Kitabı oku: «Seewölfe Paket 19», sayfa 24

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„Gilbert“, sagte Nazario. „Jetzt hast du den Beweis. Sie suchen nach uns, überall. Sie forschen die Insel ab. Du hättest die Hure vielleicht doch nicht töten sollen.“

„Sie hätte alles verpfiffen“, sagte der Bretone. „Dieser Diego und die ganze Bande aus der ‚Schildkröte‘ hätten uns am nächsten Baum aufgeknüpft. Sie hätten sich mit Leichtigkeit zusammengereimt, daß die Queen uns geschickt hat und in Punta Gorda auf uns wartet. Das ist mit einem Todesurteil gleichzusetzen, kapierst du das nicht?“

„Natürlich kapiere ich“, erwiderte der Portugiese. „Aber sie veranstalten auch so eine Jagd auf uns.“

„Aber wir haben jetzt einen Vorsprung. Sie erwischen uns nicht. Sie geben auf, und dann kehren wir zum Hafen zurück, schnappen uns die Pinasse und hauen ab.“

„So einfach, wie du dir das vorstellst, ist das nicht.“

„Wir wissen alles, was wichtig ist, und den Rest quetschen wir aus diesem Hurensohn heraus. Er ist doch der große Haitöter, nicht wahr? Ich glaube, er hat vor einem Messer mehr Respekt als vor einem Hai.“ Sarraux lachte leise. „Hölle und Teufel, Joao, stell dir mal vor, wie das wird, wenn wir wieder in Punta Gorda sind und den ‚Escarabajo‘ betreten. Wir kriegen zwanzig Piaster, und die Black Queen und Caligula werden mit ihrem Lob nicht sparen. Wir kaufen uns einen Kahn mit zwei Masten, rüsten ihn aus und segeln auf eigene Faust durch die Karibik. Dann sind wir unsere eigenen Herren, und keiner kann uns was anhaben. Wir beide zusammen sind das richtige Duo. Uns kriegt keiner klein, und wir legen jeden Narren rein, der uns in die Quere gerät.“

Nazario grinste jetzt. „Du hast recht. Wir erledigen unseren Auftrag und sind fein raus. Ich habe mir eben zu viele Sorgen bereitet. Aber die Sache mit dem verdammten Weib ist mir an die Nieren gegangen.“

Sie erhoben sich und traten auf Joaquin Solimonte zu. Jetzt begann die Fragerei, und sie würden nicht zimperlich mit ihm umgehen. El Tiburon bereitete sich innerlich auf alle Arten der Folter vor, die es gab. Er konnte viel ertragen. Er schwor vor sich selbst, ihnen keine einzige Antwort zu geben.

10.

Nazario gab dem vermeintlich noch Bewußtlosen eine Ohrfeige, dann packte er ihn am Hemd und zog ihn ein Stück zu sich hoch. „Bist du wach, El Tiburon? Oder muß ich deinen verfluchten Schädel noch ein bißchen behandeln?“

„Ich bin wach“, erwiderte El Tiburon. „Und ich empfehle dir, mich loszubinden, du Drecksack. Ihr habt keine Chance. Ganz Tortuga wimmelt von euren Gegnern. Ihr habt einen schweren Fehler begangen, hierherzusegeln. Was seid ihr bloß für Narren!“

Nazario warf ihn zu Boden. El Tiburon verzog das Gesicht vor Schmerzen, aber er stöhnte nicht. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepreßt.

„Hör gut zu“, sagte Gilbert Sarraux. „Wir brauchen gar nicht groß herumzudiskutieren. Wir haben ein paar Fragen, und du wirst sie uns beantworten. Dann lassen wir dich laufen. Du hast mein Wort darauf.“

El Tiburon spuckte vor ihm aus. „Auf dein Wort pfeife ich. Ihr habt Esther umgebracht.“

Nazario trat ihm in die Seite, und plötzlich fühlte sich El Tiburon an damals erinnert, als er auf dem Deck der Piratengaleone Chagalls gelegen hatte.

