie und eine Erweiterung des «Stimmvolks» auf das weibliche Geschlecht symbolisch zu stabilisieren.76 Zudem blieb auch der Druck durch internationale Normen aus, verzichtete doch die Schweizer Regierung auf ein Beitrittsgesuch zur UNO. Ferner bildeten die Stimmrechtsbefürworterinnen unter den organisierten Frauen weiterhin nur eine Minderheit, wie der dritte schweizerische Frauenkongress 1946 demonstrierte, in dessen Schlussresolution das Wort «Frauenstimmrecht» nicht vorkam.77 Mit dem Beginn des Kalten Kriegs setzte international eine Normalisierung ein, die den politischen Status quo und die traditionelle Geschlechterordnung begünstigte. In der vom Krieg verschonten Nation Schweiz stärkte sich parallel dazu die konservative Variante der Geistigen Landesverteidigung. Dieses Sonderfalldenken schützte die Schweiz vor Lehren aus dem Ausland. So formulierte der Sprecher der freisinnigen Fraktion anlässlich der Beratung einer sozialdemokratischen Motion zur Einführung des Frauenstimmrechts im Solothurner Kantonsrat 1946: «Die Bewegung und die Bestrebungen zur Gleichstellung der Frau in öffentlichen Dingen gehen durch die ganze Welt. […] Wenn wir aber an diese Frage herantreten, sollten wir uns davor hüten, uns von aussen beeinflussen zu lassen.»78 Die Forderung nach Gleichberechtigung wollte in der Schweiz niemand hören.

Das Beharren auf einer reinen Männerdemokratie zeigte sich in den folgenden Jahren in drei Abstimmungen, in denen es nur um die Gemeindeebene ging. Im Kanton Neuenburg betrug die Ablehnung 1948 mehr als zwei Drittel (67,2%). Im Kanton Waadt belief sie sich auf 60,8 Prozent, obschon es vor allem darum ging, den Gemeinden die Möglichkeit zur Gewährung des Frauenstimmrechts einzuräumen, und im Kanton Solothurn verweigerten die Stimmberechtigten mit 50,5 Prozent sogar ein Fakultativum für partielle Rechte – für ein eventuelles Stimmrecht im Schul-, Vormundschafts-, Gesundheits- und Armenwesen auf Gemeindeebene sowie in den Kirchgemeinden.79

Die langen 1950er-Jahre: die Suche nach Alternativtaktiken und der erste nationale Test

1950 gab es in Europa nur noch sieben Länder, die Frauen die politischen Rechte verwehrten: Griechenland, die Kleinstaaten Liechtenstein, Monaco, Andorra und San Marino sowie die Diktaturen Portugal und Spanien. Trotz der einsetzenden Hochkonjunktur war der Kampf für das Frauenstimmrecht in der Schweiz Ende der 1940er-Jahre festgefahren.

Neue Taktiken und die Hilfe eines Franktireurs

Das Schweizerische Aktionskomitee für das Frauenstimmrecht versuchte daher im Oktober 1949 einen neuen Weg zu beschreiten, indem es in einer Petition erstmals eine Modifikation des Bundesgesetzes über die Volksabstimmungen durch den Zusatz «männlich oder weiblich» beim Begriff Stimmberechtigte vorschlug. Mit dieser Variante wäre zwar das Wahlrecht dahingefallen, doch schien das immerhin ein erster Schritt zu sein. Vor allem führte der Vorschlag wieder auf die nationale Ebene als Handlungsraum zurück. Die Stimmrechtsaktivistinnen konnten nun auf den Sukkurs von mehreren engagierten Interessenvertretern in den eidgenössischen Räten zählen, die den Bundesrat durch parlamentarische Interventionen zum Handeln bringen wollten. Neu war, dass es sich auch um bürgerliche Vertreter handelte, obschon sie in ihrer Partei noch zur Minderheit zählten.