„Hast du sie gefunden?“ fragte der Portugiese. „Bist du vielleicht ihr fester Freier?“

„Ich bin ein Mann, der zu kämpfen versteht“, erwiderte El Tiburon mit erzwungener Ruhe. „Binde mich los, und ich beweise es dir. Hast du Angst vor mir? Gib mir ein Messer, und schlage dich auf ehrliche Weise mit mir – Meuchelmörder!“

Wieder trat Nazario mit haßverzerrtem Gesicht zu, aber Sarraux glitt neben ihn und hielt ihn am Arm zurück. Sarraux ging in die Hocke und blickte El Tiburon an. „Ich habe das Mädchen getötet, damit du es weißt, und ich bereue es nicht. Du lebst auf Hispaniola, El Tiburon, und scheinst ein Bukanier von echtem Schrot und Korn zu sein. Warum begreifst du also nicht? Wir arbeiten im Auftrag eines zahlungskräftigen Kapitäns, der uns mit Gold entlohnen wird. Der Zweck heiligt die Mittel. Hättest du dich anders verhalten?“

„Ich bin für Intrigen nicht zu haben“, sagte El Tiburon verächtlich. „Wer ist euer Kapitän?“

„Das können wir dir leider nicht verraten“, erwiderte der Bretone. „Aber es tut auch nichts zur Sache. Sei vernünftig, Mann. Du kannst dir viel Ärger ersparen. Verrate, was du weißt. Keiner wird es erfahren, daß du gesungen hast.“

El Tiburon hütete sich, preiszugeben, daß er wußte, wer die Auftraggeberin der beiden war. Die Black Queen sandte ihre Spione nach Tortuga – dieses Geheimnis würde er vorerst für sich behalten. Vielleicht konnte er es später verwerten. Wenn die Queen nicht erfuhr, daß sie entlarvt war, konnte man sie in Punta Gorda überraschen.

„Was wollt ihr wissen?“ fragte El Tiburon.

„Siehst du, Joao“, sagte der Bretone. „Er wird vernünftig. Es sind nicht immer die rüden Methoden, die zum Erfolg führen.“ Er richtete seinen Blick wieder auf El Tiburon. „Wie viele Schiffe sind zur Schlangen-Insel zurückgesegelt?“

„Von welchen Schiffen sprichst du? Und was ist das – die Schlangen-Insel?“

„Du hast dich verschätzt, Gilbert“, sagte Nazario leise und drohend. „Er ist gerissener, als du angenommen hast. Er versucht, uns einzuseifen.“

„Vier Schiffe“, sagte der Bretone. „Nur die ‚Wappen von Kolberg‘ ist hier zurückgeblieben. Wohin sind die vier Kähne gesegelt?“

„Ich habe nicht die geringste Ahnung“, entgegnete El Tiburon.

„Wie viele Verluste hatte der Seewolf im Gefecht mit dem Verband der Black Queen?“ wollte Sarraux wissen. „Arne von Manteuffel und seine Bastarde von Decksleuten haben es dir bestimmt verraten.“

„Nein, ich weiß auch davon nichts.“

„Was soll mit den Siedlern von El Triunfo geschehen?“ fragte Sarraux.

„Frag die Siedler. Sie wissen es am besten. Ich kümmere mich nur um meine eigenen Angelegenheiten.“

„Ist etwas über die weiteren Pläne des Seewolfs durchgesickert? Was hat er jetzt vor?“ fragte Sarraux.

El Tiburon schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Ich kenne diesen Seewolf, von dem du dauernd sprichst, ja gar nicht.“

Nazario verlor die Geduld. Er stürzte sich auf El Tiburon, schlug auf ihn ein, bedrohte ihn mit dem Messer und wollte ihn verletzen. Er wurde von Sarraux gebremst, der seinerseits durch List zum Erfolg zu gelangen versuchte. Aber es nutzte alles nichts, sie konnten El Tiburon keine Information entlocken. Er blieb stumm wie ein Fisch.

Aber Nazario und Sarraux hatten in der „Schildkröte“ von der Totenrutsche gehört. Es war Nazarios Vorschlag, den Gefangenen dorthin zu schleppen.

„Keine Angst, dort sucht uns keiner“, sagte er zu seinem Kumpan. „Wenn wir diesen Hund erst mal auf die Rutsche setzen, wird er uns darum anbetteln, alles ausspucken zu dürfen, was er weiß.“

Die Totenrutsche war eine westlich des Hafens von Tortuga gelegene Steilklippe, in der sich eine glattgeschliffene, körperbreite Rille befand, die fast senkrecht zum Meer abfiel. Tote wurden hier ihrem Element übergeben – wer auf Tortuga starb, trat auf ihr seine letzte Reise an und sauste ins Meer. Das Untertauchen der Körper war für die Haie das Signal, daß es leichte Beute gab. Daran hatten sie sich seit Jahren gewöhnt.

Unbehelligt und ungesehen erreichten Sarraux und Nazario mit ihrem Gefangenen die Rille. Sie lösten seine Fuß fesseln, hielten ihn aber an Armen und Beinen fest und legten ihn in die Rille, aus der es kein Entkommen mehr gab. Wenn sie ihn losließen, half auch kein Halten und Festkrallen mehr.

„Sprich“, sagte Sarraux eindringlich. „Es ist deine letzte Chance, El Tiburon, sonst stirbst du.“

Den Tod vor Augen, entwickelte El Tiburon eine verwegene Art von Mut. Er lachte und erwiderte: „Tut, was ihr wollt. Ich bin kein Verräter. Ich zeige euch, wie ein Mann stirbt, ihr Ratten!“

Der Morgen graute bereits über Tortuga, und jetzt verloren die beiden Kerle die Geduld. Bei Tageslicht mußten sie sich wieder verstecken, sonst wurden sie unweigerlich entdeckt.

„So kriegen wir das nicht hin“, sagte Nazario. „Das hat alles keinen Zweck. Der Kerl ist stur wie ein Ochse, Gilbert. Suchen wir uns einen anderen Informanten. Einen von den Hunden, die nach uns suchen, erwischen wir schon noch.“

„Gut, einverstanden“, sagte der Bretone und grinste dem Spanier ins Gesicht. „Das hast du von deinem Starrsinn, du Ochse. Wir lassen dich zu den Haien sausen. Es ist uns egal. Männer wie du sind überflüssig.“

„Euch sind zu viele Fehler unterlaufen“, sagte El Tiburon. „Sie werden euch erwischen, verlaßt euch drauf.“

„Zeig uns doch mal, ob du deinen Beinamen wirklich verdienst“, zischte Nazario – und gab dem Bretonen das Zeichen.

Gleichzeitig ließen sie El Tiburon los. Er konnte sich nicht festhalten. Nur eins konnte er noch tun: Im Fallen entriß, er Nazario das Messer, das dieser in der Rechten hielt. Nazario fluchte und wollte es sich zurückholen, doch es war zu spät. El Tiburon raste die Totenrutsche hinunter und war nicht mehr aufzuhalten.

Er streckte die Beine weit von sich und hielt das Messer vor der Brust fest. So schoß er in die Tiefe und fühlte sich wieder an Chagall erinnert, der ihn den Haien zum Fraß vorgeworfen hatte.

Allein der Gedanke ließ seinen Haß und Zorn erneut aufflammen. War er eben noch etwas benommen gewesen, so wurde er jetzt hellwach. Er stieß ins Wasser, begann sofort zu schwimmen und versuchte, das Ufer zu erreichen.

Aber die Haie lagen bereits auf der Lauer – wie damals auf Hispaniola. El Tiburon hatte keine Chance, das rettende Ufer zu erreichen. Aber er war zum Kampf bereit, wild war sein Haß, und sein Rachedurst trieb ihn an. Wer war er denn? Eine Marionette, die sich vernichten ließ?

Nein, es genügte nicht, ihn ins Wasser zu werfen. Sein aufbrausendes Temperament verlieh ihm die Kraft, die er brauchte, vergessen waren die Schmerzen im Hinterkopf. Er würde sich an Sarraux und Nazario rächen – und auch das teuflische schwarze Weib würde er zur Strecke bringen! Er würde nicht eher ruhen, bis er sie gestellt hatte!

Ein Hai war heran. El Tiburon tauchte, entging mit knapper Not den zuschnappenden Zähnen, drehte sich und gelangte auf diese Weise unter den Bauch des Mörders. Ein erprobter und wirkungsvoller Trick – der Hai war für wenige Atemzüge irritiert und verlor die Orientierung. Haie konnten schlecht sehen, sie richteten sich, wie El Tiburon annahm, mehr nach ihrer Witterung.

Zweimal stach El Tiburon mit seinem erbeuteten Messer zu, dann brachte er sich mit drei Schwimmzügen aus der Reichweite des getroffenen Tieres, das wild mit der Schwanzflosse um sich schlug. Aber die Gefahr war nicht gebannt. Zwei, drei Schatten huschten heran, angelockt von dem Blut des Artgenossen.

Vor dem einen Hai konnte El Tiburon gerade noch sein rechtes Bein in Sicherheit bringen. Um ein Haar wäre es in dem heranschnellenden, aufklaffenden Rachen verschwunden. El Tiburon schauderte es allein bei dem Gedanken, aber er durfte nicht die Nerven verlieren.