Als Ausnahmeerscheinung seiner Partei trat der Katholisch-Konservative Peter von Roten (1916–1991) auf. Am 21. Dezember 1949 verlangte der Walliser Nationalrat vom Bundesrat einen Bericht «über den Weg, auf dem die politischen Rechte auf die Schweizer Frauen ausgedehnt werden können», eine Motion, die als Postulat angenommen wurde.80 Von Roten ging es darum, alternative Wege zur Verfassungsrevision zu finden, die seiner Meinung nach nicht nur unnötig war (eine Gesetzesrevision würde genügen), sondern als Verfahren auch ungerecht, wenn die Männer über die Rechte der Frauen entscheiden dürften. Im Juni 1950 doppelte er mit einem Postulat nach, das einen Vorschlag des Schweizerischen Aktionskomitees für das Frauenstimmrecht aufgriff. Der SVF unterstützte seinerseits das Postulat von ausserhalb der politischen Institutionen mit einer Eingabe. Doch weder Nationalnoch Bundesrat liessen sich durch dieses koordinierte Vorgehen zugunsten der Einführung des Frauenstimmrechts über den Weg einer Gesetzesänderung beeindrucken.

Die Mutlosigkeit der Landesregierung – das Argument der «Unzeitigkeit» und die eigene politische Untätigkeit

Als der Bundesrat am 2. Februar 1951 den Bericht «über das für die Einführung des Frauenstimmrechts einzuschlagende Verfahren» publizierte, ging er auf von Rotens Anliegen nicht ein. Stattdessen beharrte er darauf, dass die Einführung des Frauenstimmrechts dem Bundesgericht zufolge nur über eine Partialrevision der Bundesverfassung möglich sei.81 Der Bericht beschränkte sich auf zehn Seiten und die Landesregierung auf die Feststellung, dass eine Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz verfrüht sei. Die Frage müsse zuerst auf Kantons- und Gemeindeebene gelöst werden. Dieser Schluss folgte paradoxerweise einer detaillierten Aufzählung aller kantonalen Vorstösse und Abstimmungen, die gemäss der obersten Landesbehörde zeigte, «dass bis jetzt noch kein einziger Kanton sich für das uneingeschränkte Stimm- und Wahlrecht der Frauen ausgesprochen hat». Der Bundesrat kommentierte dies in einer Art und Weise, die als zynisch bezeichnet werden muss: «Dem Aufbau unserer Schweizerischen Eidgenossenschaft entspräche es sicher besser, wenn vorerst in Fragen der Kirchgemeinde, des Vormundschaftswesens, in Bereichen des Armenwesens sowie der Erziehung in Gemeinde und Kanton den Frauen das Stimmrecht eingeräumt würde. Ihre Erfahrungen, ihre Kenntnisse, ja ihre ganz besondere Eignung für solche Aufgaben lassen es als besonders begründet erscheinen, dass sie vor allem dort aktiv und passiv wahl- und stimmberechtigt sein sollten. Wäre es nicht etwas eigenartig und würde nicht dem Wesen unseres föderativen Staates widersprechen, wenn zwar in den Gemeinden und Kantonen für Fragen, für welche die Frauen besonders geeignet sind, Stimm- und aktives und passives Wahlrecht nicht oder nur vereinzelt bestehen, in eidgenössischen Fragen aber der Schritt zuerst gemacht werden soll?»82