Wieder drehte er sich mehrfach im Wasser, aber der Hai folgte ihm. Aufs Geratewohl stach El Tiburon zu, und er hatte Glück. Er traf das Maul des Hais und glaubte auch, sein eines Auge verletzt zu haben. Bevor ihn die Bestie erneut angreifen konnte, schwamm er von ihr weg, tauchte kurz auf, schnappte Luft und arbeitete sich näher ans Ufer heran.

Der dritte Hai! El Tiburon sah seine Rückenflosse nahen und tauchte wieder unter. Im milchigen Wasser, das von den ersten grauen Schleiern des Morgens erhellt wurde, sah er den Gegner deutlich genug vor sich. Diesmal schaffst du es nicht, sagte er sich, und unwillkürlich schloß er die Augen.

Dann aber riß er sie wieder auf, ließ den Hai heranschießen und wich ihm erst in letzter Sekunde aus. Das Wasser bremste jede Bewegung, aber El Tiburon war ein guter Taucher und kannte alle Tücken und Hindernisse des nassen Elements. Er wand sich wie ein Aal und entging um Haaresbreite dem ersten Biß.

Der Hai drehte sich, aber El Tiburon war neben ihm und nutzte die Gelegenheit Zweimal traf das Messer, El Tiburon stieß den Hai mit den Füßen von sich weg, riskierte noch einen Biß, hatte dann aber genug Freiheit. Er schwamm tauchend zum Ufer und konnte sich retten, weil die anderen Haie jetzt über ihre Artgenossen herfielen.

El Tiburon langte unter einem Felsenüberhang am unwegsamen Ufer an. Hier konnten die Mörder ihn nicht mehr erreichen – weder die im Wasser noch die mit zwei Beinen, die oben an der Totenrutsche nach ihm Ausschau hielten. El Tiburon hatte Zeit, zu verschnaufen. Er hütete sich, jetzt schon nach oben zu klettern. Er wußte, daß Sarraux und Nazario dort lauerten.

So war es auch: Der Portugiese und der Bretone spähten immer noch ins Wasser. Aber sie hatten einen entscheidenden Denkfehler begangen. Sie nahmen an, El Tiburon wäre allein gewesen, als er den Hohlweg betreten hatte.

Pedro, der Kleine, war inzwischen nicht untätig gewesen. Er hatte vergeblich auf seinen Partner gewartet und schließlich die anderen Männer alarmiert, die die Insel nach den Gesuchten abforschten.

Einer der Siedler von El Triunfo war sicher, auf dem Felsen der Totenrutsche eine Bewegung bemerkt zu haben. Der Rest ergab sich: Ein Trupp von zornigen Männern unter der Führung von Carlos Rivero tauchte in diesem Moment auf der Steilklippe auf – hinter dem Rücken der beiden Spione.

Sarraux und Nazario wandten sich erst um, als sie die Hähne von Musketen und Pistolen hinter sich knacken hörten. Entsetzt blickten sie auf die Gruppe von etwa zwanzig Männern, die sich auf dem Felsen versammelt hatte. Drohend waren die Waffen auf sie gerichtet.

„Wagt nicht, zu den Waffen zu greifen“, sagte Carlos. „Es wäre euer Tod.“

„Was wollt ihr von uns?“ fragte Sarraux mit scheinheiliger Miene. „Wir sehen uns hier nur die Gegend an. Ist das verboten?“

„Gib dir keine Mühe“, sagte Pedro. „Wir wissen alles. Ihr habt Esther umgebracht. Wo ist El Tiburon?“

„Wer ist denn das?“ fragte Nazario.

„Abführen, die Kerle“, sagte Carlos. „Wir unterhalten uns in der ‚Schildkröte‘ ausführlich mit ihnen.“

Die Gruppe setzte sich in Bewegung, Sarraux und der Portugiese wurden in die Mitte genommen. Pedro und zwei andere Männer suchten die Umgebung nach Joaquin Solimonte ab, aber sie konnten ihn nirgends finden. Am Ende fügten sie sich der erschütternden Einsicht: Nazario und Sarraux hatten El Tiburon über die Totenrutsche ins Jenseits befördert. Er hatte es nicht überlebt, wie es schon anderen vor ihm ergangen war.

Alle waren auf den Beinen, alles traf sich in der „Schildkröte“. Auch Arne von Manteuffel war jetzt zugegen. Die Ankerwache an Bord der „Wappen von Kolberg“ hatte gemeldet, daß im Hafen etwas nicht in Ordnung wäre. Daraufhin hatte sich Arne mit dem Beiboot übersetzen lassen und wohnte jetzt der Szene bei, die sich im zunehmenden Licht des Tages abspielte.

Anklagend deutete Diego auf Nazario und Sarraux. „Sie sind die Mörder! Wir werden Gericht über sie halten und sie aburteilen!“

„Ich stelle den Antrag, Arne von Manteuffel als Beisitzer für die Verhandlung zu wählen“, sagte Willem Tomdijk.

Die Männer und die Mädchen redeten aufgeregt durcheinander. Es gab niemanden, der einen Einwand hatte.

Arne von Manteuffel trat in die Mitte des Kreises, der sich gebildet hatte und fragte: „Wie lautet die Anklage?“

„Doppelter Mord“, erwiderte Carlos Rivero. „Diese Männer, Gilbert Sarraux und Joao Nazario, haben Esther getötet. Und sie haben auch El Tiburon auf dem Gewissen. Sie haben ihn von der Totenrutsche in die See gestoßen.“

„Lüge!“ schrie Nazario. „Ihr braucht wohl einen Sündenbock, was? Wir haben damit nichts zu tun!“

„Wir sind unschuldig!“ rief auch Sarraux. „Da kann nur eine Verwechslung vorliegen!“

Aber die Angst hatte sie beide gepackt; Sie wußten, daß die Fakten gegen sie sprachen. Die Verhandlung begann, und man würde sie beider Morde überführen und für schuldig erklären. Jetzt mußten sie doch sterben, denn nur so konnte das Urteil lauten. Sie begriffen, daß sie den Gegner gründlich unterschätzt hatten, aber die Einsicht erfolgte zu spät. Sie saßen in der Falle, es gab kein Entweichen mehr.

El Tiburon ahnte unterdessen nichts von der Entwicklung der Dinge. Nach wie vor hockte er unter dem Felsenüberhang und wartete auf die Gelegenheit, nach oben aufsteigen zu können.

Was würde die nahe Zukunft bringen? Er wußte es. Er würde nicht ruhen, bis er die Black Queen gefunden und sich an ihr gerächt hatte. Denn sie war an allem schuld. Man mußte die Wurzel des Übels vernichten. Er, El Tiburon, schwor sich, die Black Queen zu töten …

ENDE


Roy Palmer

Rivalen auf Leben und Tod

1.

Joaquin Solimonte, genannt „El Tiburon“, war mit knapper Not dem drohenden Tod entronnen. Es war nicht das erste Mal in seinem bewegten Leben, daß er gegen die freßgierigen Mörder kämpfte. Doch wieder – wie damals vor zwei Jahren auf Hispaniola – hatte ihn das Ereignis arg mitgenommen. Schwer atmend kauerte er unter dem Felsenüberhang, unter den er sich gerettet hatte, und blickte wie in Trance auf die Wasserfläche unterhalb der Totenrutsche von Tortuga.

Drei Haie – wie damals in der kleinen Bucht westlich von Cabo Samaná! Die toten Tiere waren verschwunden, ihre Artgenossen hatten sie im Blutrausch angefallen und verschlungen. Wie sich die Dinge im Leben gleichen, dachte El Tiburon.

Sein Mund verzog sich zu einem harten Grinsen. Selbstironie: Der Beiname schien ihm wie ein Fluch anzuhaften. Die Haie verfolgten ihn im Traum. Aber es gab einen noch gefährlicheren Gegner, der jetzt zu seinem Todfeind geworden war – die Black Queen.

Ihr hatte er dies alles zu verdanken. Er würde sie suchen und finden – und sich an ihr rächen, denn sie hatte die Spione Gilbert Sarraux und Joao Nazario nach Tortuga geschickt.

Diese beiden waren es gewesen, die ihn festgenommen und brutal verhört hatten. Er wünschte ihnen die Pest an den Hals, aber er wußte, daß er das Übel an seiner Wurzel packen mußte.

Sarraux und Nazario würden von den Männern von Tortuga gestellt werden, sie konnten nicht mehr fliehen. Er aber, Joaquin, mußte die Black Queen finden und stellen, bevor sie über die Vorfälle auf Tortuga unterrichtet wurde. Dieses Vorhaben erschien ihm vordringlich, und daher faßte er einen impulsiven, zornigen Entschluß.

Er hatte Stimmen über sich an der Totenrutsche vernommen, jetzt aber waren sie verstummt. Der Bretone und der Portugiese hatten noch eine Weile nach ihm Ausschau gehalten, vielleicht hatten sich auch noch Helfershelfer zu ihnen gesellt. Inzwischen aber waren sie wohl davon überzeugt, daß ihr Opfer des ihm zugedachten grausamen Todes gestorben war, und sie hatten sich zurückgezogen.