Ob die Schweizerinnen das Stimmrecht denn überhaupt wollten, fragte sich ferner der Bundesrat. Um dies zu erfahren, hatte er eine Konsultativabstimmung unter den Frauen ins Auge gefasst. Angesichts der negativen Rückmeldungen der Kantone auf die Umfrage der Bundesverwaltung erachtete er eine solche aber als nicht realisierbar. Er meinte, es könnte nämlich ein falsches Bild entstehen, da nur die Befürworterinnen teilnehmen würden, die Gegnerinnen hingegen nicht – und wiederholte damit ein altes gegnerisches Argument. Der Bundesrat führte auch die hohen Kosten und die praktischen Schwierigkeiten einer solchen Operation an. Eine erstaunliche Argumentation für das politische System der Schweiz, mit seinen zahlreichen Abstimmungen und seinem dank Föderalismus ausgebauten administrativen Zugriff auf die Bevölkerung! Auf die materielle Frage trat die Landesregierung in ihrer ersten Stellungnahme zu einem Gegenstand, der seit rund einem halben Jahrhundert ein politisches Traktandum war, gar nicht ein. Sie verweigerte sich folglich der politischen Entscheidung und schob den Ball den unteren Staatsebenen zu, indem sie sich sowohl hinter dem Föderalismus als auch dem Bundesgericht versteckte. Weder war sie bereit, eine Vorlage für eine eidgenössische Volksabstimmung zu erarbeiten noch einen Weg über eine Gesetzesreform zu beschreiten. Daneben bediente sie sich in ihrer Selbstlegitimation arrogant bei den Stereotypen der patriarchalischen Geschlechterordnung, welche die Frauen auf soziale Aktionsfelder verwies und sie weiterhin als Unfähige von den politischen Belangen ausschloss.

Es kann daher nicht verwundern, dass der SVF auf diesen Affront schon wenige Wochen später schriftlich reagierte. Er tat dies freilich auf dem eingespielten Pfad der institutionellen Spielregeln mit einer juristische Gegenargumentation.83 Immerhin rief die bundesrätliche Stellungnahme nun auch den international renommierten Staatsrechtler Max Huber (1874–1960) auf den Plan, der in der NZZ das Recht der Bundesversammlung verteidigte, die Verfassung neu zu interpretieren.84 Seine zahlreichen Ehrungen und Posten, seine frühere Funktion als Bundesratsberater und seine Herkunft aus der Zürcher Oberschicht gaben seiner Meinung Gewicht. Huber verfügte als Vertreter der Schweiz im Völkerbund und als langjähriger Präsident des IKRK über Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Frauen auf Führungsebene. Wohl einerseits dank solch prominenter Unterstützung, andererseits infolge der stärkeren Vehemenz, mit welcher der SVF seine Forderungen in der Stellungnahme vorgebracht hatte, wurden die Frauenrechtlerinnen nun zum ersten Mal von einer nationalrätlichen Kommission empfangen, um ihre Sichtweise darzulegen. Die Kommission trat zwar nicht auf ihre Forderung ein, den gesetzlichen Weg einzuschlagen, präsentierte dem Nationalrat aber eine vom St. Galler sozialdemokratischen Rechtsanwalt und späteren Bundesrichter und Bundesgerichtspräsidenten sowie Vize-Präsidenten des IKRK Harald Huber (1912–1998) eingebrachte Motion, die den Bundesrat einlud, den Räten einen neuen Bericht und eine Abstimmungsvorlage für die Einführung des Frauenstimmrechts zu unterbreiten. Der Nationalrat stimmte mit 85 zu 56 Stimmen für Annahme dieser Motion, doch der Ständerat lehnte mit 17 gegen 19 Stimmen ab. Mit 15 gegen 18 Stimmen lehnte er auch das Postulat des Genfer Liberal-Demokraten Albert Picot (1882–1966) ab, über das Stimmrecht eine konsultative Abstimmung unter Frauen durchzuführen. Damit stand das Anliegen im Herbst 1951 wieder auf Feld eins.

Es dauerte ein Jahr, bis der Ständerat und Genfer Staatsrat Picot im September 1952 mit einem neuen Postulat vom Bundesrat einen neuen Bericht verlangte. Im Nationalrat wurde er kurz darauf, am 5. Dezember, vom Zürcher Vertreter des LdU, Alois Grendelmeier (1903–1983), sekundiert, der aber explizit neben der partiellen Verfassungsrevision auch die Möglichkeit einer Gesetzesänderung erwähnte. Beide Postulate wurden vom Bundesrat als erheblich entgegengenommen.