Welchen Sinn hatte es, in den Felsen aufzusteigen und nach ihnen zu suchen? El Tiburon überließ die Kerle dem Haß der Männer: Diego, Carlos Rivero, Pedro, Willem Tomdijk und alle anderen würden nicht eher ruhen, bis sie die beiden Spione gefangengenommen hatten. Für Sarraux und Nazario gab es kein Entweichen mehr: Ihre Pinasse war requiriert, jeder Fluchtweg abgeschnitten. Sie waren den Suchtrupps, die überall auf der Insel nach ihnen forschten, ausgeliefert.

El Tiburon verließ sein Versteck und schlich zu einer abseits gelegenen Bucht. Wert auf menschliche Gesellschaft legte er jetzt nicht. Gewiß, er hätte Diego, Rivero, von Manteuffel, O’Brien, dem kleinen Pedro und all den anderen wohl erklären müssen, was vorgefallen war. Sie sorgten sich um ihn und wußten nicht einmal, ob er noch lebte. Aber er verlor damit nur Zeit. Er mußte die Black Queen erwischen, bevor sie etwas von der Entlarvung des Bretonen und des Portugiesen ahnte und möglicherweise von Hispaniola floh.

Punta Gorda – dort wartete sie auf Sarraux und Nazario. El Tiburon hatte es erlauscht, als die beiden Kerle angenommen hatten, er wäre noch bewußtlos. Die Zeit war sein Trumpf. Er mußte Hispaniola so schnell wie möglich erreichen.

El Tiburon hatte kein eigenes Schiff oder Boot. Er war mit einem Fischer nach Tortuga gesegelt. Ursprünglich hatte er vorgehabt, hier einige Wochen zu verbringen, weil es für ihn Verschiedenes zu erledigen gab. Jetzt aber drängte es ihn zurück zu der großen Insel, die seine Heimat geworden war. Sein Revier: Die Black Queen würde noch bereuen, dort gelandet zu sein.

Er wollte sie töten. Aber es waren nicht nur die persönlichen Rachegedanken, die ihn dazu trieben. Es steckte mehr dahinter. Die Queen wollte die Macht in der Karibik an sich reißen. Aber Männer wie Joaquin Solimonte duldeten sie nicht, sie akzeptierten nur einen Philip Hasard Killigrew, Jean Ribault, Siri-Tong, Thorfin Njal, Arne von Manteuffel oder Jerry Reeves – Kapitäne eben, die keine Herrschaftsansprüche stellten.

El Tiburon war ein freier Siedler, ein Bukanier. Er wollte keine Diktatur und sich keinem Gesetz beugen. Dafür lebte und kämpfte er. Wenn eine skrupellose und gnadenlose Frau wie die Black Queen Tortuga und Hispaniola eroberte, war es aus mit dem sorglosen Dasein.

Diese Überlegungen bestimmten die Entschlossenheit seines Handelns. Er langte an der abgelegenen Bucht an und fand hier keinen Menschen vor. Er wußte jedoch, daß unter den Mangroven und dem spanischen Moos, das hier wucherte, ein kleines Fischerboot versteckt lag. Zielstrebig eilte er darauf zu, löste die Leinen und schob es in tieferes Wasser.

Es widerstrebte ihm, den Fischer um sein Boot zu betrügen, aber er wußte keinen anderen Weg. Später, wenn er zurückkehrte, würde er den Mann für den kurzfristigen Verlust seines Fahrzeugs entlohnen.

El Tiburon stieg an Bord, setzte das Segel und ging auf Kurs. Das Boot glitt aus der Bucht und nahm Fahrt auf. Es war klein, aber relativ schnell und wendig. Die See war ruhig und wurde nur von einer flachen Dünung gekräuselt, der Wind wehte aus Nordosten.

El Tiburon wußte, daß die Überfahrt zur nahen Küste von Hispaniola nicht lange dauern würde. Mit einem Schlechterwerden von Wind und Wetter war in den nächsten Stunden nicht zu rechnen, kein Anzeichen deutete darauf hin.

Unablässig hielt El Tiburon nach allen Seiten Ausschau. Er hatte in der Buglast des Bootes einen Kieker gefunden und benutzte ihn, um die Kimm abzusuchen. Vorläufig zeigte sich kein anderes Boot und kein Schiff. Er schien allein zu sein auf der Welt. Tortuga blieb achteraus liegen und schrumpfte bald zu einer grauschwarzen Silhouette zusammen, die sich nur unbedeutend über die Wasserlinie hinausschob.

Noch einmal überlegte El Tiburon, ob es nicht besser gewesen wäre, mit Arne, Diego, Willem und Carlos zu sprechen. Aber die Besprechung hätte ihn wertvolle Zeit gekostet. Sie würden ohnehin noch erfahren, wer die Auftraggeberin von Sarraux und Nazario war und wo sie sie zu suchen hatten. Irgendwann würden sie die Kerle fangen und zum Sprechen bringen. Dann würde sicher auch Arne von Manteuffel nach Hispaniola aufbrechen.

Er aber, El Tiburon, wollte der erste sein, der die Black Queen stellte und mit ihr abrechnete. Wie konnte er sie am besten überrumpeln? Er mußte es mit einer List versuchen. Wenn es ihm gelang, ihr Vertrauen zu erschleichen, war der Schlag, den er ihr anschließend versetzte, empfindlicher.

El Tiburon ließ sich auf der Heckducht des Fischerbootes nieder und bediente die Ruderpinne. Sein Blick war geradeaus gerichtet. Er dachte nach, und ein Plan nahm in seinem Geist Gestalt an.

Die Verhandlung gegen Gilbert Sarraux und Joao Nazario fand in der „Schildkröte“ statt. Schon viel eher, als sich Joaquin Solimonte ausrechnete, waren die beiden feindlichen Agenten an der Totenrutsche gefaßt worden. Wären El Tiburon diese Zusammenhänge bekannt gewesen, hätte er seine Pläne vielleicht doch geändert und mit Willem Tomdijk, Arne von Manteuffel und Carlos Rivero gesprochen, bevor er etwas unternahm. Doch die Dinge nahmen ihren Lauf und ließen sich weder aufhalten noch beeinflussen.

Willem Tomdijk war zum Richter, Arne von Manteuffel zum ersten Beisitzer gewählt worden. Alles, was Beine hatte auf Tortuga, war zu dem Gerichtstermin erschienen. Ein zweiter und dritter Beisitzer waren rasch ausgesucht: Diego und Carlos Rivero nahmen neben dem dicken Willem und dem Vetter des Seewolfs Platz.

Sarraux und Nazario mußten in die Mitte der Versammlung treten. Pedro und der grauhaarige Engländer aus Northumbria mußten Manon zurückhalten, als sie sich auf die Angeklagten stürzen und auf sie einschlagen wollte. Manch einer hätte gern Selbstjustiz geübt, die Stimmung war drohend.

Der Bretone und der Portugiese schienen in sich zusammenzukriechen. Sie hatten jetzt Angst. Sarraux’ Blick war flackernd, Nazario kaute ununterbrochen auf der Unterlippe herum.

Willem Tomdijk eröffnete die Verhandlung. Eine Veränderung schien sich an ihm vollzogen zu haben. Er war nicht mehr der gutmütige Dicke, den er sonst gern zur Schau stellte. Der Blick seiner schmutziggrauen Augen war kalt, seine Miene starr und etwas verkniffen.

Völlig reglos hockte er da und sagte: „Noch einmal: Die Anklage lautet auf Doppelmord. Ihr beiden, Sarraux und Nazario, habt das Mädchen Esther und den Spanier Joaquin Solimonte, genannt El Tiburon, brutal umgebracht. Gesteht endlich! Gebt es zu! Ihr habt keine Chance, es abzustreiten!“

„Wer behauptet denn, daß wir mit diesem El Tiburon überhaupt etwas zu tun hatten?“ fragte Nazario.

„Ich!“ schrie Pedro. „Ich habe ihn überall gesucht und nicht gefunden! Dann haben wir euch Hundesöhne an der Totenrutsche erwischt! Ihr habt ihn runtersausen lassen, das ist völlig klar!“

„Es wäre besser gewesen, die beiden gleich hinterherzustoßen!“ rief Manon.

Willem Tomdijk schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. Es gab einen scharfen, knallenden Laut, und der Tisch begann bedrohlich zu wackeln.

„Ruhe!“ sagte er laut. „Reden darf nur, wer etwas gefragt wird. Zuwiderhandlungen werden geahndet.“

Stille trat ein. Die meisten Männer und auch die Mädchen aus Paris fragten sich, warum mit den Spionen soviel Aufhebens gemacht wurde. Das beste wäre doch wohl gewesen, sie nach draußen zu schleppen und am nächsten Baum aufzuknüpfen.

Aber Willem, Arne, Carlos, O’Brien und sogar Diego waren anderer Meinung. Fair sollte es zugehen, eine ordentliche Gerichtsverhandlung hatte auch der letzte Lumpenhund verdient. Willem fixierte den Portugiesen.

„Was hast du also zu deiner Verteidigung zu sagen?“ fragte er.

„Daß wir El Tiburon nicht getötet haben“, erwiderte Nazario. „Zeigt uns die Leiche. Ohne Leiche kein Mord. Überhaupt – ich glaube nicht, daß er tot ist.“ In Wirklichkeit war er davon überzeugt, aber Sarraux und er hatten El Tiburon nicht mehr gesehen, nachdem sie ihn von der Totenrutsche gestoßen hatten. Es war anzunehmen, daß die Haie den Mann zerrissen und gefressen hatten.

„El Tiburon ist überall gesucht worden“, erklärte Diego. „Ohne Erfolg. Er ist verschwunden. Das viele Blut im Wasser unterhalb der Totenrutsche kann nur eins bedeuten: Die Haie haben ihn getötet. Diesmal war er nicht schnell genug.“

Wieder drohte Unruhe aufzukeimen, aber Willem Tomdijk behauptete sich in seiner Rolle als Richter. Er verstand es, sich den nötigen Respekt zu verschaffen. Das begriffen auch die Angeklagten – und Sarraux begann, den dicken Mann zu fürchten. Er hatte gehofft, sich herausreden zu können, begriff aber, daß dieser Tomdijk in keiner Weise zu beeinflussen war.

„Beschränken wir uns vorerst auf den Mord an Esther“, sagte Willem. „Joao Nazario, du hast mit ihr eine Liebesnacht verbracht, dafür gibt es mehr als einen Zeugen. Im Gespräch mit dir hat sie begriffen, daß du ein Spion bist, hat dir einen Schlaftrunk verabreicht und wollte uns benachrichtigen. Aber irgend etwas hat nicht geklappt. Du hast sie überrascht und getötet.“

„Nein.“ Nazario vermied es, die Umstehenden anzuschauen. Schon gar nicht mochte er zu dem Platz blicken, an dem Esther bis vor kurzem noch aufgebahrt gewesen war. Inzwischen war sie von ihren Freundinnen bestattet worden, doch vier Kerzen brannten noch in der Nische der Kneipengrotte, in der alle ihr die letzte Ehre erwiesen hatten. „Nein“, wiederholte er. „Ich war es nicht. Ich wollte sie festhalten, aber sie ist gestolpert und …“

„Und hat sich den Kopf gestoßen. An einem Stein“, fuhr Sarraux fort.

„Und dabei hat sie sich so unglücklich gedreht, daß sie auf ein verkehrt herum in den Boden gerammtes Messer gefallen ist“, sagte Diego höhnisch. „Nur so kann sie sich die schwere Wunde zugezogen haben, oder?“

Die Last der Beweise war erdrückend. Willem, Arne, Diego und Carlos sprachen auf die Gefangenen ein, mal beschwörend, mal drohend und zornig. Schließlich war es Gilbert Sarraux, der als erster einsah, daß alles Leugnen keinen Sinn mehr hatte. Seine Miene nahm, gut gespielt, einen weinerlichen Ausdruck an. Dabei sah er mitleidheischend zu Willem.

„Was ist, wenn wir gestehen und – alles erzählen?“ fragte er. „Kriegen wir dann – mildernde Umstände?“

„Nein“, erwiderte Willem kalt. „Das Gericht läßt nicht mit sich feilschen. Mord bleibt Mord.“

„Hier wird nur beschlossen, auf welche Art ihr sterben werdet“, sagte Arne von Manteuffel.

„Manon hat recht“, sagte Diego. „Die Totenrutsche wäre genau das richtige für die Hunde.“

Joao Nazarios Gesicht wurde kalkweiß. „Nein! Das könnt ihr nicht mit uns tun! Das ist – ungesetzlich!“

„Wir bestimmen, welches Gesetz auf Tortuga gilt“, sagte Carlos Rivero. „Ich denke, im Namen aller Anwesenden zu sprechen und die richtige Definition gewählt zu haben.“

„Richtig!“ schrie die Versammlung.

„Ich war es!“ stieß Sarraux mit schriller Stimme hervor. „Ja, ich! Ich habe das Mädchen ertappt, als mein Freund besinnungslos am Boden lag! Ich …“

„Ich räche dich, Esther!“ schrie Manon. Sie hatte ein Messer an sich gerissen und wollte sich damit auf den Bretonen stürzen, doch wieder waren es die Männer, die geistesgegenwärtig genug waren und sie zurückhielten.